Restrukturierung und Sanierung von Unternehmen

Buch Restrukturierung und Sanierung von Unternehmen

Grundlagen, Fallstudien und Instrumente für die Praxis

Schäffer-Poeschel,


Rezension

„Von Beratern für Berater“ wäre auch ein passender Untertitel für dieses Sachbuch. Die Herausgeber Evertz und Krystek widmen sich zwar einem wichtigen Thema – nämlich wie man ein Unternehmen aus der Krise holt –, doch gehen Sie und die anderen Autoren es sehr theoretisch an. Der Leser quält sich durch De­f­i­n­i­tio­nen, Fach­be­griffe, Berech­nungs- und Prozess­mod­elle sowie teils komplexe Abbildungen, bis er endlich die Fall­beispiele erreicht. Der Spaß an der Praxis wird leider auch durch den extrem wis­senschaftlichen Schreibstil verdorben: Zehn Sub­stan­tivierun­gen in einem Satz sind keine Seltenheit. Wer die gleichwohl vorhandenen hilfreichen und fundierten Tipps des Buches nutzen möchte, benötigt umfassendes wirtschaftliches Vorwissen. Eine Alternative preist die Au­toren­schaft aus erfahrenen Un­ternehmens­ber­atern an mehreren Stellen ausgiebig an: Engagieren Sie externe Berater – die werden es richten. BooksInShort empfiehlt das Buch allen, die einen tiefen Einblick in die komplexe Arbeit von Krisen­man­agern gewinnen möchten.

Take-aways

  • Wenn Un­ternehmensstruk­turen den Mark­t­gegeben­heiten angepasst werden, wird re­struk­turi­ert – geht man eine Krise aktiv an, spricht man von Sanierung.
  • Erstellen Sie bereits in ruhigen Zeiten Prognosen und Szenarien, um Krisen bewältigen zu können.
  • Entschei­dend sind Früherken­nungssys­teme, eine offene und wandelfähige Fir­menkul­tur, Anreize für das Personal und eine gute IT-In­fra­struk­tur.
  • Eine wichtige Rolle spielt auch das Controlling: Manager brauchen nicht möglichst viele Zahlen, sondern zukun­ft­srel­e­vante, auch nicht­fi­nanzielle In­for­ma­tio­nen.
  • Wenn Sie neues Kapital brauchen, analysieren Sie zunächst die Situation und erstellen Sie dann ein Re­fi­nanzierungskonzept.
  • In der Analy­sephase ist ein unabhängiges Sanierungsgutachten sinnvoll.
  • Das Geld kann von Gesellschaftern, von Banken, von neuen Investoren oder aus dem Verkauf der Firma kommen.
  • Schließen Sie Verträge mit allen Beteiligten und ermöglichen Sie Kontrolle durch Eigentümerstellung oder treuhänderische Verwaltung.
  • Bei der Ermittlung des Un­ternehmenswertes kommen un­ter­schiedliche Ansätze zur Anwendung, je nachdem ob das Unternehmen verkauft oder liquidiert werden soll.
  • Vernachlässigen Sie bei Ihren Entschei­dun­gen nicht die steuer­lichen Aspekte.
 

Zusammenfassung

Spielarten des Krisen­man­age­ments

Als das Imperium von Lehman Brothers zusam­men­brach, war das Unternehmen mit einem Mal ein Fall für den In­sol­ven­zver­wal­ter. Vorherige Anzeichen für eine Un­ternehmen­skrise wurden nicht erkannt oder gar ignoriert. Dabei kommt eine Krise selten ganz plötzlich; sie ist vielmehr ein Prozess, in den die Un­ternehmensführung aktiv oder reaktiv eingreifen kann.

„Un­ternehmen­skrisen sind in der Lage, den Fortbestand des Un­ternehmens sub­stanziell und nachhaltig zu gefährden.“

An­tizipa­tives Krisen­man­age­ment greift aktiv in den Prozess ein. Poten­ziellen Krisen, die also noch nicht existieren, können durch gedankliche Vorwegnahme – z. B. durch Prognosen oder Szenarien – Al­ter­na­tivpläne ent­ge­gengestellt werden. Eine präventive Form des aktiven Krisen­man­age­ments besteht darin, im Unternehmen Frühwarn- und Früherken­nungsmaßnahmen zu im­ple­men­tieren, mit deren Hilfe man rechtzeitig latent vorhandene Krisen aufdeckt. Wer diese Maßnahmen versäumt, kann leicht von einer Krise überrascht werden – und dann nur noch reaktiv handeln. Das frisst Ressourcen, und auch die Zeit wird nun knapp. Solange die Krise noch „zurück­geschla­gen“ werden kann, spricht man von repulsivem Krisen­man­age­ment; Sanierungsmaßnahmen stehen hierbei im Vordergrund. Zwingt die Krise ein Unternehmen in die Knie, bleibt nur das liquidative Krisen­man­age­ment: Die Firma wird aufgelöst; alle beteiligten Gruppen (An­teil­seigner, Kap­i­tal­ge­ber, Mitarbeiter, Kunden, Lieferanten) werden so vor weiteren Verlusten geschützt und offene Verbindlichkeiten aus den Verkaufserlösen getilgt.

„Krisen­man­age­ment als Prozess bezieht sich auf die Iden­ti­fika­tion überleben­skri­tis­cher Prozesse.“

Auch wenn im Kontext der aktuellen Wirtschaft­skrise die Begriffe der Re­struk­turierung und Sanierung oft synonym benutzt werden, un­ter­schei­den sie sich: Re­struk­turierung bedeutet die Anpassung von Un­ternehmensstruk­turen an Mark­t­gegeben­heiten, meist in frühen Phasen einer Krise oder gar krisenunabhängig. Mithilfe der Sanierung hingegen, die reaktiv ist, sollen akute Krisen bewältigt und Firmen gerettet werden. Getragen werden diese Prozesse intern vom Top­man­age­ment, den Mi­tar­beit­ern und dem Betriebsrat; externe Träger sind Banken, Berater und Krisen­man­ager. Unabdingbar ist eine fehlerfreie interne und externe Kom­mu­nika­tion – das Vertrauen aller Stakeholder mit ihren un­ter­schiedlichen Zielen darf nicht verspielt werden.

Mit Controlling aus der Krise

Laut Studien sind 80 % aller Insolvenzen auf un­zure­ichen­des oder gänzlich fehlendes Controlling zurückzuführen. Ins­beson­dere kleine und mittelständische Unternehmen sind betroffen. Warum ist Controlling so wichtig? Controller informieren die Führungsebene über Risiken, Kennzahlen und die aktuelle Lage – und entlasten sie dadurch bei der Planung, Kontrolle und Ko­or­di­na­tion von Entschei­dun­gen. Da eine Krise meist eine Aus­nahme­si­t­u­a­tion für Mitarbeiter und Führungskräfte ist, neigen beide Seiten leicht dazu, irrational zu entscheiden und falsche Rückschlüsse zu ziehen, die in Fehlentschei­dun­gen münden. Gutes Controlling liefert die In­for­ma­tio­nen, die Manager für rationale und richtige Entschei­dun­gen benötigen. Dabei sollte das Controlling ganzheitlich wirken: auf strate­gis­cher, operativer und Pro­jek­tebene. Es geht nicht darum, die Entscheider mit noch mehr Zahlen zuzuschütten, sondern sie mit zukun­ft­sori­en­tierten, auch nicht­fi­nanziellen Daten zu versorgen.

„Basis der Analy­sephase ist neben dem durch das Unternehmen erstellten Un­ternehmen­skonzept häufig ein Sanierungsgutachten durch einen unabhängigen Dritten.“

Bei der Re­struk­turierung und Sanierung sorgt das Controlling neben der Absicherung des laufenden Geschäfts für Transparenz im Hinblick auf die wirtschaftliche und or­gan­isatorische Situation des Un­ternehmens und zeigt die Ursachen einer kommenden oder aktuellen Krise auf. Controlling hilft außerdem bei der Suche nach Al­ter­na­tiven, es unterstützt bei deren Beurteilung und letztlich bei der Entschei­dung für oder gegen sie. Auch die Umsetzung von An­tikrisenmaßnahmen ist ohne Controlling nicht denkbar: Sofortmaßnahmen müssen aus den Un­ternehmens­daten abgeleitet und Konzept­de­tails erstellt werden; daraus ergeben sich später konkrete Projekte, die wiederum ein Pro­jek­t­con­trol­ling erfordern. Aber Vorsicht: Sofortmaßnahmen sichern zwar das kurzfristige Überleben, doch können sie auch in Konflikt mit Sanierungszie­len oder Un­ternehmensstrate­gien geraten. Neben den Steuerungs­funk­tio­nen vergleicht das Controlling Soll- und Ist-Zustand des Fortschritts – das kann monatlich, wöchentlich oder täglich passieren. Damit kann auf Ab­we­ichun­gen schnell reagiert werden.

Der Prozess der Re­fi­nanzierung

Ein Unternehmen aus der Krise zu holen kostet Geld. Die benötigten Finanzen sollten im Zusam­men­spiel aller – der Gesellschafter, Kap­i­tal­ge­ber und der anderen Stakeholder – beschafft werden. Der Prozess der Re­fi­nanzierung beinhaltet drei Phasen:

  1. In der Analy­sephase wird das gesamte Un­ternehmen­skonzept unter die Lupe genommen: Wie ist die Aus­gangspo­si­tion? Wie sieht der Busi­ness­plan aus? Welche Maßnahmen sind vorgesehen? Was sind mögliche Zukun­ftsszenar­ien? Was erwarten die Stakeholder? Wie ist das Unternehmen am Markt po­si­tion­iert und aufgestellt? Alle an der Re­struk­turierung Beteiligten müssen vom gleichen Un­ternehmen­skonzept ausgehen. Ein unabhängiges Sanierungsgutachten schafft Transparenz und Vertrauen bei möglichen Kap­i­tal­ge­bern. Das Ergebnis der Analyse ist der „Re­struc­tur­ing Case“, der die Sanierungser­fordernisse beschreibt und dessen Ziele alle Stakeholder zufrieden­stellen sollten. Ein gutes Man­age­ment­team wirkt überzeugend – und da Qualität ihren Preis hat, sollten auch entsprechende Gehälter eingeplant werden.
  2. Nun kann die Konzeption der fi­nanziellen Re­struk­turierung erfolgen – ide­al­er­weise als Konsenslösung. Alle Beteiligten sollen ihren Beitrag leisten und auch an zukünftigen Wert­steigerun­gen par­tizip­ieren. Doch woher kommen die Fi­nanzspritzen? Entweder die Gesellschafter selbst stellen Geld bereit, oder Banken und Finanziers leihen welches; der Einstieg eines neuen Investors als Gesellschafter kann ebenso interessant sein wie die Beteiligung eines solchen bzw. der Verkauf an ihn. In letzterem Fall kann der Investor mit dem Erwerb in neue Märkte einsteigen und darf sich sogar die Rosinen her­aus­picken: Er kann nur einzelne, für ihn in­ter­es­sante Geschäftsbereiche kaufen. Wenn sich kein Investor findet, bleibt als letztes Mittel die Insolvenz oder Liquidation.
  3. Anschließend muss das Konzept im­ple­men­tiert werden. Dazu werden Verträge mit Gläubigern, Geldgebern und Stake­hold­ern zur fi­nanziellen Re­struk­turierung aus­ge­han­delt, in denen operative (auf eine bessere Ertragslage abzielende) und strate­gis­che (die Po­si­tion­ierung betreffende) Maßnahmen und deren Überwachung festgelegt werden. Letzteres kann durch direkte Eigentümerstellung erfolgen: Gläubiger übernehmen Eigenkap­i­tal, werden am Unternehmen beteiligt und erhalten so einen Überblick. Oder aber ein weisung­sun­abhängiger Treuhänder übernimmt die Geschäfte. So wird gegenüber den Gläubigern sichergestellt, dass die Eigentümer die Situation nicht noch ver­schlim­mern – das strahlt Sicherheit aus und baut Vertrauen auf.

Verkauf­sar­gu­ment: Un­ternehmenswert

Im Zuge der jüngsten Finanzkrise hat der Verkauf von finanziell angeschla­ge­nen Unternehmen stark zugenommen. In der Au­to­mo­bilzuliefer­branche waren im zweiten Halbjahr 2009 über 90 % aller Transak­tio­nen so genannte Distressed Mergers and Aquisitions. Obwohl der Kauf eines krisengeschüttelten Un­ternehmens durchaus Vorteile hat – z. B. das oben erwähnte „Cherry Picking“ oder einen günstigen Kaufpreis –, gibt es auch Risiken: hohe Pla­nung­sun­sicher­heit, eine schlechte Ertragslage oder ein hoher Ver­schul­dungs­grad des poten­ziellen Neuerwerbs. Die Bewertung des Zielun­ternehmens ist vor einem Kauf daher besonders wichtig.

„Die strate­gis­che Früherkennung überwindet das Prinzip der gerichteten Suche. Vielmehr erfolgt hier die Suche nach Früherken­nungsin­for­ma­tio­nen überall und zu jeder Zeit.“

Wenn das Unternehmen am Markt bestehen bleiben soll, erfolgt die Bewertung anhand der künftig zu erwartenden Überschüsse – z. B. mithilfe der Dis­counted-Cash­flow-Meth­ode (DCF), bei der die ausschüttungsfähigen Einnahmeüberschüsse nach Abzug aller Steuern und Net­toin­vesti­tion­sauszahlun­gen ermittelt werden und durch diverse Berech­nun­gen letztlich der Un­ternehmenswert bestimmt wird. Soll das Unternehmen dagegen aufgelöst werden (stille Liquidation), wird der Liq­ui­da­tion­swert berechnet. Dieser entspricht dem Barwert aller Nettoerlöse, wenn sämtliche Vermögensgegenstände verkauft werden – unter der Prämisse, dass alle Verbindlichkeiten und Verpflich­tun­gen gegenüber Dritten befriedigt sind. Bei einer Insolvenz, der dritten Alternative, fließen zusätzlich noch An­fech­tungsansprüche der Gesellschaft, Son­der­rechte und In­sol­ven­z­forderun­gen in die Bewertung ein. Dieses Szenario ist jedoch schlecht für das Image eines Un­ternehmens: Wenn beispiel­sweise Tochterge­sellschaften eines Konzerns insolvent werden, sind schlechte Liefer- oder Fi­nanzierungskon­di­tio­nen sowie ein Kun­den­boykott für die Mutter mögliche Folgen. Steht eine Un­ternehmens­be­w­er­tung an, sollten alle drei Varianten betrachtet werden. Jene mit dem maximalen Un­ternehmenswert ist in der Regel die Methode der Wahl.

Staatsbürgschaft und Steuern

Der Staat ist bestrebt, das Wirtschaftswach­s­tum anzukurbeln und damit Arbeitsplätze zu sichern. Volk­swirtschaftlich förderungswürdige Vorhaben – wie den Erhalt eines renom­mierten Un­ternehmens – unterstützt der Staat in Form von Bürgschaften für Kredite. Staatliche Bürgen können Bürgschafts­banken, der Bund oder die Länder sein. Damit der Staat als Bürge einspringt, müssen diverse Rah­menbe­din­gun­gen erfüllt sein, die in Leitlinien und Verord­nun­gen des EU-Bei­hil­fer­echts verankert sind. In einem aufwändigen Antragsver­fahren muss das Unternehmen nachweisen, dass die Sanierung volk­swirtschaftlich förderungswürdig und eine staatliche Bürgschaft al­ter­na­tiv­los ist. Eine Bürgschaft gewährt der Staat nur in Risikopart­ner­schaft mit dem Kreditgeber.

„Es ist von entschei­den­der Bedeutung, in der Krise jede Maßnahme daraufhin zu überprüfen, ob sie die Hand­lungsspielräume der IT zukünftig einschränkt.“

Ein anderes wichtiges Thema sind Steuern. Bei jeder Re­struk­turierung und Sanierung gehört ein sanierungser­fahrener Steuer­ber­ater ins Man­age­ment­team. Denn nicht nur die wirtschaftlichen Bedingungen müssen beachtet werden, auch steuerliche Im­p­lika­tio­nen der Sanierungsmaßnahmen können für Entschei­dun­gen relevant sein – seien es Rangrück­trittserklärungen, Forderungsverzichte, das Zinslosstellen von Darlehen oder Stake­holder-Maßnahmen, die allesamt Verlust- und Zinsvorträge und mögliche zu bi­lanzierende Gewinne bee­in­flussen.

Faktoren für den Erfolg

Empirische Studien von Price­wa­ter­house­C­oop­ers haben eine Reihe von Faktoren iden­ti­fiziert, die für den Erfolg einer Re­struk­turierung entschei­dend sind:

  • Führen Sie Früherken­nungssys­teme ein und seien Sie schnell – maximal zwölf Monate nach Krisen­erken­nung sollte die Re­struk­turierung beginnen, Sofortmaßnahmen ausgenommen.
  • Sorgen Sie für eine veränderungs­bere­ite Un­ternehmen­skul­tur und eine straffe operative Umsetzung. Vergessen Sie nicht, ein Pro­jek­t­con­trol­ling zu etablieren.
  • Bilden Sie effiziente, in­ter­diszi­plinäre Pro­jek­t­teams. Kaufen Sie gerade in Krisen­zeiten kompetente Mitarbeiter ein. Integrieren Sie erfahrene externe Berater ins Management.
  • Etablieren Sie eine offene und ver­trauens­basierte Kom­mu­nika­tion­sstruk­tur – nach innen und nach außen, ins­beson­dere aber gegenüber den Banken.
  • Topmanager haben Vor­bild­charak­ter: Ihr Engagement erhöht das der Belegschaft.
  • Motivieren Sie mit Anreizen – er­fol­gsori­en­tierte Vergütungsmod­elle fördern zielo­ri­en­tiertes Verhalten, und genau das benötigt ein krisengeschütteltes Unternehmen.
  • Wenn Budgetkürzungen anstehen, sparen Sie nicht an Ihrer IT: Definieren Sie zunächst deren Rolle. Es kann Ihre Flexibilität erhöhen, wenn Sie IT-Aufgaben gezielt outsourcen. Analysieren Sie die IT-Sit­u­a­tion und bevorzugen Sie Kon­so­li­dierung­spro­jekte (z. B. ein ein­heitliches ERP) gegenüber Pres­tige­pro­jek­ten (z. B. eine neue Website).

Über die Autoren

Derik Evertz leitet den Bereich Business Recovery Services bei Price­wa­ter­house­C­oop­ers in Frankfurt am Main. Ulrich Krystek lehrt Strate­gis­ches Controlling an der Technischen Universität Berlin.//