Das grosse Zittern
Was machen Ihre Aktienkurse? Wenn Sie im Internet-Zeitalter diese Frage nicht eindeutig beantworten können, dürfen Sie einpacken. Und wenn Sie nicht wissen, wie Sie mit den Dotcoms umgehen sollen, die allerorten wie Pilze aus dem Boden schiessen, dann auch. Können Sie sich in den technologiegestützten Märkten behaupten? Ist Ihr Unternehmen auf den Shareholder-Value ausgerichtet? Das Internet ist dabei, die gesamte Wirtschaft zu verändern, und nicht nur die Hightechbranche ist davon betroffen. Falls es bei Ihnen im Unternehmen noch eine separate EDV-Abteilung gibt, machen Sie deren Leiter schleunigst zum CIO (Chief Information Officer) und anschliessend die IT (Informationstechnologie) zur Linienfunktion. Es könnte zu einer Art von wirtschaftlichem Erdbeben kommen. Sie sollten langsam die Ärmel hochkrempeln. Die Leute wollen eigentlich gar keinen Rasenmäher, sie wollen einen gemähten Rasen. Darin liegt der Unterschied. Und die Zukunft.
Der Unternehmer denkt - und der Aktienkurs lenkt
Wenn Sie eine ordentliche Performance wollen, dann pushen Sie den Shareholder-Value. An der Steigerung des Aktienkurses ist nicht nur das Management, sondern auch der Anleger interessiert. Logisch, denn es wollen ja auch beide reich werden, wenn möglich. Erfolgreiche Anleger investieren dort, wo sie den grössten Wettbewerbsvorteil sehen. So gesehen ist der Aktienkurs eine der zuverlässigsten Informationsquellen. Was ist Randgeschäft, was Kerngeschäft? Wo sollten Sie investieren und wo nicht? Welche Partner sind die richtigen und welche schicken Sie besser zum Teufel? Schauen Sie sich den Aktienkurs an, er ist Ihr Berater.
„In diesem neuen Zeitalter beschäftigt sich die IT nicht nur mit dem Unternehmen, sondern IT ist das Unternehmen.“
Wollen Sie Ihren Anlegern einen Gefallen tun? Dann lassen Sie die Marktkapitalisierung Ihres Unternehmens anwachsen. Falls Sie nicht so genau wissen, wie das geht, schauen Sie mal, wo Ihre Konkurrenten sind. Hoffentlich weit abgeschlagen! Es ist jedenfalls von Vorteil, wenn diese Distanz, der Competitive Advantage Gap (GAP, zu Deutsch: Wettbewerbsvorteilsspanne) möglichst gross ist. Sie müssen im Kerngeschäft einfach besser sein als die Konkurrenz. Wie lange schaffen Sie das? Ihre Anleger werden das wissen wollen. Also sorgen Sie für eine lange Wettbewerbsvorteilsperiode (Competitive Advantage Period, CAP). Da können Sie jetzt künftig Ihre Zeit und Ihr Engagement darauf verwenden, um den GAP hoch und die CAP lang zu machen. Das wär’s dann auch schon, um den Shareholder-Value wachsen und gedeihen zu lassen.
Wer vorne liegt, siegt
Wenn Sie im Wettbewerb die Nase vorne haben möchten, brauchen Sie eine solide Basis. Auf welche Technologien, Wertketten und Märkte bauen Sie? Sie haben eine Hand voll Chancen für einen Wettbewerbsvorteil, was nicht bedeutet, dass Sie sich die angenehmste aussuchen können. Vielmehr sollten Sie alle nutzen:
- Setzen Sie auf die neueste Technologie. Wenn Sie das Preis-Leistungs-Verhältnis optimieren und Ihre Produktivität erhöhen wollen, werden Sie nicht um die neuen Technologien herumkommen. Sie sind die stärkste Komponente in der Hierarchie der Wettbewerbsvorteile. Hier können Sie in Bezug auf den Shareholder-Value eine Menge Boden gut machen. Die GAPs und CAPs sind optimal - und die Konkurrenz hat das Nachsehen. Sie sind überhaupt nicht auf einem technologiegestützten Markt zu Hause? Und Sie haben auch gar keine Lust, sich hier zu beteiligen? Eignen Sie sich die neue Sparte an, schwimmen Sie mit auf der neuen Technologie-Welle, denn schon allein durch Ihre Anwesenheit dort klettert Ihre Aktie nach oben.
- Beherrschen Sie die Wertketten. Wo sind Sie stark, was können Sie besonders gut? Was haben Sie zu bieten, ein Produkt oder eine Dienstleistung? Übernehmen Sie Ihren Part im Emerging Market. Geben Sie sich aber damit nicht zufrieden. Versuchen Sie, die Führung der Wertkette zu übernehmen. Wenn Sie das schaffen, nennen die anderen Sie "Gorilla" und werden Ihnen den Kampf ansagen, aber das darf Sie nicht weiter stören. Gorillas haben einen grossen GAP, eine lange CAP und einen beneidenswerten Shareholder-Value. Dafür lohnt es sich doch zu kämpfen, oder?
- Werden Sie Marktsegmentführer. Ihnen fehlt die globale Macht? Das macht nichts. Suchen Sie sich eine Nische, um sich hier ein Monopol zu sichern. Die Anführer der grossen Märkte sehen da manchmal den Baum vor lauter Wald nicht, und Sie können gleich mehrere Nischenmärkte anpeilen. Hauptsache, Sie nutzen die hier spezialisierten Wertketten zu Ihrem Vorteil. Falls Sie etwas Besonderes zu bieten haben, werden Sie sich über einen beeindruckenden GAP freuen können. Marktgestützte Strategien bringen also durchaus etwas.
- Fokussieren Sie eine Nutzenkategorie. Wie bringen Sie differenzierte Angebote auf den Markt? Welche Strategie wenden Sie zur Wertschöpfung an? Kennen Sie die erforderlichen Kernkompetenzen? Jetzt ist die Unternehmensführung gefragt. Sagen Sie Ihrer Mannschaft, wo Ihr Schwerpunkt liegt. Was ist Kerngeschäftsfeld, was Randgeschäftsfeld? Wenn Sie in allen Nutzenkategorien top sein wollen, wird das vermutlich ein Durcheinander. Wenn Sie es in einer einzigen Nutzenkategorie zum Weltmeister bringen, haben Sie sich dagegen einen ordentlichen Wettbewerbsvorteil erkämpft.
Von Abgründen, Killern und Tornados
Wie verhalten Sie sich, wenn neue Technologien aufkommen? Abwarten und Vorsicht bewahren Sie vielleicht vor schmerzhaften Erfahrungen, kosten Sie aber wahrscheinlich den Anschluss. Irgendwann stehen sie dann alleine da. Konservative und Skeptiker haben eben so Ihre Probleme mit diskontinuierlichen Innovationen. Da gehen Technologieenthusiasten schon ganz anders mit dem Technologieakzeptanz-Lebenszyklus um. Sie führen sofort alles ein, was neu ist, weil das cool ist und sie sich darauf was einbilden. Und Pragmatiker warten erst einmal ab, was die anderen so machen, stehen aber schon heimlich in den Startlöchern, falls die neue Technologie sich als erfolgreich erweist.
„Was den Shareholder-Value betrifft, so liegt der Schlüssel zum Erfolg in der Tatsache, dass der Aktienkurs direkt gleichzusetzen ist mit einem nachhaltigen Wettbewerbsvorteil.“
Ihnen sagen alle drei Spezies nicht sonderlich zu? Wenn Sie Marktführer werden und die Konkurrenz gnadenlos in ihre Schranken verweisen wollen, müssen Sie ein Visionär sein, der Erste, der die neue Technologie einführt und diesen Vorsprung dann auch nutzt, um ganz gross rauszukommen.
Die Entwicklung technologiegestützter Märkte verläuft in Phasen. Wenn die erste Phase, der Einführungsmarkt, vorbei und der üblicherweise folgende Abgrund überwunden ist, geht es auf die "Bowlingbahn", auf der einer den anderen anstösst. Jetzt kommt es darauf an, ob sich die Technologie auf Marktnischen beschränkt oder ob sie so gigantisch toll ist, dass sie zur "Killer-Anwendung" wird und einen Tornado auslöst, weil jeder die Neuheit haben will und die Wachstumschancen grenzenlos scheinen. Sehen Sie zu, dass Sie sich jetzt möglichst viele Marktanteile verschaffen. Sobald Angebot und Nachfrage wieder im Lot sind, hat die neue Technologie wirklich Fuss gefasst, der Mainstreet-Markt ist erreicht und diese Phase wird wahrscheinlich ein paar Jahrzehnte anhalten.
Erste Hilfe bei Dotcom-Angriff
Sie sind auf der Mainstreet etabliert, erzielen höchste Gewinne, die Sie an Ihre Aktionäre weitergeben, freuen sich über Blue-Chip-Werte. Und jetzt kommt irgend so ein Dotcom und bläst zum Angriff? Überlegen Sie gezielt, welche Paraden Sie bieten. Wenden Sie das Erste-Hilfe-Prinzip der "Triage" an, d. h. fixieren Sie sich auf das, was Sie zuerst behandeln können. Stellen Sie sich den Tatsachen, blicken Sie der Wahrheit unerschrocken ins Auge. Sie haben die Tornado-Phase überlebt, also werden Sie auch vor einem aggressiven Dotcom nicht kapitulieren.
„Verlangt man nun von einem Unternehmen, dass es sich in jeder Phase des Lebenszyklus und jederzeit hervortun soll, dann stiftet man nur Chaos - dennoch verlangt der Hightechmarkt genau das von seinen führenden Unternehmen.“
Knüpfen Sie sich mal Ihre Linienfunktionen vor: Wie verhalten die sich in der Mainstreet-Phase bei funktionsübergreifenden Aufgaben? Wenn sie nicht harmonisch zusammenarbeiten, ist ihre Tätigkeit nach Überstehen des Tornado-Marktes bestenfalls ein Schuss in den Ofen. Teilen Sie die Führungsverantwortlichkeiten unter den Funktionen auf und stimmen Sie die Zuständigkeiten ab. Und wie sehen Ihre Mitarbeiter in den Linienfunktionen ihren Job in technologiegestützten Märkten?
- Die Entwicklungsingenieure sind Feuer und Flamme im Einführungsmarkt und in der Tornado-Phase.
- Die Mannschaft aus der Linienfunktion der betrieblichen Prozesse fühlt sich am wohlsten im Tornado-Markt, am zweitwohlsten auf der Mainstreet.
- Die professionellen Dienstleister in Ihrer Crew geben dem Einführungsmarkt die volle Punktzahl, gefolgt von der Bowlingbahn-Phase.
- Der Vertrieb läuft im Tornado zu Höchstform auf, findet aber auch an der Mainstreet Gefallen.
- Ihre Finanzexperten bevorzugen eindeutig die Mainstreet-Phase, liebäugeln aber auch ein bisschen mit dem Tornado.
„Um es so unverblümt zu sagen: Im Zeitalter des Internet werden Produkte wahrscheinlich eher zur Belastung als zum Vorteil.“
Sie sehen, auf der Mainstreet fühlen sich Ihre Leute wohl. Gut so? Keineswegs und ganz im Gegenteil, denn die internen Linienfunktionen möchten da bitte nicht mehr gestört werden. Auch nicht von der nächsten wichtigen Technologie-Welle. Und die Analysten runzeln die Stirn, denn die CAPs der alten Technologie schrumpfen zusehends und die GAPs der neuen Technologie wachsen ganz beachtlich. Sie müssen handeln! Aber bitte ändern Sie weder Kurs noch Strategie, so viel Zeit haben Sie nicht. Trennen Sie lieber ganz schnell Kern- von Randgeschäftsfeldern, retten Sie wichtige Bereiche.
„Besser schnell und schlecht als langsam und gut.“
Jede Linienfunktion hat jetzt wichtige Hausaufgaben: Die F&E-Abteilung stürzt sich mit Nachdruck auf die laufenden Projekte und versucht, den neuen Tornado doch noch zu erwischen. Der Bereich der betrieblichen Prozesse übernimmt das Outsourcing aller Randgeschäftsfelder. Wichtig ist, Ressourcen freizusetzen. Kosten senken kommt später. Die professionellen Dienstleister setzen alles dran, die verfügbaren Ressourcen zum Nutzen der eigenen Technologie einzusetzen. Die Vertriebsabteilung informiert die Mitarbeiter über neue Vorgehensweisen, tritt den Leuten auch ruhig ein wenig auf die Zehen, kürzt denen das Gehalt, die stur an alten Vorgehensweisen kleben, definiert Aufgaben neu und im Notfall schickt sie Mitarbeiter nach Hause. Und die Finanzexperten visieren die GAPs und CAPs an und erklären den Shareholder-Value ab sofort zum Massstab.
Sie brauchen Unternehmenskultur!
Fallen Sie nicht gleich um, wenn die Marktdynamik sich verändert und neue Technologien an Ihrem Unternehmen rütteln! Sie müssen Ihr Gleichgewicht finden, und das schaffen Sie mit Ihrer Unternehmenskultur. Sie haben vier Kulturen zur Auswahl: Kompetenzkultur, Kontrollkultur, Zusammenarbeitskultur und Kultivierungskultur. Welche ist die beste? Keine für sich allein, das wäre auch zu einfach. Aber Sie müssen eine überordnen, sonst laufen Ihre Mitarbeiter u. U. in vier verschiedene Richtungen. Sagen Sie, wo es langgeht. Shareholder-Value schaffen letztlich alle vier Kulturen, die eine mit infektiösem Charisma, die anderen mit scharfem Wettbewerb, unerbittlicher Verbesserung oder einfühlsamer Anpassung. Legen Sie die Kultur fest, die auf Ihr Erbe, Ihre Kernkompetenz, Ihre Marktposition und Ihre Führungskräfte Rücksicht nimmt. Die Hauptsache ist, dass Sie wettbewerbsfähig sind und bleiben!