Texten auf den Punkt gebracht

Buch Texten auf den Punkt gebracht

Ein Werkzeugkasten für Texter

Wiley-VCH,
Auch erhältlich auf: Englisch


Rezension

Vom Erfinder der Glühbirne, Thomas A. Edison, stammt der berühmte Satz: „Genie ist 1 % Inspiration und 99 % Tran­spi­ra­tion.“ So ungefähr verhält es sich auch mit der sagenum­wobe­nen Kreativität der beg­nadet­sten Werber, sagt der erfahrene Texter Andy Maslen. Edison hatte die richtige Idee für elektrische Beleuchtung, aber er musste lange und beharrlich herumpro­bieren, bis er sie in ein brauchbares Gerät umgesetzt hatte. Auch ein guter Werbetext erfordert langes Herumfeilen. Maslen, der sich vor allem im Di­rect-Mail-Geschäft einen Namen gemacht hat, stellt diese Aufgabe Schritt für Schritt, sehr pragmatisch und mit viel britischem Humor dar. Als Engländer kennt er den Werbespruch eines deutschen Magazins, „Immer an den Leser denken“, vermutlich nicht, aber er fordert genau das. BooksInShort empfiehlt seine grundle­gende Anleitung nicht in erster Linie Prof­i­tex­tern, sondern Gele­gen­heitss­chreibern, Web­de­sign­ern und allen, die geschäftliche E-Mails und Berichte verfassen.

Take-aways

  • Textliches Know-how brauchen Sie für Briefe, E-Mails, Berichte, Anzeigen und Broschüren.
  • Bevor Sie mit dem Schreiben beginnen, erarbeiten Sie ein Konzept.
  • Stellen Sie sich den Adressaten oder Leser konkret vor, indem Sie In­for­ma­tio­nen über ihn sammeln und sich in ihn hinein­ver­set­zen.
  • Definieren Sie seine Bedürfnisse und Wünsche sowie Ihre Ziele.
  • Denken Sie nur an den Nutzen Ihres Produkts oder Ihrer Di­en­stleis­tung für den Kunden.
  • Schreiben Sie in entspannter Situation kurze, verständliche Sätze – so als würden Sie mit dem Kunden reden.
  • Erzählen Sie nach Möglichkeit eine Geschichte und stellen Sie Fragen.
  • Vermeiden Sie Fremdwörter, Fachwörter, Floskeln, Sprachschnörkel, Übertrei­bun­gen und Witze und sprechen Sie nicht über sich selbst oder Ihre Firma.
  • Vermeiden Sie passive oder unpersönliche For­mulierun­gen („Ich bedaure sehr“, nicht: „Es ist bedauerlich“).
  • Überarbeiten und kon­trol­lieren Sie Ihren Text mehrmals unter formalen wie unter in­haltlichen Gesicht­spunk­ten.
 

Zusammenfassung

Wofür Sie textliches Know-how brauchen

Wenn Sie sich im Geschäftsleben schriftlich äußern müssen oder wollen, geht es meistens darum, einen Adressaten für sich zu gewinnen, also im Grunde darum, Werbung zu betreiben. Textliches Know-how brauchen Sie in folgenden Bereichen:

  • Briefe und Berichte: Sie wollen Kunden, Mitarbeiter, Vorgesetzte, Investoren und Auf­sichts­gremien mit In­for­ma­tio­nen versorgen und zu bestimmten Handlungen veranlassen.
  • E-Mails: Hier unterliegen Sie den gleichen in­haltlichen und formalen An­forderun­gen wie Mit­teilun­gen auf Papier. Das wird oft übersehen.
  • Öffentlichkeit­sar­beit: alle Arten von In­for­ma­tions- und Pressemit­teilun­gen, auch in elek­tro­n­is­chen Medien (Newsletter).
  • Werbung und Marketing im engeren Sinn: Anzeigen, Prospekte, Broschüren, Webseiten, Werbemails.

An wen Sie schreiben

Der Adressat Ihres Schreibens muss im Mittelpunkt Ihres Textes stehen. Machen Sie sich ihm verständlich und teilen Sie ihm mit, was Sie von ihm wollen. Weil der Leser Ihres Werbeschreibens Sie nicht persönlich kennt, in­ter­essiert er sich nicht a priori dafür, was Sie sagen. Gehen Sie psy­chol­o­gisch geschickt vor und versetzen Sie sich in ihn. Stellen Sie sich Ihren Adressaten konkret vor: Geschlecht, Alter oder Al­ters­gruppe, Werte, Interessen, Wünsche. Sammeln Sie entsprechende In­for­ma­tio­nen und Daten. Um den Wünschen des Lesers auf die Spur zu kommen, berufen Sie sich auf die so genannten Todsünden, von denen auch er nicht frei ist: Schmeicheln Sie seiner Eitelkeit. Schüren Sie Neid und Begehren, indem Sie Vorteile, Profit und Glücksgefühle verheißen. Packen Sie ihn bei seiner Wut und Trägheit, indem Sie Problemlösungen und eine bequeme Abwicklung in Aussicht stellen. Versuchen Sie wirklich, sich Ihren Leser als Menschen aus Fleisch und Blut vorzustellen, nicht nur als Datenträger der Demografie. Stellen Sie sich vor, ein Gespräch von Angesicht zu Angesicht mit ihm zu führen; dann fällt es Ihnen viel leichter, den richtigen Ton zu treffen, und Sie konzen­tri­eren sich außerdem automatisch auf die kun­den­rel­e­van­ten In­for­ma­tio­nen.

Was bringt’s dem Leser?

Werbetexter sind meist voller kreativer Ideen, aber haben keine Verkaufs- oder Kun­den­er­fahrung aus erster Hand. Wenn es Ihnen auch so geht, sammeln Sie In­for­ma­tio­nen von den Kollegen im Außendienst. Brillante, gelungene Texte, die aber nur Ihnen, den Kollegen in der Wer­be­abteilung oder den Vorge­set­zten gefallen, oder Anhäufungen von Pro­duk­t­merk­malen, die den Ingenieuren so wichtig sind – aber eben nur ihnen –, all das verfehlt die werbliche Wirkung. Teilen Sie dem Leser bzw. dem Kunden lieber mit, wie ihm Ihr Produkt oder Ihre Di­en­stleis­tung nützt.

„Wir brauchen eine geerdete Sprache: Worte, die emotional mitreißen, verblüffen.“

Der Leser einer Wer­be­botschaft wird sich nur für Ihren Text in­ter­essieren, wenn er auf Anhieb einen Nutzen für sich erkennt. Er stellt sich unwillkürlich die Frage: Was bringt mir das? Einzel­heiten zur Funk­tion­sweise eines Produkts z. B. in­ter­essieren ihn nicht. Der Nutzen kann eine Problemlösung oder ein Geldvorteil sein. Denken Sie wieder an die men­schlichen Grundbedürfnisse. Ein umwerfendes Rasier­wasser für mehr Erfolg bei Frauen oder ein Sportwagen zur Sta­tusverbesserung sind klar nutzenori­en­tiert.

„Wir sollten uns vor Augen halten, dass die Kunden mehr sind als Daten auf einer Mail­ingliste oder ein de­mografis­ches Segment.“

Prüfen Sie sys­tem­a­tisch, was für den Kunden wertvoll ist. Die wichtigsten Merkmale sind: Geld, Zeit­erspar­nis, Gesundheit, Sicherheit, Status sowie Träume von Urlaub, einer schönen Wohnung oder einer guten Figur. Selbst die wünschenswerten Eigen­schaften von Büroklammern lassen sich mit diesem Schema sys­tem­a­tisch erfassen. Erstellen Sie eine Liste, bevor Sie schreiben.

Welches Ziel Sie erreichen wollen und wie Sie vorgehen

Aus diesen Vorarbeiten zum Kunden und dem Nutzen Ihres Produkts entsteht Ihr in­haltliches Konzept. Haben Sie eine konkrete Vorstellung Ihres Adressaten und seiner Bedürfnisse gewonnen, klären Sie als Nächstes, wie viel Platz und wie viel Zeit (Ab­ga­beter­mine!) Ihnen zur For­mulierung Ihrer Botschaft zur Verfügung steht. Notieren Sie sich Stichworte zu den Aussagen, die Sie übermitteln wollen, und gliedern Sie diese. Beantworten Sie sich selbst klar die Frage, welches Ziel Sie mit dem Schreiben erreichen wollen. Das Ziel sollte dem SMART-Mod­ell entsprechen, d. h. es muss spezifisch („125 Neukunden gewinnen“), messbar („mit je 1500 € Min­des­tum­satz“), anwendbar, relevant und ter­min­gerecht („innerhalb der ersten drei Monate des Jahres“) sein. Witzig und clever sein zu wollen oder für einen Award nominiert zu werden, sind keine relevanten Ziele.

„Ihr Leser in­ter­essiert sich mehr für seine eigene Person als für Sie.“

Mit einem werblichen Text wollen Sie stets erreichen, dass der Leser handelt. Geht es um den Verkauf, wollen sie, dass er eine Kaufentschei­dung trifft. Kaufentschei­dun­gen sind fast immer emotional. Der Kunde benötigt einige nützliche In­for­ma­tio­nen zu Ihrem Produkt, vor allem aber braucht er ein Gefühl dafür. Die hohe Kunst besteht darin, mit an­schaulichen Wortbildern, treffenden Vergleichen, verbalen und visuellen Impulsen klarzu­machen, dass sich der Kunde mit Ihrer De­signer­brille besser fühlt als mit einem Kas­sen­gestell.

Auf den Wunschauslöser zusteuern

Der Aufbau einer Wer­be­botschaft folgt der bekannten AIDA-Formel: Aufmerk­samkeit, Interesse, dringlicher Wunsch, Aktion. Um auf Nummer sicher zu gehen, erweitern Sie die Formel zu AIDCA; das C steht für „Conviction“: die Überzeugung, die richtige Kaufentschei­dung getroffen haben.

  • Aufmerk­samkeit erzielen Sie nur mit einer Headline, die den Hauptnutzen für den Leser punktgenau definiert. Gerade bei E-Mails ist das wichtig. Verpassen Sie hier Ihre Wirkung, wird Ihre Botschaft sofort gelöscht, umgeblättert oder in den Abfall geworfen. Die Wörter „Wie“ und „Heute“ zählen zu den machtvoll­sten Türöffnern („Wie Sie sparen …“, „Heute bieten wir Ihnen …“). Emo­tion­s­ge­ladene Wörter wie „Geld“ und „sterben“ verfehlen ihre Wirkung ebenfalls nicht.
  • Von Interesse sind Vorteile und Nutzen für den Kunden: Geld, Zeit, Sicherheit usw.
  • Um nach dem Kaufin­ter­esse den dringlichen Wunsch zu wecken, Ihr Produkt zu erwerben, sollten Sie dem Kunden in einem lebendigen Szenario vor Augen halten, wie leicht und wunderbar das Leben mit Ihrem Produkt sein wird. Gegebe­nen­falls sollten Sie das Angebot begrenzen („auserwählter Kreis“, „Sie sind unter den Ersten“, „Das Angebot gilt bis …“).
  • Um den Käufer von der Richtigkeit seines Wunsches zu überzeugen (Conviction), bauen Sie möglichst viele Sicher­heits­fak­toren ein: Tes­ti­mo­ni­als, Muster, kostenlose Tests, Geld-zurück-Garantie usw.
  • Aktion: Machen Sie die Bestellung oder Bezahlung so einfach wie möglich. Tipp: Formulieren Sie den Hand­lungsauslöser zuerst („Bestellen Sie bis zum …“; „Kaufen Sie noch heute“). Das hilft Ihnen, sich auf Ihr Ziel zu konzen­tri­eren, und beseitigt jede Schreib­hem­mung.

Die Praxis des Schreibens

Stellen Sie sich vor, Sie führen ein direktes Gespräch mit dem Adressaten. Dabei gehen Sie auf seine Probleme, Sorgen, Wünsche und Bedürfnisse ein. Und Sie stellen ihm Fragen – eine Frage kann auch ein guter Eröffnungssatz für einen Werbetext sein und eine Brücke zum Leser schlagen. Eine persönliche Beziehung zum Leser bauen Sie zudem mit For­mulierun­gen auf wie „Sie als kompetenter/erfahrener/langjähriger …“, „Sie als Vater von …“ usw. Erzählen Sie eine Geschichte, ein Beispiel. Geschichten sind anschaulich und lebendig, sie zählen zu den ältesten und bewährtesten Kom­mu­nika­tions­for­men. Ein Werbetext muss nicht zwingend kurz sein, er darf auch mal etwas länger geraten – aber nicht langweilig und langatmig. Erfahrungen aus dem Vertrieb zeigen sogar, dass lange und in­ter­es­sante Texte wirkungsvoller sind als kurze.

„Vorsichtig an den Ecken und Kanten Ihres Entwurfs herumzufeilen reicht nicht aus. Benutzen Sie in der genannten Reihenfolge: Kettensäge, Heck­entrim­mer, Blechschere, Nagelschere, Skalpell.“

Entspannen Sie sich vor dem Schreiben, lenken Sie sich ggf. zunächst ab, machen Sie erste Textskizzen auf Papier, nicht auf dem Bildschirm. Schreiben Sie natürlich, ohne stilis­tis­che Mätzchen. Formulieren Sie positiv („Denken Sie daran“ statt „Vergessen Sie nicht“) und nach Möglichkeit aktiv statt passiv („Ich bedaure sehr“ statt „Es ist bedauerlich“). Formulieren Sie einfache, klare Sätze. Verwenden Sie eine gut lesbare Schrift, am besten eine Ser­ifen­schrift in aus­re­ichen­der Größe. Bei längeren Broschüren hilft dem Leser ein In­haltsverze­ich­nis mit Kapitel- und Seiten­num­merierung, sich zurechtzufinden.

„Sie müssen diejenigen, die Ihren Werbetext absegnen, dazu bringen, den Entwurf auf der Grundlage seiner Wirksamkeit und nicht aus dem Blickwinkel persönlicher Vorlieben oder Abneigungen zu beurteilen.“

Wirksame „Powerwörter“ sind: leicht, bequem, einfach zu bestellen, schnell, kostenlos (aber Achtung bei E-Mails: „kostenlos“ im Betreff aktiviert die Spamfilter), jetzt, bitte, Garantie. Ferner Begriffe, die stark emotional besetzt sind: Liebe, Hass, Sex, Geld, Stress, Schutz, Kind, Macht, Lob, Sieg usw.

Tex­tkon­trolle

Genauso wichtig wie die umfassende inhaltliche Vor­bere­itung ist die saubere Nach­bere­itung des geschriebe­nen Textes. Kon­trol­lieren Sie Rechtschrei­bung, Grammatik und Ze­ichenset­zung; benutzen Sie dafür auch Ihr Textver­ar­beitung­spro­gramm. Schlagen Sie nach, wenn Sie nicht sicher sind. Drucken Sie den Text aus und machen Sie Korrekturgänge auf Papier. Scheuen Sie nicht davor zurück, umzuändern und zu streichen. Vermeiden Sie bzw. streichen oder ersetzen Sie Folgendes:

  • Fachjargon („pro­vi­sions­basierte Beförderung­sop­tion“): Verwenden Sie Fach­be­griffe nur dort, wo sie unerlässlich sind.
  • Fremdwörter: Schreiben Sie „ver­wirk­lichen“ statt „realisieren“ und „sicher“ statt „risikobere­inigt“.
  • Lange Sätze: Lösen Sie lange Sätze in zwei oder mehrere kurze auf. Scheuen Sie sich nicht vor der Wieder­hol­ung des Subjekts, wenn es der Lesbarkeit dient.
  • Amtsdeutsch und juristische Floskeln. Das beginnt schon bei: „In Bezugnahme auf …“.
  • Substantive: Statt „Unser Spezial­ge­biet ist die Bere­it­stel­lung von IT-Lösungen“ schreiben Sie lieber: „Wir lösen IT-Probleme“.
  • Schnörkel: „In beträchtlichem Maß überarbeitet“ ist schwerfälliger als „gründlich überarbeitet“.
  • Übertrei­bun­gen: „spektakulär“, „revolutionär“ usw.
  • Nichtssagende Adjektive: „höherwertig“, „zukun­ft­sori­en­tiert“ usw.
  • Humor: Über Witze mag der Leser lachen, aber er kauft deswegen nicht.
  • Über sich selbst sprechen: „Es ist uns gelungen …“; „Mit großer Freude dürfen wir Ihnen mitteilen …“ – das in­ter­essiert den Leser nicht.
  • Selbstgefälligkeit: Das letzte Urteil über den Text sollte nicht lauten: Gefällt er mir bzw. dem Mar­ket­ingleiter? Sondern: Funk­tion­iert er?

Über den Autor

Andy Maslen studierte Psychologie und An­thro­polo­gie. Ab 1986 arbeitete er im Di­rect-Mail-Ver­trieb, zuletzt als Leiter der Mar­ketingabteilung. 1996 gründete er seine eigene Mar­ket­ingkom­mu­nika­tion­sagen­tur Sunfish. Als Referent und Coach beschäftigt er sich speziell mit Schreib­train­ings für Geschäfts­doku­mente.