Kunden an die Macht
Die Hauptaktivität im Internet sind Social-Media-Angebote. Laut einer Umfrage vertrauen 78 % der Konsumenten den Empfehlungen ihres eigenen Netzwerks; nur 14 % glauben an Werbebotschaften. Im Jahr 2010 besitzt Facebook weltweit über 400 Millionen aktive Mitglieder, die im Durchschnitt fast eine Stunde pro Tag auf der Website verbringen. Was das alles bedeutet? Kein Unternehmen kommt mehr am Web 2.0 vorbei. Es zu ignorieren käme unternehmerischem Selbstmord gleich. Fast ebenso kontraproduktiv wäre ein überstürzter Einstieg, frei nach dem Motto „Dabei sein ist alles“. Denn die Marketinglandschaft hat sich mit dem exponentiellen Wachstum von Plattformen wie Facebook radikal verändert. Davon profitieren kann nur, wer folgende Wahrheiten verinnerlicht:
- Unternehmen haben weitgehend die Kontrolle über die Wahrnehmung ihrer Marken verloren. Die Macht liegt nun beim Verbraucher.
- Männer und Unternehmen haben etwas gemein: Beide wollen nur das Eine – bei Ersteren ist das Sex, bei Letzteren das Verkaufen. Erfolgreiche Männer und erfolgreiche Unternehmen fallen beim Werben um das Objekt ihrer Begierde nicht mit der Tür ins Haus.
- Emanzipierte Frauen lassen sich nicht mit Machoallüren und One-Night-Stands gewinnen. Ebenso bauen langfristige Beziehungen mit Kunden auf gemeinsamen Interessen auf.
- Die goldene Regel „Was du nicht willst, das man dir tu ...“ gilt auch im Web 2.0: So, wie Sie möchten, dass andere mit Ihnen reden, müssen Sie auch selbst kommunizieren.
So tickt das Web 2.0
Social-Networking-Sites sind passiv viral: Während die Nutzer im E-Mail-Zeitalter noch aktiv Informationen verbreiteten – durch Anhängen von Videos, Fotos usw. –, genügt heute ein Klick, um Inhalte auf einen Schlag mit dem gesamten Freundesnetzwerk zu teilen. Das Open-Graph-Konzept mit seinen Social Plug-ins, die quasi als Generalschlüssel zu allen Web-2.0-Wohnungen fungieren, ermöglicht es Nutzern, z. B. in Blogs Kommentare zu verfassen und diese mit ihrem gesamten persönlichen Netzwerk auf Facebook zu teilen. Die Nutzer kommentieren und bewerten Kampagnen, Fußballspiele oder neue Produkte, sie treten Gruppen bei, entwickeln und nutzen Applikationen, spielen Social Games und organisieren Events.
„Wenn Facebook ein Land wäre, wäre es die viertgrößte Nation der Welt.“
Sobald jemand Fan einer bestimmten Facebook-Seite wird, indem er auf den „Gefällt mir“-Button klickt, wird er via Newsfeed über neue Inhalte auf dem Laufenden gehalten. Direkt nach dem Einloggen erfahren Facebook-Nutzer so sämtliche Neuigkeiten über ihre Facebook-Freunde und Lieblingsmarken, -unternehmen oder -künstler. Einziger Knackpunkt: Jeder Nutzer kann die Kommunikation abbrechen, indem er z. B. auf „Verbergen“ klickt und einzelne Facebook-Freunde oder Anbieter aus seinem Newsfeed verbannt. Oder er kann sich bestimmte Inhalte bevorzugt anzeigen lassen. Je aktiver der Facebook-Nutzer, desto schwerer kontrollierbar wird die Informationsflut in seinem Newsfeed. Für Unternehmen gilt daher: Ihre Kommunikation muss so gut sein, dass der Nutzer Ihnen auch in Zukunft die Tür zu seinem Web-Wohnzimmer aufhält.
Die Facebook-Seite
Privatpersonen legen auf Facebook ein Profil an und kreieren so ihr persönliches Schaufenster im Internet. Wer einen kommerziellen oder gemeinnützigen Zweck verfolgt, kann eine Facebook-Seite einrichten. Vorsicht: Der Name lässt sich im Nachhinein nicht mehr ändern! Er muss aussagekräftig und attraktiv sein und sollte wenn möglich auch als Vanity-URL vorhanden sein: Das ist ein verkürzter Link (www.facebook.com/Nutzername), den Sie erhalten, sobald Sie 25 Fans haben. Beschreiben Sie Ihr Unternehmen in der 250 Zeichen fassenden Textbox. Erklären Sie, was Sie einzigartig macht. An dieser Stelle müssen Sie den Besucher überzeugen, den „Gefällt mir“-Button zu klicken.
„Allein auf Facebook zu sein ist ungefähr wie eine große Party zu schmeißen, ohne einen einzigen Gast einzuladen.“
Über die Einstellungen bestimmen Sie dann die Zugriffsmöglichkeiten auf Ihre Facebook-Seite. Sollen Fans auf Ihre Pinnwand schreiben oder Fotos und Videos posten können? Unbedingt! Wer hier den Kontrollverlust fürchtet, ist in sozialen Netzwerken fehl am Platz. Nutzen Sie Facebook Markup Language (FBML) oder Facebook Javascript (FBJS), um sich vom Standardlook abzuheben und Ihrer Seite ein individuelles Gesicht zu geben. Sie können z. B. einen zusätzlichen Reiter namens „Über uns“ anlegen, in dem Sie Ihr Unternehmen individuell und fantasievoll darstellen. Kreieren Sie am besten eine attraktive Landingpage, auf der jeder neue Nutzer begrüßt wird. Der erste Eindruck entscheidet!
Wie man Fans gewinnt
Ihr Erfolg im Web 2.0 steht und fällt mit Ihrer Fanbasis. Es gibt mehrere Möglichkeiten, eine loyale Community aufzubauen:
- „Pay per Click“-Anzeigen: Diese erscheinen gut sichtbar in der rechten Spalte aller Facebook-Seiten. Der Vorteil: Sie können Nutzer ganz gezielt ansprechen, z. B. modeinteressierte Frauen zwischen 25 und 30 Jahren. Ein Nachteil dieser Vorgehensweise: Nicht alle Nutzer geben bei der Profilerstellung ihre Interessen an.
- Integration in die eigene Unternehmenswebsite durch Social Plug-ins: Eines von mehreren Plug-ins ist die Facebook Like Box. Besucher Ihrer Website können auf diesem Weg Ihre Fans werden, ohne die eigentliche Facebook-Seite aufzurufen.
- Eigene Applikationen: Spaß und Unterhaltung bieten einen Mehrwert und werden besonders gerne mit dem Freundesnetzwerk geteilt.
- Mundpropaganda: Ergreifen Sie kreative, einmalige Maßnahmen, die dafür sorgen, dass über Sie geredet wird. Meist braucht es dafür eine gewagte Idee: Beispielsweise versprach Burger King einmal jedem Nutzer, der zehn Facebook-Freunden die Freundschaft kündigte, einen Gratis-Whopper. Diese Aktion war nur zu bald in aller Munde, und es gab ein regelrechtes Kündigungswettrennen. Facebook unterband das Treiben nach einer Woche, doch Burger King hatte bereits 35 Millionen Medienkontakte generiert.
- Crossmedia: Sie können z. B. Verkaufsveranstaltungen als Facebook-Event anmelden. Auf der Veranstaltung selbst ermutigen Sie dann Besucher, Inhalte, Fotos oder Videos auf Facebook zu veröffentlichen (z. B. indem Sie sie an einer Verlosung teilnehmen lassen).
„Nicht mehr der Mann bzw. das Unternehmen sucht den Partner aus. Das macht heute verstärkt die Frau bzw. der Kunde.“
Einmal Fan ist nicht immer Fan. Um Ihre Nutzer langfristig an die Seite zu binden, müssen Sie Statusmeldungen erstellen. Diese erscheinen auf Ihrer Pinnwand und im Newsfeed der Fans. Haben Sie ein lustiges Video auf YouTube gefunden, das für Ihre Fans interessant sein könnte? Gibt es neue Blogs, Produkte oder ein spannendes Event? Verstehen Sie sich als Newsfilter für sämtliche Informationen rund um Ihre Marke. Lassen Sie Ihre Fans mitmachen und mitreden. Das könnte der Beginn einer echten Marketing-Lovestory sein. Doch Vorsicht: Mehr als zwei oder drei Statusmeldungen am Tag werden als Spam empfunden.
Was es bringt
Obwohl Social-Media-Marketing im digitalen Umfeld agiert, lässt sich sein Erfolg nicht eindeutig in Zahlen darstellen – damit steht es im Medienmix allerdings nicht allein da. Sicher ist: Der Wert von Social-Media-Kampagnen liegt im Netzwerkeffekt. Passive Viralität könnte zur neuen Leitwährung im Social Web werden. Sie würde gleichzeitig auch die Kommunikation verbessern, weil Nutzer innerhalb ihres persönlichen Netzwerks eher die Informationen erhalten, die sie interessieren.
„Wir als Unternehmen möchten, dass ... Falsch! Unsere Kunden wünschen sich ... Richtig!“
Anstatt als ungebetener Eindringling würden Unternehmen häufiger als gern gesehener Gast wahrgenommen, auch wenn sie Werbung machen. Zu schön, um wahr zu sein? Facebook liefert Statistiken zur Anzahl der Fans, zu Seitenaufrufen und Interaktionen, zu Geschlecht, Alter und Wohnort der Nutzer und vielem mehr. Sie können diese Daten mit denen von Google Analytics kombinieren, das Ihnen sagt, wie die Nutzer auf eine Facebook-Seite gelangt sind, wie viel Zeit sie dort verbracht haben usw. Daneben gibt es Anbieter kostenpflichtiger Services, die detailliertere Auswertungen aller Interaktionen auf einer Seite im Programm haben. Auch die Wechselwirkungen z. B. zwischen Twitter und Facebook können so dargestellt werden. Achten Sie aber darauf, dass die Kosten für das Controlling in einem angemessenen Verhältnis zum Umfang der Kampagne stehen.
Ein Blick in die Hexenküche des Web 2.0
Ikea hat bei der Neueröffnung eines Einrichtungshauses vorgemacht, wie man allein mit einer guten Idee und ohne die Programmierung aufwändiger Applikationen viel Aufmerksamkeit erregt: Der Marktleiter lud innerhalb von zwei Wochen zwölf Bilder von eingerichteten Ikea-Showrooms hoch. Der Nutzer, der als Erster mithilfe der Funktion „Foto-Tagging“ einen Gegenstand auf einem Foto markierte, bekam ihn geschenkt. Man erreichte so binnen kürzester Zeit Tausende Nutzer.
„Nachmacher sind auch im Web 2.0 nicht gern gesehen. Das heißt aber noch lange nicht, dass man das Rad immer wieder komplett neu erfinden muss.“
Ein anderes Beispiel: Der „Crème-brulée-Man“, ein Straßenverkäufer in San Francisco, führt idealtypisch vor, wie selbst Kleinstunternehmer Social Media nutzen können: Er twittert mehrmals am Tag, wo er sich befindet und welche heißen Crème-brulée-Geschmacksrichtungen er aktuell anbietet. Das Ergebnis: 10 000 Anhänger lassen sich von seinen Tweets den Mund wässrig machen. Aus diesen und anderen Beispielen erfolgreicher Kampagnen können Sie viel lernen:
- Ermutigen Sie Offlinekunden, die positive Erfahrungen mit Ihnen gemacht haben, zum Austausch mit anderen im Internet. Verbinden Sie wann immer möglich die Online- mit der Offlinewelt.
- Nutzen Sie Crowdsourcing, d. h. lassen Sie die Nutzer selbst ein Produkt designen oder ein Werbevideo drehen. Das funktioniert jedoch nur mit einer wirklich loyalen Community, die sich nicht ausgenutzt fühlt. Sie sollten deshalb mögliche Erlöse aus der Aktion für einen guten Zweck spenden oder attraktive Preise unter den Teilnehmern verlosen.
- Fassen Sie möglichst viele Aktionen auf Ihrer Facebook-Seite zusammen, da diese durch ihre passive Viralität der normalen Unternehmenswebsite überlegen ist. Beispiel easyJet: Die Fluggesellschaft hat eine Applikation entwickelt, mit der Kunden über die Facebook-Seite gemeinsam mit ihren Freunden eine komplette Reise planen und buchen können.
- Machen Sie von sich reden, selbst wenn Sie polarisieren: Saturn etwa führte das „sexy Webluder“ Tara Technique ein, eine spärlich bekleidete, langbeinige Schönheit, die von ihren Fans via Facebook verwöhnt werden will.
- Liefern Sie Stoff für gute Geschichten: Ein Eisanbieter organisierte ein Gewinnspiel, das ein Jahr kostenloses Eisessen versprach. So eine Auslobung spricht sich herum.
- Das Zauberwort im Social Web heißt Verlinkung: Sie brauchen nicht alle Inhalte selbst zu erstellen. Die meisten Content-Hersteller freuen sich, wenn sie bemerkt werden.
Das Web wird sozialer
Mit dem Siegeszug von Social Media hat sich das Verhältnis zwischen Unternehmen und Konsumenten gewandelt. Wer einst kontrollierte, muss heute zuhören und moderieren. Probieren Sie es aus, betreten Sie notfalls neue Pfade, auch auf die Gefahr hin, dass sie sich im Dickicht des Social Webs verirren. Der Open-Graph-Standard mit den dazugehörenden Social Plug-ins wird dazu führen, dass immer mehr Internetseiten integriert und die Interaktionen zwischen Facebook-Nutzern zunehmen werden. Es gibt noch genug ungenutztes Potenzial.
„Der Weg, der an Facebook vorbeiführt, wird durch die Omnipräsenz der Plattform immer schmaler.“
So könnte das so genannte Social Shopping sich bald zu einem Riesenmarkt entwickeln: Kunden werden online mit ihren Facebook-Freunden diskutieren, ob sie ein T-Shirt in rot oder grün kaufen sollen. So macht Onlineshopping Spaß – und der Anbieter erhöht ganz nebenbei seinen Bekanntheitsgrad. Auch mobile Facebook-Apps werden an Bedeutung gewinnen. Ein Viertel der Community greift heute über das Mobiltelefon auf Facebook zu, und die mobilen Nutzer sind doppelt so aktiv wie die reinen PC-Nutzer. Hier lauert noch eine Menge Potenzial für innovative Geschäftsideen.