Erfolgsfaktor Strategie
Umfragen und Interviews in Unternehmen offenbaren seit Jahren eine immer wieder erstaunliche Tatsache: Das Thema Strategie scheint im Management ein Schattendasein zu fristen. Dabei wissen auch die Manager, dass eine sorgfältige Unternehmensplanung, neben der Bewältigung des Tagesgeschäfts, der wichtigste Parameter für den Erfolg ist. Wieso entziehen sie so einem bedeutenden Aspekt dann aber so oft ihre Aufmerksamkeit? Ein Grund liegt wahrscheinlich darin, dass die Entwicklung und Umsetzung von Strategien eine langfristige Ausrichtung erfordert, die nicht unbedingt kurzfristige Erfolge verspricht. Darüber hinaus enthalten Strategien eine Fülle von Risiken und verlangen den Führungskräften ein hohes Maß an Managementkompetenz ab.
„Die Zeiten, in denen Strategie als geheime Kommandosache galt, sind vorbei.“
Statt sich von diesen Nachteilen demotivieren zu lassen, könnte das Management gerade in der Strategieumsetzung eine hohe Befriedigung erfahren. Schließlich bietet das Entwickeln von Strategien eine hervorragende Möglichkeit, das eigene Geschäft zu reflektieren, die Energien und Ressourcen im Unternehmen auf die wesentlichen Aufgaben und Themen zu lenken, sich für mögliche Veränderungen zu wappnen sowie die Qualitäten der Führung in den Mittelpunkt zu rücken.
Die Definition der Strategie
Wenn es um die Frage geht, was eine Strategie ausmacht, werden gerne Anleihen aus der Kriegsführung gemacht. Doch der Vergleich ist irreführend. Schließlich verfolgen Unternehmen und Armee völlig unterschiedliche Aufgaben mit ganz verschiedenen Mitteln. Unternehmerische Strategien weisen nicht nur andere Inhalte auf als militärische, sie müssen auch in einem anderen Prozess festgelegt werden.
„Offensichtlich fällt es Führungskräften schwer, strategische Fragestellungen mit dem Alltagsgeschäft in sinnvoller Weise zu verbinden und dabei den strategischen Fragen ausreichend Raum zu widmen.“
Auf die Wirtschaft bezogen, lässt sich grundsätzlich feststellen, dass eine Strategie alle Maßnahmen und Methoden umfasst, mit denen ein bestimmtes Ziel erreicht werden soll. Dazu gehören z. B. die Steigerung des Marktanteils oder der erfolgreiche Verkauf eines neuen Produkts. Wichtig ist, dass es eine endgültige Strategie, die von oben festgelegt oder in einer Stabsabteilung entwickelt wird, nicht gibt. Vielmehr ist eine gute Strategie ständig in Veränderung begriffen. Sie passt sich der Realität laufend an und entwickelt sich weiter, ohne vom angepeilten Ziel abzuweichen. Die einzelnen Maßnahmen ergeben sich dabei aus dem Tagesgeschäft. Für das Management bedeutet das: Seine Hauptaufgabe liegt darin, Erfolg versprechende strategische Ansätze nicht nur frühzeitig zu erkennen, sondern auch deren Entwicklung im Betrieb zu fördern. Zudem sollten die Führungskräfte dafür sorgen, dass die Strategie zwar mit empirischen Belegen untermauert wird; eine zu detaillierte Ausarbeitung sollten sie aber unterbinden, da damit nur unnötig Ressourcen verschwendet werden. Ebenso muss das Management darauf achten, dass die Strategieentwicklung immer die Kundenbedürfnisse im Fokus hat, sich an den Arbeitsprozessen orientiert und alle Mitarbeiter einbezieht.
Der Prozess der Strategieentwicklung
Die erfolgreiche Entwicklung einer Unternehmensstrategie beinhaltet zehn Schritte:
- Der Prozess beginnt mit einer umfassenden Analyse des Marktumfelds und der Wettbewerbssituation. Ziel ist es dabei, neue Kundenbedürfnisse, Trends oder Rahmenbedingungen wie etwa Gesetzesänderungen frühzeitig bewusst zu machen.
- Im nächsten Schritt geht es um das Offenlegen der unternehmenseigenen Stärken und Schwächen, etwa anhand der Kriterien Kosten, Wertschaffung, Qualität und Schnelligkeit.
- Aus diesen beiden Analysen leiten sich dann die aktuellen Chancen und Risiken des Geschäfts ab.
- Weitere Schritte der Strategieentwicklung sind die Formulierung einer Firmenvision,
- die Festlegung langfristiger, messbarer Ziele sowie
- die Erarbeitung von unternehmerischen Kernkompetenzen.
- Aus diesen Prozessschritten werden dann die Strategien der Geschäftsbereiche abgeleitet,
- die konkreten Maßnahmen zur Erreichung der Ziele bestimmt und
- so genannte Strategie-Steckbriefe für die Geschäftseinheiten entwickelt.
- Schließlich wird eine Erfolgskontrolle durchgeführt.
„Es ist Aufgabe des Topmanagements, die Notwendigkeit und die Vorteile einer klaren strategischen Ausrichtung zu betonen und zu kommunizieren.“
Diese Aufteilung in zehn Schritte soll nun nicht heißen, dass ein kompletter Ablaufplan stehen muss, bevor mit der Umsetzung begonnen werden kann. Im Gegenteil: Entwicklung und Umsetzung greifen ständig ineinander. Sie bedingen sich gegenseitig und machen das gesamte Alltagsgeschäft zu einem strategischen Prozess, in dem Fehler oder Misserfolge in der Ausführung eine sofortige inhaltliche Veränderung der Strategie nach sich ziehen. Die Umsetzung der Strategie sollte daher so früh wie möglich beginnen. Ihr Erfolg hängt von sechs Hebeln ab, die das Management jederzeit beeinflussen kann.
Hebel 1: Strategie-Steckbriefe
Die Wirksamkeit einer Strategie steigt mit ihrer Akzeptanz bei der Belegschaft und der Begeisterung, die sie dort auslöst. Die Unternehmensstrategie sollte darum nicht nur allen zugänglich sein. Sie muss auch so einfach und klar formuliert werden, dass jeder Einzelne sie leicht nachvollziehen kann. Realitätsnähe und Messbarkeit gehören daher genauso zum Anforderungsprofil einer Strategie wie eindeutig festgelegte Verantwortlichkeiten und Etappenziele.
„Das Management unterstellt oftmals, dass automatisch umgesetzt wird, was beschlossen wurde.“
Das ideale Mittel, eine Strategie leicht verständlich in jede Geschäftseinheit zu transportieren, sind die Strategie-Steckbriefe. Sie beinhalten übersichtlich zusammengefasst alle wesentlichen Informationen wie Markt- und Kundenanalysen, Vision, Geschäftsprioritäten, langfristige Ziele, Maßnahmen und die jeweils bereitgestellten Budgets sowie Kriterien für die Erfolgsmessung. Die Strategie-Steckbriefe sind allerdings nur dann sinnvoll, wenn die Führung sich für deren Einsatz starkmacht und sie einfordert. Das heißt, dass sich die Manager von jeder Form der Geheimhaltung verabschieden müssen.
Hebel 2: Ressourceneinsatz
Ohne Ressourcen scheitert die beste Strategie. Doch auch mit einem zu großen finanziellen Spielraum verliert sie schnell Effizienz und Wirksamkeit. Eine weitsichtige Zuteilung der notwendigen Mittel ist daher ein wesentliches Kriterium für die erfolgreiche Umsetzung einer Unternehmensstrategie. Um diese schwierige Anforderung erfüllen zu können, setzen seit einigen Jahren immer mehr Firmen auf das Prinzip des so genannten Beyond Budgeting. Dabei werden nicht mehr jährliche Budgets anhand intern ausgehandelter Vereinbarungen bestimmt. Vielmehr orientiert sich der finanzielle Spielraum kontinuierlich an Marktgegebenheiten und Leistungszielen, wobei sich Planung und Bemessungskriterien auf die kommenden zwei bis fünf Jahre beziehen. Zwar ist diese Art der Budgetbestimmung deutlich einfacher als das traditionelle Vorgehen, sie erfordert jedoch eine regelmäßige Prüfung der Annahmen auf der Basis der verwirklichten Etappenziele.
Hebel 3: Kontinuierliche Kontrolle
Ein aussagekräftiges Controlling ist das A und O der Strategieumsetzung. Obwohl dieser Punkt unter Führungskräften große Zustimmung findet, steht seine konkrete Anwendung nicht selten dem Erfolg einer Strategie im Weg. Denn obwohl das strategische Reporting eigentlich die Geschäftsprozesse so einfach wie möglich abbilden soll, sodass die Erfolgsfaktoren auf einen Blick sichtbar sind, führt die herrschende Praxis oft zum Gegenteil. Abschreckendes Beispiel ist der Einsatz der so genannten Balanced Scorecards, die den Strategieprozess eher komplizierter gestalten, als er ist. Ein aussagekräftiges Controlling dagegen legt ausgehend von der Strategie die Messgrößen fest. Es definiert realistische Ziele, bezieht gleichzeitig alle Geschäftsprozesse, Kunden und Lieferanten ein und berücksichtigt die Zeit (etwa die Dauer einer Lieferung) als wichtige Ressource. Zudem werden die Daten immer in der gleichen Art und Weise leicht verständlich aufbereitet.
Hebel 4: Strategiekompetenz des Managements
Auch wenn die Unternehmensstrategie eine Gesamtaufgabe aller Mitarbeiter ist, liegt die Hauptverantwortung doch beim Management. Voraussetzung für eine erfolgreiche Strategieumsetzung ist daher eine Führungsmannschaft, die über die dafür erforderlichen Qualifikationen verfügt. Bereits bei der Einstellung neuer Führungskräfte, aber spätestens bei der Managemententwicklung sollte darauf geachtet werden, dass die Manager mit Macht umgehen können, Rückschläge oder Niederlagen als Chancen sehen, ein Gespür für echtes Unternehmertum aufweisen, ihre eigene Energie so managen, dass sie Spitzenleistungen zum richtigen Zeitpunkt abrufen, sich konsequent an Ergebnissen orientieren und ihre Leute laufend weiterentwickeln.
„Unsere Erfahrung ist es, dass in manchen Unternehmen Halbwahrheiten nicht hinterfragt werden, dass ungeprüfte Annahmen die Strategie bestimmen und dass strategische Entscheidungen keineswegs immer evidenzbasiert sind.“
Die Strategiekompetenz der Manager können Sie mit verschiedenen Mitteln fördern. Der naheliegendste Weg zum Ziel ist das Seminar. Hier kann das Thema Strategie sowohl im theoretischen Zusammenhang als auch anhand praktischer Beispiele vermittelt werden. Sinnvoll ist außerdem ein persönliches Coaching etwa durch externe Berater. Es geht nicht nur auf die sachlichen Fragen ein: Mithilfe der Einschätzung eines Außenstehenden können auch Defizite im persönlichen Verhalten, speziell in der Kommunikation mit Kollegen und Mitarbeitern, reflektiert werden. Die höchste Anforderung an Führungskräfte stellt die Verantwortung für ein konkretes Strategieprojekt dar. Hier muss sich die Führungskraft an einer aktuellen Aufgabe beweisen. Besonders effektiv ist diese Form der Managemententwicklung, wenn das Projekt von einem externen Coach begleitet wird. Die Bereitschaft der Führungskräfte, sich für eine konsequente Strategieentwicklung stark zu machen, wird darüber hinaus durch ein Anreizsystem gefördert, das diese Kompetenz belohnt.
Hebel 5: Strukturen und Prozesse
In vielen Firmen wird unterschätzt, dass Strategien unmittelbaren Einfluss auf die bestehenden Prozesse haben. Alte Strukturen müssen u. U. geändert oder sogar abgeschafft werden, damit eine Strategie überhaupt eine Realisierungschance hat. Deshalb erfordert jede Unternehmensplanung eine umfassende Auseinandersetzung mit den bestehenden Strukturen und, wenn notwendig, deren Neuorganisation.
Hebel 6: Internes Marketing
Ein weiterer Punkt, um den sich das Management kümmern muss, ist die interne Kommunikation der Strategie. Nur wenn die Zukunftspläne in der Belegschaft emotional verankert sind, besteht Aussicht auf Erfolg. Studien belegen, dass es ein Irrtum ist, zu glauben, Vereinbarungen oder Vorgaben würden automatisch umgesetzt. Die Führung muss daher ein internes Marketing konzipieren, mit dem sie ihre Pläne leicht verständlich allen Mitarbeitern präsentiert. Dies erfordert nicht nur eine ständige Bereitschaft zur offenen Kommunikation, sondern auch die Nutzung aller zur Verfügung stehenden technischen und organisatorischen Möglichkeiten. Eine spannende Outdoorveranstaltung zum Thema Strategie kann genauso wirksam sein wie eine Broschüre oder ein speziell für die Belegschaft produzierter Film.