Glück

Buch Glück

Die Sicht der Ökonomie

Rüegger Verlag,


Rezension

Derzeit haben die Glück­s­the­o­retiker unter den Ökonomen eine gewisse Konjunktur. Ihre Botschaft lautet, leicht vereinfacht: Mach dich selbst glücklich, dann sind deine Mitarbeiter glücklich und du gewinnst glückliche Kunden. Die Autoren dieses kleinen Büchleins halten sich weder mit Rezepten noch mit Speku­la­tio­nen auf, sondern präsentieren uns das Glück als Fak­ten­samm­lung, mehrheitlich mit Daten aus den westlichen Ländern, vor allem aus der of­fen­sichtlich recht glücklichen Schweiz – aber warum gibt es dort so viele Selbstmorde? Das erklären die Autoren nicht, stattdessen werden zahlreiche Statistiken erläutert, vor und zurück gewälzt, gedreht und gewendet. Meist ist nicht von Glück, sondern von Nutzen, Leben­szufrieden­heit oder Wohlbefinden die Rede, die unter diesem und jenem Aspekt gemessen werden. Akademis­cher Tradition folgend wird vor jedem Kapitel erklärt, worum es nun gehen soll, überhaupt ist der Text recht akademisch-zäh gehalten. Gegen Ende finden sich aber auch einige für Manager und Unternehmer in­ter­es­sante Bemerkungen. BooksInShort empfiehlt dieses Buch insofern, als es in seiner sehr sachlichen Art hilft, den eigenen Weg zum Glück einmal zu hin­ter­fra­gen.

Take-aways

  • Glück ist keine objektive Größe. Es wird subjektiv wahrgenom­men.
  • Glück kann nicht philosophisch definiert werden, sondern ist ein Thema des täglichen Lebens.
  • Faktoren wie Einkommen, Arbeit und soziale Beziehungen lassen sich statistisch erfassen und als Glücksfaktoren bewerten.
  • In­di­vidu­elle Glück­swahrnehmungen sind relativ und entstehen durch Vergleich mit anderen.
  • Glücksfaktoren unterliegen Wech­sel­wirkun­gen, Verstärkungs- und Gewöhnungsef­fek­ten.
  • Geld allein macht nicht glücklich: Ab einem gewissen Wohl­stand­sniveau trägt weiteres Einkommen immer weniger zur Leben­szufrieden­heit bei.
  • Arbeit ist ein zentraler Glücksfaktor, besonders deutlich bei Selbstständigen und bei der Frei­willi­ge­nar­beit. Ar­beit­slosigkeit macht unglücklich.
  • Die Einbindung in die Familie und in soziale Netzwerke sowie die Teilhabe an politischen Entschei­dun­gen erhöhen die Leben­szufrieden­heit.
  • Die Gle­ich­stel­lung hat die Frauen nicht glücklicher gemacht.
  • Die Leben­sun­zufrieden­heit bei Menschen, die ihren TV-Konsum nicht kon­trol­lieren können, ist sehr ausgeprägt.
 

Zusammenfassung

Glück ist eine Frage der Kultur

Das Streben nach Glück war und ist ein zentraler Aspekt philosophis­chen Denkens, doch es ist nicht möglich, eine allgemeingültige Definition von Glück zu geben. Was Glück oder Glücklichsein für den Einzelnen ausmacht, muss jedes Individuum selbst definieren. Darüber hinaus sind die Vorstel­lun­gen davon, was Glück ist oder sein kann, kulturell geprägt. Glück kann für einen bud­dhis­tis­chen Asketen ganz anders aussehen als für einen he­do­nis­tis­chen Kalifornier. Auch innerhalb der westlichen Welt ist der Stellenwert von Glück in der Skala men­schlicher Werte nicht eindeutig definiert. Leben, Überleben, Freiheit, Erfüllung im Glauben können Werte sein, die der Einzelne über das Glück stellt. Unglück zu überwinden, kann ein Motor in­di­vidu­eller wie gesellschaftlicher Entwicklung sein.

Aspekte des Glücks

Glück kann auf ver­schiede­nen Ebenen existieren: zum einen sicherlich auf der Ebene der Freude, beispiel­sweise der momentanen „Freude am Fahren“, zum anderen auf der der grundsätzlichen Zufrieden­heit mit der Lebenssi­t­u­a­tion sowie drittens auf der Ebene des Wohlstands und gesund­heitlichen Wohlbefind­ens. Eine Her­aus­forderung gemeistert zu haben, kann ein bedeutender Glücksfaktor sein. Auch die Teilnahme und Teilhabe am politischen Geschehen machen uns glücklicher.

„Es gibt wohl kein weniger unbe­strittenes Lebensziel als das Glücklichsein.“

Ex negativo lässt sich Glück definieren als Abwesenheit von Enttäuschung oder sonstigen Nachteilen – vom Stress im Büro bis zum Stau auf dem Weg zur Arbeit. Glücksfaktoren, deren Relevanz statistisch messbar ist, sind Arbeit, Alter, Ehe und Familie, Ausbildung, Einkommen und Gesundheit. Wie diese Faktoren allerdings bewertet werden, ist subjektiv und sit­u­a­tion­s­abhängig. So verändert ein Lottogewinn die Glückseinschätzung im Hinblick auf den Aspekt Einkommen; ein Mensch, der einen schweren Unfall erlitten hat, wird seinen Glückszustand unter dem Aspekt der Gesundheit ebenfalls anders bewerten.

„Die Erken­nt­nisse der Glücks­forschung sollen dazu beitragen, die Vo­raus­set­zun­gen zu schaffen, dass der Einzelne sein ganz persönliches Glück finden kann.“

Glück lässt sich nicht allein am Wohlstand messen, also nicht am Brut­tosozial­pro­dukt eines Landes, der Summe aller er­wirtschafteten Güter und Di­en­stleis­tun­gen. Faktoren wie Haus­fraue­nar­beit, Frei­willi­ge­nar­beit, Schat­ten­wirtschaft, Freizeit und Qualität der Umwelt werden vom Brut­tosozial­pro­dukt gar nicht erfasst. Auch über die für die materielle Leben­szufrieden­heit entschei­dende Einkom­mensverteilung oder die Gesundheit sagt das Brut­tosozial­pro­dukt nichts aus. Allerdings muss man sich ein gewisses Mindestmaß an Gütern und Di­en­stleis­tun­gen als materielle Grundlage leisten können, sonst ist die Leben­szufrieden­heit eingeschränkt.

Wech­sel­wirkun­gen der Glück­swahrnehmung

Glück ist also keine vorgegebene Größe, sondern seine Wahrnehmung ist subjektiv, ja es wird vom Einzelnen regelrecht konstruiert. Für die Menschen in den westlichen Zivil­i­sa­tio­nen stehen dabei die Themen des täglichen Lebens im Vordergrund, keine meta­ph­ysis­chen, tran­szen­den­talen Glück­ser­fahrun­gen. Für die Glück­swahrnehmung spielen weniger absolute Faktoren eine Rolle als relatives Vergleichen. So ist für einen Ar­beit­slosen bereits ein mittleres Einkommen er­strebenswert, es würde ihn glücklich machen. Ein Gutver­di­ener ist dagegen erst dann mit seinem Einkommen vollkommen zufrieden, wenn seine Nachbarn und Kollegen ähnlich verdienen. Verdient aber jemand in seinem Umkreis für ver­gle­ich­bare Arbeit deutlich mehr, wird auch der Gutver­di­ener unzufrieden. Befindet sich ein Hochver­di­ener bereits auf einem sehr auskömmlichen Gehalt­sniveau, das keine weiteren Wünsche offen lässt, so wird ihm eine nochmalige beträchtliche Steigerung seines Einkommens keinen sig­nifikan­ten Glückszuwachs bringen.

„Mithilfe von multiplen Re­gres­sio­nen wird der Einfluss un­ter­schiedlicher Bes­tim­mungs­fak­toren auf die Leben­szufrieden­heit erfasst.“

Ähnliche Beobach­tun­gen lassen sich im Bereich persönlicher Beziehungen machen: Strebt ein Mensch eine feste Bindung an, so steigert sich sein Glücksgefühl in einer Beziehung immer weiter, bis zur Eheschließung. Ist dieser Gipfelpunkt erreicht, fällt der Glückszustand im Alltag typ­is­cher­weise erst einmal wieder ab. Ganz ähnliche Verläufe zeigt die Beziehungsen­twick­lung bei Paaren mit Kinder­wun­sch. Wech­sel­wirkun­gen zwischen dem persönlichen Glück und der Qualität von Beziehungen ergeben sich in vielen All­t­ags­bere­ichen: Glückliche Menschen finden leichter einen Partner, sind am Ar­beits­markt er­fol­gre­icher und allgemein hil­fs­bere­iter. Eine gute Part­ner­schaft, ein zufrieden­stel­len­der Job und allgemein enge soziale Beziehungen wiederum steigern die Leben­szufrieden­heit. Genau umgekehrt verläuft es für unglückliche Menschen: Auch bei ihnen verstärkt sich die – in diesem Fall negative – Spirale der Glück­swahrnehmung stets selbst.

Geld und Glück

Einkommen und Reichtum sind Glücksfaktoren. Nach der deutschen Wiedervere­ini­gung wurde ein eindeutiger positiver Zusam­men­hang zwischen einem markant steigenden Einkommen und dem Glücksniveau der Ost­deutschen fest­gestellt. Die Glückssteigerung durch Geld und Einkommen verläuft aber nicht linear, sondern es ergibt sich eine zwar positive, aber abnehmende Relation. Das betrifft nicht nur den Einzelnen, sondern die gesamten Ländereinkom­men. Zu berücksichtigen ist ferner der Gewöhnungsef­fekt: Durch das ver­gle­ich­sweise hohe Wohl­stand­sniveau, das viele Länder nach dem Krieg erreicht haben, sind die Menschen unter dem Strich nicht glücklicher geworden. Waschmas­chine und Farbfernse­her werden längst nicht mehr als glückssteigernd wahrgenom­men, sondern gehören zum normalen Alltag. Bei der monetären Glück­swahrnehmung verläuft die Richtung des Vergleichs fast ausschließlich nach oben: Wir definieren unsere diesbezügliche Leben­szufrieden­heit nicht danach, ob es uns besser geht als anderen. Entschei­dend ist der Vergleich mit Personen mit höheren Einkommen.

Arbeit und Glück

Ar­beit­slosigkeit macht sehr unglücklich: Männer noch stärker als Frauen, mittlere Al­ter­sklassen noch stärker als Jüngere oder Ältere und Menschen mit gutem Bildungs- und Aus­bil­dungs­stand stärker als Un­qual­i­fizierte. Auch hier gibt es Wech­sel­wirkun­gen: Wer unglücklich ist bzw. durch Ar­beit­slosigkeit unglücklich wird, hat es schwerer, im Ar­beit­sleben Fuß zu fassen.

„Selbstständigkeit als solche zahlt sich nicht unbedingt in mehr Geld aus. Viele Leute sind bereit, auf Einkommen zu verzichten, wenn sie dafür unabhängiger sind.“

Außerdem ver­schlechtern die psychischen Folgen der Ar­beit­slosigkeit die Leben­szufrieden­heit dramatisch. In Gesellschaften mit strengen sozialen Normen und einem hohen Ar­beit­sethos steigt das Unglück der Ar­beit­slosen weiter, weil sie die gesellschaftlichen Normen nicht erfüllen. Weniger Druck in dieser Richtung gibt es in Staaten oder Gruppen, wo es nicht verpönt ist, den Wohl­standsver­lust der Ar­beit­slosigkeit durch staatlichen fi­nanziellen Ausgleich zu beheben. Eine Rel­a­tivierung der Glück­swahrnehmung ergibt sich, wenn Ar­beit­slosigkeit kon­junk­turell bedingt ist, wenn sie also nicht als in­di­vidu­elles Versagen wahrgenom­men wird. In den USA übrigens wird Einkom­men­su­n­gle­ich­heit nicht im gleichen Maß als glücksmindernd wahrgenom­men wie in Europa, sondern als Anreiz und Chance zur Einkom­menssteigerung empfunden. Die größere Bere­itschaft der Amerikaner, Arbeit auch unterhalb des gewohnten Niveaus anzunehmen, zeigt ebenfalls eine kulturell anders geprägte Glück­swahrnehmung.

„Unter den Nichtver­heirateten sind diejenigen Personen, die in wilder Ehe leben, signifikant zufriedener als diejenigen, die alleine leben.“

Berufliche Selbstständigkeit und Frei­willi­ge­nar­beit erhöhen die Leben­szufrieden­heit. Für Selbstständige steht oft nicht der finanzielle Aspekt im Vordergrund, sondern die Unabhängigkeit und die Freiheit, eigene Potenziale besser nutzen zu können. Ähnliches gilt für Frei­willi­ge­nar­beit: Sie eröffnet die be­friedi­gende Möglichkeit, helfen zu können, neue Kompetenzen zu erwerben und das soziale Netzwerk zu erweitern. Das starke Schwinden von Möglichkeiten, sich freiwillig zu betätigen, führte nach der Wende in der ehemaligen DDR bei den Betroffenen eindeutig zur Ver­min­derung ihrer Leben­szufrieden­heit.

Staat und Glück

Ein umfassend fürsorglicher Staat könnte durch weitgehende materielle Absicherung für große Leben­szufrieden­heit sorgen. Nur: Freiheit ist ebenfalls ein wichtiger Faktor für das Wohlbefinden. Im Länderver­gle­ich schneiden demokratis­che Staaten mit möglichst weit­ge­hen­den Par­tizipa­tion­srechten besser ab. Es würde drastischer Einkom­menssteigerun­gen bedürfen, um Frei­heitsver­luste aufzuwiegen. Demokratis­che In­sti­tu­tio­nen sichern nicht nur die in­di­vidu­elle Freiheit, sondern auch das Vertrauen in die staatlichen In­sti­tu­tio­nen, in ihre Ehrlichkeit und Effizienz. Je ausgeprägter die politischen Mitwirkungsrechte sind (Volks­be­fra­gun­gen, Volk­sentscheide) und je näher sie am lokalen Umfeld der Bürger angesiedelt sind (Föderalismus), desto größer ist die Leben­szufrieden­heit. Alle Bevölkerungs­grup­pen, unabhängig von Einkommen, Geschlecht und Ausbildung, profitieren von dieser Art der poli­tisch-staatlichen Or­gan­i­sa­tion gleich stark.

Familie und Glück

Allgemein gesprochen wirkt sich jedes Zugehörigkeitsgefühl zu einer Gruppe glückssteigernd auf den Menschen aus. Die Ehe – und fast noch mehr ihre wilde Form – erhöht die Leben­szufrieden­heit der Menschen im Vergleich zu der der Singles deutlich. Bei Paaren mit gleichem gesellschaftlichem Hintergrund im Bezug auf Bildung und soziale Herkunft bleibt die Zufrieden­heit auch nach der Eheschließung höher als bei ungleichen Paaren. Ungleiches Einkommen in der Ehe hat generell einen positiven Effekt: In diesen ar­beit­steili­gen Beziehungen konzen­tri­ert sich der Partner mit dem höheren Einkommen tendenziell auf die Aufgabe der Einkom­mens­beschaf­fung, während der andere Partner sich nicht­mark­tlichen Tätigkeiten widmet.

„Die Leben­szufrieden­heit der Frauen ist in tra­di­tionellen Gemeinden höher.“

Der Grad der Zufrieden­heit vor und nach Scheidungen oder Trennungen verhält sich umgekehrt zu der Zeit vor und nach einer Eheschließung: Zwei Jahre vor diesem Einschnitt ist er besonders niedrig, zwei Jahre danach pendelt er sich auf dem gewohnten Niveau ein. Das Vorhan­den­sein von Kindern hat im Durch­schnitt keinen Einfluss auf das Glücksniveau.

Gle­ich­stel­lung und Glück

Sieht man Leben­szufrieden­heit nicht nur abhängig vom Einkommen, sondern auch von kulturellen Prägungen, so hat die Emanzi­pa­tion der Frau nicht notwendig positive Auswirkun­gen auf die Leben­szufrieden­heit. In der Schweiz etwa ist die Erwartung nicht überall und von vornherein darauf gerichtet, dass Frauen überhaupt arbeiten sollten und dass sie gleichen Lohn erhalten. In ländlichen Gemeinden, in denen das tra­di­tionelle Frauenbild stärker verankert ist, ist die Leben­szufrieden­heit der Frauen höher. Sie fühlen sich nicht im gleichen Maß der Mehrfach­be­las­tung von Familie und Beruf ausgesetzt und sind stärker in das tra­di­tionelle soziale Netzwerk eingebunden.

Fernsehen und Glück

Macht Fernsehen glücklich oder unglücklich? Das Medium kann ohne Zweifel einen entspan­nen­den Effekt haben – allerdings wirkt es auch sehr verführerisch, sodass es leicht zu Überkonsum kommt. Das Fernsehen sorgt dafür, dass weniger Zeit für andere Aktivitäten bleibt, und weckt Konsumwünsche, die möglicher­weise nicht re­al­isier­bar sind, was wiederum die Un­zufrieden­heit steigert. Erhebungen zeigen, dass die Leben­sun­zufrieden­heit bei Menschen, die ihren TV-Konsum nicht kon­trol­lieren können, ausgeprägter ist. Der Umkehrschluss, für unglückliche Menschen sei das Fernsehen eine Art Lebenser­satz, ist statistisch nicht erwiesen.

Über die Autoren

Bruno S. Frey ist Professor für Wirtschaftswis­senschaften an der Universität Zürich. Seine Forschungss­chw­er­punkte sind ökonomische Aspekte in den Bereichen Umwelt, Politik, Kunst, Geschichte und anderen psy­chol­o­gis­chen und sozi­ol­o­gis­chen Zusammenhängen. Claudia Frey Marti ist promovierte Ökonomin. Sie war stel­lvertre­tende Leiterin der Ko­or­di­na­tion­sstelle für Umweltschutz des schweiz­erischen Kantons Basel-Stadt. Anschließend war sie Lehrbeauf­tragte für Volk­swirtschaft­slehre.