Szenen statt Zielgruppen

Buch Szenen statt Zielgruppen

Vom Produkt zum Kult. Die Praxis der Interfusion

DVA,


Rezension

Wem wollen Unternehmen ihre Produkte eigentlich verkaufen? Wo sind die Zielgruppen? Keine mehr da, die Verbraucher lassen sich nicht mehr statistisch einordnen, sie or­gan­isieren sich selbst. Und zwar in Szenen. Die müssen ab sofort das Ziel aller Mar­ket­ingbemühungen sein. Wie man das macht? In diesem Buch erfahren Sie, was Szenen überhaupt sind, wie Unternehmen sich ihnen erfolgreich nähern und welche Chancen sie für Marken bieten. Neben den Autoren kommen deshalb u. a. auch Szene-Ex­perten zu Wort. BooksInShort.​com legt dieses im locker-flock­i­gen Stil geschriebene Buch jedem ans Herz, der den Willen hat, Marketing neu zu verstehen, und den Mut, Her­aus­forderun­gen anzunehmen. Szenen sind die Mar­ket­ing-Zukunft. Und damit die Zukunft des un­ternehmerischen Erfolges.

Take-aways

  • Märkte und Zielgruppen waren gestern, heute heisst es Interfusion.
  • Die neuen Medien haben den Markt verändert, Ihr Produkt muss sich anpassen.
  • Sie brauchen die Szene, damit Ihre Produkte (wieder) massenfähig werden.
  • Er­fol­gre­iche Marken haben Magie, Mythos und Kultstatus.
  • Wenn Sie auf Trends reagieren, sind Sie bereits unter "ferner liefen".
  • Die Szene, das sind nicht nur aus­ge­flippte Jugendliche, sondern jeder hat heute "seine" Szene.
  • Je besser Sie die relevanten Szenen kennen, umso er­fol­gre­icher können Sie Szene-Mar­ket­ing betreiben.
  • Ob Ihr Produkt Kultobjekt wird, bestimmt die Szene, nicht Sie.
  • Shoppen ist out, der Kunde vollzieht Rituale.
  • Ver­schmelzen Sie mit der Szene, dann wissen Sie als Erster, was sie morgen vielleicht will.
 

Zusammenfassung

Auch Fuss­ball­fans kaufen Deo!

Konzen­tri­eren Sie sich auf Zielgruppen? Oder wollen Sie es mal mit den Ein­tra­cht-Frank­furt-Fans probieren? Das kommt darauf an, ob Sie eher an Märkte und Zielgruppen glauben oder an Interfusion. Wenn Sie der Szene eine Chance geben, vertrauen Sie darauf, dass Ihr Produkt seinen Weg in die "Evolutionen der Gesellschaft" findet. Bedürfnis­be­friedi­gung war gestern. Heute gibt es Multimedia und Internet. Und eine neue Art von Markt, den Kom­pu­ta­tion­s­markt. Da müssen Sie dann Daten-Räume besitzen und dazu brauchen Sie die Szenen. Dank Kom­pu­ta­tions-Me­dien werden Sie das Vermarkten ein bisschen ändern müssen. Das neue Prinzip lautet: Selbstverstärkung von Bedeutungen. Und der User spricht künftig ein Wörtchen mit!

Bäumchen wechsel dich

Das ist Ihnen alles zu kompliziert? Sie werden nicht drum herum kommen, Sie müssen umdenken. Wenn Sie künftig erfolgreich sein möchten, müssen Sie mit Trends und neuen Ori­en­tierungs-Moden leben. Man spricht von Fraktalität und fraktalen Marken. Bis jetzt ging es doch auch mit Marketing? Richtig, aber Sie bedienen damit immer kleinere Teilmärkte, weil die Be­darf­s­grup­pen schrumpfen. Und das bei steigenden Kosten. Machen Sie Ihre Produkte wieder massenfähig. Die Szenen sind das geeignete Instrument dafür.

Es ist alles ganz anders

Blicken Sie noch durch? Es ist eigentlich ganz einfach, nur eben, dass es ganz anders ist. Sie müssen mit Ihrem Produkt einen spir­ituellen Prozess auslösen: Was bisher nichts weiter als einen Nutzen hatte, sollte nun langsam zum Kult werden. Das gehört dazu:

  • Sprechen Sie keine spezielle Zielgruppe an, lieben Sie alle, das bringt Masse.
  • Ihr Produkt braucht Magie, lassen Sie das po­si­tionelle Wiederholen.
  • Werden Sie zum Mythos - hören Sie also auf, von Nutzen zu reden.
  • Ihr Produkt muss als Fetisch dienen, logische Information ist da fehl am Platz.
  • Erreichen Sie Kultstatus, also kein Image, kein Stereotyp hochziehen.
„Die Bindung der Szenen an die Marke und das Unternehmen sichert die Mark­t­stel­lung langfristig.“

Die neuen Märkte haben weder Profil noch Struktur, aber jede Menge Mythen und Magie. Gewöhnen Sie sich rechtzeitig daran.

Chaos weit und breit?

Sie meinen, Sie wissen, was gerade so läuft, was heute Mode ist? Vergessen Sie’s, das ist wahrschein­lich schon wieder ein alter Hut. Das Mark­t­geschehen braust über uns hinweg wie ein Tornado. Genauso schnell und ebenso chaotisch. Alles ist komplex und vernetzt und das macht es erst recht un­durch­schaubar. In einem solchen Umfeld müssen Sie mit Ihrem Unternehmen Gas geben und schneller sein als die Konkurrenz. Sie müssen Trendsetter, Lead­ing-Edge-De­signer sein. Wenn Sie Ihre Kunden halten und neue gewinnen möchten, ist das ein Muss. Wer bloss auf Trends reagiert, ist eine Schlafmütze. Sie müssen "vor dem Markt" agieren. Mark­t­man­age­ment statt Pro­duk­t­man­age­ment. Doch wer ist denn jetzt eigentlich die Szene? Gepiercte Jugendliche mit giftgrünen Punkstacheln? Irrtum, die Mehrheit der Verbraucher ist in irgendeiner Szene organisiert: in der Kunstszene, der Com­put­er­szene, der Musikszene, der Sport-, Politik- oder Fit­nessszene. Dabei sein ist alles. Und wer heute hier ist, ist morgen schon da, alles ist im Fluss. Stehen Sie nicht verwirrt da und beobachten Sie nicht nur fasziniert, was da abgeht, tauchen Sie selber in die Szene ein, gehen Sie auf Tuchfühlung, lassen Sie sich bee­in­flussen. Die Interfusion zwischen Ihrem Unternehmen und den Szenen ist unerlässlich. Sie wollen da selber nicht hin? Dann schicken Sie eben einen fähigen Mitarbeiter oder holen Sie sich einen Szene-Freak in Ihr Unternehmen - egal ob er grüne Haare hat. Aber dann hören Sie auch auf ihn, er kennt sich aus.

Ledig, kinderlos, mit 0,5 Haustieren?

Wenn Sie einen Ihrer Kunden fragen, wozu er gehört, wird er wohl kaum antworten: "Zu einer sta­tis­tis­chen Zielgruppe." Viel eher sagt er, er sei Opern-Fan oder Formel-Eins-Fan. Jeder Kunde gehört in irgendeine Szene, in eine soziale Gemein­schaft. Und was Sie mit Ihrem Produkt geplant haben, ist der Szene ziemlich egal, sie macht das daraus, was ihr gefällt. Ihr ganzes schönes Ziel­grup­pen­denken ist damit zunichte. Somit ist die Szene also der eigentliche Pro­duk­t­man­ager in Ihrem Haus! Jede Szene hat ja ihre eigenen Bedürfnisse, Wünsche, Probleme, Inhalte. Wenn Ihr Produkt da hineinpasst, kann es zur Ikone für eben diese Szene werden. Das hatten Sie vielleicht gar nicht be­ab­sichtigt, aber so funk­tion­iert das heute. Ein bestimmter Grundnutzen, eine bestimmte Imagestärke, und schon sind Sie Kult. Die Szene macht das schon. Hauptsache, Ihre Marke verfügt über soziale Intelligenz. Man muss das Ja zu Ihrem Produkt schliesslich Dritten gegenüber auch vertreten können. Jede Szene hat auch ihre Gesetze. Und was für ein Produkt will sie, die Szene? Vielleicht macht sie es Ihnen leicht und kreiert ihr eigenes Produkt, weil sie eben ein spezielles Produkt braucht. Die En­ergie-Drinks für die Nightlife-Szene waren so ein Beispiel. Und dies betrifft nicht nur Produkte, auch Di­en­stleis­tun­gen werden von der Szene manipuliert.

Der Alltag: ein Kult-The­ater

Der Ge­brauch­swert Ihres Produkts ist schon recht, aber worauf die Kunden abfahren, sind kultisch inszenierte Lebensstile. Werfen Sie ein Auge auf unsere All­t­agskul­tur, und Sie stellen fest: Es ist wie auf einer riesigen Theaterbühne, Performance statt Leistung und The­atral­isierung statt Ide­ol­o­gisierung. Wir alle handeln nicht einfach, wir stellen immer auch dar. Self-Fash­ion­ing heisst die Devise. Inmitten dieses Chaos unseres post­mod­er­nen Alltags sucht aber jeder nach einer Ordnung. Da kommt ein Kult gerade recht. Er bietet Faszination, Verza­uberung, Magie. Ihre Antwort auf diese Entwicklung muss lauten: Kult-Mar­ket­ing. Marketing als Zweck- und Bedürfnis­be­friedi­gung ist längst passé, denn der Kunde geht nicht einfach einkaufen, sondern er vollzieht ein Ritual. Verführen Sie den Kunden mit Fetischen. Ihr Produkt ist nicht einfach nur Ware - wie simpel! -, es sollte einen spir­ituellen Mehrwert haben. Die Leute gehen heute shoppen statt in die Kirche.

Keine Angst vor grossen Tieren

Von der Szene weiss man freilich oft überhaupt nicht so genau, was sich dahinter verbirgt. Sie dürfen sie dennoch nicht einfach ignorieren. Verbraucher sind heute anders als vor 50 Jahren, sie lassen sich nicht mehr einfach etwas vor die Nase setzen, sie sind mündig geworden. Und am aller­schlimm­sten: Sie gehören einer Szene an. Macht Ihnen das Angst? Befürchten Sie, die Kontrolle zu verlieren? Nicht mehr Sie haben das Sagen, die Szene sagt, was Sache ist. Und dann sind da die Szene-Gurus und Sie wissen nicht, wie man mit denen umgeht. Entwickeln Sie Neugier. Nicht alles, was neu ist, ist schlecht. Die Leute in den Szenen denken, glauben und handeln ähnlich - und deshalb kaufen sie auch ähnliche Produkte. Jede Szene ist eine Chance für Ihre Produkte. Warum sollten Sie das ablehnen? Auch wenn Ihr Produkt in der Szene vielleicht ein anderes Image besitzt als aus Ihrer eigenen Sicht. Auf einmal wirkt Ihre Marke ganz anders, nämlich im Zusam­men­hang mit der Szene, und was Sie sich dafür ausgedacht hatten, juckt keinen mehr. Jetzt rufen Sie nicht laut um Hilfe, weil Ihnen die Zielgruppen abhanden gekommen sind, sym­pa­thisieren Sie lieber mit den Szenen. Sie wissen heute nicht mehr wirklich, was die Hausfrauen, die Ju­gendlichen, die Autofahrer wollen. Lassen Sie Ihre Vorurteile weg. Schaffen Sie eine 360°-Marke, die in vielen Szenen zu Hause ist, machen Sie trotzdem eine Markenpersönlichkeit aus ihr, verhelfen Sie ihr zu Starruhm.

Alles in einen Topf?

Wer so denkt, hat Interfusion falsch verstanden. Sie sollen kein Pro­dukt-Gu­lasch ve­r­anstal­ten. Mit den Konsumenten ver­schmelzen bedeutet, jeden einzelnen Kunden als Persönlichkeit zu lieben und seine Wünsche auch tatsächlich zu erfüllen. Wenn die Interfusion in Ihrem Unternehmen bereits greift, dann sitzen Sie sicher nicht mehr als Allein­herrscher auf dem Un­ternehmen­sthron, und Ihre Mitarbeiter dürfen notwendige Einze­lentschei­dun­gen auch ohne Antrag auf schriftliche Genehmigung treffen. Bravo. Und Sie kümmern sich derweil um wirkliche Top­man­age­ment-Auf­gaben: Wo liegen Ihre künftigen Geschäftsfelder? Haben Sie schon Un­ternehmen­sziele formuliert? Wie entwickeln Sie sich und Ihre Mitarbeiter weiter? Ihre Mitarbeiter werden diese Strukturänderung sehr gut finden. Sie dürfen jetzt in selb­stver­ant­wortlichen Teams arbeiten und das macht Spass! Die Leute werden plötzlich sehr kreativ, engagiert und loyal. Das freut auch die Kunden, denn sie werden wie Partner behandelt, mit denen man intensive Gespräche führt und denen man mass­geschnei­derte Angebote un­ter­bre­itet.

„Die Manager müssen deshalb wie Agenten selbst in die Szenen eintauchen, ihr Spiel mitspielen und (...) mit ihnen ver­schmelzen.“

Das ist die richtige Antwort auf den neuen fraktalen Markt. Und der ist Realität, also handeln Sie entsprechend. Ausserdem beherrscht den Markt heute der Kunde, nicht Sie. Den Löwenanteil Ihrer Un­ternehmen­sar­beit macht Di­en­stleis­tung aus, und zwar nach innen und nach aussen. So schaffen Sie den Durchbruch:

  • Ergreifen Sie die Initiative, rev­o­lu­tion­ieren Sie sich selbst.
  • Auch wenn es weh tut: Lassen Sie Veränderungen zu, holen Sie Szene-Ex­perten in die Firma, geben Sie Macht ab, von oben nach unten.
  • Üben Sie sich in Geduld. Bis Sie Ihr ganzes Haus umgekrem­pelt haben, kann es mehr als fünf Jahre dauern. Und Ihre Belegschaft muss erst lernen. Da werden un­weiger­lich Fehler passieren.

Der Verbraucher, dein Freund und Helfer

Früher war es umgekehrt, da waren die Hersteller die Kings und die Konsumenten frassen ihnen aus der Hand. Heute konsumieren die Leute, was sie wollen, und nicht mehr, was sie brauchen. Und was sie wollen, bestimmen sie auch noch selbst. Nicht nur, dass sie ständig in ir­gendwelchen Szenen herumwuseln, die eine klare Definition von Zielgruppen unmöglich machen, sie haben auch höchste Ansprüche an Ihr Produkt. Dass das Ding schön und nützlich ist, wird einfach vo­raus­ge­setzt, und es muss ausserdem noch einen zusätzlichen Service bieten. Der König Kunde wechselt dann trotzdem die Marke, das macht ihm Spass. Und wenn er auf Ihrer weissen Un­ternehmensweste einen Flecken findet, boykottiert er alles.

„Da aber eine Szene zu wenig Ab­satzpoten­zial bietet, muss sich die Marke nach allen Seiten öffnen.“

Wie gehen Sie mit diesen selbstgefälligen In­di­vid­u­al­is­ten um, für die das Beste gerade gut genug ist? Wenn Sie noch mehr Werbung machen, das Produkt unter einem neuen Namen verkaufen, ein neues Design kreieren oder sich noch tolleren Zusatznutzen einfallen lassen, lacht der Konsument Sie bloss aus, das ist alles, was Sie damit erreichen. Und er organisiert sich weiterhin in seinen Szenen. Ein Alptraum für Sie? Wenn Sie auf herkömmliches Marketing setzen, schon. Versuchen Sie es mit Interfusion. Schliesslich sind auch Sie ein Teil des Mainstreams. Also schliessen Sie ruhig von sich auf andere.

„Die Szenen sind die Rituale der neuen fraktalen Masse.“

Der Konsument des dritten Jahrtausends verlangt, dass Sie sich um die Interessen der Szen­e­mit­glieder kümmern, dass Sie auf Ihren Mach­tanspruch verzichten und die Leute nicht länger zu ma­nip­ulieren versuchen. Der moderne Verbraucher ist gle­ich­berechtigt. Er weiss, wie er Druck machen kann - und er tut das auch. Was er noch nicht weiss, ist, was er morgen vielleicht will. Da haben Sie Ihre Chance! Wenn Sie heute bereits die Szene kennen wie Ihre Wes­t­en­tasche, wenn die Interfusion geglückt und Sie mit der Szene ver­schmolzen sind, dann haben Sie die Lösung, noch bevor der Kunde danach schreit. Dazu genügt es nicht, wenn Sie mal kurz bei der Szene vor­beis­chauen! Werden Sie selbst zum Szene-Freak, das ist die Zukunft.

Über die Autoren

Gerd Gerken wurde für seine Man­age­ment-The­o­rien bereits mit der Ehren­dok­torwürde der Universität of Newport, Kalifornien, aus­geze­ich­net. Seine Kunden in dem von ihm geleiteten Institut für Zukun­fts­ber­atung in Worpswede sind nicht nur Konzerne und Grossun­ternehmen. Auch Politiker und Parteien holen sich Rat in Workshops und Seminaren. Diplomkauf­mann Michael J. Merks hat das New Marketing in Deutschland mit initiiert. Das Emotional Design System ist sein Fachgebiet. Leitende Tätigkeiten in in­ter­na­tionalen Unternehmen sind seiner Tätigkeit als geschäftsführender Gesellschafter der INSZENIA New Consulting Group, Hamburg/Düsseldorf vo­raus­ge­gan­gen.