Der Widerspenstigen Zähmung

Buch Der Widerspenstigen Zähmung

London, 1623
Diese Ausgabe: dtv,


Worum es geht

Die Züchtigung der Ehefrau

Nicht nur Fem­i­nistin­nen dürften sich an der Art von Frauenzüchtigung stören, wie sie uns Shakespeare in Der Wider­spen­sti­gen Zähmung vorführt. Die Mittel, mit denen der Rohling Petruchio den Willen seiner Ehefrau Katharina bricht, reichen von Demütigungen über Schlaf- und Nahrungsentzug bis hin zu körperlicher Gewalt. Am Ende hat die Behandlung Erfolg: Aus der vorwitzigen, störrischen Katharina wird eine brave, gehorsame Gattin, die ihren Geschlechtsgenossin­nen wortreich die Pflichten einer guten Frau erklärt. War es Shakespeare wichtig, in seiner frühen, bis heute viel gespielten Komödie die auf­begehrende Frau in ihre Schranken zu weisen? Oder lässt sich aus den Dialogen und spritzigen Wort­ge­fechten ein ironischer Unterton heraushören, mit dem der Autor gegen das romantische Liebesideal ein Loblied auf die nüchtern-re­al­is­tis­che Ehe anstimmt? Fest steht: Auch politisch überkorrekte Zeitgenossen können dieses temporeiche Stück einfach als leichte und un­ter­halt­same Screw­bal­lkomödie der Spätre­nais­sance goutieren.

Take-aways

  • William Shake­speares Komödie Der Wider­spen­sti­gen Zähmung zählt bis heute zu seinen er­fol­gre­ich­sten Theaterstücken.
  • Inhalt: Der reiche Kaufmann Baptista möchte seine jüngere Tochter, die sanfte Bianca, erst dann verheiraten, wenn er für die ältere, die kratzbürstige Katharina, auch einen Bräutigam gefunden hat. Petruchio lässt sich auf das Geschäft ein und zähmt sie mit rabiaten Methoden zur sanften Ehefrau, die ihren Mann liebt und ihm gehorcht.
  • Shake­speares frühes Lustspiel zeichnet sich weniger durch psy­chol­o­gis­che Tiefe als durch drastische Komik aus.
  • Die Sprache lebt vom Kontrast zwischen geschlif­f­ener Rhetorik und derbem, volkstümlichen Jargon.
  • Das Stück kreist um die Problematik von Schein und Sein, falscher und wahrer Identität.
  • Zu Shake­speares Zeit war das Ideal der unterwürfigen, sanften Frau vorherrschend.
  • Für seine Darstellung der Frauenzüchtigung erntete er nicht nur von fem­i­nis­tis­cher Seite Kritik.
  • Ob sich sein Stück auch als ironischer Kommentar zum Geschlechter­verhältnis im Elis­a­bethanis­chen Zeitalter lesen lässt, ist umstritten.
  • Unter den zahlreichen Adaptionen des Dramas ist Cole Porters Musical Kiss me, Kate aus dem Jahr 1948 die bekannteste.
  • Zitat: „Die Pflicht des Untertan zum Souverän / Ist auch die Frau dem Ehegatten schuldig.“
 

Zusammenfassung

Theater als Ver­wirrspiel

Der Kes­selflicker Christopher Schlau ist betrunken und weigert sich, seine Zeche zu zahlen. Die Wirtin geht los, um einen Wacht­meis­ter zu holen. Als kurz danach ein Lord mit seinem Jagdgefolge das Wirtshaus betritt, finden sie den notorischen Säufer schnarchend in einer Ecke. Der Lord denkt sich einen Spaß aus: Man soll Schlau vorsichtig in ein Bett mit Seidenlaken legen. Wenn er dann aus seinem Rausch aufwacht, soll ihm vorgespielt werden, er sei ein Adliger, der jahrelang verwirrt war und sich für einen Bettler hielt. Diener sollen ihm jeden Wunsch von den Lippen ablesen. Seine Frau, dargestellt von einem Pagen, soll vor Glück, dass ihr Mann wieder bei Sinnen ist, weinen. Gesagt, getan. Schlau fällt auf das Spiel herein, dankt Gott dafür, dass er seinen Verstand zurückhat und möchte nach jahrelanger Abstinenz gleich mit seiner Frau ins Bett. Doch die mahnt ihn, geduldig zu sein und sich die Zeit bis dahin mit einem lustigen Theaterstück zu vertreiben, das eine Schaus­piel­truppe zur Aufführung bringt.

Ein un­sit­tliches Geschäft

Lucentio, der Sohn eines reichen Kaufmanns aus Pisa, ist mit seinem Diener Tranio nach Padua gereist. Dem Wunsch seines Vaters folgend will er den Reichtum seiner Familie durch Ruhm, Weisheit und tu­gend­haftes Verhalten adeln und in der Stadt Philosophie studieren. Tranio bestärkt seinen Herrn in diesem Wunsch, gibt aber zu bedenken, man solle sich nicht allzu sehr mit Stoikern und Aristoteles, mit Logik, Mathematik und Metaphysik aufhalten. Er rät Lucentio, Rhetorik im Alltag zu üben, sich an Musik und Dichtung zu erfreuen, vor allem aber das zu studieren, wozu er Lust hat.

„Worin kein Spaß liegt, liegt auch kein Gewinn. / Kurz, Herr, studiern Sie das nur, was Sie freut.“ (Tranio zu Lucentio, S. 33)

Da kommen einige reiche Bürger Paduas an ihnen vorbei; es sind Baptista Minola, Hortensio und Gremio, ins Gespräch vertieft. Auch Baptistas Töchter Katharina und Bianca sind bei ihnen. Baptista wiederholt vor den beiden anderen Männern, die um die Hand seiner jüngeren Tochter Bianca anhalten wollen, seinen Entschluss: Er wird Bianca erst verheiraten, wenn sich für seine ältere Tochter Katharina, die für ihr lockeres Mundwerk und ihren Starrsinn berüchtigt ist, ein Mann gefunden habe. Die Männer reißen Witze über Katharina und mutmaßen, niemand werde sich bereit erklären, einen solchen Sa­tans­braten zu heiraten. Unter den spöttischen Bemerkungen Katharinas fügt sich Bianca dem Wunsch ihres Vaters und zieht sich ins Haus zurück, um sich dem Studium der Musik und der Literatur zu widmen. Die eine Tochter wegzus­per­ren, nur weil die andere keinen Mann findet, erscheint den Verehrern ungerecht. Baptista fragt sich, wie er einen gebildeten Lehrer finden kann, der Bianca zu Hause un­ter­richtet.

Noch mehr Bewerber um Bianca

Obwohl Konkur­renten im Wettstreit um Bianca, wollen sich Hortensio und Gremio zusammentun, um einen Mann für Katharina aufzutreiben. Sobald die Jüngere durch die Verlobung der Älteren endlich frei wird, wollen sie ihren Kampf um Bianca wieder aufnehmen. Auch Lucentio, der Zeuge der Szene wurde, ist au­gen­blick­lich in die schöne Bianca verliebt. Um an sie her­anzukom­men, will er sich bei ihrem Vater als Lehrer bewerben. Allerdings wird er in Padua bereits erwartet: Er soll studieren, Leute treffen, Hof halten. Jemand anders muss also in seine Rolle schlüpfen: Tranio. Schnell sind die Kleider getauscht. Lucentios anderer Diener Biondello, der nun auftaucht, wird mit einer Lüge abgespeist: Sein Herr habe jemanden im Streit erschlagen und müsse nun unerkannt fliehen.

„Und an der Nase sieht uns keiner an, / Wer Herr und Diener ist. Und daraus folgt – / Du, Tranio, wirst der Herr an meiner statt, / Hältst Haus, machst Staat, nimmst Diener grad wie ich.“ (Lucentio zu Tranio, S. 45)

Unterdessen ist der reiche Bürger Petruchio aus Verona in Padua eingetrof­fen, wo er seinen guten Freund Hortensio besucht. Nach dem Tod seines Vaters ist er auf Suche nach einer Frau. Er ist nicht wählerisch: Mag sie auch wider­borstig, böse und hässlich sein – Hauptsache, sie ist reich. Hortensio muss nicht lange nachdenken, wer da infrage käme: Katharina. Sie stammt aus den besten Kreisen, ist sogar jung und schön, nur eben enorm kratzbürstig und aufsässig. Petruchio kennt da keine Skrupel und auch sein Diener Grumio bestätigt, dass sein kampfer­probter Herr sich nichts bieten lassen werde, ganz gleich, wie frech ihm seine zukünftige Frau auch kommen sollte.

„Ein kleiner Wind facht kleine Feuer an, / Doch Sturm bläst Feuer und was sonst noch aus. / Ich bin ihr Sturm, ihr Feuer wird sich legen, / Denn ich bin rau und werb nicht wie ein Bub.“ (Petruchio über Katharina, S. 83)

Hortensio wittert seine Chance: Der Freund soll ihn – verkleidet und unter dem Namen Lucio – beim alten Baptista als Musiklehrer für Bianca vorstellen, damit er wenigstens einen Augenblick mit seiner Angebeteten sprechen kann. Auf dem Weg zu Baptistas Haus stoßen Hortensio und Petruchio auf Gremio, der dem alten Baptista auch einen Lehrer für seine Tochter vorstellen möchte. Auch Tranio, der sich als Lucentio und gle­ichzeitig als ein Freier Biancas ausgibt, ist dabei. Noch ein Mitbewerber! Unter den Männern kommt es zu einem Wortgefecht, doch schließlich einigt man sich, dass jeder ein Recht habe, um Biancas Hand anzuhalten, und zieht ab, um gemeinsam ein Gläschen auf ihr Wohl zu trinken.

Der Handel wird abgeschlossen

Trotz Katharinas Drängen will Bianca nicht sagen, welcher der Bewerber ihr am besten gefällt. Gerade will Baptista in den Streit zwischen den beiden Töchtern eingreifen, da erscheinen alle Männer mit ihren Dienern. Petruchio, der sich seiner hohen Herkunft rühmt, bekundet ohne Umschweife sein Interesse an Katharina und stellt zugleich den Lehrer Lucio (Hortensio) aus Mantua vor, der der jüngeren Tochter Mathematik- und Musikun­ter­richt geben könne. Da möchte Gremio natürlich nicht nachstehen und präsentiert dem Hausherrn den jungen Gelehrten Cambio – tatsächlich handelt es sich um den verklei­de­ten Lucentio –, der Bianca in Sprachen un­ter­richten könne. Auf Baptistas Nachfrage stellt sich Tranio als Lucentio, Sohn von Vincentio aus Pisa, vor, der von der schönen, gebildeten Bianca gehört hat und nun ebenfalls um ihre Hand anhalten möchte.

„Weil Stadt und Land mir deine Sanftmut preist, / Und deine Tugend lobt und Schönheit rühmt, / Und doch nicht halb so laut, wie dir gebührt, / Hat’s mich bewegt, um deine Hand zu bitten. – Bewegt hat Sie’s? Bewegung ist gesund. / Bewegen Sie sich weg. Hab’s gleich gemerkt, / Sie sind ein ganz Beweglicher.“ (Petruchio und Katharina, S. 87)

Während die beiden falschen Lehrer zur Tochter gebracht werden, erkundigt sich Petruchio nach der Mitgift für Katharina, doch der Vater warnt ihn: Er müsse mit großem Widerstand rechnen. Tatsächlich erweist sich Katharina als ein harter Brocken. Auf Petruchios Schme­icheleien reagiert sie mit Spott, wüsten Beschimp­fun­gen und sogar Schlägen. Schließlich verbietet er ihr einfach den Mund und bestimmt: Es werde geheiratet, ob sie nun wolle oder nicht. Doch Katharina weigert sich standhaft, den Antrag des, wie sie ihn nennt, Sprücheklopfers und Halbirren anzunehmen. Dieser behauptet später den anderen gegenüber, in der Zweisamkeit sei sie ganz lieb und zahm gewesen, nur vor den anderen gebe sie sich wider­spen­stig. Alle Vor­bere­itun­gen sollen getroffen werden, die Hochzeit finde am nächsten Sonntag statt.

„Kurz, wir sind so ein Herz und eine Seele, / Dass nächsten Sonntag unsere Hochzeit ist. – Ich will dich eher baumeln sehn am Sonntag.“ (Petruchio und Katharina, S. 97)

Kaum ist für Katharina ein Mann gefunden, fängt der Streit unter den Bewerbern um Bianca an. Doch Baptista weiß die Lösung: Wer Bianca das größte Hochzeitsgut bietet, der soll sie kriegen. Die Männer übertrumpfen sich gegenseitig: Der alte Gremio bietet sein reich ausstaffiertes Stadthaus und dazu ein Landgut, der junge Tranio, der sich als Lucentio ausgibt, verweist auf den väterlichen Besitz, mehrere Häuser in seiner Heimatstadt Pisa und ein hohes Jahre­seinkom­men ganz allein für Bianca. Baptista entscheidet sich für Tranio – vo­raus­ge­setzt, er kann all diese Reichtümer nachweisen. Nun steht Tranio unter Zugzwang: Er, der falsche Lucentio, muss als Zeugen einen ebenso falschen Vater Lucentios auftreiben. Derweil streiten nebenan die beiden falschen Lehrer um Biancas Gunst. Zwischen lateinis­chen Kon­struk­tio­nen gesteht Lucentio ihr, er habe sich als Lehrer verkleidet, um ihre Zuneigung zu gewinnen. Und in die Tonleiterübungen hinein erklärt ihr der ver­meintliche Musiklehrer Hortensio seine lei­den­schaftliche Liebe.

Katharinas er­fol­gre­iche Zähmung

Der Hochzeit­stag von Petruchio und Katharina ist gekommen. Zum Ärger Baptistas erscheint der Bräutigam zuerst gar nicht und dann in abgeris­se­nen Kleidern auf einem kranken Pferd. Trotz aller Überre­dungsver­suche, sich etwas anderes anzuziehen, besteht er darauf, in diesem Aufzug vor den Altar zu treten: Katharina heirate schließlich ihn, nicht seine Kleider. Wie Gremio den Zurück­ge­bliebe­nen, Lucentio und Tranio, kurz darauf berichtet, hat Petruchio sich bei der Trauung unziemlich benommen, den Pfarrer angepöbelt, den Wein ausgesoffen und die Braut laut schmatzend geküsst. Nach der Zeremonie eilt das Paar davon. Petruchio will nicht essen und feiern, sondern sofort zu seinem Recht als Ehemann kommen. Seine Frau betrachtet er als sein Eigentum – ebenso wie sein Haus, sein Land und sein Pferd.

„Sie ist mein Hab und Gut, mein Land, mein Haus, / Mein Hausgerät, mein Acker, meine Scheune, / Mein Pferd, mein Ochs, mein Esel und mein alles, / Hier steht sie, wer den Mumm hat, rühr sie an!“ (Petruchio über Katharina, S. 131)

In Petruchios Haus bereitet man sich auf die Ankunft des Paares vor. Die Di­ener­schaft fürchtet sich vor der neuen Herrin, die als zickig und stur gilt. Diese aber ist bei ihrer Ankunft fre­undlicher als der Herr selbst, der vor Wut tobt, seine Diener beschimpft und über das Essen schimpft. Nachdem er Katharina ins Schlafz­im­mer gebracht hat, erklärt er sein Verhalten: Wie einen Raubvogel will er seine Frau do­mes­tizieren, bis sie zahm und folgsam ist. Ehe sie nicht verstanden hat, wer der Herr im Haus ist, soll sie weder essen noch schlafen dürfen.

„So mordet man mit Milde seine Frau, / So brech ich ihren starren, sturen Geist.“ (Petruchio, S. 147)

Dass die offenkundig verliebte Bianca mit dem Lehrer Cambio (Lucentio) herum­turtelt, kann der falsche Musiklehrer Hortensio ihr nicht verzeihen. Anges­tachelt von Tranio, dem er seine wahre Identität preis­gegeben hat, schwört er Bianca ab. Nun ist der Weg frei für Lucentio, der plant, Bianca in einer Nacht-und-Nebel-Ak­tion heimlich zu heiraten.

„Der lehrt die Kunst von Grund auf grundsolide, / Wie man ein Weib zähmt und ihr Schandmaul stopft.“ (Tranio über Petruchio, S. 153)

Hortensio wird Zeuge von Petruchios Umgang mit Katharina. Das neue Kleid, das dieser beim Schneider für seine Frau bestellt hat, gefällt ihm angeblich nicht, obwohl sie entzückt davon ist. Zum Essen bei ihrem Vater muss sie ein altes Lumpenkleid tragen. Das Mahl, das ihr vorgesetzt wird, schmeißt er weg, da es angeblich verbrannt ist. Und überhaupt: Wohin sie wann gehen darf, ob es der Mond ist, der da gerade scheint, oder die Sonne, ob jemand ein Mann oder eine Frau ist, entscheide immer noch er. Endlich gibt sich Katharina geschlagen. Was immer Petruchio sagt, sie wird ihm zustimmen.

Der Betrug fliegt auf

Inzwischen hat Tranio einen alten Magister aufgetrieben, der damit ein­ver­standen ist, für eine gewisse Zeit in die Rolle von Vincentio, Lucentios Vater, zu schlüpfen. Gegenüber Baptista erklärt sich dieser bereit, die mit dem Sohn aus­ge­han­delte Mitgift zu zahlen. Man lädt den falschen Brautvater in Lucentios Haus ein, wo der Vertrag un­ter­schrieben und gemeinsam die Verlobung gefeiert werden soll. Die Hochzeit scheint perfekt. Doch während man hier noch das Spiel weit­ertreibt, lassen sich der richtige Lucentio, der nun auch vor seiner Verlobten die Maske des Lehrers abgelegt hat, und Bianca in aller Stille trauen.

„Mein Mund muss sprechen von der Wut des Herzens, / Sonst bricht mein Herz, wenn es die Wut verschweigt, / Und eh das eintritt, bin ich lieber frei / Mit Worten und so maßlos, wie ich will.“ (Katharina, S. 165)

Doch da taucht plötzlich der echte Vincentio auf, der seinen Sohn besuchen möchte. In Begleitung von Petruchio und Katharina begibt er sich zu Lucentios Haus, wo der falsche Vater und der falsche Lucentio auf Baptista warten. Vincentios Überraschung ist groß, als der fremde Mann sich als Lucentios Vater vorstellt. Er selbst wird als Hochstapler, Gauner, Verrückter behandelt. Selbst der Diener Biondello behauptet, ihn nicht zu kennen, und Tranio droht sogar, ihn ins Irrenhaus sperren zu lassen. Erst als der richtige Lucentio zusammen mit seiner frisch angetrauten Ehefrau Bianca dazukommt, fliegt die ganze Sache auf. Lucentio sinkt vor seinem Vater in die Knie und bittet ihn um Verzeihung. Die Verkleidung, der Betrug, die Heim­lichkeiten – das alles habe er nur aus Liebe zu Bianca gemacht.

Ein Loblied auf die unterwürfige Frau

Beim anschließenden Festessen in Lucentios Haus kommen die Brautpaare, die Väter und die Freunde zusammen. Die gut gelaunte Gesellschaft ergeht sich in Wortspielen und Plänkeleien. Nachdem die Frauen sich zurückgezogen haben, schließen Lucentio, Petruchio und Hortensio, der inzwischen eine junge Witwe geheiratet hat, eine Wette ab: Es gewinnt der, dessen Frau als Erste kommt, wenn man sie ruft. Petruchio setzt eine hohe Summe auf seine Katharina, denn er ist überzeugt, die Wider­spen­stige erfolgreich gezähmt zu haben. Und tatsächlich: Von den drei frischge­back­e­nen Ehefrauen ist sie die einzige, die auf den Wunsch ihres Mannes sofort und wider­spruch­s­los erscheint.

„Die Frau im Zorn ist wie ein Quell im Schlamm, / Versumpft und brackig, schal und ohne Schönheit, / Und drum wird keiner, gleich wie rau und durstig, / Sich nur zum Schluck, zum Tropfen gnädig bücken.“ (Katharina, S. 217)

Die Männer staunen nicht schlecht, und ihr eigener Vater erkennt Katharina kaum wieder: keine Spur von Starrsinn und Spottlust. Im Gegenteil, sie nennt Petruchio ihren Liebsten und gehorcht ihm aufs Wort. Zu guter Letzt will sie die anderen Frauen vom Nutzen weiblicher Unterwürfigkeit überzeugen: Zornige, wider­spen­stige Frauen seien hässlich und fänden keinen Mann. Nur diejenige, die ihren Mann als Herrscher anerkenne, ihn liebe und zufrieden­stelle, werde umsorgt und verwöhnt. Eine Frau schulde ihrem Mann ebenso Gehorsam wie ein Untertan dem Souverän. Nicht umsonst sei der weibliche Körper zart, weich und nicht für schwere Arbeit geschaffen. Die eigene Schwäche als Stärke anzuerken­nen und sich dem Mann freiwillig zu unterwerfen, darin liege die Bestimmung und das Glück der Frau.

Zum Text

Aufbau und Stil

Der Wider­spen­sti­gen Zähmung ist ein Drama in fünf Akten in Vers und Prosa. Mit der Rah­men­hand­lung um den betrunkenen Christopher Schlau (die allerdings in der überliefer­ten Version nicht zu einem Schluss geführt wird) stellt das Stück eine Komödie in der Komödie dar. Seine Sprache lebt von Gegensätzen und scharfen Kontrasten. Auf geschlif­f­ene Passagen folgen un­ver­mit­telt Blankverse und dann wieder in Prosa verfasste volkstümliche Sprüche und Rüpeleien. Die un­ter­schiedlichen Auf­fas­sun­gen von Liebe und Ehe, verkörpert durch Lucentio und Petruchio, spiegeln sich in der Sprache der Figuren wider. Die sinnliche, bisweilen rohe Diktion Petruchios steht in deutlichem Kontrast zu der überhöhten, in Versen verfassten und am ital­ienis­chen Re­nais­sancedichter Petrarca ori­en­tierten Liebesrhetorik Lucentios. Die Sprache der Diener zeichnet sich – ganz in der Tradition der ital­ienis­chen Commedia dell’Arte – durch derbe Wortspiele, Obszönitäten und Vulgärausdrücke aus. Doch auch die Herren und Damen der feineren Gesellschaft ergehen sich in sexuellem Geplänkel und hitzigen Wort­ge­fechten mit erotischen An­spielun­gen.

In­ter­pre­ta­tion­sansätze

  • Das Motiv der wider­spen­sti­gen Ehefrau, die von ihrem Mann gezähmt wird, ist aus vielen europäischen Märchen und volkstümlichen Erzählungen bekannt. Shakespeare entnahm es wahrschein­lich der um die Mitte des 16. Jahrhun­derts anonym er­schiene­nen Verserzählung A Merry Jest of a Shrewde and Curste Wyfe. Als Vorlage für die Geschichte um Bianca und ihre drei Freier diente ihm George Gascoignes englische Bearbeitung von Ariosts Komödie I suppositi.
  • Die Komödie zählt zur drama­tis­chen Gattung der Farce. Sie zeichnet sich weniger durch psy­chol­o­gis­che Tiefe und Poesie als vielmehr durch schemen­hafte Figuren, Sit­u­a­tion­skomik und drastischen Witz aus.
  • Die Handlung kreist um die Problematik von Sein und Schein, von vorgetäuschter und ver­tauschter Identität. Herr und Diener sind nur durch ihre Kleidung voneinander zu un­ter­schei­den. Sobald sie diese tauschen, verlieren sie ihre soziale Stellung. Auch Petruchios Auftritt als Rohling kann als bewusste Maskierung gedeutet werden, mit der er seine störrische Frau in den Griff bekommen will. Mit seinem grobschlächtigen Auftreten hält er ihr den Spiegel vor und bringt so ihr wahres, sanftes Wesen, das sich hinter der Wider­spen­stigkeit verbirgt, zum Vorschein.
  • Shake­speares beim Publikum sehr beliebtes Stück stieß auf einigen Widerspruch und wird bis heute als Plädoyer für die Unterdrückung von Frauen kritisiert. Für manche Interpreten schwingt im Loblied auf die Un­ter­w­er­fung der Frau indes ein ironischer Unterton mit. Demnach ist Katharina nur auf den ersten, oberflächlichen Blick das willenlose Objekt Petruchios. Tatsächlich hat sie sein Spiel durchschaut und glaubt, ihn durch Anpassung besser beherrschen zu können als durch Wider­spen­stigkeit.
  • In der Schlussszene scheint die erzwungene Beziehung zwischen Petruchio und Katharina liebevoller und gefestigter als die im Liebesrausch einge­gan­gene zwischen Lucentio und Bianca. Petruchios nüchtern-re­al­is­tis­cher Blick auf die Liebe hat über Lucentios ro­man­tisch-ide­al­is­tis­che Sichtweise gesiegt.

His­torischer Hintergrund

Das Menschen- und Fam­i­lien­bild im Elis­a­bethanis­chen Zeitalter

Noch gegen Ende des 16. Jahrhun­derts wurde die Ehe keineswegs als private, romantische Liebesverbindung zwischen Mann und Frau, sondern vielmehr als reine und möglichst für alle Seiten profitable Zweck- und In­ter­es­sen­ge­mein­schaft betrachtet. Im protes­tantis­chen England galt sie zugleich als Bastion der Moral und sozialen Ve­r­ant­wor­tung, auf der das Wohl nicht nur der Familie, sondern des ganzen Staates gründete. Die Familie beruhte im Kleinen auf denselben pa­tri­ar­chalis­chen Prinzipien wie der Staat im Großen. Frau, Kinder und auch das Personal hatten sich dem Gatten, Vater und Hausherrn be­din­gungs­los un­terzuord­nen, so wie der Untertan sich dem Herrscher unterwarf. So wie das Wohl und Gedeihen des Staates von seiner Befriedung im Innern abhingen, so konnte auch die Familie nur funk­tion­ieren, wenn unter ihren Mitgliedern Frieden, Harmonie und Eintracht herrschten. Eine zänkische Ehefrau, die sich nicht diszi­plin­ieren ließ und sich nicht freiwillig männlicher Autorität un­terord­nete, galt daher als Gefahr für das ganze Gemeinwesen und musste – notfalls mit körperlicher Gewalt – gefügig gemacht werden.

In der Renaissance war die Un­terteilung der men­schlichen Charaktere nach der antiken Säftelehre geläufig. Je nachdem, welcher der vier Säfte – Blut, Schleim, schwarze und gelbe Galle – im Körper dominierte, ließen sich san­guinis­che, phleg­ma­tis­che, melan­cholis­che oder cholerische Charak­ter­typen un­ter­schei­den. Frauen besaßen nach dieser Lehre einen Überschuss an kalter Feuchtigkeit (Phlegma), der sie von Natur aus launisch, weinerlich und nachgiebig machte; ganz im Unterschied zum heißen und trockenen Körper des Mannes, der ihm häufig ein cho­lerisches Temperament verlieh. Insgesamt galt die Frau als eine Art unaus­gereifte Version des Mannes, der die perfekte menschliche Form verkörperte. Aus dieser bi­ol­o­gis­chen Min­der­w­er­tigkeit der Frau leitete sich im pa­tri­ar­chalis­chen Gesellschaftssys­tem jener Zeit ihre niedere gesellschaftliche Stellung ab. Mochten Frauen wie Königin Elisabeth I. auch umsichtig und klug herrschen – am herkömmlichen Bild der Frau änderte das nur wenig. Diese war ökonomisch, sozial und sexuell von ihrem Ehemann abhängig, hatte sich ihm un­terzuord­nen und bedurfte in allen An­gele­gen­heiten männlicher Kontrolle. Dem Ideal der keuschen, schweigsamen und gehorsamen Frau stand das Schreckbild der unangepassten, schwatzhaften und un­kon­trol­lier­baren Xanthippe entgegen, das in zahlreichen Schmähschriften der Spätre­nais­sance gezeichnet wurde.

Entstehung

Der Wider­spen­sti­gen Zähmung, im Original The Taming of the Shrew, entstand wahrschein­lich 1593. Im Jahr darauf erschien ein Text, der den Titel The Taming of a Shrew trägt und Shake­speares Stück in mancherlei Hinsicht ähnelt, dabei aber deutliche stilis­tis­che Un­ter­schiede aufweist. Ob es sich dabei um eine andere Version des Stücks aus der Feder von Shakespeare selbst, um eine Vorlage eines anonymen Autors oder um eine Raubkopie handelt, ist ungewiss – wobei inzwischen Letzteres als wahrschein­lich gilt. Die heute bekannte Fassung von Der Wider­spen­sti­gen Zähmung erschien in der ersten Shake­speare-Gesam­taus­gabe von 1623.

Wirkungs­geschichte

Das Stück wurde aber bereits im Juni 1594 erstmals aufgeführt – darauf lassen zumindest die Tage­buchaufze­ich­nun­gen des Londoner The­at­er­a­gen­ten Philip Henslowe schließen. Da die Theater in der Stadt wegen der grassieren­den Beulenpest für mehrere Monate geschlossen waren, fand die Uraufführung in dem Londoner Vorstadtthe­ater Newington Butts statt. Die Ausführenden waren Schaus­pieler der Lord Chamberlain’s Men, einer pro­fes­sionellen und priv­i­legierten The­atertruppe, der Shakespeare als Schaus­pieler, Stück­eschreiber und Teilhaber angehörte und die in enger Verbindung zum königlichen Hof stand. // // Obwohl bereits 1672 die erste Übersetzung des Stücks vorlag und englische Wan­dertrup­pen das Lustspiel auf deutschen Bühnen aufführten, war der Shakespeare in deutschen Landen lange Zeit kein Begriff. Man orientierte sich weitgehend am französischen klas­sizis­tis­chen Theater, das relativ streng die aris­totelis­chen Einheiten von Handlung, Zeit und Ort beachtete. Erst um die Mitte des 18. Jahrhundert wurde Shakespeare allmählich auch auf dem europäischen Festland bekannt. Die erste lit­er­arische Übersetzung des Werks von Wolf Heinrich von Baudissin findet sich in der Schlegel-Tieck-Aus­gabe von Shake­speares Dramen aus dem Jahr 1831.

Im 20. Jahrhundert entstanden zahlreiche Vertonungen und Ver­fil­mungen von Der Wider­spen­sti­gen Zähmung. Zu den berühmtesten zählt das 1948 in New York uraufgeführte Musical Kiss me, Kate von Cole Porter. 1967 verfilmte Franco Zeffirelli das Stück mit Elizabeth Taylor und Richard Burton in den Hauptrollen.

Über den Autor

William Shakespeare kann ohne Übertreibung als der berühmteste und wichtigste Dramatiker der Weltlit­er­atur bezeichnet werden. Er hat insgesamt 38 Theaterstücke und 154 Sonette verfasst. Shakespeare wird am 26. April 1564 in Strat­ford-upon-Avon getauft; sein genaues Geburts­da­tum ist nicht bekannt. Er ist der Sohn des Hand­schuh­mach­ers und Bürg­er­meis­ters John Shakespeare. Seine Mutter Mary Arden entstammt einer wohlhaben­den Familie aus dem römisch-katholis­chen Landadel. 1582 heiratet er die acht Jahre ältere Anne Hathaway, Tochter eines Guts­be­sitzers, mit der er drei Kinder zeugt: Susanna sowie die Zwillinge Hamnet und Judith. Um 1590 übersiedelt Shakespeare nach London, wo er sich innerhalb kurzer Zeit als Schaus­pieler und Bühnenautor einen Namen macht. Ab 1594 ist er Mitglied der The­atertruppe Lord Chamberlain’s Men, den späteren King’s Men, ab 1597 Teilhaber des Globe Theatre, dessen runde Form einem griechis­chen Am­phithe­ater nachemp­fun­den ist, sowie ab 1608 des Blackfriars Theatre. 1597 erwirbt er ein Anwesen in Stratford und zieht sich vermutlich ab 1613 vom The­ater­leben zurück. Er stirbt am 23. April 1616. Über Shake­speares Leben gibt es nur wenige Dokumente, weshalb sich seine Biografie lediglich bruchstückhaft nachze­ich­nen lässt. Immer wieder sind Vermutungen in die Welt gesetzt worden, wonach sein Werk oder Teile davon in Wahrheit aus anderer Feder stammen. Als Urheber wurden zum Beispiel der Philosoph und Staatsmann Francis Bacon, der Dramatiker Christopher Marlowe oder sogar Königin Elisabeth I. genannt. Einen schlagenden Beweis für solche Hypothesen vermochte allerdings niemand je zu erbringen. Heutige Forscher gehen mehrheitlich davon aus, dass Shakespeare der au­then­tis­che und einzige Urheber seines lit­er­arischen Werkes ist.