Perspektivwechsel in der Personalwirtschaft
Modernes HR-Management (HRM) sieht die Personalarbeit als wichtige Querschnittsaufgabe im Unternehmen. Der wichtigste Unterschied zwischen bloßer Personalverwaltung und HRM ist der Perspektivenwechsel: Nicht die Belegschaft ist der Kunde des HRM, sondern die Firmenleitung. Statt der Mitarbeiterinteressen ist die Managerperspektive entscheidend. Dementsprechend hat HRM in erster Linie Ziele und Ergebnisse zu erreichen, die das Management vorgibt. HR-Manager nehmen die Mitarbeiter nicht aus humanistischen Gründen in den Fokus, sondern um deren Wertschöpfung zu steigern. Genau das ist auch das Ziel eines HR-Business-Partners: Wertschöpfung fürs Business zu schaffen. Als Idee nicht völlig neu, geht das Konzept in seiner modernen Variante auf den amerikanischen Managementprofessor Dave Ulrich zurück. Seit Ende der 1990er Jahre beleben Ulrichs Anstöße das Personalmanagement vieler Unternehmen.
Stratege statt Administrator
Verwaltungsleistungen im Personalbereich sind ausdrücklich nicht Aufgabe des HR-Business-Partners. Solche Dienste zu automatisieren, zu standardisieren und zu zentralisieren, ist Sache der Kollegen im Shared Service Center (SSC), während Personalspezialthemen von Experten in Centers of Excellence (CoE) erledigt werden. Der HR-Business-Partner kümmert sich dagegen um die transformationalen Komponenten des Personalmanagements, etwa um Projekte im Change- oder Talentmanagement. Er ist kein Verwalter, sondern ein Gestalter. Statt administrativer Aufgaben sind strategische Angelegenheiten seine Domäne.
„Der HR-Business-Partner ist quasi der investigative Personaler, der – mitten im Geschehen – die relevanten Themen bemerkt und praktikable Lösungen umsetzt, zum Nutzen des Unternehmens und seiner Klientel.“
Einen ausschließlich mit strategischen Fragen befassten HR-Business-Partner kennen allerdings die meisten Personaler nur aus der Theorie. Viele HR-Business-Partner sind weiterhin mit Verwaltungsaufgaben betraut. Nach empirischen Untersuchungen haben es die HR-Abteilungen erst in wenigen Unternehmen geschafft, vom reinen Dienstleister zum eigentlichen Partner des Managements aufzusteigen. Das heißt aber nicht, dass sie dieses Ziel aufgegeben hätten.
Arbeitsbereiche für HR-Business-Partner
Es ist Mode, Aufgaben weg von der Personalabteilung und hin zu den direkten Vorgesetzten der Mitarbeiter zu delegieren. Die Funktionen Recruiting oder Performance-Management werden häufig von den Führungskräften erledigt. Was haben dann die HR-Business-Partner zu tun? Sie unterstützen die Führungskräfte z. B. bei Personalfragen, indem sie Bewerbermessen und Assessment-Center organisieren, die Integration der Neuen begleiten oder die Vorgesetzten an die Einlösung ihrer Versprechen gegenüber den Schlüsselkräften erinnern, mit dem Ziel der Mitarbeiterbindung.
„Der HR-Business-Partner ist kein Stubenhocker, sondern ein Meilensammler.“
Das Thema Talentmanagement, die Suche und Pflege geeigneter Fachkräfte, wird mit dem demografischen Wandel für HR-Business-Partner an Bedeutung gewinnen. Die Workforce-Planung ist zwar das Arbeitsfeld eines spezialisierten Centers of Excellence. Als HR-Business-Partner sind Sie jedoch an der Schnittstelle zu den Geschäftsbereichen und bei der Auswahl von Maßnahmen gefordert. Ein noch wichtigerer Bereich wird für HR-Business-Partner künftig die Weiterentwicklung der Führungskräfte werden. Hier besteht Ihre Rolle in der eines Coachs oder Beraters der Führungskräfte. Bei Gehaltsfragen behalten Sie den Überblick über marktübliche Vergütungsmodelle und -niveaus. Und Sie wachen darüber, dass die Führungskräfte nicht von der vereinbarten Vergütungspraxis abweichen.
Keine Arbeitsbereiche für HR-Business-Partner
Allem Gerede vom Kostensparen zum Trotz gibt es in vielen HR-Abteilungen noch immer Budgetspielräume, die zur Ausweitung der Tätigkeitsfelder genutzt werden könnten. Widerstehen Sie dieser Versuchung und konzentrieren Sie sich auf die wesentlichen Aufgaben! Ein Entscheidungskriterium sollte die Frage sein, ob Sie die Zeit und das Geld für die gewünschte neue Aufgabe auch aufwenden würden, wenn das Unternehmen Ihnen gehören würde. Als HR-Business-Partner ist es z. B. nicht Ihre Aufgabe, das Unternehmensimage bei potenziellen Stellenbewerbern zu verbessern. Sie sollten auch nicht hoffen, sich in die Geschäftsprozesse einmischen zu können. Das erledigen die Führungskräfte der Firma.
„Jedem HR-Business-Partner ist zu empfehlen, die engeren Grenzen seiner ursprünglichen Profession zu sprengen und sich mit einigen der Klassiker rund um Management, Strategie und Organisation zu befassen.“
Laut einer Befragung sehen nur wenige HR-Praktiker einen Sinn darin, durch HR-Controlling eine quantitative Bestätigung ihres Erfolgs zu erhalten. Besser ist es, wenn Sie sich durch ihre Kunden – die Führungskräfte – beurteilen lassen. Wie viel Wertschöpfung Sie als HR-Business-Partner erzielt haben, werden Sie in den seltensten Fällen genau beziffern können. Aufgrund dieses Zahlenmangels wird das HRM vom Management häufig unter Rechtfertigungsdruck gesetzt, vor allem wegen der Kosten. Diese Unsicherheit sollte Sie nicht davon abhalten, Ihre Vorstellungen vor dem Management zu vertreten. Apropos Kosten: Eine Betreuungsquote von über 100 Mitarbeitern je Personaler ist möglich und zeitgemäß. Sie liegt im deutschsprachigen Raum aber nur bei 80. Mit solch einem Wert machen sich Personalabteilungen angreifbar: Sie sind zu groß.
Vorsicht an der Schnittstelle
Das Arbeitsfeld des HR-Business-Partners ist kein unumstrittenes Revier. Sowohl das Management als auch externe Dienstleister treffen Entscheidungen, die einen Personalbezug haben. In der Praxis ist häufig ebenso wenig wie in der Theorie klar, wo die Trennlinien der Zuständigkeiten verlaufen. Seien Sie sich bewusst, dass es keine Bestandsgarantie für HR-Abteilungen gibt.
„Der HR-Business-Partner sollte sich vor allem um die wertschöpfenden Themen kümmern.“
Da viele strategische Entscheidungen des Managements auch das Personal betreffen, sollten sich HR-Business-Partner an diesen Entscheidungsvorgängen beteiligen. Ob eine neue Strategie implementiert, ein HRM-Prozess optimiert oder zwischen Management und HRM vermittelt werden soll: Jedes Mal sind Sie als HR-Business-Partner gefragt. Lassen Sie sich aber von den Führungskräften nicht in die Rolle des willfährigen Dienstleisters drängen, indem Sie ihnen deren HRM-Aufgaben abnehmen: Mitarbeitergespräche z. B. sind Sache der Vorgesetzten.
Organisationsfragen sind nicht entscheidend
Umfragen zufolge ist die Hälfte der deutschen Unternehmen mit der Personalorganisation unzufrieden. Kein Wunder also, dass 80 % der Personalabteilungen mindestens alle fünf Jahre umorganisiert werden. Welchen organisatorischen Zuschnitt die Arbeit der HR-Business-Partner genau erhalten soll, lässt sich ebenso wenig allgemeingültig formulieren wie ihre Kapazität. Es gibt Unternehmen mit einem einzigen Personaler, der die Rolle eines HR-Business-Partners ausfüllt, und solche mit regelrechten Teams von bis zu 25 Mitarbeitern.
„Vor dieser Situation steht inzwischen so manches Unternehmen: Den HR-Business-Partner formal als Rolle zu besitzen, ohne jedoch seine Grundidee so richtig ins Laufen gebracht zu haben.“
Die Definitionsversuche sind graue, unscharfe Theorie. Was zählt, ist die Praxis. Als HR-Business-Partner werden Sie in zentrale Entscheidungsprozesse eingebunden, von Führungskräften akzeptiert und häufig kontaktiert. Sie sind räumlich und organisatorisch außerhalb der „personalwirtschaftlichen Komfortzone“ angesiedelt und bewegen sich zwischen Personal- und Businessebene. Sie übernehmen wertschöpfende strategische Aufgaben.
Warum HR-Business-Partner so selten sind
Es gibt keinen Idealtypus für den Job des HR-Business-Partners. Drei Anforderungen muss er aber in jedem Fall erfüllen: Er kennt 1. das Business, 2. die HR-Abteilung und versteht sich 3. als Partner der Führungskräfte. Letzteres setzt Präsenz und Selbstbewusstsein voraus; es gibt meist nicht viele Kandidaten mit der nötigen Persönlichkeit. Erfahrungsgemäß schafft nur jeder dritte Personaler den Sprung vom Verwalter zum Gestalter.
„Es ist ein erstaunliches Phänomen in der mitteleuropäischen Personaler-Zunft, dass sich nahezu niemand als Vorbild, Marktführer, Trendsetter bei HRM-Themen versteht.“
Die Herkunft ihrer HR-Business-Partner sehen die Unternehmen – anders als früher – nicht mehr als entscheidend an: Sowohl „Eigengewächse“ als auch Angeheuerte, sowohl Business- als auch HR-Experten haben es zu erfolgreichen HR-Business-Partnern gebracht. Kandidaten müssen in der Regel trainiert werden, vor allem weil die Auswahl sehr beschränkt ist: Von den Hochschulen kommen schlicht zu wenige Akademiker mit einer Spezialisierung für den Personalbereich.
Gestalten Sie Ihre Rolle selbst
Manche Personalverantwortlichen beziehen ihre Inspiration allein aus der Managementliteratur, deren Rezepte sie mechanisch umsetzen. Diese Methode mag in anderen Unternehmensbereichen sinnvoll sein, im Personalmanagement ist sie es nicht. Das simple Management mithilfe von Instrumentenkästen, Checklisten und Handlungsanleitungen wird inzwischen auch von Beratern kritischer als früher gesehen. Gerade im komplexen Personalmanagementbereich sollten Sie selbst souverän nach passenden Lösungen für Ihre Firma suchen, statt solche aus anderen Unternehmen zu kopieren. Best-Practice-Beispiele dienen dem HR-Business-Manager als Anregung, aber nicht als Vorlage. Ein wesentlicher Punkt, den Sie angehen müssen, um sich den nötigen Freiraum zu verschaffen, sind automatisierte Basisprozesse. Mit anderen Worten: Die IT für die einfachen, sich wiederholenden HR-Prozesse muss laufen, damit Sie sich um Wichtigeres kümmern können.
Schwierigkeiten bei der Umsetzung
Defizite bei der Projektsteuerung sind der Hauptmangel, unter dem die Umsetzung des HR-Business-Partner-Konzepts in der Unternehmenspraxis leidet. Die Beteiligten wollen zu viel auf einmal. Kurzfristig wirksame Maßnahmen werden langfristigen vorgezogen. Häufig bereiten auch interne Dissonanzen Probleme – sei es wegen Interessenkonflikten oder fehlender Unterstützung aus der Chefetage. Ständige Reorganisationen verhindern ebenfalls eine erfolgreiche Umsetzung. Um die Mängel zu beheben, wollen die befragten Unternehmen in erster Linie ihre HR-Business-Partner besser qualifizieren. Den gegenwärtigen HR-Business-Partner durch einen externen Kandidaten zu ersetzen, nannte nur jedes zehnte Unternehmen als Maßnahme.
„Support-Funktionen wie HR werden niemals in die Profit&Loss-Liga aufsteigen.“
Welchen Weg Sie bei der Einführung des Konzepts auch immer gehen: Rechnen Sie mit einem Zeitraum von zehn Jahren. Eine schnellere Umsetzung hält heute kaum ein Praktiker mehr für möglich. Viele Umsetzungsprobleme lassen sich mit einem klugen Transformationsmanagement voraussehen und bewältigen. Haben Sie den geeigneten Kandidaten für den HR-Business-Partner-Job schon im Auge, können Sie auch einen ungewöhnlichen Weg gehen: Statt erst das Modell zu entwickeln und dann den Partner zu suchen, lassen Sie den oder die besten Personalarbeiter im Business mitarbeiten – und nutzen Sie dann erste positive Ergebnisse, um das neue Konzept zu etablieren. Diese so genannte 007-Taktik hat sich schon verschiedentlich bewährt.
Personalarbeit: weder abgeschafft noch aufgeblasen
Über die Zukunft der Querschnittsaufgabe HRM lässt sich trefflich spekulieren. Sicher ist, dass sie nicht abgeschafft werden wird – schon weil die Führungskräfte gar nicht alle HR-Aufgaben übernehmen können. Ebenso unrealistisch ist das andere Extrem, von dem manch ein Personaler träumt: dass HR-Verantwortliche zu den maßgeblichen Firmenlenkern aufsteigen. Gewisse Manager wünschen sich hingegen den Personal-Superdienstleister, der auf Zuruf pariert. Lassen Sie sich weder von Unkenrufen noch von Allmachtsfantasien in der täglichen Arbeit beirren. Personalarbeit wird weiterhin im Spannungsfeld zwischen Kosten und Wertschöpfung für das Unternehmen stattfinden und Schritt für Schritt besser werden. HR-Business-Partner befinden sich dabei auf Augenhöhe mit dem Management.