Ich, mein Kollege und sein Job

Buch Ich, mein Kollege und sein Job

www.das-tut-man-nicht.de

Kreuz,


Rezension

Welche Mittel sind im Kampf um die besten Jobs erlaubt? Wann sind die moralischen Grenzen überschrit­ten? Dies versuchen die Autorinnen Margaret Heckel und Ursula Weidenfeld anhand einzelner Fragen auszuloten, die von Nutzern auf ihrer Website www.​das-tut-man-nicht.​de gestellt wurden. Sie betonen immer wieder, wie schwierig es ist, moralische Urteile zu fällen. Kon­se­quenter­weise warten sie auch nicht mit eigenen Antworten und Meinungen auf, sondern fassen vielmehr die Einschätzungen von teils namhaften Dritten sowie einzelnen Nutzern ihrer Website zusammen. Bedauerlich ist, dass es den Autorinnen kaum gelingt, über die einzelnen Fall­beispiele hin­aus­ge­hende Regeln oder Grundsätze zu entwickeln. Jedoch ist die Sammlung der moralischen Grauzonen im Ar­beit­sall­tag so umfangreich, dass jeder die eine oder andere bekannte Situation antreffen dürfte. BooksInShort empfiehlt das Buch wegen der zahlreichen aus dem Berufsleben gegriffenen Fälle allen, die Antworten auf moralische Fragen im Job suchen.

Take-aways

  • Die Gier der Manager macht un­moralis­ches Verhalten auf allen Un­ternehmensebe­nen gesellschaftsfähig.
  • Um dem ent­ge­gen­zuwirken, versuchen immer mehr Menschen, Regeln für ein moralisches Wirtschaften zu etablieren.
  • Ethik ist etwas anderes als Gefühl, Religion, Gesetz, Wis­senschaft oder Kultur.
  • Allen Regeln zum Trotz gibt es immer wieder Grauzonen. Hier hilft eine Checkliste.
  • Bei schwierigen Entschei­dun­gen grenzen Sie das Problem ein, besorgen Sie sich alle In­for­ma­tio­nen, suchen Sie nach Al­ter­na­tiven und bewerten Sie Ihre Entschei­dung.
  • Mobbing ist in jedem Fall unmoralisch.
  • Bere­icherung auf Kosten des Ar­beit­ge­bers, vom Krankfeiern bis zur gefälschten Spe­senabrech­nung, ist nicht vertretbar.
  • Rache am Chef ändert nichts am Grund­prob­lem.
  • In einem Team kann man dazugehören, auch ohne sich am Lästern über Vorgesetzte zu beteiligen.
  • Bei Missständen in der Firma sollten Sie aktiv werden – zur Not durch den Schritt in die Öffentlichkeit.
 

Zusammenfassung

Gier und Moral

El­len­bo­gen­men­talität, Konkur­ren­zkampf, Leis­tungs­druck: Im Kampf um die besten Jobs will jeder gewinnen, und nicht immer geht es dabei fair zu. Topmanager machen es vor: Wer sich rücksichtslos bereichert, keine Regeln kennt und die eigenen Interessen um jeden Preis durchboxt, steht ganz of­fen­sichtlich auf der Gewin­ner­seite. Hier ist nicht nur von kriminellem Verhalten wie Betrug die Rede, sondern auch von den vielen kleinen legalen Gemein­heiten in der moralischen Grauzone. Diese hängen übrigens z. T. mit unserem gut ausgebauten Ar­beit­nehmer­schutz zusammen: Wer praktisch unkündbar ist, wird dann eben durch von oben an­ge­ord­netes, sys­tem­a­tis­ches Mobbing aus dem Job geekelt. Doch egal ob kriminelle Energie oder blanke Rück­sicht­slosigkeit: Ein solches Führungsver­hal­ten, das uns auch die Medien tagtäglich servieren, hat eine enorme soziale Sprengkraft. Wer sich unfair behandelt, abgezockt oder ausgenutzt fühlt, wird sich anderen gegenüber nicht unbedingt fair und gerecht verhalten. Un­moralis­ches Verhalten wird dadurch zum Massenphänomen. Doch wo sind die Grenzen? Wie viel Moral ist im Job Pflicht?

„Richtiges und gerechtes Handeln ist ein Thema von ungeheurer sozialer Sprengkraft.“

Allerorten arbeitet man an Ideen, um das Wirtschaft­sleben ethisch zu gestalten und dafür zu sorgen, dass die Auswüchse unge­brem­ster Gier eingedämmt werden. Viele Unternehmen und Or­gan­i­sa­tio­nen geben sich selbst Ver­hal­tenskodizes, die gewährleisten sollen, dass sich alle Mitarbeiter zumindest an gewisse Grundregeln halten. So haben sich beispiel­sweise im Jahr 2008 die Ar­beit­ge­ber- und Ar­beit­nehmervertreter der Chemiebranche auf einen gemeinsamen Ethikkodex geeinigt und eine Ve­r­anstal­tungsreihe zum Thema gestartet. Selbst die Wirtschaft­seliten haben die Zeichen der Zeit erkannt: Klaus Schwab, der das Weltwirtschafts­fo­rum in Davos gründete, befand 2009 in einem Appell, es sei „Zeit für eine neue Wirtschaft­sethik“, und forderte verbindliche Regeln für Manager. Der Nachwuchs will schon gar nicht so wirtschaften, wie es derzeit scheinbar als normal gilt: Immer mehr Studierende un­terze­ich­nen den „MBA Oath“, einen Eid für angehende Manager, mit dem sie sich verpflichten, moralisch einwandfrei zu arbeiten.

Die Schwestern der Ethik

Doch was heißt eigentlich ethisches Verhalten? Zur Abgrenzung kann man zunächst einmal festhalten, was Ethik nicht ist:

  • Ethik ist nicht Gefühl: Ob man sich bei einer Tat gut oder schlecht fühlt, ist für die moralische Bewertung nicht relevant. Schließlich gibt es durchaus auch Verbrecher, die sich bei ihren Missetaten glänzend fühlen und frei von Schuldgefühlen sind.
  • Ethik ist nicht Religion: Moral gilt für alle, nicht nur für diejenigen, die an Gott, Allah oder wen auch immer glauben.
  • Ethik ist nicht Gesetz: Denn Gesetze können auch unmoralisch sein, vor allem in totalitären Systemen.
  • Ethik ist nicht Wis­senschaft: Wis­senschaft erkennt nur, wie die Dinge sind, jedoch nicht, wie sie sein sollten. Sie kann damit zwar Hil­festel­lun­gen für ethische Entschei­dun­gen liefern, sie aber nicht treffen.
  • Ethik ist nicht Kultur: Der Ausspruch „Andere Länder, andere Sitten“ bedeutet nicht, dass jedes Verhalten dadurch gerecht­fer­tigt werden kann, dass es zu einer anderen Kultur gehört. Nur weil ein Verhalten tra­di­tionell gewachsen oder allgemein üblich ist, ist es noch lange nicht moralisch.

Der Ethik-Check

Trotz aller Bemühungen um Regeln wird es immer wieder Un­klarheiten darüber geben, wie man in diesem oder jenem Einzelfall entscheiden sollte. Un­sicher­heiten und Grenzfälle sind normal. Um dann ethisch handeln zu können, nehmen Sie diese Checkliste zu Hilfe:

  • Eingrenzung: Hat die Entschei­dung überhaupt eine ethische Dimension? Eine solche ist beispiel­sweise dann gegeben, wenn Dritte geschädigt werden.
  • Information: Sind Ihnen alle relevanten Tatsachen bekannt? Wer profitiert und wer verliert bei der Entschei­dung? Welche Handlungsmöglichkeiten gibt es?
  • Al­ter­na­tiven suchen: Von welcher Entschei­dung profitieren die meisten (Util­i­taris­mus)? Wann werden die Rechte der Akteure nicht gebrochen (Rechte-Ansatz)? Wie werden alle fair behandelt (Fair­ness-Ansatz)? Was ist für die Gemein­schaft und nicht für das Individuum optimal (Gemein­schafts-Ansatz)? Welche Option würde eine Person wählen, die Sie gerne wären (Tu­gend-Ansatz)?
  • Entscheiden: Welche Option passt am besten zur aktuellen Situation?
  • Bewertung: Was hat Ihre Entschei­dung bewirkt? Was können Sie beim nächsten Mal besser machen?

Karriere um jeden Preis?

Nicht selten wird Mobbing vom Chef verlangt, damit er die eigene Karriere pushen kann. Klar ist, dass das per Gesetz verboten ist. Wer nicht mobbt, ist dann zwar geset­zestreu, kann aber die eigene Karriere in dieser Firma vergessen. Trotzdem ist Mobbing keine Option: Es ist unfair, verletzt die Rechte der anderen und schadet auf Dauer der Gemein­schaft. Kurz: Es ist in jeder Hinsicht unmoralisch. Abgesehen davon müssen Sie sich fragen, ob Sie in einem Unternehmen, das Mobbing zulässt, überhaupt arbeiten möchten – Sie könnten selbst das nächste Opfer sein. Die beste Lösung besteht darin, sich einen neuen Job zu suchen.

„Wer sich nicht angemessen behandelt fühlt, handelt selbst nicht angemessen.“

Auch wenn Sie im Wettbewerb um einen Job die Konkur­rentin mit fiesen Interna aus dem Rennen kicken könnten, sollten Sie fair kämpfen: Wenn Sie wirklich die bessere Wahl sind, wird am Ende auch der Chef überzeugt sein. Dürfen Sie es in Erwägung ziehen, einem Freund einen Posten in der eigenen Abteilung zu verschaffen? Wenn er wirklich qual­i­fiziert ist und Sie mit dem Vorwurf der Günstlingswirtschaft leben können – warum nicht? Ansonsten lassen Sie es besser bleiben. In­sid­er­wis­sen aus Ihrem Netzwerk, z. B. über eine vakante Stelle, sollten Sie besser für sich behalten, statt etwa die fleißige Kollegin über anstehende Veränderungen zu informieren. Wenn der Job schon für einen Kumpel des Chefs vorgesehen ist, bekommt sie die Stelle sowieso nicht; und überdies laufen Sie Gefahr, Ihr Netzwerk wegen Ver­trauens­bruchs zu beschädigen. Moralisch un­prob­lema­tisch ist es, wenn Sie die Bewerbung Ihrer Tochter oder Ihres Sohnes bei Ihrem Arbeitgeber unterstützen.

„Allen Regeln, Regularien und Wertekodizes der Firmen zum Trotz bleiben unzählige Fragen darüber, was gutes Handeln ist, täglich offen.“

Den faulen Kollegen im Team sollten Sie sachlich, aber bestimmt auf die Finger klopfen. Schließlich müssen die anderen den Job der Faulpelze mit erledigen. Kein Pardon sollte es auch bei Kollegen geben, die auf Pornoseiten surfen: Zum einen klaut der Surfer seinem Arbeitgeber Zeit und damit Geld, zum anderen werden möglicher­weise strafrechtliche Grenzen überschrit­ten. Das gilt noch mehr, wenn jemand im strafrechtlichen Sinn betrügt, selbst wenn es sich dabei um die Lieblingsnichte des Chefs handelt.

Der Chef – das ungeliebte Wesen

Rache am Chef ist auch dann unmoralisch, wenn sie auf legalem Weg erfolgt. Und nicht nur das: Sie ist zudem unproduktiv, weil sie am Grund­prob­lem nichts ändert. Besser ist das offene Gespräch. Kritik am Chef ist erlaubt oder sogar geboten, weil sie letztlich dem Unternehmen nützt. Egal ob die Chefin heute hü und morgen hott sagt oder Fäkalausdrücke benutzt, ob der Juniorchef Mails an der Chefsekretärin vor­beis­chleust und diese deshalb Fehler macht oder ob die Chefgattin das Team mit ihrer Inkompetenz in den Wahnsinn treibt: Es ist immer sinnvoller, das Gespräch zu suchen. Dieses sollte aber sachlich geführt werden. Ist ein inkom­pe­ten­ter oder sogar korrupter Boss dazu nicht fähig, sollten Sie am besten über einen Jobwechsel nachdenken.

Teamplay gleich Fair Play?

Konflikte im Team – etwa wegen des Lärmpegels in Großraumbüros – sind an der Tage­sor­d­nung. Auch hier hilft in der Regel das offene Gespräch. Profiliert sich ein Karrierist auf Kosten der anderen, muss gegenges­teuert werden, zur Not durch den Vorge­set­zten. Wenn Sie für eine neue Position im Team nur einen befristeten Ar­beitsver­trag anbieten können, ist das nicht verwerflich. Schließlich ist Ar­beit­slosigkeit das größere Übel. Lästern über den Chef ist weit verbreitet. Man muss aber nicht mitmachen, um dazuzugehören, sondern darf seine eigenen Grenzen setzen. Wer sich vom Team aus­geschlossen fühlt, sollte ihm nicht mit Vorwürfen und Schuldzuweisun­gen begegnen. Besser ist es, offen den Kontakt anzubieten. Sollte sich Ihre Frau oder Ihr Mann um einen Job bei Ihrem Arbeitgeber bewerben, besteht kein Problem, solange alles fair und transparent läuft. Wenn einer Ihrer Mitarbeiter ein besseres Zeugnis verlangt, als er verdient hat, tun Sie niemandem einen Gefallen, wenn Sie dieser Bitte nachkommen: War die Leistung nicht gut genug, darf das auch im Zeugnis stehen.

„Auch in Fällen, in denen sich der Ar­beit­nehmer überfordert oder gestresst fühlt, ist eine Krankschrei­bung nur selten eine moralisch valide Option.“

Die Fi­nanzierung des Studiums ist rechtlich gesehen die Sache der Eltern. Doch die Praxis sieht häufig anders aus, und oft steht dabei nicht das Geld im Mittelpunkt, sondern Machtspiele. Wer den Rechtsstreit mit den eigenen Eltern scheut, kann zum BAföG-Amt gehen (nur schon die Nachfrage des Amtes bei zahlung­sun­willi­gen Eltern reicht oftmals, sie doch zum Zahlen zu bewegen), jobben oder ein Stipendium beantragen. Bei Prüfungen zu schummeln oder krankzu­machen, ist zwar weit verbreitet, moralisch aber ganz und gar nicht einwandfrei. Zeugnisse zu fälschen ist sogar strafbar. Davon sollte man also besser die Finger lassen.

Vom Umgang mit Geld

Die seit Jahren prak­tizierte Frühver­ren­tungspoli­tik erzeugt enorme soziale Kosten. Darf man sich auf Kosten der All­ge­mein­heit einen lauen Lenz machen oder ist das unmoralisch? Das muss jeder selbst entscheiden. Auch wenn eine Kündi­gungswelle durch das Unternehmen rollt und man befürchtet, selbst von ihr erwischt zu werden, sollte eine Krankmel­dung nur dann erfolgen, wenn man wirklich krank ist. Es ist nicht okay, zum Abbau von Stress und Überforderung krankzufeiern. Eine Abfindung seitens des Un­ternehmens kann man mit gutem Gewissen annehmen, staatliche Sozialleis­tun­gen allerdings nur, wenn man sie auch tatsächlich benötigt.

„Diebstahl im Job ist in jedem Fall ein Ver­trauens­bruch.“

Großzügig aufgerun­dete Spe­sen­rech­nun­gen sind allgemein üblich. Oft will man sich eine Belohnung holen, die man auf anderem Wege nicht bekommt. Es ist aber dennoch unmoralisch. Das Gleiche gilt für Diebstahl, und wenn es nur um eine Packung Kopier­pa­pier geht. Nehmen Sie ungerechte Bezahlung nicht hin, sondern drängen Sie auf Angleichung der Gehälter. Absolut in­akzept­abel sind Sozial­be­trug und Schwarzarbeit. Je nach Fall ist durchaus eine Anzeige bei der Behörde gerecht­fer­tigt.

Moral in der Firma und in der Part­ner­schaft

Viele Unternehmen haben einen schönen Ethikkodex – zumindest auf dem Papier. Die tägliche Ar­beit­spraxis sieht oft anders aus. Statt wegzusehen, sollten Sie lieber das Gespräch mit dem Chef suchen. Schließlich untergraben Missstände die Moral im Team und schaden der Reputation der Firma. In extremen Fällen kann sogar der Gang an die Öffentlichkeit („Whistle­blow­ing“) moralisch geboten sein.

„Die Worte und die Taten eines Un­ternehmens müssen übere­in­stim­men.“

Müssen Sie die Jobpläne Ihres Partners unterstützen, auch wenn sie gegen die eigenen Interessen gehen? Darf der eine mehr Freizeit haben als der andere? Wer muss wie sehr wegen des Kindes beruflich zurückstecken? Muss man voll berufstätig sein, auch wenn man lieber Teilzeit arbeiten würde? Hier gibt es angesichts der aktuellen Umbrüche im Verständnis der Geschlechter­rollen keine Paten­trezepte, allerdings sollte man sich vor jeder Entschei­dung alle Kon­se­quen­zen, etwa einen Kar­ri­ereknick, deutlich vor Augen führen.

Über die Autoren

Margaret Heckel war als Politjour­nal­istin u. a. für die Financial Times Deutschland und die Wirtschaftswoche tätig. Ursula Weidenfeld ist Wirtschaft­sjour­nal­istin. Gemeinsam haben sie eine Website ins Leben gerufen, auf der sich Menschen zu moralischem Verhalten austauschen können.