WissensWert

Buch WissensWert

Mit Knowledge-Management erfolgreich im E-Business

Schäffer-Poeschel,


Rezension

E-Business und Wis­sens­man­age­ment werden eins, ar­gu­men­tieren die Autoren in ihrem Ratgeber. Das Buch enthält neben von Fussnoten unterlegten Argumenten auch zahlreiche Prax­is­beispiele für gutes Wis­sens­man­age­ment. Allerdings: Einige der geäusserten Ideen sind unaus­ge­goren. So wird z. B. die Behauptung, E-Un­ternehmen seien naturgemäss wertvoller als ihre Vorgänger der Old Economy, mit den einstigen Börsenwerten der Start-ups belegt - eine brüchige Beweiskette. Zudem kritisieren die Autoren auf der einen Seite, dass Mitarbeiter in verkrusteten Un­ternehmensstruk­turen oft auf Tätigkeiten festgelegt werden, an­der­er­seits legen sie eben dieses Schubladen­denken ihrem Modell der Wis­senstypen zugrunde. Da haben sie es sich - gele­gentlich - zu einfach gemacht. Positiv her­vorzuheben sind die übersichtlichen und gut erklärten In­fo­grafiken, die die Inhalte il­lus­tri­eren. Eine lebendige Sprache erschliesst auch kom­plizierte abstrakte Erörterungen. Insgesamt ein erfrischend prax­isori­en­tiertes Buch, das etwas Licht schafft im Dschungel abgehobener Diskus­sio­nen über Wis­sens­man­age­ment. BooksInShort empfiehlt es als begleitende Literatur allen, die sich mit diesem Thema im Unternehmen beschäftigen.

Take-aways

  • Jeder Betrieb ist auch ein Wis­sensun­ternehmen, das sich durch Wis­sensvor­sprünge abzuheben trachtet.
  • Wissen ist nicht einfach eindi­men­sional fortführbar.
  • Wissen gedeiht nur in einem ökologischen und vernetzten Umfeld, es verdorrt in hi­er­ar­chis­chen Strukturen.
  • Führung muss Wis­senspro­jek­ten aktive Förderung ent­ge­gen­brin­gen.
  • Implizites (Mi­tar­beiter-)Wissen und explizites (doku­men­tiertes) Wissen sollen in das Gemein­schaftswis­sen eines Betriebes integriert werden.
  • Behindert wird die Wis­sensaus­bre­itung durch Zeitmangel, Sch­ablo­nen­denken, Fehler­feindlichkeit und Streben nach Machterhalt.
  • Unabdingbar für den Aufbau von Wis­sens­man­age­ment ist ein zentraler Manager als Wis­sensver­wal­ter.
  • Wissen braucht Räume und eine ungezwun­gene Atmosphäre, in denen es aus­ge­tauscht werden kann.
  • Schon ab wenigen hundert Mi­tar­beit­ern gehen wichtige In­for­ma­tio­nen wegen Unübersichtlichkeit verloren.
  • Wichtig sind sowohl die Bere­itschaft als auch die Fähigkeit, Wissen zu teilen.
 

Zusammenfassung

Wen es angeht

Heute konkur­ri­eren nicht mehr Produkte miteinander, sondern Geschäftsmodelle. Je aus­tauschbarer die Warenwelt wird, desto mehr kommt es auf das richtige Wissen zur Vermarktung, Innovation, PR an - vernetzte Un­ternehmen­sprozesse erleichtern das. War es ursprünglich der Net-Economy vorbehalten, E-Business und Wis­sens­man­age­ment zu kombinieren, tritt nun die zweite Generation des E-Business an - sie umfasst alle Branchen.

„Wissen entsteht und verbreitet sich nicht von allein, sondern setzt menschliche Geis­tesleis­tung voraus, die keine noch so kluge Maschine, keine noch so in­tel­li­gente Or­gan­i­sa­tion übernehmen kann.“

Der planvolle Gebrauch von Wissen an sich ist nichts Neues - der Aufstieg der japanischen Wirtschaft nach dem Zweiten Weltkrieg ist allein dem Kopieren von Wissen und der Nutzung gemeinsamen Wissens zu verdanken. Der an­schliessende Absturz, von dem sich Nippon noch immer nicht erholt hat, demon­stri­ert auch die Endlichkeit dieses Konzepts: Wissen ist nicht einfach eindi­men­sional fortführbar, Wieder­hol­ung ohne Innovation bringt keinen Fortschritt.

„Wer in der Net-Economy nicht ganz alt aussehen will, kommt um die Erkenntnis nicht herum, dass eine Kombination von wis­sens­getriebener Konzen­tra­tion auf den Kunden und von Tech­nolo­gie-Tools des E-Business der Schlüssel zu künftigem Erfolg ist.“

Klassische Industrien wie Auto- oder Maschi­nen­bauer mögen meinen, bei ihnen ginge es um Hand­festeres als um virtuelles Wissen. Doch weit gefehlt: Alle Unternehmen sind im Grunde Wis­sensun­ternehmen. Ihr Vorsprung gegenüber Mit­be­wer­bern fusst auf Schöpfung und Kombination von Wissen, das aus der Or­gan­i­sa­tion erwächst, deren gemeinsamer Arbeit und Forschung. Dieses Wissen zu pflegen, kann sowohl In­ter­net­providern wie Pra­li­nen­her­stellern nur nützen - wobei der Begriff "Wis­sens­man­age­ment" den Schluss nahe legt, mit einfachen, math­e­ma­tis­chen Lösungen das Problem bewältigen zu können. "In­tellek­tuelle Wertschöpfung" scheint adäquater, da sie über die blosse Archivierung von Fakten hinaus die Nutzung der ermittelten Erken­nt­nisse meint.

„Der Begriff des Knowl­edge-Work­ers, des Wis­senswerk­ers, dessen Handw­erk­szeug nicht mehr Hammer und Schrauben­zieher, sondern seine grauen Zellen sind, taucht in der amerikanis­chen Literatur bereits in den frühen 60er Jahren auf.“

Wis­sensebe­nen der in­tellek­tuellen Wertschöpfung

  • Strate­gis­che Ebene: Wachstum und Wert­steigerung mit neuem Wissen und verbesserten Kun­den­beziehun­gen
  • In­for­ma­tion­stech­nis­che Ebene: Weit­er­en­twick­elte Wis­sensin­fra­struk­turen
  • Or­gan­isatorische Ebene: Verbesserung des Wis­sensaus­tauschs
  • Kulturelle Ebene: Rah­menbe­din­gun­gen für eine neue Lernkultur
„Einfühlungsvermögen und Überzeu­gungskraft sind gerade dann besonders wichtig, wenn Wis­senspro­jekte gestartet werden und viele Mitarbeiter sich noch nicht sicher sind, ob sie durch die Preisgabe ver­meintlich exklusiven Wissens nicht zu ihrer eigenen Aus­tauschbarkeit beitragen.“

Wissen selbst teilt sich in implizites (im Gehirn der Mitarbeiter gespe­ichertes) und explizites (auf kon­ven­tionellen Datenträgern gespe­ichertes) Wissen, die beide in ver­schiede­nen Prozessen in das Gemein­schaftswis­sen eines Betriebes integriert werden sollen. Die Praxis hinkt der Theorie wie immer hinterher, denn die Übergänge zwischen den einzelnen Wis­sensarten sind schwierig. In­di­vidu­elles Wissen wird nicht explizit, weil die be­tr­e­f­fenden Menschen nicht miteinander reden können oder wollen. Hier Abhilfe zu schaffen, bedarf es wis­sens­basierter Un­ternehmensführung. Sie betrachtet Wissen als Vermögenswert, der optimal be­wirtschaftet werden muss. Ein Modell von in­tellek­tueller Wertschöpfung ist u. a. die "Knowl­edge-Trans­for­ma­tions-Schule", die drei Elemente als Grundlage für er­fol­gre­iche Wis­sensar­beit erkennt:

  1. Dynamik: Grundsätzlich erlauben schnell sich verändernde Märkte keine dauerhaften Wet­tbe­werb­ser­folge; Unternehmen müssen dynamisch ständige Anpassung suchen, indem sie eine Balance zwischen dem Chaos ("trial and error") und der Ordnung (Vertrauen auf Erlerntes) finden. Dazu ist oft Im­pro­vi­sa­tion nötig.
  2. Wis­sensin­ten­sität: Neues Wissen entsteht in den Köpfen. Interaktive Prozesse sorgen für seine Ve­r­ar­beitung, Verwendung und Ausbeutung. Das wird durch adäquate In­fra­struk­turen unterstützt. Die Entstehung selbst ist nach bi­ol­o­gis­chen Erken­nt­nis­sen kaum von aussen zu steuern - Management beschränkt sich also auf die Schaffung der idealen Umgebung, um diesen Prozess in Gang zu setzen und zu halten.
  3. Kun­den­beziehun­gen: Zum Nutzen der Kunden müssen Unternehmen sich ganz auf sie konzen­tri­eren - mit Hilfe des Internets als Kontaktbörse, Werbemedium und Marktplatz. Entsprechend müssen alle Mitarbeiter in einer kun­de­nori­en­tierten Kultur ausgebildet werden.

Wissens-Ökosysteme

Die neues Wissen nutzenden Unternehmen sind eher wie ein lebender Organismus als wie starre Or­gan­i­sa­tio­nen aufgebaut - sie sind Wissens-Ökosysteme. Wissen gedeiht offenbar nur gut in einem menschlich geprägten Umfeld - wie die Saat auf dem Feld braucht es das richtige Klima (die optimale Kultur), guten Boden (entsprechende In­fra­struk­tur) und den passenden Dünger (eine wis­sensori­en­tierte Strategie). Dann wächst es sozusagen von selbst.

Beispiel: Oticon

Lars Kolind kam 1988 als Sanierer zum dänischen Hörgerätehersteller Oticon. Unter seiner Präsidentschaft verdoppelte das Unternehmen seinen Umsatz und vervielfachte den Gewinn. 1991 brachte Oticon das weltweit erste vol­lau­toma­tis­che Hörgerät auf den Markt, 1995 das erste volldig­i­tale. Diese In­no­va­tio­nen entwickelte Oticon jeweils in der Hälfte der ve­r­an­schlagten Zeit. Hinter diesem Aufbruch stecken v. a. völlig veränderte Abläufe. Kolind ist es gelungen, seine Mitarbeiter wie Ner­ven­zellen im Gehirn miteinander zu vernetzen. "Sprecht miteinander", forderte er immer wieder. Er löste fast alle Hierarchien auf und liess En­twick­lungsar­beit nur noch von Pro­jek­t­teams mit ständig wechselnder Besetzung erledigen. Es gibt keine festen Büroplätze mehr - jeder kann an jedem PC arbeiten und hat von dort Zugriff auf eigene und fremde Dateien. Für dieses Konzept der Ar­beit­sor­gan­i­sa­tion gab es 1998 den "Employee Empowerment Pioneer Award" - diese Trophäe gilt als höchste in­ter­na­tionale Ausze­ich­nung für In­no­va­tio­nen im Management.

„Es sind das Klima, das zwischen den Menschen vor den Computern herrscht, und die Strukturen, in denen sie arbeiten und miteinander umgehen, die darüber entscheiden, ob etwa das firmeneigene Intranet nicht mehr ist als die Un­ternehmen­spos­tille auf Digital oder ob es gleichsam als elek­tro­n­is­ches Ner­ven­sys­tem die einzelnen Mitarbeiter vernetzt wie die grauen Zellen des Grosshirns.“

Das zeigt, dass Führung Wis­senspro­jek­ten nicht bloss wohlwol­lende Duldung, sondern aktive Förderung ent­ge­gen­brin­gen muss. Dazu sollten Sie:

  • den erstrebten offenen Umgang und den Austausch von Wissen vorleben;
  • Fürsprecher von Wis­senspro­jek­ten werden und deren Bedeutung un­ter­stre­ichen;
  • Anreize für Wis­senspro­duk­tion und -nutzung schaffen und Erfolge feiern;
  • die notwendigen Ressourcen zur Verfügung stellen.

Wis­sens-Chef

Ob ein Chief Knowledge Officer (CKO) wirklich nötig ist, wie in vielen Unternehmen inzwischen eingeführt, hängt meist von der jeweiligen Kultur ab. In stark hi­er­ar­chisch geprägten Unternehmen brauchen Sie ihn, weil dort Führungskräfte mit der Abgabe von Wissen nach unten oft Schwierigkeiten haben - ein Autorität einflössender Titel schafft Akzeptanz. In einer teamor­i­en­tierten Struktur genügen dagegen scheinbar informelle Vermittler. Alle hingegen brauchen einen zentralen Wis­sensver­wal­ter, der den direkten Draht zum Top­man­age­ment hat.

Nichtwissen

Ab­schreck­end ist immer das Gegenteil - in diesem Fall die Erkenntnis, was Nichtwissen ein Unternehmen kosten kann. Die Gartner Group erwartet, dass Unternehmen, die bis heute keine Knowl­edge-Man­age­ment-Ak­tivitäten entwickelt haben, 30-40 % langsamer in der Entwicklung von neuen Produkten und Di­en­stleis­tun­gen sein werden als ihre Konkur­renten. Weitere Folgen:

  • verlorene Gewin­n­chan­cen, etwa durch nicht vermarktete Patente oder unerkannte Kundenbedürfnisse;
  • höhere Be­trieb­skosten, etwa durch Wieder­hol­ung der immer gleichen Fehler, Dop­pelar­beit und Nicht­nutzung von Best Practices;
  • verlorene Kunden, weil das Unternehmen auf deren Anfragen und Beschwerden nicht schnell und kompetent genug reagieren kann;
  • geringere Produktivität, weil wichtige In­for­ma­tio­nen Mi­tar­beit­ern nicht zur Verfügung stehen und zu viel Zeit mit der Suche verbracht wird.

Fehlender Wis­senstrans­fer: Das Beispiel "Tequila"

Der britische Spir­i­tu­osenkonz­ern United Destillers and Vintners entwickelte vor Jahren ein neues Tequila-Mixgetränk. Erst unmittelbar vor der Markteinführung stellte man fest, dass ein kurz davor dazugekauftes Unternehmen einen Lizen­zver­trag mit dem grössten Tequi­lapro­duzen­ten der Welt eingegangen war - der verbot jede Art von eigenen Mixgetränken auf Tequila-Ba­sis. Ein halbes Jahr En­twick­lungszeit und mehrere Millionen Pfund waren umsonst.

Hindernisse

Viele Hürden stehen dem Wis­sens­man­age­ment in der Un­ternehmen­skul­tur entgegen:

  • Zeit: Wissen macht (zusätzliche) Arbeit - so erklärt sich, dass Zeitmangel als wichtigste Barriere für er­fol­gre­iches Wis­sens­man­age­ment genannt wird.
  • Schablonen: Die in vielen Unternehmen lange erzwungene Spezial­isierung hat Sch­ablo­nen­denken her­vorgerufen. Be­trieb­s­blind­heit schlägt all jene, die in Routine erstarrt sind und keine Gelegenheit bzw. Motivation sehen, sich auszu­tauschen. Tra­di­tionelle Strukturen sitzen stramm wie Aussenskelette der Insekten - sie behindern neues Wachstum.
  • Filter: Ähnlich sieht es mit der Wahrnehmungsverz­er­rung in vielen Unternehmen aus. Der von jedem übernommene Filter vereinfacht ein­tr­e­f­fende Reize, in­ter­pretiert falsch oder ignoriert sie. So ein Filter kann etwa die Vorgabe der Kriterien sein, die die In­for­ma­tio­nen erfüllen müssen, um relevant zu sein.
  • Fehler­tol­er­anz: Lässt eine Firma Fehler nicht einmal zu bzw. verliert das Team oder der Ve­r­ant­wortliche dabei das Gesicht, ist "chaotisches" Lernen nur sehr schwer möglich. Das Personal wird so zur Unfähigkeit geschult, indem die Schuld abgeschoben wird und keiner einen Neubeginn wagt.
  • Macht: Je hi­er­ar­chis­cher ein Unternehmen aufgebaut ist, desto mehr klammern sich Vorgesetzte und Abteilungen an ihr Herrschaftswis­sen. Ins­beson­dere, wenn sich Mitarbeiter bedroht fühlen, werden sie dieses Wissen auch aktiv gegen Veränderungen einsetzen.

Wis­sens-Gemeinde

Wie Sie Klima und Strukturen anlegen, um Wis­senswach­s­tum zu erzielen:

  • Wissen braucht Räume, in denen es aus­ge­tauscht werden kann - z. B. die Cafeteria, ein Chatforum, mitunter sogar der Getränkeautomat. Es geht aber um mehr als bloss einen Saal mit vielen Sitzen: Sie brauchen eine ungezwun­gene Atmosphäre, wenig Reglement, Zugänglichkeit.
  • Durch den Austausch entstehen von selbst Kon­textge­mein­schaften, denen eine gewichtige Rolle beim Erwerb von Wissen und seiner Verteilung zukommt. Solche Kon­textge­mein­schaften funk­tion­ieren umso besser, je grösser das wech­sel­seit­ige Verständnis ist.
  • Die Fähigkeit, Wissen zu teilen, ist ebenso wichtig wie die Bere­itschaft zum Wis­sensaus­tausch - Beziehungskom­pe­tenz, die aktiv gefördert werden muss durch Wis­sens­bro­ker, Brückenschläger zwischen den Ebenen, Abteilungen und The­men­feldern.
  • Schon ab wenigen hundert Mi­tar­beit­ern gehen wichtige In­for­ma­tio­nen oft wegen Unübersichtlichkeit verloren. Schaffen Sie also leicht überschaubare Subsysteme (keine hi­er­ar­chis­chen!), die wiederum an definierten Stellen miteinander vernetzt sind.

Über die Autoren

Brigitte Palass arbeitet derzeit als freie Jour­nal­istin beim Man­ager-Mag­a­zin. Prof. Dr. Hans-Gerd Servatius ist Geschäftsführer bei der Price­wa­ter­house­C­oop­ers Un­ternehmens­ber­atung GmbH.