Change!

Buch Change!

20 Fallstudien zu Sanierung, Turnaround, Prozessoptimierung, Reorganisation und Kulturveränderung

Schäffer-Poeschel,
Erstausgabe:2010


Rezension

Wen würde die Nachricht, dass das Unternehmen, für das er arbeitet, komplett re­or­gan­isiert oder strategisch neu aus­gerichtet wird, nicht verängstigen? Sofort kommen Fragen auf: Bleibt der eigene Ar­beit­splatz erhalten? Was wird sich für den Einzelnen ändern? Werden diese Fragen nicht rechtzeitig beantwortet und die Betroffenen nicht mit einbezogen, wird aus der Angst Ärgernis; und das kann den ganzen Prozess gefährden. Change-Man­age­ment-Ex­perte Winfried Berner weist auf die Stolper­steine im Veränderung­sprozess hin und zeigt anhand von Fallstudien, wie sie zu umgehen sind. Dabei plaudert er sich meist recht munter, manchmal auch etwas zähflüssiger, durch allerhand Kulturveränderungs- und Op­ti­mierung­spro­jekte, aus­gewach­sene Pro­jek­tkrisen und gelungene Turnarounds. Die wichtigsten Aussagen sind am Ende der Kapitel übersichtlich zusam­menge­fasst; sonstige Hil­festel­lun­gen, z. B. Checklisten, fehlen allerdings weitgehend. BooksInShort empfiehlt das Buch allen Un­ternehmens­ber­atern und Managern, die Sanierungen, Re­or­gan­i­sa­tio­nen, Strategieänderungen und Prozes­sop­ti­mierun­gen in Unternehmen durchsetzen müssen.

Take-aways

  • Unternehmen im Veränderung­sprozess sind verwundbar und bieten damit Angriffsfläche.
  • Stimmen Sie die Startbe­din­gun­gen des Change-Pro­jekts mit allen Beteiligten ab.
  • Auf Veränderung­spro­jekte reagieren Mitarbeiter meist mit Angst und Widerstand.
  • Bevor das Kernproblem einer Pro­jek­tkrise gelöst werden kann, müssen Sie die Strohfeuer löschen.
  • Eine Kulturveränderung gelingt nur dann, wenn die Mitarbeiter die Gründe für die Änderung sehen und begreifen.
  • Als Change-Man­ager müssen Sie auch die Auf­tragge­ber des Veränderung­sprozesses beraten, um sie vor Führungs­fehlern zu bewahren.
  • Bei Kündi­gungswellen droht eine Überlastung der verbliebe­nen Mitarbeiter.
  • Bedingung für eine er­fol­gre­iche Sanierung ist eine offene Kom­mu­nika­tion ohne Beschönigungen.
  • Wenn noch keine In­for­ma­tio­nen bere­it­ste­hen, ist Prozesskom­mu­nika­tion gefragt.
  • Be­har­rlichkeit ist der Schlüssel zu einem er­fol­gre­ichen Veränderung­sprozess.
 

Zusammenfassung

Veränderung in komplexen sozialen Systemen

Unternehmen sind komplexe soziale Systeme. Sie müssen sich ändern, um erfolgreich zu bleiben. Ein Wandel wirkt sich direkt auf die Mitglieder der Or­gan­i­sa­tion aus – die entsprechend geführt werden müssen. Die alten Rezepte greifen hier oft nicht mehr. Beispiel autoritäres Führungsver­hal­ten: Was für unsere Eltern und Großeltern noch Teil eines tradierten Wertesys­tems war, ist heute völlig fehl am Platz. Mitarbeiter müssen ins Boot geholt und emotional auf die Veränderung eingestimmt werden. Ein Change-Man­ager muss deshalb nicht zuletzt die Auf­tragge­ber des Veränderung­sprozesses beraten, um sie vor den eigenen Führungs­fehlern zu bewahren.

„Die Evolution hatte schlicht nicht genug Zeit, uns mit Programmen auszus­tat­ten, um Veränderung­sprozesse in komplexen sozialen Systemen zu managen.“

Dem Top­man­age­ment kommt bei Veränderungsvorhaben wie einem Per­son­al­ab­bau, einer Fusion, einer Re­or­gan­i­sa­tion oder der Im­ple­men­tierung einer neuen Un­ternehmensstrate­gie eine zentrale Rolle zu. Alle Strategien sind nichts wert, wenn sie nicht konsequent umgesetzt werden. Dazu ist die Unterstützung der Mitarbeiter notwendig. Diese reagieren auf Veränderung­spro­jekte aber meist mit Angst und Reaktanz, einer Mischung aus Unwillen, abwehrendem Verhalten und Trotzreak­tion. Das Management muss den verun­sicherten Mi­tar­beit­ern Ori­en­tierung geben und im Vorfeld beurteilen, wie heftig die Reaktionen ausfallen werden. Wie hoch die Wellen schlagen, hängt auch davon ab, welche Erfahrungen eine Or­gan­i­sa­tion in der Ver­gan­gen­heit mit Veränderung­spro­jek­ten gemacht hat und wie mächtig die Geschäftsleitung ist.

Fallstudie: Change-Man­age­ment unter Wet­tbe­werb­s­druck

Sie arbeiten für einen Keramikher­steller, der mit 24 % Marktanteil Branchenführer ist. Ihre beiden Wet­tbe­wer­ber mit 17 bzw. 13 % Marktanteil wollen fusionieren. Gelingt dies, setzt sich der neue Konzern an die Spitze. Sie müssen handeln. Nutzen Sie das so genannte „Fenster der Ver­wund­barkeit“, das sich nun auftut. Die beiden Unternehmen kümmern sich um die Fusion und sind daher nur eingeschränkt handlungsfähig. Es ist nicht ethisch verwerflich, wenn Sie nun versuchen, Mark­tan­teile zu gewinnen – solange Sie sich nicht primär darauf konzen­tri­eren, den Wet­tbe­wer­bern mit unlauteren Methoden zu schaden. Umgekehrt gilt: Sind Sie selbst von einer Fusion betroffen, besprechen Sie sich rasch mit Ihren Mi­tar­beit­ern, Lieferanten und Kunden. Wenn Sie auf endgültige Antworten warten und Ihre Leute zu lange im Ungewissen lassen, werden die Mitbewerber Ihre Ver­wund­barkeit ausnutzen und Ihnen Leistungsträger, Schlüssel­liefer­an­ten und Kunden abspenstig machen.

Fallstudie: Pro­jek­tkrise

Die Geschäftsführung eines Un­ternehmens beauftragt eine interne Pro­jek­t­gruppe, bestehend aus Nachwuchskräften, mit der Analyse von Prozessen im Unternehmen. Als die daraus re­sul­tieren­den Verbesserungsvorschläge in der Leitungskon­ferenz präsentiert werden, reagieren al­teinge­sessene Führungskräfte feindselig und zerfetzen die Vorschläge in der Luft. Der Betriebsrat verlangt empört In­for­ma­tio­nen über die Ra­tio­nal­isierungsmaßnahmen. Das Projekt droht zu scheitern, bevor es überhaupt richtig begonnen hat. Das Team ist de­mor­al­isiert, Enttäuschung macht sich breit.

„Im Unterschied zu Beton, Stahl und Pro­gramm­codes machen sich Menschen ihre Gedanken über das, was auf sie zukommt oder auf sie zukommen könnte. Dies löst Emotionen aus, allen voran Ängste und Abwehr.“

Obwohl das Kernproblem vermutlich im verletzten Stolz der mittleren Führungsebene liegt, die quasi vor vollendete Tatsachen gestellt worden ist, müssen Sie zuerst die Fol­geprob­leme lösen, die wie Brände rasch um sich greifen. Suchen Sie das Gespräch mit dem Betriebsrat, machen Sie ihm den Hand­lungs­be­darf bewusst, präsentieren Sie ihm die Lösungsvorschläge und die Einwände dagegen und vermitteln Sie einen Einblick in die weitere Vorge­hensweise. Informieren Sie also den Betriebsrat, aber lassen Sie sich nicht dazu drängen, ihm mehr Mitbes­tim­mungsrechte einzuräumen, als ihm zustehen. Erläutern Sie auch dem Projektteam, wie Ihr weiterer Plan aussieht. Verläuft das Projekt im Sand, wird nicht nur die Geschäftsführung unglaubwürdig: Mangels williger und motivierter Pro­jek­t­mi­tar­beiter können auch künftige Projekte dieser Art nicht mehr durchgeführt werden.

„Stellen Sie sich bei allen Change-Prozessen darauf ein, dass Ihnen der Wettbewerb keine Pause gewähren wird, bis Sie fertig sind.“

Das mittlere Management zeigt eine starke Reaktanz: Offenbar herrscht das Gefühl vor, ausgebootet zu werden. Die Geschäftsleitung ist scheinbar führungss­chwach, denn sonst wäre eine solche Reaktion in der Leitungskon­ferenz undenkbar gewesen. Bevor Sie aber vorschnell als Geschäftsführer zurücktreten oder die Anstifter im mittleren Management feuern, führen Sie sich Ihr Ziel noch einmal vor Augen: Sie möchten den Beziehungskon­flikt mit den Führungskräften beilegen und Maßnahmen zur Prozes­sop­ti­mierung in Ihrem Unternehmen umsetzen. Erklären Sie dem mittleren Management den Veränderungs­be­darf. Erkennen Sie an, dass es dessen Aufgabe ist, kon­struk­tive Kritik zu üben und Lösungsvorschläge zu hin­ter­fra­gen. Räumen Sie Ihren Fehler ein, der mittleren Ebene keine Möglichkeit gegeben zu haben, Beiträge zur Lösungs­find­ung zu leisten. Gle­ichzeitig verurteilen Sie aber die Art und Weise, wie die Leitungskon­ferenz die Pro­jek­t­gruppe behandelt hat.

Fallstudie: Kulturveränderung

Die Kultur des Un­ternehmens sei veränderungsbedürftig, befindet der neue Vor­standsvor­sitzende. Als er den 34 Mitgliedern der obersten Führungsriege vorschlägt, von einem Projektteam ein neues Leitbild ausarbeiten zu lassen, wertet er deren Schweigen als Zustimmung. Die Pro­jek­t­gruppe macht sich flugs an Werk. Schließlich setzt das Management unter Zeitdruck seine Un­ter­schrift unter das neu formulierte Leitbild und versendet es an alle Mitarbeiter. Doch was dann? Weil ein schlüssiges Um­set­zungskonzept und das nötige Interesse der Mitarbeiter fehlen, drohen Kulturveränderung­spro­jekte wie dieses oft sanft zu entschlafen. Die Erstellung des neuen Leitbildes war ein Non-Event, zu einer dauerhaften Verhaltensänderung kommt es nicht. Der Vor­standsvor­sitzende hat sich gleich mehrere böse Schnitzer erlaubt:

  • Er verurteilte die gesamte bestehende Un­ternehmen­skul­tur, wodurch er das al­teinge­sessene Management vor den Kopf stieß. Besser hätte er sich auf einige wenige Veränderungss­chw­er­punkte konzen­tri­ert, die sich tatsächlich auf den Un­ternehmenser­folg auswirken.
  • Kulturveränderung­spro­jekte sind Chefsache. Sie dürfen sie niemals einfach einem Projektteam übergeben.
  • Das Leitbild ist schwammig formuliert. Auch hier gilt: Schw­er­punkte setzen!
  • Der Prozess wurde nicht zu Ende gedacht. Nach der Ve­r­ab­schiedung des Leitbildes blieb nichts als ein großes Frageze­ichen. Hochglanzbroschüren, Newsletter und Mi­tar­beit­er­ver­anstal­tun­gen reichen nicht aus, um eine Verhaltensänderung des Personals zu bewirken. Die Mitarbeiter wollen gute Gründe, warum sie sich so und nicht anders verhalten sollen. Die Antworten auf diese Fragen dienen als Grundlage für einen Maßnahmen- und Zeitplan, der regelmäßig überwacht wird.

Fallstudie: Turnaround/Sanierung

Ein Chemie­un­ternehmen er­wirtschaftet seit einigen Jahren Verluste. Ein Jahr noch könnte der neue Geschäftsführer die Firma über Wasser halten, nicht zuletzt dank der Bere­itschaft des Be­trieb­srats, einer Streichung des Wei­h­nachts­geldes zuzustimmen. Ein Be­ratung­sun­ternehmen legt ein Sanierungskonzept vor, dem zufolge ein Viertel der Mitarbeiter entlassen werden muss.

„Gut anfangen kann jeder. Die Kunst besteht darin, begonnene Veränderungsvorhaben auch gut fort- und schließlich zu einem guten Ende zu führen.“

Als Geschäftsführer dieses Un­ternehmens sollten Sie jetzt Folgendes tun: Kom­mu­nizieren Sie offen, um wilden Gerüchten vorzubeugen. Das ist leichter gesagt als getan. Wenn noch keine Details feststehen, klären Sie alle Betroffenen zumindest über die weitere Vorge­hensweise und den Zeitplan auf. Hiob­s­botschaften sollten die Mitarbeiter von der Geschäftsführung direkt erfahren – am besten am späten Vormittag. Keinesfalls ersetzt die E-Mail oder die Haus­mit­teilung das persönliche Gespräch. Bereiten Sie Antworten auf die zu erwarteten Fragen vor und beschönigen Sie nichts. Stellen Sie nach den Kündi­gungs­ge­sprächen zwischen den Mi­tar­beit­ern und ihren jeweiligen Vorge­set­zten – die dafür speziell geschult werden sollten – In­for­ma­tion­s­ma­te­r­ial zu Abfind­ungspaketen und zur sozialen Abfederung bereit. Bieten Sie immer auch ein zweites Gespräch an, damit der betroffene Mitarbeiter nach dem ersten Schock noch einmal in Ruhe Details erfragen kann.

„Im Change-Man­age­ment kann das Prinzip nur lauten: Entweder ganz oder gar nicht.“

Bemühen Sie sich um Glaubwürdigkeit beim Betriebsrat, etwa indem Sie ihm einen Platz im Lenkungsauss­chuss der Sanierung anbieten. Ist der Betriebsrat nämlich verärgert, könnte er den Prozess erheblich behindern – aufhalten allerdings kann er ihn nicht. Vergessen Sie auch die verbliebe­nen Mitarbeiter nicht. Sie werden nun stärker gefordert sein als bisher und haben u. U. Gewis­sens­bisse, weil es ihren Kollegen nicht so gut erging wie ihnen. Damit die Belastung nicht zum Burn-out führt und sich Fehler an Fehler reihen, müssen Prozesse effizienter werden. Prüfen Sie alle Ar­beit­sauf­gaben dahingehend, ob sie stark vereinfacht oder vielleicht sogar gestrichen werden können. Die dafür notwendige Außen­per­spek­tive kann ein externer Berater einnehmen.

15 Leitlinien für er­fol­gre­iche Change-Man­ager

Als Change-Man­ager sollten Sie diese Regeln beachten:

  1. Dass In­for­ma­tio­nen unvollständig sind oder einseitig in­ter­pretiert werden, ist normal. Machen Sie sich daher die Rah­menbe­din­gun­gen und Machtverhältnisse im Unternehmen bewusst, stimmen Sie die Startbe­din­gun­gen des Change-Pro­jekts mit allen Beteiligten ab und besprechen Sie Vorschläge mit dem Auf­tragge­ber.
  2. Da auch Ihre eigenen Erfahrungen und Charak­tereigen­schaften Ihre Wahrnehmung verzerren, müssen Sie sich Ihre Gefühle und Bewertungen bewusst machen.
  3. Stehen Sie der Or­gan­i­sa­tion mit kritischer Sympathie gegenüber – nicht mit Ablehnung oder Glo­ri­fizierung.
  4. Versuchen Sie, die Beteiligten zu verstehen. Das muss nicht heißen, dass Sie mit deren Verhalten ein­ver­standen sind.
  5. Ein schlüssiges Veränderungskonzept vom Einstieg in ein Change-Pro­jekt bis zu seinem Abschluss ist die Basis einer gelungenen Umsetzung.
  6. Begegnen Sie allen Beteiligten mit Respekt und auf Augenhöhe, ob sie nun Opponenten oder Unterstützer der Veränderung sind.
  7. Vermeiden Sie den Kampf zwischen „Gut“ und „Böse“.
  8. Kom­mu­nizieren Sie Ziele und Vorge­hensweisen offen und ohne Beschönigungen.
  9. Wenn es noch keine konkreten in­haltlichen Dinge zu berichten gibt, klären Sie die Beteiligten wenigstens über den Prozess auf.
  10. Akzeptanz und bessere Ergebnisse erreichen Sie, indem Sie eine möglichst hohe Anzahl Betroffener zu Mitgliedern des Pro­jek­t­teams machen.
  11. Versichern Sie sich der Unterstützung ein­flussre­icher Verbündeter.
  12. Sprechen Sie Probleme und Fehlen­twick­lun­gen offen an.
  13. Fordern und ermutigen Sie alle Beteiligten.
  14. Führen Sie auch den Auf­tragge­ber, indem Sie ihm aktiv Vorschläge un­ter­bre­iten und seine Erwartungen managen.
  15. Stellen Sie sicher, dass das Management den Veränderung­sprozess beharrlich weit­er­ver­folgt – nichts ist so klar zum Scheitern verurteilt wie halbe Sachen.

Über den Autor

Der Psychologe Winfried Berner berät Unternehmen bei Veränderung­spro­jek­ten. Er hat 25 Jahre Beruf­ser­fahrung. Außerdem ist er Autor des Buches Bleiben oder Gehen?