Tax Fraud & Forensic Accounting

Buch Tax Fraud & Forensic Accounting

Umgang mit Wirtschaftskriminalität

Gabler,


Rezension

Betrug hat viele Facetten und lauert überall. In der Wirtschaft äußert er sich u. a. in Form von Bi­lanz­ma­nip­u­la­tion, Steuer­hin­terziehung, Be­trieb­ss­pi­onage oder Verun­treu­ung. Um gerade auch Mittelständlern zu helfen, kriminelles Verhalten zu erkennen und sich vor ver­brecherischen Mi­tar­beit­ern zu schützen, haben Experten der Wirtschaft­sprüfungs­ge­sellschaft KPMG Beiträge von Kollegen und Wis­senschaftlern für das vorliegende Werk gesammelt. In diesem Band werden nicht nur die un­ter­schiedlichen Gesichter von Wirtschaftsver­brechen beschrieben, sondern auch Begriffe sowie deren Herkunft detailliert erläutert und die rechtlichen Rah­menbe­din­gun­gen abgesteckt. Den wis­senschaftlichen Anspruch der Autoren erkennt man an der korrekten Zitierweise und etlichen Fußnoten. Hölzernes Beam­ten­deutsch durchzieht zwar konsequent sowohl die the­o­retis­chen wie auch die praktischen Teile, doch bemühen sich die Verfasser immerhin um die Vermittlung besonders prax­is­rel­e­van­ter Inhalte mithilfe gekennze­ich­neter „Be­rater­hin­weise“. BooksInShort empfiehlt das Buch allen Steuer­ber­atern, Wirtschaft­sprüfern, Risiko­man­agern, Ethik­beauf­tragten und Revisoren.

Take-aways

  • Für die Aufdeckung wirtschaft­skrim­ineller Handlungen ist kaufmännisches Wissen unerlässlich.
  • Um Delikten vorzubeugen, sie aufzudecken und zu vermeiden, müssen Sie bei der Un­ternehmen­skul­tur, den Mi­tar­beit­ern und den IT-Systemen ansetzen.
  • Kriminelles Verhalten wird von drei Faktoren beeinflusst: Motivation, Gelegenheit und Recht­fer­ti­gung.
  • Damit es gar nicht erst zu kriminellen Handlungen kommt, müssen Präventionsmaßnahmen alle drei Faktoren umfassen.
  • Steuer­hin­terziehung ist möglich mittels Um­satzs­teuerkarus­sellen, Schmuggel, Bilanzfälschung oder Bestechung.
  • Steuer­ber­ater und Abschlussprüfer sind – entgegen der landläufigen Meinung – nicht für Bi­lanz­be­trug ve­r­ant­wortlich.
  • Forensic Accountants sind aus­ge­bildete Wirtschaftswis­senschaftler, Psychologen und Com­put­er­spezial­is­ten.
  • Im Unterschied zum Wirtschaft­sprüfer konzen­tri­eren sich Forensic Accountants nicht auf Fehler im Jahresab­schluss, sondern auf Anzeichen ab­sichtlichen Betrugs.
  • Wirtschaft­skrim­inelle versuchen ihre Taten zu ver­schleiern – dabei machen sie Fehler.
  • Daraus resultieren Hinweise, so genannte Red Flags, denen die Forensic Accountants nachgehen.
 

Zusammenfassung

Was ist Wirtschaft­skrim­i­nalität?

Wirtschaft­skrim­i­nalität hat viele Facetten. Im Allgemeinen bezeichnet sie Taten, die die wirtschaftliche Ordnung stören oder die dazu führen, dass die All­ge­mein­heit an der Rechtschaf­fen­heit des geschäftlichen Verkehrs oder an der korrekten Ar­beitsweise der Behörden zweifelt. Eine Beson­der­heit wirtschaft­skrim­ineller Akte ist, dass zu ihrer Aufklärung kaufmännisches Wissen notwendig ist. Das Feld der Delikte reicht von Steuer­hin­terziehung über Be­trieb­ss­pi­onage bis hin zu Verun­treu­ung, Korruption und Bi­lanz­ma­nip­u­la­tion. Daher sind die Vorschriften des Wirtschaftsstrafrechts auch in vielen un­ter­schiedlichen Bereichen des deutschen Strafrechts zu finden, z. B. im Un­ternehmensstrafrecht, im Kap­i­tal­mark­t­strafrecht, im Patent-, Marken- und Urhe­ber­strafrecht sowie im Bi­lanzs­trafrecht.

Die Ursachen von Wirtschaft­skrim­i­nalität

Die Auswirkun­gen der Glob­al­isierung begünstigen die Ausbreitung krimineller Handlungen im Wirtschaft­sleben: Im Internet lassen sich In­for­ma­tio­nen einfach recher­chieren, der Finanzmarkt umfasst die ganze Welt, ein harter globaler Wettbewerb verführt Unternehmen zu unsauberen Geschäften, und die un­ter­schiedlichen kulturellen Hintergründe der Mitarbeiter erschweren die Erstellung eines ein­heitlichen Wertekodex. Die Vorbeugung, Aufdeckung und Vermeidung krimineller Handlungen muss daher bei mehreren Stellen ansetzen: bei der Un­ternehmen­skul­tur, den Mi­tar­beit­ern und den IT-Systemen.

„Kriminelle Handlungen verbergen sich hinter Verträgen, Zahlungen und anderen geschäftlichen Vorfällen.“

Im Mittelpunkt krim­i­nol­o­gis­cher Erklärungsver­suche der Ursachen von Wirtschaft­skrim­i­nalität steht der Mensch. Wird die Gefahr oder das Ausmaß einer poten­ziellen Strafe geringer eingeschätzt als der erwartete Nutzen, dann wird kriminelles Verhalten für ihn interessant. Manche Soziologen gehen zudem davon aus, dass Verbrechen sozusagen ansteckend ist: Menschen lernen von anderen Personen in ihrem Umfeld nicht nur, wie man ein Verbrechen verübt, sondern übernehmen auch die Motivation bzw. die Recht­fer­ti­gungsgründe von ihnen. Ein weiteres Erklärungsmodell ist das so genannte Fraud Triangle. Hier rufen drei Faktoren gemeinsam kriminelles Verhalten hervor:

  1. Motivation: Der Täter braucht einen Grund für die Tat, z. B. Geldsorgen.
  2. Gelegenheit: Dem Täter ist klar, dass er sein Problem heimlich durch Ausnutzung einer Ver­trauen­spo­si­tion lösen kann.
  3. Recht­fer­ti­gung: Der Täter kann sein Gewissen mit einem Tatgrund beruhigen.
„Unternehmen geben sehr viel Geld für IT-Sicher­heit aus, vergessen aber dabei, Geld und Zeit in die Auswahl von Mi­tar­beit­ern und deren Sicher­heitss­chu­lung zu investieren.“

Setzen Sie für die Präven­tion­sar­beit in Ihrem Unternehmen bei diesen drei Punkten an. Am einfachsten ist es, beim Aspekt „Gelegenheit“ beginnen: Sie benötigen effektive Kontrollen und eine beständige Or­gan­i­sa­tion­sstruk­tur, die möglichst wenige solcher Gele­gen­heiten bietet.

Tax Fraud – Steuer­hin­terziehung

Jeder, der Behörden täuscht, um Steuern zu sparen, begeht „Tax Fraud“, also Steuer­hin­terziehung. Das kann mittels falscher oder unvollständiger Angaben geschehen. Bekannte Muster sind:

  • Um­satzs­teuerkarus­selle: Innerhalb einer Lieferkette wird Um­satzs­teuer hinterzogen, indem sich ein Importeur die Vorsteuer rückvergüten lässt, die geschuldete Steuer aber nicht bezahlt.
  • Schmuggel: Da es Zölle bereits seit dem dritten Jahrtausend v. Chr. gibt, hat Schmuggel eine lange Tradition. Es handelt sich bei diesen Verbrechern heutzutage meist um Schreibtis­chtäter – auch in angesehenen Unternehmen – und nicht um windige Gesellen, die mit Taschen voller Kaffee über grüne Grenzen schleichen. Die Täter von heute machen etwa falsche Wert- und Beschaf­fen­heit­sangaben: Miteinander verbundene Unternehmen in un­ter­schiedlichen Ländern stellen sich Rechnungen mit zu niedrigem Wert der trans­ferierten Ware aus oder deklarieren z. B. hochw­er­tiges Fleisch als Schlachtab­fall. Dadurch zahlen sie weniger oder gar keinen Zoll.
  • Bi­lanzde­likte: Diese lassen sich in zwei Kategorien einteilen. Als Bilanzfälschung bezeichnet man ab­sichtliche Verstöße gegen das Prinzip der Bi­lanzwahrheit, z. B. falsche Buchungen sowie fiktive oder unvollständig bilanzierte Posten. Bi­lanzver­schleierung betrifft Verstöße gegen das Prinzip der Bi­lanzk­larheit, etwa unerlaubte Saldierun­gen oder Zuweisungen zu inkorrekten Bi­lanz­posten. Manager verüben Bi­lanzde­likte, um Un­ternehmen­skrisen zu ver­schleiern, Übernahmen zu verhindern, Steuern zu hin­terziehen oder sich persönlich zu bereichern.
  • Bestechung: Schmiergelder hin­ter­lassen Spuren, obwohl oder gerade wenn sie ver­schleiert werden, z. B. mithilfe schwarzer Kassen, und somit zu Steuer­hin­terziehung führen. Für die Aufdeckung der Tat müssen Sie konkrete Handlungen ausfindig machen; bloße Hinweise genügen nicht. Solche Handlungen können z. B. die Vortäuschung falscher Tatsachen oder arglistige Täuschungsmanöver sein. Für schwarze Kassen werden zunächst im Rahmen des regulären Geschäfts zu hohe oder nur scheinbare Be­trieb­saus­gaben gebucht oder aber Scheinbeschäftigte eingestellt. Dann werden mit dem so zurück­be­hal­te­nen Geld Schmiergelder bezahlt. Manchmal sind auch „Küchenfirmen“ im Namen der Ehefrau im Spiel, über die das Geld dann fließt.

Die Rolle der Steuer­ber­ater und Abschlussprüfer

Der Steuer­ber­ater ist dazu verpflichtet, die Geschäftsvorfälle seines Mandanten kompetent und kritisch zu betrachten. Er muss aber nicht jede Buchung gesondert prüfen oder die materielle Richtigkeit feststellen. Gibt es Unregelmäßigkeiten in der Buchführung, ist dafür somit nicht der Steuer­ber­ater ve­r­ant­wortlich – es sei denn, sie sind of­fen­sichtlich und er verletzt seine Sorgfalt­spflicht. Auch der Bestäti­gungsver­merk eines Wirtschaft­sprüfers darf nicht als Siegel für einen fehlerlosen Jahresab­schluss missver­standen werden. Der Abschlussprüfer muss zwar so gewis­senhaft arbeiten, dass Verstöße und Fehler, die zu einem wesentlich falschen Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage führen, enthüllt werden. Unbe­deu­tende Ma­nip­u­la­tio­nen und Vermögensschädigungen sind in dieser Vorgabe aber nicht eingeschlossen.

Aufdeckung von Betrug durch Forensic Accountants

Wie bei anderen Verbrechen gibt es auch im Bereich der Wirtschaft­skrim­i­nalität Mittel und Wege, um Beweise zu sichern, weiteren Schaden zu vermeiden und Ver­dachtsmo­mente zu entkräften oder zu erhärten. Forensic Accounting ist dafür da, Fehlver­hal­ten im Unternehmen zu erkennen und ihm vorzubeugen. Experten in diesem Berufsfeld werden manchmal erst dann als Unterstützung der internen Revision und der Com­pli­ance-Abteilung geholt, wenn Indizien – so genannte Red Flags – für ein wirtschaft­skrim­inelles Vorkommnis vorliegen.

„Die Bündelung ver­schiedener ursächlicher Faktoren der Wirtschaft­skrim­i­nalität in einem Be­trugs­dreieck ist in der Praxis für eine erste Struk­turierung des Problems in jedem Fall hilfreich.“

Im Unterschied zum Wirtschaft­sprüfer konzen­tri­eren sich Forensic Accountants nicht auf das Finden von Fehlern, sondern auf Anzeichen ab­sichtlichen Betrugs. Sie arbeiten verdeckt oder ermitteln offen, führen Interviews und analysieren Datenbanken, Unterlagen und elek­tro­n­is­che Dokumente mithilfe spezieller Software. Dafür ist sehr spez­i­fis­ches Wissen in den Bereichen IT, Psychologie und Be­trieb­swirtschaft notwendig, weshalb die Aus­bil­dun­gen der Mitglieder eines Foren­sic-Ac­count­ing-Teams möglichst heterogen sein sollten. Im Weiteren ist bei der Sicherung gerichtsver­w­ert­barer Beweise rechtliches Wissen vonnöten, z. B. sollte ein In­ter­view­pro­tokoll immer von der in­ter­viewten Person un­ter­schrieben werden. Aufgrund dieser heiklen Situation bietet es sich an, ein Foren­sic-Team einer Wirtschaft­sprüfungs­ge­sellschaft damit zu betrauen, zumal diese Beruf­s­gruppe zur Ver­schwiegen­heit verpflichtet ist.

„Als Forensic Accountants arbeiten neben Wirtschaftswis­senschaftlern auch Psychologen, Rechtsanwälte, ehemalige Krim­i­nal­beamte oder auch Math­e­matiker.“

Indizien für betrügerisches Handeln gibt es viele, sie fallen sozusagen als Neben­pro­dukt des Verbrechens an. Zwar dienen sie nicht als Beweise, doch kann man sie als Hinweise sehen, denen man – unter Berück­sich­ti­gung der Situation, in der sie auftauchen – nachgehen sollte.

Red Flags sind etwa die folgenden Situationen:

  • Einem Vertrag liegt kein Angebot zugrunde.
  • Es wird ein außergewöhnlich hohes Honorar bezahlt.
  • Die Er­fol­gsmes­sung einer erbrachten Leistung ist unmöglich.
  • Der Zahlungsempfänger ist nicht mit dem Ver­tragspart­ner identisch.
  • Das vereinbarte Entgelt ist geringer als das tatsächlich bezahlte.
  • Gehälter liegen weit über dem für eine bestimmte Qual­i­fika­tion Üblichen.
  • Gehalt­szahlun­gen erfolgen per Scheck.
  • Die Angaben auf der Gehalt­sliste decken sich nicht mit den An­we­sen­heit­saufze­ich­nun­gen.
  • Es tauchen unübliche Buchungssätze oder solche ohne Erläuterung auf.
  • Eine Doku­men­ta­tion wurde nachträglich geändert oder fehlt ganz.
  • Es häufen sich Stornierun­gen, Umbuchungen, Rück­datierun­gen oder Buchungen ohne Beleg oder außerhalb der Geschäftszeiten.
  • Das Management behindert den Abschlussprüfer bei Vier­au­genge­sprächen mit dem Auf­sicht­srat.
  • Es sind häufige Di­en­streisen zu immer den gleichen Kunden verzeichnet.
  • Jemand führt einen auffällig verbesserten Lebensstil.
  • Ein Mitarbeiter lehnt es ab, in Urlaub zu gehen.
  • Eine Ange­bots­frist ist auffallend kurz.
  • Unnötige An­schaf­fun­gen werden getätigt.
  • Langfristige Verträge werden zu marktunüblichen Preisen abgeschlossen.

Prävention durch Fraud-Risk-Man­age­ment

Die Organe einer Gesellschaft tun angesichts ihrer Sorgfalt­spflicht gut daran, ein strate­gis­ches System aus Präventionsmaßnahmen im Unternehmen einzuführen. Auch Cor­po­rate-Gov­er­nance-Gründe und der potenzielle Im­ageschaden bei einem aufgedeck­ten Betrugsfall sprechen dafür. Die Summe dieser Maßnahmen nennt man Fraud-Risk-Man­age­ment. Dazu analysieren Sie gemäß dem Fraud Triangle zunächst den aktuellen Status im Unternehmen und iden­ti­fizieren Risikobere­iche:

  • Risiko­fak­toren im Bereich Motivation sind u. a.: hoher Wettbewerb, rückläufige Gewin­n­mar­gen, sinkende Nachfrage, überzogene Analysten- und In­ve­storen­er­wartun­gen, weiterer Fi­nanzierungs­be­darf, Bonuszahlun­gen, die an das Erreichen aggressiver Ziele geknüpft sind, eine bevorste­hende Beendigung des Arbeitsverhältnisses, private Geldnot, Konflikte mit dem Arbeitgeber.
  • Risiko­fak­toren im Bereich Gelegenheit sind u. a.: wesentliche Geschäfte mit na­h­este­hen­den Personen, komplexe Transak­tio­nen, Geschäfte im Ausland oder über Zwischenhändler, eine unübersichtliche Or­gan­i­sa­tion­sstruk­tur, hohe Fluktuation im Rech­nungswe­sen, in der internen Revision oder im Bereich IT, ungenügende Aufteilung der Macht im Management, hoher Kassenbe­stand, einfach verkäufliche Waren in den Vorräten, kleine Waren mit hohem Wert in den Vorräten.
  • Risiko­fak­toren im Bereich Recht­fer­ti­gung sind u. a.: eine schlechte Un­ternehmen­skul­tur mit fehlenden Werten, die Steigerung des Ak­tienkurses als primäres Ziel, vergangene Verstöße ohne Kon­se­quen­zen, Ver­harm­lo­sung kleinerer Vergehen.
„Un­ab­d­inglich ist eine Un­ternehmen­skul­tur, die Wirtschaft­skrim­i­nalität nicht duldet.“

Sollten die Risiko­fak­toren sich in einem Bereich häufen, dann gehen Sie auf die Suche nach Indizien für kriminelles Handeln, eruieren Sie im Anschluss daran deren Ursachen und erarbeiten Sie schließlich geeignete Vor­beu­gungsmaßnahmen.

Über die Autoren

Christian Hlavica, Uwe Klapproth und Frank M. Hülsberg sind Certified Fraud Examiner (CFE) und helfen im Rahmen ihrer Tätigkeit bei der Wirtschaft­sprüfungs­ge­sellschaft KPMG im Bereich Risk & Compliance/Forensic bei der Aufdeckung und Vorbeugung von Wirtschaft­skrim­i­nalität in Unternehmen.