Nur Tote bleiben liegen

Buch Nur Tote bleiben liegen

Entfesseln Sie das lebendige Potenzial in Ihrem Unternehmen

Campus,


Rezension

Anja Förster und Peter Kreuz haben wieder ihr Buch her­aus­ge­bracht. Zum siebten Mal. Diesmal kommt es äußerlich ziemlich grün daher, innerlich enthält es vor allem die von diesem Gespann gewohnte Quer­denker-At­titüde, mit der zahllose Ideen rund ums Business abgehandelt werden (oder abgekanzelt, je nachdem). Das garantiert wie immer vergnügliche und anregende Lektüre, wobei man allerdings wirklich neue Erken­nt­nisse vermisst. Das Her­beiz­itieren zahlreicher anderer Busi­ness­gu­rus klingt oft mehr nach Name­drop­ping als nach echter Au­seinan­der­set­zung mit deren Ideen. Förster/Kreuz-Er­stleser wird das weniger stören als jene, die die Vorgängerwerke kennen. Der Buchinhalt ist in schmack­hafte Happen eingeteilt, die es teilweise in sich haben, sich trotzdem leicht verdauen lassen und mit Beispielen aus der Wirtschaft und anderen Büchern gewürzt sind. Der Leser versteht: Die Autoren sind nicht nur fade Theoretiker, sondern wissen, worüber sie schreiben. BooksInShort empfiehlt das Buch allen, die sich dem gedanklichen Förster/Kreuzfeuer noch nie ausgesetzt haben – oder dies immer wieder gerne tun.

Take-aways

  • Wer in einem hi­er­ar­chis­chen Unternehmen arbeitet, hat so wenig Freiheiten wie ein Mönch im Kloster.
  • Hi­er­ar­chis­che Unternehmen passen nicht mehr zu den En­twick­lun­gen unserer Zeit.
  • Eine Firma, die sich gegen die Konkurrenz durchsetzen will, muss sich den technischen und gesellschaftlichen En­twick­lun­gen anpassen.
  • Das Internet bietet viele Möglichkeiten, um die eigenen Produkte zu verbessern. Man muss sie nur nutzen.
  • Stellt ein Unternehmen junge Mitarbeiter ein, holt es sich In­ter­netkom­pe­tenz ins Haus.
  • Wer mit dem Internet aufgewach­sen ist, fühlt sich in hi­er­ar­chis­chen Unternehmen nicht wohl – und wandert wieder ab.
  • Fürchten Sie sich vor angepassten Mi­tar­beit­ern: Sie gefährden Ihre Firma. Bevorzugen Sie Querdenker.
  • Schaffen Sie Hierarchien ab – auch und gerade in der Führungsetage.
  • Geben Sie Ihren Mi­tar­beit­ern die Freiheiten, die sie benötigen, um kreativ zu sein.
  • Schaffen Sie feste Ar­beit­szeiten und -plätze ab: Sie behindern den Ideenfluss.
 

Zusammenfassung

Arbeiten im Kloster und im Unternehmen

Wer sich für ein Leben im Kloster entscheidet, sperrt sich selbst ein: Er hat keine Freiheiten mehr, dafür aber maximale Sicherheit. Nichts für Sie? Dann denken Sie doch einmal über Ihre momentane Ar­beitssi­t­u­a­tion nach: Sie haben einen Ar­beit­splatz und ein festes Gehalt. Dafür ordnen Sie sich den Regeln eines Un­ternehmens unter. Hier zählt, was die Gemein­schaft von Ihnen erwartet. Ihre persönliche Meinung ist kaum gefragt, oder? Also ist der einzige Unterschied zum Kloster, dass kein Geistlicher Ihr Vorge­set­zter ist, sondern ein weltlicher Chef. Und wenn Sie ganz ehrlich sind: Sicherheit, also einen Ar­beit­splatz und ein festes Gehalt, das gibt es in der Wirtschaft längst nicht mehr auf Dauer.

„Im Namen der Karriere werden Autonomie, Selb­st­bes­tim­mung und Freiheit aufgegeben – Erlösung versprechen der Feierabend, das nächste Wochenende oder der langersehnte Urlaub.“

Die Frage ist: Wie gehen Sie mit diesem Wissen um, dass sich alles ändert und nichts mehr Bestand hat? Die Antwort klingt zunächst einfach: Wird die Umwelt ständig schneller und bunter, müssen Sie es ebenfalls werden. Dazu benötigen Sie Kreativität. Die ist nicht angeboren, sondern kann hart erarbeitet werden – wenn Sie das wollen. Das geht nicht sofort, Kreativität muss wachsen – ebenso wie eine neue Un­ternehmen­skul­tur. Führungskräfte sollten der Belegschaft hierfür ein Vorbild sein: Sie müssen Kritik fördern und fordern, Bürokratien und Hierarchien dagegen abbauen. Zu einem guten Un­ternehmen­sklima gehören Bezahlung nach Leistung und möglichst viel Transparenz. Allerdings geht es bei der Belohnung nicht nur um Geld, Bonuszahlun­gen oder Geschäftswagen. Vielen Nachwuchskräften ist das Ar­beit­sum­feld viel wichtiger. Und um ein passendes Klima in Ihrem Unternehmen zu schaffen, ist das wichtigste Instrument für den Wandel zunächst ein In­ter­ne­tan­schluss.

Lernen aus der Web-Welt

Wer sich regelmäßig im Internet bewegt, stellt schnell fest, dass dort andere Regeln gelten als im „wahren Leben“. Bei der On­line-En­zyk­lopädie Wikipedia beispiel­sweise darf jeder Einträge schreiben – man benötigt keinen Doktoren- oder Pro­fes­soren­ti­tel dazu. Es kommt darauf an, was Sie inhaltlich zu sagen haben. Überlegen Sie, wie es in Ihrem Unternehmen ist: Was zählt dort mehr, der Titel oder der Inhalt? Und was passiert, wenn Ihre Firma immer mehr junge Leute einstellt, die mit dem Internet aufgewach­sen sind? Die so genannten Digital Natives kennen nichts anderes als hi­er­ar­chiefreies Zusam­me­nar­beiten über das Web. Und sie erwarten, dass das an ihrem Ar­beit­splatz genauso ist. Wer ihnen das nicht bieten kann, hat sie schneller verloren als gewonnen.

„Wenn die Flut kommt und Ihnen das Wasser bis zum Hals steht, genügt es nicht, schneller zu laufen. Das ist das falsche Konzept. Sie müssen schwimmen!“

Digital Natives goutieren es auch nicht, wenn ihnen gesagt wird, was sie im Internet schreiben dürfen und was nicht. Bevor Sie also bestimmte In­ter­net­seiten sperren und Ihren Angestell­ten verbieten, über ihre Arbeit zu bloggen oder zu twittern, sollten Sie besser eine Möglichkeit suchen, die alle zufrieden­stellt. Frosta beispiel­sweise hat einen eigenen Un­ternehmens­blog, in dem die Mitarbeiter selbst schreiben. Lesen und kom­men­tieren kann ihn jeder, Kunden genauso wie die Konkurrenz. Damit das funk­tion­iert, hat das Unternehmen So­cial-Me­dia-Regeln auf der Homepage stehen. Das Projekt kommt bei allen Beteiligten gut an. Wichtig ist, keine Banalitäten zu veröffentlichen, kein PR-Gewäsch, sondern authentisch und glaubwürdig zu kom­mu­nizieren.

„Wer nicht selb­st­bes­timmt arbeiten darf, wird sich einen anderen Ort suchen, an dem er es darf.“

Um ein anderes Beispiel zu nennen: Kunden werden über das Internet am Pro­duk­tionsver­fahren beteiligt. Facebook, das soziale Netzwerk aus den USA, ließ seine Nutzer eine deutsche und eine spanische Version erstellen. Dafür musste es auch Quellcode freigeben, was dem Unternehmen jedoch nicht geschadet hat. Vielmehr haben die Nutzer den Code stel­len­weise verbessert und Kritik und Anregungen eingebracht, die das Produkt optimieren. Fazit: Je mehr Personen über das Internet an einer Sache zusam­me­nar­beiten, desto besser wird das Endergebnis. Oft ist die Gruppe nämlich in­tel­li­gen­ter als ihr in­tel­li­gen­testes Mitglied.

Online sein oder nicht sein

Das Internet ist außerdem der Ort, an dem Marketing künftig bevorzugt betrieben wird. Pepsi verzichtete 2010 erstmals darauf, während des Super-Bowl Werbung im Fernsehen zu schalten. Stattdessen steckte der Getränke­hersteller 20 Millionen US-Dollar in soziale Netzwerke und in den direkten Dialog mit den Kunden. Selbst wenn Sie meinen, Ihr Unternehmen müsse nicht im Netz präsent sein, werden Ihre Kunden sich dort über Sie informieren. Denken Sie an die Autobranche: Früher gab der Händler dem Kunden Prospekte und Preislisten mit nach Hause, der Kunde las sich die In­for­ma­tio­nen durch und entschied sich für oder gegen das Auto. Heute gibt es im Internet Ver­gle­ichsmod­ule, Tests von Fachzeitschriften zum Nachlesen, Videos auf YouTube und sogar die Möglichkeit, das Auto online genau so zusam­men­zustellen, wie es sein soll. Mehr Transparenz beim Autokauf ist derzeit nicht möglich.

„Ein einzelner un­zufriedener Kunde oder frus­tri­erter Mitarbeiter kann heute ein mittleres PR-Erdbeben lostreten.“

Ähnlich verhält es sich mit der Buchung von Hotelz­im­mern oder der Wahl eines Restaurants: Das Internet bietet dazu so viele In­for­ma­tio­nen und Bewertungen anderer Kunden, dass jeder bestens informiert ist, bevor er ein Zimmer oder einen Tisch reserviert. Eine Studie fand heraus, dass 90 % der In­ter­net­nutzer dem vertrauen, was ihre Bekannten sagen, und immerhin noch 70 % sich auf das verlassen, was andere in den einschlägigen In­ter­net­por­talen schreiben. Darum sollten Restaurant- und Hotelbe­sitzer – wie alle Unternehmen – regelmäßig überprüfen, was im Netz über sie veröffentlicht wird. Nicht immer wird Ihnen gefallen, was Sie dort lesen. Was dann? Reagieren Sie rasch, aber sachlich. Sparen Sie sich und den anderen Emotionen, die schnell aus einem Strohfeuer einen Flächenbrand machen können.

„Wir arbeiten, weil das Arbeiten selbst etwas Be­friedi­gen­des ist und weil das, was dabei herauskommt, für uns sinnvoll ist.“

Also: Sie müssen umdenken. Bevor Sie jetzt aber beginnen, alles umzukrem­peln, halten Sie einen Moment inne. Nur auf Neues zu setzen, ist genauso falsch, wie um jeden Preis am Alten festzuhal­ten. Es geht vielmehr darum, er­fol­gre­iche Modelle der Ver­gan­gen­heit anzupassen und sie durch sinnvolle Neuerungen zu ergänzen. Wenn Sie das nicht tun, geht es Ihnen möglicher­weise bald wie der Musikin­dus­trie oder den Zeitungsver­la­gen. Beide Branchen haben das Internet so lange ignoriert, bis es existenzgefährdend für sie wurde. Lösungen für ihre Probleme haben sie noch immer nicht präsentiert.

In­di­vid­u­al­is­ten gefragt

Der Blick ins Internet allein sorgt nicht für größeren Erfolg. Auch die Auswahl der Mitarbeiter spielt eine wesentliche Rolle. Wer immer nur brav nickt und ausführt, was Sie vorgeben, sollte Ihnen suspekt sein. Solchen Leuten ist es egal, was mit dem Unternehmen passiert, sie sind aus­tauschbar. Beschäftigt Ihr Unternehmen nur aus­tauschbare Mitarbeiter, wird auch die Firma selbst schnell überflüssig. Darum sind Querdenker für Ihre Existenz überlebenswichtig – sei es in Form von Mi­tar­beit­ern, un­zufriede­nen Kunden oder bisher unbekannten Konkur­renten. Achten Sie besonders auf die Entwicklung der Letzteren und darauf, was sie besser machen als Ihr Unternehmen.

„Der Dreiklang aus Wertschöpfung, Bewahrung und kreativer Zerstörung sorgt für ein gesundes Gle­ichgewicht im Leben eines jeden Menschen.“

In­di­vid­u­al­is­ten lassen sich nicht durch Titel beein­drucken, sondern nur durch Kompetenz. Darum akzeptieren sie auch nicht jeden als Chef, sondern nur den, der es verdient hat. Setzt man ihnen Vorgesetzte vor die Nase, die nicht führen können, die keine Erfahrung haben, nicht wissen, was sie tun, gehen sie lieber zu einem anderen Unternehmen. Dieses Denken macht sich auch in der Führungsriege breit. Ein gutes Beispiel dafür ist John T. Chambers, der Chef von Cisco. Er hat keinen Ar­beitsver­trag, und das auf eigenen Wunsch. Sein Credo lautet, dass, wer Chef in einem Unternehmen sein möchte, sich jeden Tag aufs Neue beweisen muss.

Erfolgreich sein heute

Wer in der heutigen Zeit erfolgreich sein möchte, muss Werte schaffen, denn nur Werte erzielen Profit. Das bedeutet: Sie müssen schneller als die Konkurrenz sein. Und das nicht nur einmal, sondern fortlaufend. Denn wer einmal einen Bestseller verkauft hat, wird schnell kopiert. Um dann die Nase vorne zu halten, müssen Sie nachlegen. Bringen Sie ein verbessertes oder gar ein neues Produkt schon dann auf den Markt, wenn Ihre Konkurrenz noch darüber nachdenkt, wie es den Vorgänger kopieren soll. Denken Sie dabei an Apple und seine Produkte: den iPod, das iPhone und das iPad.

„Homogenität führt zu nichts. Außer zu Grup­penkon­formis­mus und in­tellek­tueller Obstipation.“

Erfolgreich ist, wer seinen Kunden das gibt, was sie wollen. Ein Beispiel für dieses Prinzip ist die Kette Vapiano. Kunden bekommen dort zwar nur, was sie auch an vielen Orten in einer Stadt kaufen können: Pizza, Nudeln, Salat. Der Unterschied: Bei Vapiano wird alles vor den Augen der Kunden frisch zubereitet. Und das Ganze zu vernünftigen Preisen, denn Vapiano spart, indem die Kunden mit einbezogen werden: Sie stellen sich in Schlangen vor den be­tr­e­f­fenden Schalter, um ihr Essen zu ordern, holen es ab, sobald es fertig ist, verzichten auf Tischdecken und Vorhänge. Werbung hat Vapiano nicht nötig: Die Kette lebt von Mund-zu-Mund-Pro­pa­ganda. Auch Google schaltet übrigens keine Werbung. Das Unternehmen gibt es erst seit wenigen Jahren. Trotzdem ist es so bekannt wie Coca-Cola – eine Firma, die schon seit über 100 Jahren am Markt ist.

„Viele Versuche heißt auch viele Fehlver­suche.“

Um Erfolge wie Apple, Vapiano oder Google zu erzielen, brauchen Sie motivierte Mitarbeiter. Das heißt, Ihre Angestell­ten müssen zunächst ihr Fach beherrschen, dann müssen sie bereit sein, sich für das Unternehmen zu engagieren, und schließlich muss die Firma den richtigen Rahmen setzen, also ausreichend Freiheiten geben. Dazu gehört auch, dass Mitarbeiter einmal nichts tun. Gute Ideen entwickeln sich selten, wenn man im Hamsterrad des beruflichen Alltags gefangen ist. Das Gehirn braucht Pausen. Bei Google sollen Entwickler darum 20 % ihrer Arbeitszeit damit zubringen, Dinge auszupro­bieren, die im Moment nicht relevant scheinen. Mehr als die Hälfte der Google-Pro­dukte seien so entstanden, heißt es.

Moderne Unternehmen

IBM rief 2006 den so genannten Innovation Jam aus: 140 000 Menschen aus über 100 Ländern disku­tierten ihre Ideen im Netz. Bei IBM Deutschland dürfen die Angestell­ten arbeiten, wo sie mögen: zu Hause, im Café oder im Büro. Dort hat niemand einen festen Platz, auch nicht die Chefs. Man sucht sich morgens einen Ar­beit­splatz und räumt ihn abends wieder. Niemand kon­trol­liert die Anwesenheit oder die Arbeitszeit. Und das mit gutem Grund: Was genau soll Arbeitszeit sein? Wann beginnt und wann endet sie? Sie haben morgens im Halbschlaf oder in der Bahn eine gute Idee – sollen Sie die nicht weit­er­ver­fol­gen, weil Ihre Arbeitszeit erst in 45 Minuten beginnt? IBM kommt es darauf an, Ziele zu erreichen und Lösungen zu schaffen; wann, wo und wie das geschieht, spielt keine Rolle. Ähnlich funk­tion­iert die Arbeit bei SAP in Walldorf.

„Vielfalt ist eine Vo­raus­set­zung für langfristi­gen un­ternehmerischen Erfolg.“

Für die Mitarbeiter bedeutet das allerdings, dass sie diszi­plin­iert sein müssen: Wer zu Hause arbeitet, darf sich nicht durch die Waschmas­chine oder den Fernseher ablenken lassen. Man muss Ve­r­ant­wor­tung übernehmen, um einen solchen Job zu füllen, und vor allem das richtige Maß finden, um sich bei alledem nicht selbst auszubeuten. Das geht durchaus: Wer denkt, dass alle Mitarbeiter, die so selb­stver­ant­wortlich arbeiten, vom Burnout bedroht sind, der liegt falsch. Je selb­st­bes­timmter Angestellte arbeiten, je mehr Entschei­dungskom­pe­tenz sie haben, desto weniger laufen sie Gefahr, durch Stress zu erkranken. Hinzu kommt: Wer mit allen diesen Kompetenzen aus­ges­tat­tet ist, wird sich nie mehr auf eine scheinbare Sicherheit bei einem Arbeitgeber einlassen. Er wird sich und sein Können immer und überall einbringen.

Über die Autoren

Anja Förster ist selbstständige Man­age­ment­ber­a­terin. Sie hat Wirtschaftswis­senschaften in Deutschland und den USA studiert. Vor ihrer Selbstständigkeit war sie bei Accenture angestellt. Peter Kreuz hat einen Doktortitel in Sozial- und Wirtschaftswis­senschaften. Er war Se­nior­ber­ater bei Andersen Consulting und Assistant Professor für in­ter­na­tionales Marketing und Management an der Wirtschaft­suni­ver­sität in Wien. Förster/Kreuz sind die Autoren des preisgekrönten Buches Alles, außer gewöhnlich.