Effiziente Materialfluss-Steuerung mit Kanban und MRPII

Buch Effiziente Materialfluss-Steuerung mit Kanban und MRPII

mi-Verlag,


Rezension

Raymond S. Louis, ein aus­gewiesener Fachmann im Bereich Pro­jekt-Man­age­ment-Sys­teme, gibt in diesem Buch seine Erfahrungen und Kenntnisse fundiert an den Leser weiter. Dabei führt er Schritt für Schritt an das Thema heran, indem er zuerst die gängigen Ma­te­ri­alfluss-Steuerungssys­teme Man­u­fac­tur­ing Resource Planning II System (MRPII) und das manuelle Kan­ban-Sys­tem vorstellt und deren Schwach­stellen erläutert. Neben dem Basiswissen werden auch de­tail­lierte Probleme bei der Im­ple­men­tierung diskutiert. So erhält der Leser eine konkrete Vorstellung, was er tun soll, um Massnahmen ohne Mehrwert zu eliminieren, Kosten zu senken und den Kun­denbe­darf besser zu befriedigen. Die Prax­isori­en­tierung des Werkes zeigen auch drei Fall­beispiele aus den Bereichen Fer­n­melde­tech­nik, medi­zinis­che Messgeräte und Magnetbänder. BooksInShort.​com empfiehlt dieses Buch allen Be­trieb­sin­hab­ern oder Ve­r­ant­wortlichen im Fer­ti­gungs­gewerbe sowie Wirtschaftswis­senschaftlern.

Take-aways

  • Im Fer­ti­gung­sprozess gibt es fast immer Massnahmen ohne Mehrwert.
  • Um als Unternehmen an die Weltspitze zu gelangen, sind WCM(=World Class Man­u­fac­turer)-Techniken unerlässlich.
  • Im Mittelpunkt der WCM-Tech­niken steht das in­tel­li­gente Management des Ma­te­ri­alflusses.
  • Die am weitesten ver­bre­it­eten Ma­te­ri­alfluss-Steuerungssys­teme sind Man­u­fac­tur­ing Resource Planning (MRPII) und das manuelle Kan­ban-Sys­tem.
  • MRPII und manuelles Kan­ban-Sys­tem arbeiten effizient bei linearem Bedarf. Um diesen zu erreichen, sind aber auch Massnahmen ohne Mehrwert im­ple­men­tiert.
  • Das beste Beispiel für eine Massnahme ohne Mehrwert ist das Lager. Hier entstehen permanent Kosten, ohne dass es zu einer direkten Wertschöpfung kommt.
  • Ziel eines wirklich effizienten Ma­te­ri­alfluss-Steuerungssys­tems ist es, Massnahmen ohne Mehrwert zu eliminieren.
  • Um den Ma­te­ri­alfluss effizienter zu gestalten, kann ein au­toma­tisiertes Kan­ban-Sys­tem eingeführt werden. Dieses vereint die Vorteile des MRPII und des manuellen Kan­ban-Sys­tems, ohne deren Nachteile zu übernehmen.
  • Die Im­ple­men­tierung des au­toma­tisierten Kan­ban-Sys­tems muss gut vorbereitet werden.
  • Wer ein au­toma­tisiertes Kan­ban-Sys­tem einführen will, sollte seine Zulieferer und Mitarbeiter rechtzeitig mit einbeziehen.
 

Zusammenfassung

MRPII und Kanban: Zwei Verfahren mit Tücken

Viele Fer­ti­gungsver­fahren beherbergen Massnahmen ohne Mehrwert. Wenn diese eliminiert werden können, werden die Gesamtkosten verringert und gle­ichzeitig der Kunde besser bedient. Das am weitesten verbreitete MRPII arbeitet nach der Bring-Meth­ode, die einer veränderten Nachfrage nicht gerecht wird. Auch die Kosten sind relativ hoch. Das bei Toyota entwickelte manuelle Kanban(=Karten)-System arbeitet nach dem Prinzip der Just-in-Time-Pro­duk­tion (JIT). Das heisst, dass die für die Herstellung benötigten Komponenten kurz vor der Produktion angeliefert werden. Die Stärke beim manuellen Kanban ist, dass ein au­toma­tis­ches Wiederauffüllen erfolgt, sobald der Bestand durch Verbrauch auf ein bestimmtes Niveau absinkt. Das Problem beim manuellen Kanban ist, dass bei diesem Verfahren Massnahmen ohne Mehrwert notwendig sind. Das ist z. B. ein manuelles Neu­berech­nen, wenn der Verbrauch an Teilen höher ist als erwartet.

Der Weg aus der Misere heisst Integration

Die Nachteile von MRPII und manuellem Kanban können kompensiert werden. Dies gelingt durch ein au­toma­tisiertes Kan­ban-Sys­tem. Dieses integriert MRPII, Kanban sowie Barcodes und eine vere­in­fachte Version von Electronic Data Interchange (EDI). Das au­toma­tisierte Kanban (auch AFT=Automated Flow Technology genannt) berechnet die er­forder­lichen Losgrössen automatisch. Damit werden Lagerbestände erheblich verkleinert. Dies gelingt, da das integrierte EDI dem Hauptzulief­erer den Bedarf mitteilt. Telefonate und Anschreiben, also typische Beispiele für Massnahmen ohne Mehrwert, entfallen dadurch. Ergebnis ist eine Stärkung der Position des Un­ternehmens im Wettbewerb.

Push- und Pull-Sys­teme

Das MRPII als Push-System besitzt ein Modul, das Bestel­lun­gen in die Wege leitet, neu festsetzt oder storniert. Vo­raus­set­zung für den rei­bungslosen Ablauf dieses Systems ist ein linearer Bedarf. Auf Veränderungen im Kun­denbe­darf kann es kaum angemessen reagieren. Vor dem Aufkommen des MRP war das Or­der-Point-Sys­tem, ein Pull-System, weit verbreitet. Dieses System funk­tion­iert nach dem Prinzip "Bedarf während der Durch­laufzeit plus Sicher­heits­be­stand". Die Berech­nun­gen erfolgen manuell. Das macht das Or­der-Point-Sys­tem ineffektiv. Das manuelle Kan­ban-Sys­tem, ebenfalls ein Pull-System, findet in einem gut dur­chor­gan­isierten Betrieb seinen Einsatz. Es wird zwischen Pro­duk­tion-Kan­ban, Trans­port-Kan­ban und Zulief­erer-Kan­ban un­ter­schieden. Dabei wird immer mittels Karten das Gesamt­sys­tem gesteuert. Auch hier finden sich Massnahmen ohne Mehrwert, beispiel­sweise das Neu­berech­nen der Kan­ban-Losgrösse bei verändertem Planbedarf. Auch der In­for­ma­tions­fluss besitzt einige Massnahmen ohne Mehrwert.

Au­toma­tisierter Kanban steigert Effektivität

Die bei den Systemen manueller Kanban, MRPII oder Order-Point un­ver­mei­d­baren Massnahmen ohne Mehrwert können mit Hilfe des au­toma­tisierten Kanban entschei­dend reduziert werden. Es ist ein effizient arbeitendes Pull-System entstanden, dass dem Kun­denbe­darf Rechnung trägt und gle­ichzeitig hilft, Zeit und Kosten zu sparen.

So funk­tion­iert MRPII

MRPII basiert auf einem Regelkreis. Dieses Push-System gilt als die Stütze der nor­damerikanis­chen Ma­te­ri­alfluss-Steuerungssys­teme. Herz dieses Systems ist das MRP-Modul, ein com­put­er­isiertes Kalku­la­tion­swerkzeug, das den Gesamt­pro­duk­tion­s­plan unterstützt, in dem die zur Produktion er­forder­lichen Mengen bestimmt und in ein Zeitraster eingefügt werden. Hinzu kommen beim MRPII Module für die Werk­statt­pla­nung, für den Gesamt­pro­duk­tion­s­plan und die Planung für die Kapazitätsan­forderun­gen.

Und so funk­tion­iert das Or­der-Point-Sys­tem

Beim Or­der-Point-Sys­tem werden Kalku­la­tio­nen manuell erledigt. Ausnahme: Um eine au­toma­tis­che Wiederauffüllung des Lagers auszulösen, wird eine com­put­er­isierte Meldung benötigt. Die math­e­ma­tis­che Gleichung zur Bestimmung dieses Or­der-Points entspricht dem Bedarf während der Durch­laufzeit plus Sicher­heits­be­stand. Das Or­der-Point-Sys­tem tut gute Dienste bei einer linearen Be­darf­sstruk­tur, wie sie beispiel­sweise in der Werk­stat­tfer­ti­gung zu finden ist.

Das manuelle Kan­ban-Sys­tem

Beim manuellen Kan­ban-Sys­tem übermitteln Kan­ban-Karten In­for­ma­tio­nen innerhalb eines Un­ternehmens und in Richtung der Zulieferer. Durch das Kan­ban-Sys­tem werden alle be­trieb­sin­ter­nen Bewegungen vere­in­heitlicht. Die gesamte Werk­stat­tfer­ti­gung wird auf diese Weise syn­chro­nisiert. Angewandt werden kann das manuelle Kan­ban-Sys­tem allerdings nur bei einer linearen Be­darf­san­forderung. Dies wird durch se­quen­tielles Ordnen erreicht. Berechnet werden muss auch der Per­son­alein­satz bei flexiblen Ar­beit­szellen und das Ar­beits­ge­halt. Dieses umfasst die Rüstzeit, die Arbeitszeit pro Fer­ti­gungsvor­gang und die Trans­portzeit.

Au­toma­tisiertes Kan­ban-Sys­tem = Automated Flow Technology

Automated Flow Technology (AFT) ist ein leis­tungsstarkes Pull-System, das die Gesamtkosten der Fertigung deutlich reduziert. Mit Hilfe von AFT werden die beim Kan­ban-Sys­tem anfallenden Massnahmen ohne Mehrwert vermieden, indem Kan­ban-Losgrössen kalkuliert werden, Bestel­lun­gen auf Ver­brauchs­ba­sis erstellt und herun­terge­laden werden, Fer­ti­gungsaufträge erteilt, Eingänge bestätigt werden und die Per­son­alausstat­tung flexibler Ar­beit­szellen ermittelt wird. Für das AFT-System stehen Einfach-, Zweifach-, Dreifach- oder Mehrfachbehälter zur Wahl. Diese werden in eine Datei verschoben, die auf einem Bildschirm abgelesen werden kann.

Das Kan­ban-Sys­tem im gesamten Unternehmen

Die Im­ple­men­tierung eines Kan­ban-Sys­tems kann vieles bewirken. Doch um an die Weltspitze aufzurücken, werden noch weitere Techniken benötigt. Kanban allein reicht nicht. Wichtig ist auch, grundsätzlich drei Kan­ban-Ziele nicht aus den Augen zu verlieren: Erstens die Fertigungs- und Zulief­er­erdurch­laufzeiten für das Wiederauffüllen des Lagerbe­standes zu reduzieren. Zweitens die Losgrössen zu verkleinern und drittens Hindernisse aus dem Weg zu räumen, die das au­toma­tis­che Wiederauffüllen der Lagerbestände erschweren. Um das erste Ziel zu erreichen, muss der Lagerbe­stand verkleinert, Stellraum freigemacht und das Verfahren zum Betrieb des Kan­ban-Sys­tems vereinfacht werden. Das zweite Ziel erreicht man, indem lange Rüstzeiten vermieden werden, und das dritte durch ein Bündel von Massnahmen, wozu ins­beson­dere die Schulung der Mitarbeiter zählt.

Kan­ban-Sys­tem im Rahmen anderer Verbesserung­stech­niken

Um ein Kan­ban-Sys­tem erfolgreich in die Praxis umzusetzen, müssen einige Grund­vo­raus­set­zun­gen beachtet werden. Dazu gehört die Ausar­beitung eines Planes, der alle Massnahmen terminiert. Gerade den Mi­tar­beit­ern gegenüber muss deutlich gemacht werden, welche Vorteile eine Just-in-Time-Pro­duk­tion für das Unternehmen hat. Schulungen sind hier unerlässlich. Hinzu kommt das Werkzeug der Total Productive Maintenance (TPM), einer In­stand­hal­tungsmeth­ode, die die vorhandenen Be­trieb­smit­tel optimal nutzt, da Maschi­ne­nausfälle nicht mehr vorkommen. TPM umfasst eine vorbeugende In­stand­hal­tung, eine autonome In­stand­hal­tung, eine prädikative In­stand­hal­tung und die Messung der Gesam­tak­tivität. Ziel von TPM ist es, Ausfälle und Defekte auf ein Nullmass zu reduzieren. Eine andere Op­ti­mierung­stech­nik ist die Übersichtlichkeit am Ar­beit­splatz. Diese wird durch die Fünf-S-Meth­ode erreicht. Die fünf (japanischen) S sind (in deutscher Sprache): Ordnung schaffen, Ord­nungsliebe, Sauberkeit, Stan­dar­d­isierung und Disziplin.

Kos­ten­treiber Lager

Kos­ten­treiber Nummer eins und damit klassisches Beispiel für eine Massnahme ohne Mehrwert ist das Lager. Deshalb sollte Ihr Anliegen sein, dies so klein wie nötig zu halten. Hier setzt auch Ihr Zulieferer an, der unbedingt in das neue System eingebunden werden muss. Er muss garantieren können, dass er die benötigten Teile zu einem bestimmten Zeitpunkt liefern kann. Ansonsten stellt sich die Frage, ob die Beziehung nicht ernsthaft überprüft werden sollte.

Den Zulieferer testen

Wenn Ihr Unternehmen ein Kan­ban-Sys­tem einführen will, sollte es frühzeitig seine Zulieferer darüber informieren. Diese müssen natürlich nicht ebenfalls ein Kan­ban-Sys­tem einführen, benötigen aber ausreichend Zeit, um ihre Liefer­struk­turen anzupassen. Jeder Zulieferer ist für die Qualität und den Zeitpunkt der Lieferung ve­r­ant­wortlich. Deshalb sollten Sie ihm auch ein Mit­spracherecht einräumen, wenn es um die Auswahl des Behältertyps geht, der für den Transport verwendet wird.

Die Zeit spielt eine wichtige Rolle

Die Im­ple­men­tierung des Kan­ban-Sys­tems ist ein recht langsamer Prozess. Das Tempo sollte dabei ziel­gerichtet, aber gemässigt sein. Die oftmals treibenden Kräfte in Form der Maschi­nen­be­treiber sollten sich diesem Tempo anpassen.

AFT und EDV

Um bestehende Systeme in das Automated Flow Technology System (AFT) aufgehen zu lassen, sind die EDV-Schlüsselfelder entsprechend zu pro­gram­mieren. Dazu gehören das Teilenum­mern­feld, das Textfeld, das Make/Buy-Feld, das Planer-Code-Feld, das Feld für die Liefer­an­ten­num­mern, das Feld für die Nummer der Fer­ti­gungsabteilung, das Minimumfeld, das Mehrfach­feld, das Feld für die Durch­laufzeit des Zulieferers, das Feld für den Sicher­heits­be­stand, das Feld für Qualitätshinweise, das Feld für die Kan­ban-Losgrösse und weitere Felder.

So wird das au­toma­tisierte Kan­ban-Sys­tem betrieben: Meldungen an den Zulieferer

Wenn das au­toma­tisierte Kan­ban-Sys­tem, also die Integration von MPR und manuellem Kanban, vollzogen wurde, kann das System an den Start gehen. Zuerst einmal müssen die Meldungen an den Zulieferer installiert werden. Dafür wird der Brut­tobe­darf an den Zulieferer als Planbedarf per Download gemeldet. Der Zulieferer kann daraus sehr einfach den durch­schnit­tlichen Tagesbedarf ermitteln. Genauer sind allerdings Net­tobe­darf­s­meldun­gen. Für den Zulieferer äusserst be­nutzer­fre­undlich sind Meldungen über die geplante Auf­trags­freigabe.

Der Weg ist das Ziel

Ein kleines Lager erreicht man durch häufige Waren­liefer­un­gen. Auf der anderen Seite fallen so Transport- und Bear­beitungskosten an. Daher sollte man die anzuliefer­n­den Teile nach Wichtigkeit bewerten und dann die An­liefer­ungs­fre­quenz planen. Dabei hat sich die A-, B-, C-Analyse bewährt. A-Posten sind extrem kosten­in­ten­siv. Sie machen in der Regel 20 % an der Gesamt­teile­menge aus, aber 80 % des Gesamt­lager­w­erts. C-Posten sind kostengünstige Posten mit einem Anteil von 50 % an der Gesamt­teile­menge und nur 5 % des Gesamt­lager­w­ertes. Die Konsequenz: A-Posten häufig anliefern lassen, C-Posten hingegen selten.

Über den Autor

Raymond Louis ist Chefberater der Pro­duc­tiv­ity Consulting Group (PCG). Er bewertet Betriebsstätten, entwickelt Meilen­stein­di­a­gramme zur Im­ple­men­tierung von Pro­jekt-Man­age­ment-Sys­te­men und ist für die Un­ter­weisung des Personals seines jeweiligen Auf­tragge­bers zuständig. Louis arbeitete bereits in den un­ter­schiedlich­sten Positionen und für mehrere bedeutende Firmen. Als Dozent an der University of California und der Californian State University hielt er zahlreiche Vorträge. Zudem wird er häufig als Redner bei Ve­r­anstal­tun­gen von Berufsverbänden wie der American Production Inventory Control Society eingeladen.