Unternehmensgründungen in der Schweiz
Die schweizerische Unternehmenslandschaft wird wie die von anderen Ländern durch Grossunternehmen geprägt. Zwar setzt sich immer mehr die Erkenntnis durch, dass v. a. Kleinst- und Mittelunternehmen die Wirtschaft stark vorantreiben, doch sind die Schritte bis zur Neugründung eines derartigen Unternehmens immer noch sehr beschwerlich.
„Unmittelbare Voraussetzung einer erfolgreichen Existenzgründung ist eine solide und gesicherte Finanzwirtschaft, die das Herzstück eines jeden Unternehmens bildet.“
Der Trend zur Selbstständigkeit wird in der Schweiz und in Europa ganz allgemein immer stärker. Die Zahl der Insolvenzen ist insgesamt gesunken, doch der Zustand im internationalen Vergleich ist bei weitem noch nicht zufrieden stellend. Als mögliche Ursachen gelten die geringe Risikobereitschaft der Banken und Investoren, aber auch der Unternehmensgründer selbst. Der Aufbau einer "Kultur der Selbstständigkeit" ist unerlässlich, wenn die schweizerische Wirtschaft international konkurrenzfähig bleiben will.
Besondere Charakteristika der KMUs
Kleinst- und Mittelunternehmen (KMUs) nehmen in der Schweiz eine beachtliche Stellung ein und stellen einen hohen Anteil der Voll- und Teilzeitbeschäftigten, werden jedoch bei den notwendigen Förderungen sträflich vernachlässigt. Kleinstunternehmen beschäftigen in der Regel zehn Personen und weniger. Es herrscht eine enge Zusammenarbeit zwischen Unternehmer und Mitarbeitern und meist ein sehr persönlicher Kontakt zu den Kunden. Die Arbeit wird abteilungsübergreifend organisiert. Meist stützt sich das Unternehmen auf nur wenige Produkte. Schwierigkeiten tauchen immer wieder im Personalbereich auf: Entweder geraten alle Mitarbeiter an die Grenzen ihrer Belastbarkeit oder die Aufträge bleiben aus saisonalen oder anderen Gründen aus.
„Die Akquisition und langfristige Bindung von Kunden an das eigene Unternehmen stellt eine der zentralen Herausforderungen eines Existenzgründers dar.“
Fast alle KMUs sind dem Dienstleistungssektor zuzuordnen. Derartige Unternehmen sind schnell und kostengünstig aufzubauen. Bedauerlicherweise schliessen 80 % der so genannten Ein-Mann-Betriebe nach einem Jahr wieder. Betriebe mit mindestens fünf Mitarbeitern haben jedoch erfreulicherweise eine Einjahresüberlebenschance von 95 %. Die Bereitschaft, das Kleinstunternehmen zu schliessen, ist natürlich eher gegeben als bei Grossunternehmen. Ist es nicht die Erfolglosigkeit, die zum Aufgeben zwingt, so stellt andererseits die Aussicht auf eine erneute sichere und gut bezahlte Festanstellung einen reizvollen Grund dar, die eigene Firma wieder zu schliessen. Die Probleme der KMUs liegen in den Bereichen der Kapazität, der Produktdifferenzierung, des Aufbaus von weiteren Standbeinen, des Personals sowie des Bereiches Absatz und Beschaffung. Unzureichendes unternehmerische Knowhow, geringe finanzielle Mittel und die staatlichen Rahmenbedingungen erschweren den Start zusätzlich.
Gründe für den Weg in die Selbstständigkeit
Die schnell wachsende und sich verändernde Informations- und Kommunikationsgesellschaft mit ihren bahnbrechenden Technologien bietet immer mehr Möglichkeiten für innovative Ideen, deren Realisierung kein besonders hohes finanzielles Risiko beinhaltet. Die Gründer von Kleinstbetrieben sehen in der eigenen Selbstständigkeit eine Möglichkeit, ihre Ideen und individuellen Fähigkeiten zu erweitern und zu realisieren und das Berufs- und Familienleben besser zu organisieren. Wichtig ist dabei auch die vermeintlich grössere "Entscheidungsfreiheit und Unabhängigkeit", doch die alte Abhängigkeit vom Arbeitgeber wird ersetzt durch eine neue Abhängigkeit von den Auftraggebern.
Die Unternehmensgründer
Das Durchschnittsalter der befragten aktiven und ehemaligen Selbstständigen dieser Studie liegt bei 38,6 Jahren zum Zeitpunkt der Unternehmensgründung. Der Sprung in die Selbstständigkeit wird also erst nach einer längeren Zeit der Arbeitnehmerschaft gewagt. Die meisten der Personen besitzen ein hohes Ausbildungsniveau, sie haben entweder einen Hochschulabschluss oder eine Fach- bzw. Meisterprüfung abgelegt. Das ist sicherlich positiv zu bewerten wegen der Notwendigkeit, Probleme erkennen und lösen, Chancen nutzen und Risiken abschätzen zu können. Allerdings ist dieses Ausbildungsniveau keine Garantie für eine Erfahrung mit Firmengründungen und den damit verbundenen Schwierigkeiten. Nur wenige der Befragten hatten bereits einmal eine Firma gegründet oder dies zumindest im Bekanntschafts- oder Verwandtschaftskreis mitverfolgen können. Die meisten wagten tatsächlich den Sprung ins kalte Wasser.
Akteure und Institutionen mit Einfluss auf das neue Unternehmen
Neben dem persönlichen Umfeld üben das ehemalige Arbeitsfeld bzw. ehemalige Lehrkräfte, Hochschulen u. Ä., Netzwerke, Banken, Versicherungen, Behörden und Verbände einen nicht unwesentlichen Einfluss auf den Jungunternehmer aus. Das ehemalige Arbeitsfeld dient in der Regel als anfängliche Beziehungsquelle für das neue Unternehmen. Ein wesentlich bedeutenderes Gewicht für den Kundenkontakt oder die persönliche Beratung gewinnen mittlerweile so genannte "Netzwerke zur Unternehmensgründung".
„Als eine der zentralen Schwierigkeiten von Kleinstunternehmen kann die richtige Gestaltung der Preispolitik betrachtet werden.“
Der Kontakt zu Banken und Versicherungen wird von Kleinstunternehmen fast schon gemieden. Sie sehen diese Institutionen eher als Bedrohung für ihre Ideen. Die Ursache dafür ist in der geringen Risikobereitschaft potenzieller Grosskapitalgeber zu sehen. Bei neu gegründeten KMUs erwarten Banken eine besondere Transparenz und erlegen ihnen wesentlich mehr Bedingungen für Kredite (meist sehr geringen Umfangs!) auf als vergleichsweise bei einem Grossunternehmen. Das Gleiche gilt für Behörden, die sich durch ihre Passivität, ihre mangelnde Bereitschaft zu finanziellen Starthilfen und ihre behindernde Gesetzgebung äusserst negativ auf die Überlebensfähigkeit neu gegründeter Kleinstunternehmen auswirken.
Staatliche Förderungsmassnahmen
Arbeitslose, die sich selbstständig machen wollen, erhalten in der Schweiz während der "Planungsphase" bis zu 60 Tage lang besondere Taggelder. Bedingung ist jedoch, dass man seine Selbstständigkeit noch nicht ausübt, sondern tatsächlich nur plant. Das Gesuch für diese finanzielle Unterstützung beinhaltet eine Grobskizzierung des Firmenprojektes, einen Finanzierungsplan und Angaben über den Stand der Firmenentwicklung. Grundsätzlich ist eine solche finanzielle Unterstützung zu begrüssen, auch wenn sie Schwierigkeiten aufwirft: Zum einen ist nicht nur der Begriff "Planungsphase" schwer zu definieren, sondern auch die Bezugsdauer im internationalen Vergleich sehr kurz. Zum anderen wäre eine Unterstützung während der "Startphase" wesentlich wichtiger.
Wirtschaftsförderung
Nachdem die kantonale Wirtschaftsförderung eingesehen hatte, dass es wenig sinnvoll ist, nur die Ansiedlung von Grossunternehmen zu fördern, konzentrierte sie sich mehr auf die Bestandspflege. Neue und v. a. kleine Betriebe wurden weiterhin stiefmütterlich behandelt. Der Kontakt der Neugründer von Kleinstbetrieben zur kantonalen Wirtschaftsförderung wird meist von vornherein als aussichtslos angesehen.
Besteuerung
Im internationalen Vergleich gilt die Schweiz als steuerlich attraktiver Standort - jedoch nicht für Kleinstbetriebe. Die in der Schweiz gängige Vergangenheitsbesteuerung, bei der das im Vorjahr bezogene Einkommen zugrunde gelegt wird, kann den Neugründer teuer zu stehen kommen, wenn er vor der Gründung seines Unternehmens als Arbeitnehmer ein hohes Einkommen bezogen hat. Neben der einjährigen Vergangenheitsbesteuerung gibt es auch die zweijährige, die sich mitunter existenzbedrohend auswirken kann.
Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV)
Bei der AHV wird die Selbstständigkeit sozialrechtlich definiert. Dabei gelten folgende Bedingungen: das Tragen eines eigenen wirtschaftlichen Risikos, das Tätigen von langfristigen Investitionen, eigene Geschäftsräume, eigene Kunden, Rechnungen in eigenem Namen, mehrere Auftraggeber. Selbst wenn die Steuerbehörde einem die Selbstständigkeit bescheinigt, muss das nicht heissen, dass es die AHV auch tut. Die Beiträge der AHV, die Invalidenversicherung und die Erwerbsersatzordnung können sich mitunter zu einer immensen Belastung für das junge Unternehmen auswirken.
Lösungsansätze zur Problembewältigung
Als Lösungsansätze bieten sich u. a. ein verstärkter Wettbewerb auf dem Markt der Finanzdienstleistungen, eine transparentere Kreditpolitik und eine Ausgliederung der Kreditvergabeprozesse bei den Banken an sowie eine freiwillige Versicherung gegen Arbeitslosigkeit für Selbstständige, evtl. sogar unter staatlicher Führung.
Probleme im Absatzbereich
Nicht nur die Banken stehen den innovativen Ideen der Unternehmensgründer skeptisch gegenüber, sondern oft genug auch potenzielle Kunden. Die langfristige Bindung von Kunden an die Firma gehört jedoch zu den zentralen Herausforderungen eines Kleinstunternehmens. Der Kundenkreis muss so gross sein, dass regelmässig Aufträge eingehen. Die Marketingstrategien der Kleinstunternehmer reichen dabei vom Schalten von Anzeigen über Direktmail- und Telefonmarketing bis zum persönlichen Besuch beim potenziellen Auftraggeber. Doch auch das "Verkaufen der eigenen Firmenphilosophie" will gelernt sein. Nicht nur die Kundenakquisition ist ein hartes Geschäft, sondern auch der Wettbewerb auf dem Markt. Oft fallen Kleinstunternehmen einem grösseren Rivalen zum Opfer, der mitunter zu Methoden wie Verleumdung greift. Ein weiterer Problempunkt ist die Preispolitik. Ein Kleinstunternehmer produziert natürlich immer teurer als sein grösserer Konkurrent und muss daher in engeren Margen rechnen. Doch sollte er auch keine Dumpingpreise einsetzen, um die Kunden zunächst zu ködern, denn diese ärgern sich dann über die später notwendigen Preiserhöhungen. Es ist also unerlässlich, dass die Unternehmensgründer sich vorher genauestens auf dem Gebiet der Preispolitik und Kundenakquisition kundig machen.
Probleme im betrieblichen Arbeitsalltag
Die Probleme eines Kleinstunternehmers im betrieblichen Arbeitsalltag sind sehr vielfältig. So hat er nicht nur mit der oft unzureichenden Zahlungsmoral seiner Kunden zu kämpfen, sondern auch mit dem Akquirieren von Personal, mit zu wenig Kapazitäten, Einkommensschwankungen oder auch mit dem Mangel an fachlichem Austausch mit Arbeitskollegen. Lösungsmöglichkeiten liegen in der Einführung eines Lohngutschriftverfahrens, der Schaffung von arbeitsmarktlichen Arbeitskräftepools, unternehmerischen Businessplänen und der Vereinigung von ehemaligen Führungskräften und Fachexperten, die den Jungunternehmern beratend zur Seite stehen. Ein sehr grosses Problem ist das unternehmerische Risiko. Um es nicht zu gross und unbekannt werden zu lassen, bietet sich die Aufstellung eines "Risiko-Chancen-Profils" an.
Plädoyer für eine Förderung der "Kultur der Selbstständigkeit"
Es sollte verstärkt für eine "Kultur der Selbstständigkeit" geworben werden, speziell für eine verstärkte Förderung von Kleinst- und Mittelunternehmen. Es ist notwendig, besonders in der Schweiz, der Selbstständigkeit zu einem besseren Ruf zu verhelfen und das Scheitern einer Existenzgründung nicht mehr als ehrenrühriges Delikt anzusehen. Hier sind die Wirtschaftspolitik, das Bildungswesen, positive Gründungsvorbilder und auch die Unternehmer selbst gefragt und gefordert.