Die neue Dimension des Marketings

Buch Die neue Dimension des Marketings

Vom Kunden zum Menschen

Campus,
Auch erhältlich auf: Englisch


Rezension

Es klingt ein wenig nach schöner heiler Welt: Getreu dem Motto „Alles wird gut“ präsentieren Mar­ket­ing­papst Philip Kotler und seine Koautoren Hermawan Kartajaya und Iwan Setiawan ein Marketing der Zukunft, in dem die Unternehmen sozial sind, die Umwelt retten und ganz nebenbei noch richtig Geld verdienen. So wünschenswert dieses Szenario auch sein mag, es klingt wenig realistisch und schon gar nicht authentisch. Denn dafür hätten sich die Autoren damit au­seinan­der­set­zen müssen, dass ihre eigene Beruf­ss­parte für die von ihnen angeprangerten Missstände zu einem gewichtigen Teil ve­r­ant­wortlich ist. Aus der Mar­ket­ing­per­spek­tive betrachtet, hat das Buch dennoch einiges Lesenswertes über die aktuellen En­twick­lun­gen der Branche zu bieten. Neben neuen Kon­sumtrends und den Beispielen zum Wandel in der Un­ternehmen­skul­tur sind es vor allem die praktischen Tipps für das Management, die überzeugen. BooksInShort ist der Meinung: Allen Un­ternehmern und Managern, die die neuen Regeln des Marketings verstehen wollen, ist das Buch zu empfehlen.

Take-aways

  • Unzählige Her­aus­forderun­gen, darunter Fi­nanzkrisen, Armut oder Klimaveränderungen, forcieren eine Revolution im Marketing.
  • Marketing 3.0 will den Verstand, die Emotionen und die Seele der Menschen ansprechen.
  • Die Konsumenten prägen künftig die Marke­nen­twick­lung in sozialen On­line-Net­zw­erken.
  • Marketing 3.0 berücksichtigt Un­ter­schiede zwischen einzelnen Kulturen.
  • Künftig wird das Marketing zunehmend von einer Zusam­me­nar­beit mit Kunden, Geschäftspartnern oder Non-Profit-Or­gan­i­sa­tio­nen geprägt sein.
  • Identität, Integrität und Image sind die zentralen Marke­naspekte.
  • Eine wichtige Aufgabe der Unternehmen ist es, glaubwürdige Pro­duk­t­geschichten zu entwickeln.
  • Ob langfristig Gewinne erzielt werden können, hängt künftig davon ab, wie Firmen Werte leben.
  • Nach­haltiges Wirtschaften ist Vo­raus­set­zung für die Akzeptanz eines Produkts im Markt.
  • Soziales Engagement muss zum selbstverständlichen Teil der Un­ternehmensstrate­gie werden.
 

Zusammenfassung

Die Revolution des Marketings

Die einzige Konstante der Menschheit scheint der Wandel zu sein. Unzählige Her­aus­forderun­gen wie die Folgen der Finanzkrise, steigende Ar­beit­slosigkeit, weltweit herrschende Armut oder of­fen­sichtliche Klimaveränderungen verlangen ein Umdenken in Wirtschaft und Gesellschaft. Nicht nur müssen sich der Umgang mit den erschöpfbaren Ressourcen sowie die gängigen Wach­s­tumsvorstel­lun­gen wandeln. Auch das Kon­sumver­hal­ten wird sich ändern – und mit ihm das Marketing. Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs hat das Marketing drei wesentliche Phasen durchlaufen. In der ersten ging es vor allem um die Präsentation des Produkts. Die zweite Phase stand unter dem Stern der Kun­de­nori­en­tierung. In dieser Zeit wurden Kampagnen zunehmend auf die emotionalen Kon­sumentenwünsche zugeschnit­ten. Mit der Jahrtausendwende wurde nun eine Revolution des Marketings eingeläutet. Längst geht es in der Werbung nicht mehr nur um Konsum und Verbrauch von Produkten. Marketing 3.0 betrachtet den Kunden in seiner Gesamtheit mit all seinen Bedürfnissen, es sieht nicht mehr nur den „Verbraucher“. Neben den rein wirtschaftlichen spielen auch soziale, gesund­heitliche oder ökologische Anliegen der Kunden eine Rolle. Ziel dieser Entwicklung ist es, Lösungen zu präsentieren, die gle­ichzeitig den Verstand, die Emotionen und die Seele ansprechen.

Die neuen Regeln des Marketing 3.0

Jahrelang gestaltete sich Marketing als Einbahnstraße. Unternehmen und Agenturen en­twick­el­ten Kampagnen für Produkte, die der Kunde passiv aufzunehmen hatte. Marketing 3.0 stellt diese Praxis auf den Kopf. Vorbei ist es mit der Mei­n­ung­sh­errschaft ver­meintlicher Experten. Nun gestalten die Konsumenten die Vermarktung selbst mit. Treiber dieser Entwicklung sind moderne In­for­ma­tion­stech­nolo­gien wie das Internet. Über soziale Medien wie Blogs und Foren oder Plattformen wie YouTube bietet es den Menschen die Möglichkeit, sich offen über die Qualität von Produkten auszu­tauschen und Empfehlun­gen auszus­prechen. Unternehmen haben begonnen, diesen kostengünstigen Weg der Vermarktung gezielt zu nutzen. Darüber hinaus suchen die Firmen zunehmend den direkten Kontakt zu ihren Kunden, um Produkte zu verbessern, Trends frühzeitig zu erkennen oder neue Leistungen zu kreieren.

„Marketing 3.0 ist das Stadium, in dem sich Unternehmer nicht mehr auf den Verbraucher konzen­tri­eren, sondern auf den Menschen, und in dem un­ternehmerische Ve­r­ant­wor­tung zum Gegenpol der Rentabilität wird.“

Neben der intensiven Mitwirkung der Konsumenten ist die kulturelle Ausrichtung eine weitere Neuheit von Marketing 3.0. Die Glob­al­isierung der Wirtschaft bietet zwar einerseits ganz neue Wach­s­tum­schan­cen. An­der­er­seits schärft sie auch den Blick für die zahlreichen Un­ter­schiede etwa in puncto Wohlfahrt, Bildung oder Demokratiev­erständnis. Soll die Vermarktung von Produkten auch in­ter­na­tional erfolgreich sein, muss sie kulturelle Un­ter­schiede berücksichtigen und Kampagnen müssen de­mentsprechend gestaltet sein.

„Die Wirkung der Werbung von Unternehmen auf das Kaufver­hal­ten wird zurückgehen.“

Der dritte revolutionäre Aspekt des Marketing 3.0 ist es, spirituelle, hu­man­is­tis­che und kreative Werte zu the­ma­tisieren. Wir leben in einer mehr und mehr von kreativen Geistern bestimmten Zeit, in der materielle Bedürfnisse nicht mehr an oberster Stelle unseres Strebens stehen. Selb­stver­wirk­lichung und im­ma­terielle Werte werden zu einem bedeutenden Motivator, gerade für Kaufentschei­dun­gen. Die Zukunft des Marketings wird also viel stärker von einer umfassenden Zusam­me­nar­beit nicht nur mit den Konsumenten, sondern auch mit anderen Geschäftspartnern oder Non-Profit-Or­gan­i­sa­tio­nen geprägt sein. An die Stelle der früheren Vermarktung von oben tritt ein Prozess der Ko-Kreation, der Gemein­schafts­bil­dung und der charak­ter­lichen Dif­feren­zierung. Marketing wird zu einem Instrument, das Kopf, Herz und Geist der Menschen anspricht. Die drei I, die jede Marke bestimmen, sind dabei: Identität, Integrität und Image.

„Mar­ketingabteilun­gen haben ihre Marken heute nicht mehr richtig im Griff, weil sie im Wettbewerb mit der kollektiven Macht der Konsumenten stehen.“

Ein Beispiel für er­fol­gre­iches Marketing 3.0, besonders im Sinne der Marken­in­tegrität, ist das US-Un­ternehmen Timberland. Der Hersteller hochw­er­tiger Freizeit­bek­lei­dung und -schuhe verfolgt seit Jahren ein umfassendes Gemein­nutzpro­gramm für seine Mitarbeiter. Entscheiden diese sich für den frei­willi­gen Einsatz etwa im Umweltschutz, werden sie von ihrem Arbeitgeber unterstützt. Das ehre­namtliche Engagement hat für die Fir­men­leitung eine so hohe Bedeutung, dass es selbst in um­satzschwachen Zeiten nicht eingestellt wird. Diese Konsequenz und Integrität ist allerdings nur möglich, weil die soziale Ve­r­ant­wor­tung in der Fir­men­mis­sion, der Vision und den Werten der Fir­menkul­tur verankert ist. Nach­haltigkeit und langfristiges Denken sind in diesem Unternehmen keine leeren Worthülsen. So kann auch ein Unternehmen über materielle Ziele hinaus eine Art Selb­stver­wirk­lichung realisieren.

Das Geheimnis einer er­fol­gre­ichen Fir­men­mis­sion

Wenn es um das Marketing der Zukunft geht, müssen sich Unternehmen von einer gewohnten Vorstellung ve­r­ab­schieden: Marken lassen sich nicht mehr aus der Führungsetage heraus steuern. Längst entscheiden die Kunden, wie sich ein Produkt entwickelt. Das heißt allerdings nicht, dass Unternehmen dieser Entwicklung einfach hilflos aus­geliefert sind: Mit der Marken­mis­sion und den daraus folgenden Handlungen legen sie die Grundlage für den Erfolg ihrer Produkte. Hinter der Mission verbergen sich die Gründe und die Geschichte, die die Existenz eines Produkts erklären. Je stärker diese Story die Lebensumstände eines Konsumenten verändert, umso er­fol­gre­icher ist eine Marke. Dies setzt voraus, dass die Mission authentisch ist. Zudem muss sie leicht verständlich, emotional berührend, bildhaft und persönlich ansprechend sein. Ein gutes Beispiel dafür ist der Erfolg der Marke Apple, die durch die Erzählkunst ihres Gründers Steve Jobs die Kunden seit mehr als 25 Jahren fesselt. Der Apple-Chef erfindet die Geschichten nicht, sondern leitet sie aus dem alltäglichen Leben ab. Die hohe Glaubwürdigkeit erlangt Apple dadurch, dass das Unternehmen immer direkt mit den Ver­brauch­ern intensiv über die Entwicklung der Produkte diskutiert.

Wer­to­ri­en­tiertes Wirtschaften

Die weltweite Finanzkrise hat die öffentliche Einstellung gegenüber Managern und Unternehmen völlig verändert. Umfragen zeigen, dass die Konsumenten angesichts der zahlreichen Wirtschaftsskan­dale zunehmend das Vertrauen in die Fir­men­lenker verlieren. Statt ihnen Aufrichtigkeit und Authentizität zuzutrauen, wird den Managern Macht­streben und Eigen­in­ter­esse unterstellt. Um die Glaubwürdigkeit zurück­zuer­lan­gen, müssen die Un­ternehmensführungen im Geschäftsalltag künftig echte Werte konsequent verfolgen. Denn Integrität bedeutet nicht, kluge Dossiers mit Ab­sicht­serklärungen zu formulieren, sondern Un­ternehmenswerte zu leben. Diese umfassen z. B. Transparenz, die Mitsprache von Ver­brauch­ern, flexible Ar­beits­be­din­gun­gen für die Mitarbeiter, die Förderung von Ver­schieden­heit, Gesund­heitsfürsorge oder Fam­i­lienori­en­tierung.

„Nach­haltigkeit ist für Unternehmen bei der Generierung von Share­holder-Value auf lange Sicht eine maßgebliche Her­aus­forderung.“

Un­ternehmenswerte umzusetzen, zahlt sich langfristig aus. Der Aufbau einer solchen Fir­menkul­tur steigert nicht nur die Motivation der Mitarbeiter. Er macht das Unternehmen für talentierte Fachkräfte erst attraktiv, und letztlich fördern Sie so Produktivität und Kreativität, sichern langfristig die Qualität und erhöhen das Gewin­npoten­zial. Vor allem aber hebt sich Ihr Unternehmen dadurch von der Konkurrenz ab. Was für die Konsumenten gilt, ist allerdings auch im Umgang mit den Ver­trieb­spart­nern unerlässlich. Auch hier müssen Werte ernsthaft gelebt werden. Nur so lassen sich geeignete Ko­op­er­a­tionspart­ner finden, mit denen Sie gemeinsam die Kundschaft gezielter ansprechen können.

Die Notwendigkeit einer Langfrist­per­spek­tive

Marketing 3.0 zielt nicht auf kurzfristige Wach­s­tums­gewinne ab. Die dritte Phase der Pro­duk­tver­mark­tung fußt auf der Erkenntnis, dass nach­haltiger Un­ternehmenser­folg eine langfristige Sichtweise voraussetzt. Nur so können alle Bedürfnisse der Gesellschaft und der Konsumenten bedient werden. Denn schließlich agiert ein Unternehmen nicht isoliert vom Umfeld, in dem es tätig ist: In seinem er­fol­gre­ichen Wirtschaften ist es von einer Vielzahl von Ein­flussfak­toren abhängig, z. B. von Gesetzen, Umweltveränderungen, knappen Ressourcen oder sich wandelnden Ein­stel­lun­gen der Menschen. Eine wesentliche Aufgabe des Marketing 3.0 ist daher der intensive Austausch mit Aktionären. Deren Priorität ist nun mal zunächst die kurzfristige Gewin­ner­wartung. Das Mittel, die Aktionäre von der Langfrist­per­spek­tive zu überzeugen, ist eine klare Vision. Es ist die große Her­aus­forderung des Managements, den Aktionären aufzuzeigen, dass nur der Fokus auf Nach­haltigkeit dauerhaft Kosten optimiert, Umsätze steigert, die Marke stärkt und damit Gewinne garantiert.

Der Wandel zum Sozialun­ternehmen

Umfragen belegen, dass Konsumenten Firmen umso positiver bewerten, je mehr diese sich sozial engagieren. So konnte die Walt Disney Company die Marktführerschaft als Lizenzgeber für Comic­fig­uren weiter ausbauen, seit sich das Unternehmen, das in dieser Funktion auch für McDonald’s tätig ist, für gesunde Kinderernährung starkmacht. Neben einem Ernährungsleit­faden bietet Disney unter seinem Label inzwischen auch gesunde Nahrungsmit­tel an. Dieser strate­gis­che Einsatz von sozialem Engagement ist bislang aber eher die Ausnahme. Viele Firmenchefs spüren zwar die Notwendigkeit, ihr Geschäft auch so genannten phil­an­thropis­chen Themen zu öffnen. An der kon­se­quenten Umsetzung dieser Idee in die Praxis hapert es jedoch noch. Dabei lässt sich dieser Wandel zum Sozialun­ternehmen relativ leicht in drei Schritten erreichen. Zu Beginn erstellen Sie eine genaue Analyse möglicher sozialer Her­aus­forderun­gen und Aktivitäten. Entschei­dend für die Auswahl ist der konkrete Bezug zur firmeneige­nen Mission, zu Ihrer Vision und den Werten. Im zweiten Schritt bestimmen Sie die entsprechende Zielgruppe und erst dann gilt es, Lösungsange­bote für die iden­ti­fizierten Her­aus­forderun­gen zu erarbeiten.

„Eine weit­er­en­twick­elte Form der Begegnung mit sozialen Her­aus­forderun­gen ist Cause-Mar­ket­ing – eine Praxis, mit der sich Unternehmen über ihre Mar­ketingak­tivitäten für ein konkretes Anliegen einsetzen.“

Ihr soziales Engagement muss keinesfalls in den en­twick­el­ten Märkten der westlichen Welt stattfinden. Große Chancen für soziales Un­ternehmer­tum bieten die so genannten Schwellenländer, in denen Armut oft noch immer die größte Her­aus­forderung darstellt. Wenn Sie sich dort engagieren, sollte es stets Ihr Ziel sein, die Menschen so zu unterstützen, dass sie sich selbst aus ihrer schwierigen Situation befreien können.

„Kluge Manager berücksichtigen mehr als nur die fi­nanziellen Auswirkun­gen einer Entschei­dung.“

Damit die Unternehmen jedoch in Schwellenländern tatsächlich auf Gewinne hoffen dürfen, müssen drei Faktoren gegeben sein: Erstens muss den ärmsten Menschen der Zugang zu moderner In­for­ma­tion­stech­nolo­gie erleichtert werden. Zweitens muss die Möglichkeit bestehen, sich Geld für Geschäftsgründungen zu leihen, etwa über Mikrokred­ite. Drittens muss verhindert werden, dass weitere Abwanderung vom Land in bereits überbevölkerte Städte stattfindet. Wer eine Lösung entwickelt, die einen dieser Faktoren betrifft, darf auf Geschäftswachstum hoffen und kann gle­ichzeitig helfen, Armut zu lindern. Ein weiteres soziales Betätigungsfeld ist die Umwelt. Erfolgreich wird das Engagement im Umweltschutz allerdings erst dann, wenn Sie an ökologischen Produkten in­ter­essierte Kunden (Trendsetter, Wert­be­wusste) gezielt ansprechen können.

Die zehn Leitlinien des Marketing 3.0

Vermarktung erfordert künftig ein ganz neues Denken. Für die Unternehmen bedeutet das vor allem, dass sie sich von alten Gewohn­heiten lösen müssen. Die zehn wichtigsten Leitlinien, die ihnen den Prozess erleichtern, lauten:

  1. die Kunden lieben,
  2. bereit für Veränderungen sein,
  3. einen guten Ruf pflegen,
  4. sich auf die bedürftigsten Konsumenten konzen­tri­eren,
  5. Qualität zu einem fairen Preis anbieten,
  6. das Positive her­ausstre­ichen,
  7. intensive Kun­den­beziehun­gen pflegen,
  8. sich als Di­en­stleis­ter verstehen,
  9. ständig Verbesserun­gen anstreben und
  10. Entschei­dun­gen nicht nur anhand fi­nanzieller Kriterien treffen.

Über die Autoren

Philip Kotler ist Professor für in­ter­na­tionales Marketing an der Kellogg School of Management. Der vom Wall Street Journal zu den sechs ein­flussre­ich­sten Wirtschaft­s­the­o­retik­ern erkorene Amerikaner gilt als Vater des modernen Marketings. Hermawan Kartajaya ist Gründer und Chef des im südostasi­atis­chen Raum führenden Marketing- und Strate­gieber­atung­sun­ternehmens MarkPlus. Er zählt laut dem britischen Chartered Institute of Marketing zu den „50 Gurus, die die Zukunft des Marketings geprägt haben“. Iwan Setiawan ist leitender Berater bei MarkPlus.