Wofür Sie textliches Know-how brauchen
Wenn Sie sich im Geschäftsleben schriftlich äußern müssen oder wollen, geht es meistens darum, einen Adressaten für sich zu gewinnen, also im Grunde darum, Werbung zu betreiben. Textliches Know-how brauchen Sie in folgenden Bereichen:
- Briefe und Berichte: Sie wollen Kunden, Mitarbeiter, Vorgesetzte, Investoren und Aufsichtsgremien mit Informationen versorgen und zu bestimmten Handlungen veranlassen.
- E-Mails: Hier unterliegen Sie den gleichen inhaltlichen und formalen Anforderungen wie Mitteilungen auf Papier. Das wird oft übersehen.
- Öffentlichkeitsarbeit: alle Arten von Informations- und Pressemitteilungen, auch in elektronischen Medien (Newsletter).
- Werbung und Marketing im engeren Sinn: Anzeigen, Prospekte, Broschüren, Webseiten, Werbemails.
An wen Sie schreiben
Der Adressat Ihres Schreibens muss im Mittelpunkt Ihres Textes stehen. Machen Sie sich ihm verständlich und teilen Sie ihm mit, was Sie von ihm wollen. Weil der Leser Ihres Werbeschreibens Sie nicht persönlich kennt, interessiert er sich nicht a priori dafür, was Sie sagen. Gehen Sie psychologisch geschickt vor und versetzen Sie sich in ihn. Stellen Sie sich Ihren Adressaten konkret vor: Geschlecht, Alter oder Altersgruppe, Werte, Interessen, Wünsche. Sammeln Sie entsprechende Informationen und Daten. Um den Wünschen des Lesers auf die Spur zu kommen, berufen Sie sich auf die so genannten Todsünden, von denen auch er nicht frei ist: Schmeicheln Sie seiner Eitelkeit. Schüren Sie Neid und Begehren, indem Sie Vorteile, Profit und Glücksgefühle verheißen. Packen Sie ihn bei seiner Wut und Trägheit, indem Sie Problemlösungen und eine bequeme Abwicklung in Aussicht stellen. Versuchen Sie wirklich, sich Ihren Leser als Menschen aus Fleisch und Blut vorzustellen, nicht nur als Datenträger der Demografie. Stellen Sie sich vor, ein Gespräch von Angesicht zu Angesicht mit ihm zu führen; dann fällt es Ihnen viel leichter, den richtigen Ton zu treffen, und Sie konzentrieren sich außerdem automatisch auf die kundenrelevanten Informationen.
Was bringt’s dem Leser?
Werbetexter sind meist voller kreativer Ideen, aber haben keine Verkaufs- oder Kundenerfahrung aus erster Hand. Wenn es Ihnen auch so geht, sammeln Sie Informationen von den Kollegen im Außendienst. Brillante, gelungene Texte, die aber nur Ihnen, den Kollegen in der Werbeabteilung oder den Vorgesetzten gefallen, oder Anhäufungen von Produktmerkmalen, die den Ingenieuren so wichtig sind – aber eben nur ihnen –, all das verfehlt die werbliche Wirkung. Teilen Sie dem Leser bzw. dem Kunden lieber mit, wie ihm Ihr Produkt oder Ihre Dienstleistung nützt.
„Wir brauchen eine geerdete Sprache: Worte, die emotional mitreißen, verblüffen.“
Der Leser einer Werbebotschaft wird sich nur für Ihren Text interessieren, wenn er auf Anhieb einen Nutzen für sich erkennt. Er stellt sich unwillkürlich die Frage: Was bringt mir das? Einzelheiten zur Funktionsweise eines Produkts z. B. interessieren ihn nicht. Der Nutzen kann eine Problemlösung oder ein Geldvorteil sein. Denken Sie wieder an die menschlichen Grundbedürfnisse. Ein umwerfendes Rasierwasser für mehr Erfolg bei Frauen oder ein Sportwagen zur Statusverbesserung sind klar nutzenorientiert.
„Wir sollten uns vor Augen halten, dass die Kunden mehr sind als Daten auf einer Mailingliste oder ein demografisches Segment.“
Prüfen Sie systematisch, was für den Kunden wertvoll ist. Die wichtigsten Merkmale sind: Geld, Zeitersparnis, Gesundheit, Sicherheit, Status sowie Träume von Urlaub, einer schönen Wohnung oder einer guten Figur. Selbst die wünschenswerten Eigenschaften von Büroklammern lassen sich mit diesem Schema systematisch erfassen. Erstellen Sie eine Liste, bevor Sie schreiben.
Welches Ziel Sie erreichen wollen und wie Sie vorgehen
Aus diesen Vorarbeiten zum Kunden und dem Nutzen Ihres Produkts entsteht Ihr inhaltliches Konzept. Haben Sie eine konkrete Vorstellung Ihres Adressaten und seiner Bedürfnisse gewonnen, klären Sie als Nächstes, wie viel Platz und wie viel Zeit (Abgabetermine!) Ihnen zur Formulierung Ihrer Botschaft zur Verfügung steht. Notieren Sie sich Stichworte zu den Aussagen, die Sie übermitteln wollen, und gliedern Sie diese. Beantworten Sie sich selbst klar die Frage, welches Ziel Sie mit dem Schreiben erreichen wollen. Das Ziel sollte dem SMART-Modell entsprechen, d. h. es muss spezifisch („125 Neukunden gewinnen“), messbar („mit je 1500 € Mindestumsatz“), anwendbar, relevant und termingerecht („innerhalb der ersten drei Monate des Jahres“) sein. Witzig und clever sein zu wollen oder für einen Award nominiert zu werden, sind keine relevanten Ziele.
„Ihr Leser interessiert sich mehr für seine eigene Person als für Sie.“
Mit einem werblichen Text wollen Sie stets erreichen, dass der Leser handelt. Geht es um den Verkauf, wollen sie, dass er eine Kaufentscheidung trifft. Kaufentscheidungen sind fast immer emotional. Der Kunde benötigt einige nützliche Informationen zu Ihrem Produkt, vor allem aber braucht er ein Gefühl dafür. Die hohe Kunst besteht darin, mit anschaulichen Wortbildern, treffenden Vergleichen, verbalen und visuellen Impulsen klarzumachen, dass sich der Kunde mit Ihrer Designerbrille besser fühlt als mit einem Kassengestell.
Auf den Wunschauslöser zusteuern
Der Aufbau einer Werbebotschaft folgt der bekannten AIDA-Formel: Aufmerksamkeit, Interesse, dringlicher Wunsch, Aktion. Um auf Nummer sicher zu gehen, erweitern Sie die Formel zu AIDCA; das C steht für „Conviction“: die Überzeugung, die richtige Kaufentscheidung getroffen haben.
- Aufmerksamkeit erzielen Sie nur mit einer Headline, die den Hauptnutzen für den Leser punktgenau definiert. Gerade bei E-Mails ist das wichtig. Verpassen Sie hier Ihre Wirkung, wird Ihre Botschaft sofort gelöscht, umgeblättert oder in den Abfall geworfen. Die Wörter „Wie“ und „Heute“ zählen zu den machtvollsten Türöffnern („Wie Sie sparen …“, „Heute bieten wir Ihnen …“). Emotionsgeladene Wörter wie „Geld“ und „sterben“ verfehlen ihre Wirkung ebenfalls nicht.
- Von Interesse sind Vorteile und Nutzen für den Kunden: Geld, Zeit, Sicherheit usw.
- Um nach dem Kaufinteresse den dringlichen Wunsch zu wecken, Ihr Produkt zu erwerben, sollten Sie dem Kunden in einem lebendigen Szenario vor Augen halten, wie leicht und wunderbar das Leben mit Ihrem Produkt sein wird. Gegebenenfalls sollten Sie das Angebot begrenzen („auserwählter Kreis“, „Sie sind unter den Ersten“, „Das Angebot gilt bis …“).
- Um den Käufer von der Richtigkeit seines Wunsches zu überzeugen (Conviction), bauen Sie möglichst viele Sicherheitsfaktoren ein: Testimonials, Muster, kostenlose Tests, Geld-zurück-Garantie usw.
- Aktion: Machen Sie die Bestellung oder Bezahlung so einfach wie möglich. Tipp: Formulieren Sie den Handlungsauslöser zuerst („Bestellen Sie bis zum …“; „Kaufen Sie noch heute“). Das hilft Ihnen, sich auf Ihr Ziel zu konzentrieren, und beseitigt jede Schreibhemmung.
Die Praxis des Schreibens
Stellen Sie sich vor, Sie führen ein direktes Gespräch mit dem Adressaten. Dabei gehen Sie auf seine Probleme, Sorgen, Wünsche und Bedürfnisse ein. Und Sie stellen ihm Fragen – eine Frage kann auch ein guter Eröffnungssatz für einen Werbetext sein und eine Brücke zum Leser schlagen. Eine persönliche Beziehung zum Leser bauen Sie zudem mit Formulierungen auf wie „Sie als kompetenter/erfahrener/langjähriger …“, „Sie als Vater von …“ usw. Erzählen Sie eine Geschichte, ein Beispiel. Geschichten sind anschaulich und lebendig, sie zählen zu den ältesten und bewährtesten Kommunikationsformen. Ein Werbetext muss nicht zwingend kurz sein, er darf auch mal etwas länger geraten – aber nicht langweilig und langatmig. Erfahrungen aus dem Vertrieb zeigen sogar, dass lange und interessante Texte wirkungsvoller sind als kurze.
„Vorsichtig an den Ecken und Kanten Ihres Entwurfs herumzufeilen reicht nicht aus. Benutzen Sie in der genannten Reihenfolge: Kettensäge, Heckentrimmer, Blechschere, Nagelschere, Skalpell.“
Entspannen Sie sich vor dem Schreiben, lenken Sie sich ggf. zunächst ab, machen Sie erste Textskizzen auf Papier, nicht auf dem Bildschirm. Schreiben Sie natürlich, ohne stilistische Mätzchen. Formulieren Sie positiv („Denken Sie daran“ statt „Vergessen Sie nicht“) und nach Möglichkeit aktiv statt passiv („Ich bedaure sehr“ statt „Es ist bedauerlich“). Formulieren Sie einfache, klare Sätze. Verwenden Sie eine gut lesbare Schrift, am besten eine Serifenschrift in ausreichender Größe. Bei längeren Broschüren hilft dem Leser ein Inhaltsverzeichnis mit Kapitel- und Seitennummerierung, sich zurechtzufinden.
„Sie müssen diejenigen, die Ihren Werbetext absegnen, dazu bringen, den Entwurf auf der Grundlage seiner Wirksamkeit und nicht aus dem Blickwinkel persönlicher Vorlieben oder Abneigungen zu beurteilen.“
Wirksame „Powerwörter“ sind: leicht, bequem, einfach zu bestellen, schnell, kostenlos (aber Achtung bei E-Mails: „kostenlos“ im Betreff aktiviert die Spamfilter), jetzt, bitte, Garantie. Ferner Begriffe, die stark emotional besetzt sind: Liebe, Hass, Sex, Geld, Stress, Schutz, Kind, Macht, Lob, Sieg usw.
Textkontrolle
Genauso wichtig wie die umfassende inhaltliche Vorbereitung ist die saubere Nachbereitung des geschriebenen Textes. Kontrollieren Sie Rechtschreibung, Grammatik und Zeichensetzung; benutzen Sie dafür auch Ihr Textverarbeitungsprogramm. Schlagen Sie nach, wenn Sie nicht sicher sind. Drucken Sie den Text aus und machen Sie Korrekturgänge auf Papier. Scheuen Sie nicht davor zurück, umzuändern und zu streichen. Vermeiden Sie bzw. streichen oder ersetzen Sie Folgendes:
- Fachjargon („provisionsbasierte Beförderungsoption“): Verwenden Sie Fachbegriffe nur dort, wo sie unerlässlich sind.
- Fremdwörter: Schreiben Sie „verwirklichen“ statt „realisieren“ und „sicher“ statt „risikobereinigt“.
- Lange Sätze: Lösen Sie lange Sätze in zwei oder mehrere kurze auf. Scheuen Sie sich nicht vor der Wiederholung des Subjekts, wenn es der Lesbarkeit dient.
- Amtsdeutsch und juristische Floskeln. Das beginnt schon bei: „In Bezugnahme auf …“.
- Substantive: Statt „Unser Spezialgebiet ist die Bereitstellung von IT-Lösungen“ schreiben Sie lieber: „Wir lösen IT-Probleme“.
- Schnörkel: „In beträchtlichem Maß überarbeitet“ ist schwerfälliger als „gründlich überarbeitet“.
- Übertreibungen: „spektakulär“, „revolutionär“ usw.
- Nichtssagende Adjektive: „höherwertig“, „zukunftsorientiert“ usw.
- Humor: Über Witze mag der Leser lachen, aber er kauft deswegen nicht.
- Über sich selbst sprechen: „Es ist uns gelungen …“; „Mit großer Freude dürfen wir Ihnen mitteilen …“ – das interessiert den Leser nicht.
- Selbstgefälligkeit: Das letzte Urteil über den Text sollte nicht lauten: Gefällt er mir bzw. dem Marketingleiter? Sondern: Funktioniert er?