Youtube und seine Kinder

Buch Youtube und seine Kinder

Wie Online-Video, Web TV und Social Media die Kommunikation von Marken, Medien und Menschen revolutionieren

Nomos/Edition Reinhard Fischer,


Rezension

Youtube und seine Kinder rev­o­lu­tion­ieren unsere Kom­mu­nika­tion. Diese Erkenntnis ist zwar nicht mehr brandneu, doch Hand aufs Herz: Bloggt Ihr CEO? Kennen Sie Multi-Touch-TV? Spielen Ihre Kunden Serious Games? In 16 Beiträgen versuchen 21 Autoren, dem Leser Onlinevideo, Web-TV und Social Media schmackhaft zu machen. Die Potenziale, die das Web 2.0 für die zeitgemäße Un­ternehmen­skom­mu­nika­tion bietet, werden überdeutlich. Hat man sich an sperrige Begriffe wie „Be­wegt­bild­nutzung“ erst einmal gewöhnt, bekommt man einen umfassenden Überblick über das Thema aus Forschung und Praxis. Schade, dass ein Fachbuch bewegte und interaktive Inhalte nur begrenzt rüberbringt! Dafür werden Fallstudien und Beispiele aufgeführt, deren Wirkung jeder online überprüfen kann. BooksInShort empfiehlt das Buch allen im Marketing Tätigen, die die mediale Revolution nicht nur überleben, sondern auch aktiv gestalten wollen.

Take-aways

  • Onlinevideo, Web-TV und Social Media sind dabei, unsere Kom­mu­nika­tion grundlegend zu verändern.
  • Unternehmen dürfen die Möglichkeiten des Web 2.0 nicht länger ignorieren, sondern müssen die neuen On­lineme­dien aktiv nutzen.
  • Social Media sind un­verzicht­bare Recherchew­erkzeuge geworden.
  • Der typische In­ter­net­surfer ist eine Mischung aus Produzent und Konsument, ein so genannter Prosumer.
  • Die moderne Me­di­en­nutzung erfolgt selb­st­bes­timmt, ortsunabhängig und gle­ichzeitig auf ver­schiede­nen Kanälen.
  • Corporate Video wird künftig zum Leitmedium der Un­ternehmen­skom­mu­nika­tion.
  • Den größten Erfolg erzielen Kampagnen, die Offline- und On­lineme­dien verzahnen.
  • Mit Onlinevideo und Web-TV lassen sich Per­so­n­en­marken bildhaft und emotional kom­mu­nizieren.
  • So genannte Serious Games verbinden Spaß, Information und Lernen in On­line­spie­len, die auf re­al­is­tis­che Er­leb­niswel­ten setzen.
  • Für welche Videotech­nolo­gie Sie sich entscheiden, hängt vom Por­ta­lange­bot, von den internen Abläufen im Unternehmen und nicht zuletzt vom Budget ab.
 

Zusammenfassung

Wie die Bilder online das Laufen lernten

Die Revolution begann 2005 mit dem Start der On­linev­ideo-Plat­tform Youtube. Deren Geschäftsidee ist einfach: Anwender können ihre selbst pro­duzierten Videos im Internet kostenlos veröffentlichen. Mit­tler­weile werden auf Youtube pro Minute 20 Stunden neuer Inhalt hochgeladen. Die 2006 erfolgte Übernahme des Un­ternehmens durch Google für 1,65 Milliarden US-Dollar verdeut­lichte die Wichtigkeit von Onlinevideo für die Medien- und Kom­mu­nika­tion­s­land­schaft.

„Die Entwicklung des Web 2.0 hat die Rah­menbe­din­gun­gen der Kom­mu­nika­tion grundlegend verändert.“

Die Er­fol­gs­fak­toren von Youtube heißen: einfache Bedienung und aktive Nutzer­beteili­gung. Möglichkeiten wie das Einbinden von Videos auf Webseiten, das Versenden von Hyperlinks per E-Mail und Be­w­er­tung­sop­tio­nen verstärkten die Attraktivität und boten die Gelegenheit, ein soziales Netzwerk aufzubauen.

„Pro Minute entstehen weltweit 20 Stunden neuer Content auf Youtube – das entspricht etwa zehn Hol­ly­wood-Fil­men.“

Heute haben Onlinevideo und Web-TV das klassische Fernsehen als Leitmedium fast verdrängt. Die Nutzer wollen an jedem Ort und jederzeit auf Inhalte zugreifen können. Diese sollen nicht nur am heimischen PC, sondern auch auf dem Mo­bil­tele­fon oder dem Netbook verfügbar sein. Zudem verstehen die Nutzer sich als Prosumer, also gle­ichzeitig als Produzent und Konsument. Dialog und Diskussion sind erwünscht.

Vom Unternehmen zum In­ter­net­sender

Bewegte Bilder haben die Menschen schon immer fasziniert. On­linev­ideos tragen wesentlich zur weiteren Au­dio­vi­su­al­isierung der Gesellschaft bei. Wer als Unternehmen erfolgreich bleiben will, muss sich die Instrumente des Web 2.0 aneignen und eine „Un­ternehmen­skom­mu­nika­tion 2.0“ etablieren. Damit werden aus Onlinevideo und Web-TV die Instrumente Corporate Web-TV und Corporate Webvideo. Pionier in diesem Bereich war BMW North America. Das Unternehmen veröffentlichte 2001 auf der Website BMWFilms.​com Kurzfilme mit Hol­ly­wood-Schaus­piel­ern rund um den neuen Roadster Z4.

„Eine heute 16-Jährige bewegt sich problemlos in diversen Chatrooms, surft parallel im Internet, hört Radio, und auch der Fernseher läuft.“

Doch wie lässt sich eine bestehende Marke erfolgreich in die neuen Medien trans­portieren? Mit den folgenden Maßnahmen gelingt die bewegte Un­ternehmen­skom­mu­nika­tion:

  • Legen Sie fest, in welchem Me­di­en­ver­bund Sie Videos für Ihre Kom­mu­nika­tion­sziele einsetzen möchten.
  • Formulieren Sie ein Konzept, das Ziele und Nutzen der Videokom­mu­nika­tion verdeut­licht.
  • Kombinieren Sie On­lineme­dien intelligent mit klassischen Of­flineme­dien.
  • Bieten Sie den Nutzern ein ganzheitliches De­sign­er­leb­nis.
  • Ihr On­lin­eange­bot sollte einfach sowie überall abrufbar sein und störungsfrei funk­tion­ieren.
  • Streben Sie strate­gis­che Ko­op­er­a­tio­nen an, um das Videoange­bot zu re­fi­nanzieren.
  • Berücksichtigen Sie rechtliche Fragen und gängige Lizenz­mod­elle.
  • Untersuchen Sie Reichweite und Wirksamkeit und passen Sie Strategie und Angebot bei Bedarf an.
„Über kurz oder lang wird Corporate Video zum Leitmedium der Un­ternehmen­skom­mu­nika­tion werden.“

Wichtig ist, dass Sie im Internet immer wahrhaftig bleiben und dem Gegenüber Anknüpfungspunkte bieten. Aktualität ist Pflicht. Gestalten Sie Ihre Kom­mu­nika­tion persönlich und setzen Sie auf un­ver­wech­sel­bare Charaktere als Botschafter.

Her­aus­forderung Social Media

Soziale Netzwerke sind ein wesentlicher Bestandteil des Web 2.0. Ihre Kennzeichen sind nutzergeprägte Inhalte, Interaktion und Zusam­me­nar­beit. Wer Social Media verwendet, will Erfahrungen mit Gle­ich­gesin­nten austauschen und sich eine eigene Meinung bilden. Empfehlun­gen, Bewertungen und Kommentare anderer Nutzer sind für In­ter­essen­ten auss­chlaggebend, wenn es darum geht, sich für oder gegen ein Angebot zu entscheiden. Wer mit einem Produkt Erfahrungen gesammelt hat, fungiert als Ratgeber und gibt sein Ex­perten­wis­sen bere­itwillig weiter. Besonders in High­tech­bere­ichen sind solche In­for­ma­tion­squellen un­verzicht­bar geworden.

„Am stärksten wirken Kampagnen, wenn Offline- und On­lineme­dien gekonnt kombiniert werden.“

Für Unternehmen bedeuten Social Media eine Her­aus­forderung, der sie sich nicht verweigern dürfen – immerhin können sie auf diesem Weg direkt mit ihrer Zielgruppe kom­mu­nizieren. Beim Verkauf von Produkten und Di­en­stleis­tun­gen ist der Kaufentschei­dung­sprozess von großer Bedeutung: Wie kann er zugunsten des Un­ternehmens beeinflusst werden? Den Kon­trol­lver­lust, den der Austausch der Nutzer mit sich bringt, können Sie nur kom­pen­sieren, indem Sie Social Media aktiv in Ihrer Markenkom­mu­nika­tion einsetzen. Ve­r­ab­schieden Sie sich vom klassischen Dis­tri­b­u­tion­s­mod­ell und treten Sie stattdessen in einen offenen Dialog mit Ihren Konsumenten.

„Das Internet hat sich zu einem probaten In­for­ma­tion­skanal entwickelt, um sich ein Bild vom anderen zu machen.“

Nutzen Sie dazu die folgenden Instrumente:

  • Fordern Sie vom Kunden aktiv Feedback ein.
  • Stellen Sie eine Plattform bereit, um Kunden miteinander zu vernetzen.
  • Geben Sie Ihren Kunden die Möglichkeit zur Bewertung.
  • Veröffentlichen Sie Beiträge in Blogs und Foren und nutzen Sie Mi­croblog­ging (z. B. Twitter).
  • Bleiben Sie auch nach einer Kampagne im Netz präsent.
  • Verschaffen Sie den Nutzern einen emotionalen Zugang zu Ihrem Produkt.

Die Kunst der Selb­st­darstel­lung

Nutzer suchen im Internet besonders gerne In­for­ma­tio­nen über Personen. Wer hat noch nicht den eigenen Namen gegoogelt, um sein digitales Image zu überprüfen? Das Vorabbild, das wir uns mithilfe der On­linerecherche von jemandem machen, hat meist zwei Funktionen: Wir wollen sein Handeln besser verstehen und mögliche Reaktionen vorhersehen. Oder anders gesagt: Wir wollen unser Leben vere­in­fachen und versuchen, Un­sicher­heiten im sozialen Kontakt abzubauen. Im Internet verbreitet sich die Selb­st­darstel­lung von Otto Nor­malver­braucher immer mehr. Plattformen wie Facebook bieten vielfältige Optionen, die eigenen Ansichten, Ideen oder auch seinen Lebenslauf öffentlich zu machen. Zu den aktuellen Werkzeugen zählen:

  • elek­tro­n­is­che Tagebücher (Blogs), mit denen Meinungen auf der eigenen In­ter­net­seite präsentiert werden,
  • private Kurz­nachrichten (Microblogs), die In­for­ma­tio­nen schnell im Netz verbreiten,
  • private Videofilme, mit denen selbst kreierte Inhalte öffentlich bekannt gemacht werden,
  • soziale Netzwerke, die den persönlichen Steckbrief verwalten und Kom­mu­nika­tion­skanäle bündeln.
„Wurde bislang im Hinblick auf die Printmedien noch überwiegend schwarz-weiß und zwei­di­men­sional mit Schwerpunkt Fakten kom­mu­niziert, so ist die neue Bühne der PR bunt, personen- und hand­lung­sori­en­tiert.“

Fast alle Stars aus Film und Fernsehen nutzen das Internet, um sich bei ihren Fans zu po­si­tion­ieren, z. B. auf Myspace. Aber auch Politiker haben mit­tler­weile die Darstel­lungsmöglichkeiten, die sich online ergeben, für sich entdeckt. Die Wer­bekam­pagne von US-Präsident Barack Obama auf Facebook ist ein gutes Beispiel dafür, wie mithilfe eines sozialen Netzwerks binnen kurzer Zeit eine riesige Anzahl von Wählern motiviert werden konnte: Ein Profil beschreibt Obamas Werdegang, ein Blog berichtet über persönlich Erlebtes und dient der Mei­n­ungs­bil­dung, Videos belegen Handlungsfähigkeit. Obamas durch­schla­gen­der Erfolg beweist, dass die im Internet benutzten Instrumente den herkömmlichen Medien durchaus das Wasser reichen können.

Aus Personen werden Marken

Zeitgemäße Un­ternehmen­skom­mu­nika­tion darf nicht länger nur auf Fakten basieren, die den Printmedien in schwarz-weißer Textform angeboten werden. Die neue PR ist farbig und orientiert sich an Personen und deren Handlungen. Begreifen Sie den Trend zum Personal Branding als Chance und denken Sie Ihre Kom­mu­nika­tions­for­men neu. Besonders das Medium Corporate TV eignet sich her­vor­ra­gend zur Per­son­al­isierung und Emo­tion­al­isierung von Themen. Sie können damit z. B. Leitfiguren un­ternehmensin­tern so po­si­tion­ieren, dass deren vor­bildliches Handeln von den Mi­tar­beit­ern übernommen wird. Um das Image, das eine Person in Bezug auf ein bestimmtes Thema trans­portieren soll, in Ihre strate­gis­che Planung einfließen zu lassen, gehen Sie wie folgt vor:

  • Erarbeiten Sie Rollen für Visionäre, Experten und Vorbilder, die mit den Un­ternehmenswerten in Einklang stehen.
  • Definieren Sie die ide­al­typ­is­chen Eigen­schaften jeder Rolle.
  • Bestimmen Sie Personen aus dem Unternehmen, die diese Rollen übernehmen könnten.
  • Erarbeiten Sie mit diesen Personen deren persönliche Eigenheiten und integrieren Sie das Ergebnis in die Rolle.
  • Achten Sie auf eine hohe Iden­ti­fika­tion der Personen mit ihrer Rolle – niemand soll schaus­piel­ern!
  • Bringen Sie Kern­botschaften und Rollen in Einklang und legen Sie Auftrittsorte fest.

Serious Games: spielerisch lernen

Mit so genannten Serious Games versucht die Spiel­branche, sich von den verrufenen Baller­spie­len abzugrenzen. Letztlich beschreibt der Begriff ein Genre, das sich längst einen eigenen Markt erobert hat, z. B. als spiel­basiertes Lernen. Dessen Erfolg erklärt sich durch die Verbindung von Spielen und Lernen in einer in­ter­ak­tiven Er­leb­niswelt. War diese zu Beginn des On­line­spiels meist simuliert (Die Siedler), wird sie heute mit der Realität vermischt (Sharkworld). Das schafft beim Spieler eine höhere Akzeptanz, sorgt für Detailtreue und stellt Nähe her. Siemens beispiel­sweise hat das Spiel Challenge Unlimited erfolgreich als Werkzeug im Per­sonal­mar­ket­ing eingesetzt.

Er­fol­gs­fak­toren für Ihre Video­plat­tform

Hat Ihr Unternehmen bereits eine eigene Video­plat­tform? Wenn nicht, wird es Zeit. Angebote von der Stange gibt es genug, aber meist werden Sie um eine Erweiterung nicht herumkommen. Legen Sie vor der Entschei­dung für oder gegen einen Anbieter fest, welche Ziele Sie mit dem Portal verfolgen: ein Geschäftsmodell präsentieren, das Un­ternehmen­sim­age aufpeppen oder die Marken­botschaft kom­mu­nizieren? Aus der Antwort ergibt sich Ihr Erfolgsmaßstab, die größtmögliche Reichweite in der Zielgruppe. Wenn Sie z. B. ein Videoportal für die Un­ternehmen­skom­mu­nika­tion planen, müssen Sie sich fragen, wie Sie Jour­nal­is­ten am besten erreichen.

„Seriöse Spiele wollen im Wesentlichen das Element Spaß mit den Elementen Information und Lernen verbinden.“

Damit die Nutzer eine Video­plat­tform auch wahrnehmen und sie von anderen un­ter­schei­den können, muss sie einzigartig und un­ver­wech­sel­bar sein. Diese In­di­vid­u­alität ist eine un­ab­d­ing­bare Grund­vo­raus­set­zung für das Gelingen. Sie kann sich – je nach Zielgruppe – im Inhalt, im außergewöhnlichen Design oder in besonderen Funktionen ausdrücken. Natürlich nutzt die schönste Plattform wenig, wenn die inhaltliche Qualität nicht stimmt.

„Welche Technologie let­z­tendlich für ein Video­pro­jekt infrage kommt, hängt von der Po­si­tion­ierung und Dif­feren­zierung des Vorhabens, dem Grad der Anpassung an interne Arbeitsabläufe sowie von dem zur Verfügung stehenden Budget ab.“

Bei der Plat­tformtech­nolo­gie haben Sie die Wahl zwischen White-La­bel-Pro­duk­ten und Frameworks. Erstere bieten ein modulares System mit baugleichen Ba­s­is­funk­tio­nen, die wenig Raum für In­di­vid­u­al­isierung lassen. Letztere stellen Ba­sis­tech­nolo­gien und Werkzeuge bereit, die dank In­di­vid­ua­len­twick­lung maximale Dif­feren­zierungsmöglichkeiten bieten.

„Der Anspruch an ausgereifte Videotech­nolo­gie bedeutet, den Content nicht nur auf dem eigenen Portal zu publizieren, sondern ihn auch weiter im Netz verbreiten zu können.“

Achten Sie in jedem Fall auf leichte In­halt­spflege, Ausbaumöglichkeiten und Stabilität. Ein weiterer Entschei­dungs­fak­tor für oder gegen ein System kann die Mul­ti­chan­nel-Funk­tion­alität sein: Wie lassen sich eigene Inhalte an anderer Stelle im Internet publizieren und möglichst weit streuen? Und wie kann man diese Streuung kon­trol­lieren? Schließlich müssen Sie den Erfolg Ihres Video­por­tals jederzeit mit Fakten belegen können.

Über den Autor

Achim Beißwenger ist Unternehmer und Mar­ket­ing­man­ager sowie Ve­r­anstal­ter der Fachkon­ferenz Audiovisual Media Days (AMD). Er arbeitete beim Nachricht­ensender N-TV. Die weiteren Autoren des Sam­mel­ban­des sind in der Me­di­en­forschung, den Mar­ketingabteilun­gen großer Konzerne wie Deutsche Telekom und BMW und In­ter­ne­tun­ternehmen wie Google und Sevenload zu Hause.