Makrostrategien

Buch Makrostrategien

Sicher investieren, wenn Staaten pleitegehen

Hanser,


Rezension

Die schlechte Nachricht einmal vorweg: Die volk­swirtschaftlichen Rah­menbe­din­gun­gen ändern sich so schnell, dass die meisten An­lages­trate­gien in diesem Buch bereits veraltet und damit gleich zu kübeln sind. Die gute Nachricht: Der Leser erhält das nötige Werkzeug, um seine eigene Strategie zu entwerfen. Damit diese erfolgreich ist, muss sie allerdings oft den Marktzuständen angepasst werden, betont Autor Wolfgang Münchau. Für die Analyse von Märkten, Aktien und Rohstoffen führt er Kennzahlen und Vorge­hensweisen auf und zeichnet ein Bild der seiner Meinung nach wahrschein­lich­sten volk­swirtschaftlichen Szenarien sowie von deren Ursachen. Insgesamt ergibt sich daraus ein sehr guter Überblick über die Dos and Don’ts für In­vesti­tio­nen im Makrobere­ich – im Gegensatz etwa zu Einzelin­vest­ments in Aktien. BooksInShort empfiehlt das Buch allen Pri­vat­in­ve­storen und Hobby-Volk­swirten.

Take-aways

  • Die Ursache für die Finanzkrise von 2007 waren wirtschaftliche Un­gle­ichgewichte und die chinesische Ex­port­strate­gie.
  • In gängigen makroökonomischen Analy­se­mod­ellen sind Krisen nicht vorgesehen.
  • Vergessen Sie Anlagetipps und analysieren Sie die Märkte selbst.
  • Inflation ist wesentlich wahrschein­licher als Deflation oder Preis­sta­bilität.
  • China steuert auf eine Superblase zu.
  • Investments in Ak­tienin­dizes sind Pri­vatan­legern eher zu empfehlen als Einze­lak­tien.
  • Anleihen eignen sich nur zum kurzfristi­gen Spekulieren.
  • Setzen Sie auf das Eigenheim vor allem als In­fla­tion­ss­chutz.
  • Gewinnen Sie bei der nächsten Blase mit Investments in Banktitel.
  • Steigen Sie rechtzeitig aus – spätestens, wenn Sie Ihren Einsatz verdoppelt haben.
 

Zusammenfassung

Willkommen im Zeitalter der Instabilität

Als Investor informieren Sie sich vor einer An­lageentschei­dung vermutlich darüber, wie es dem Unternehmen geht, dessen Aktien oder Anleihen Sie kaufen möchten. Was aber, wenn ganze Märkte und Volk­swirtschaften im Chaos versinken, wie es die Finanz- und Wirtschaft­skrise der letzten Jahre gezeigt hat? Dann lohnt es sich, die Betrachtung von der Mikroebene auf die Makroebene zu verschieben. Gewöhnen Sie sich an, die makroökonomischen Rah­menbe­din­gun­gen zu analysieren.

„Die Ökonomen werden auch zukünftige Blasen und Fi­nanzkrisen nicht voraussehen, ja nicht einmal erahnen.“

Stabile Wech­selkurse und Zinsen, stark regulierte, regionale Finanzmärkte und einfache Fi­nanzpro­dukte bildeten die Basis für die sicheren 50er und 60er Jahre des vorigen Jahrhun­derts. Mit der Beschaulichkeit sollte es aber vorbei sein, als ab den 70er Jahren die Währungen nicht mehr an das Gold gebunden waren und fortan frei flotierten. Die Folge waren Blasen und Krisen wie die Ölkrisen 1973 und 1979, die Aktienblase 1987 oder die New-Econ­omy-Blase um die Jahrtausendwende. Auslöser war immer ein Ansturm auf bestimmte Produkte oder Aktien. Dies trieb die Preise in absurde Höhen und die Vernunft der Menschen in den Keller.

„Durch ihr Ex­port­mod­ell wurden die Chinesen zu den größten Kunden des amerikanis­chen Fi­nanzmin­is­teri­ums.“

Genauso ist der Zusam­men­bruch des Marktes für Hypotheken mit schlechtem Rating (Subprime) als Aus­gangspunkt der Finanzkrise ab 2007 zu verstehen. Die eigentliche Ursache aber waren wirtschaftliche Un­gle­ichgewichte und daraus re­sul­tierende Geldströme, die rund um die Welt geschickt wurden, von einem frei zugänglichen Finanzmarkt zum anderen. Beispiel China: Das Land exportiert weit mehr als es importiert. Dadurch nimmt es eine Menge Dollar ein, die es im großen Stil in US-Staat­san­lei­hen investiert. In der Ver­gan­gen­heit geschah das zu immer ungünstigeren Konditionen: Die Renditen dieser Papiere sanken, weil die Chinesen kaum eine andere Wahl hatten, als ihre Dollar in den USA anzulegen. Das Zinsniveau in den USA fiel, was wiederum den Konsum gerade auch chi­ne­sis­cher Importe anheizte – in Verbindung mit komplexen Fi­nanzpro­duk­ten und dem unterschätzten Risiko ein tödlicher Cocktail.

Wie geht es weiter?

Von einem Gle­ichgewicht der Volk­swirtschaften kann man auch nach den Ereignissen von 2007–2009 nicht sprechen. Dem Wirtschaftswis­senschaftler Hyman Minsky zufolge tendieren kap­i­tal­is­tis­che Systeme zur Instabilität; eine Finanzkrise ist demnach nur logisch. In den gängigen Modellen zur Analyse oder Prognose wirtschaftlicher En­twick­lun­gen sind Finanzmärkte und deren Eigenheiten aber gar nicht vorgesehen – Minsky war ein Außenseiter in seiner Zunft. Ökonomen werden also wie bisher Krisen mit externen, nicht vorherzuse­hen­den Schocks erklären – und bei Prognosen weiter versagen. Das heißt für Sie: Trauen Sie nicht einzelnen Quellen, sondern sammeln Sie In­for­ma­tio­nen von ver­schiede­nen Seiten und machen Sie sich Ihr eigenes Bild. Im Folgenden lernen Sie mögliche Szenarien kennen, deren zugrunde liegende Annahmen Sie aber immer anhand aktueller Daten überprüfen sollten:

  • Szenario 1 – Inflation: Die Schulden westlicher Industrieländer sind fast genauso hoch wie deren jährliches Brut­toin­land­spro­dukt. Wie lässt sich der Schulden­berg abbauen? Eine Möglichkeit ist die Inflation. Verliert das Geld z. B. jedes Jahr 10 % an Wert, könnten die Schulden innerhalb weniger Jahre um die Hälfte geschrumpft sein, ohne dass die Staaten auch nur einen Cent zurückgezahlt haben. Als Investor hören Sie das natürlich nicht gerne. Behalten Sie daher besonders die US-amerikanis­che Wirtschaft­spoli­tik im Auge.
  • Szenario 2 – Deflation: Deflation, das Gegenteil von Inflation, entsteht u. a. dann, wenn Senkungen der Löhne zur Stärkung der Wet­tbe­werbsfähigkeit eines Landes vorgenommen werden. Im Euroraum sehen wir in manchen Ländern solche Tendenzen bereits. Inflation ist zwar wesentlich wahrschein­licher als Deflation, aber ganz auszuschließen ist Letztere nicht.
  • Szenario 3 – chinesische Superblase: China steuert in eine gefährliche Richtung. Platznot in den Großstädten, Luftver­schmutzung und ständig steigende Im­mo­bilien­preise machen den Chinesen das Leben schwer. Der Grund: Die chinesische Währung Renminbi wird künstlich niedrig gehalten, damit Exporte weiter günstig bleiben. Während der Rest der Welt um seine Wirtschaft bangt, freute sich China selbst im Krisenjahr 2009 über (prozen­tuales) Wachstum im zweis­tel­li­gen Bereich. Höhere Zinsen wären nötig, um eine Überhitzung der Konjunktur zu vermeiden. Danach sieht es aber nicht aus, sodass der Weg zu Preis- und Im­mo­bilien­blasen führt. Wenn die platzen, steht eine Deflation bevor.
  • Szenario 4 – Rückkehr globaler Un­gle­ichgewichte: Auch die Krise vermochte es nicht, die globalen Un­gle­ichgewichte zu mindern, obwohl manche Experten genau das erwartet hatten. Die Schieflage wird sich sogar noch ver­schlim­mern, und Krisen sowie Preiss­chwankun­gen in den Aktienmärkten von Schwellenländern werden zunehmen.
  • Szenario 5 – Stress im Eurogebiet: Irland, Griechen­land, Spanien und Portugal – für sie alle war 2009 kein einfaches Jahr. Die Situation ist her­aus­fordernd, da es im Euroraum zwar eine ein­heitliche Währung gibt, aber un­ter­schiedliche Steuer­sys­teme gelten. Auf die Möglichkeit, die Währung abzuwerten, um sich zu sanieren, können Euroländer im Gegensatz zu den USA nicht im Alleingang zurückgreifen. Wichtige Makro-Hedge­fonds­man­ager sind sich daher einig: Es ist wahrschein­lich, dass der Euro an Wert verliert.
„Nicht an­tizip­ierte Inflation könnte in der Tat den Amerikanern einige Er­le­ichterung verschaffen – natürlich auf Kosten vor allem ausländischer Kreditgeber.“

Die Aus­gang­sprog­nose für eine Makros­trate­gie lautet daher: Die Rezession endet und der Ar­beits­markt erholt sich, worauf die Inflation immer weiter steigt, bis die Blase in China platzt und die Deflation einleitet. Machen Sie sich also auf etwas gefasst: Die nächste Krise steht schon in den Startlöchern. Uns wird dann aber das Geld für Kon­junk­tur­pro­gramme fehlen, und eine weitere Senkung der Zinsen ist kaum möglich.

Analysieren Sie die Märkte

Vergessen Sie die Finanztipps in den Zeitungen. Manche Fonds­man­ager verfolgen inzwischen die Strategie, genau das zu verkaufen, was Jour­nal­is­ten zum Kauf empfehlen. Abonnieren Sie Zeitungen, fragen Sie direkt bei den Bankern nach, recher­chieren Sie im Internet, nutzen Sie Überset­zung­spro­gramme, um fremd­sprachige In­ter­net­seiten zu lesen – kurzum: Werden Sie Ihr eigener Analyst. Und jetzt zu den ver­schiede­nen An­lageklassen:

  • Aktien: Einze­lak­tien bringen Sie nicht weiter; auf diesem Gebiet sind Ihnen pro­fes­sionelle Investoren weit überlegen. Werfen Sie lieber einen Blick auf Ak­tienin­dizes. Eine Analyse diverser Indizes zeigt, dass die Volk­sweisheit, langfristig könne man bei Aktien nicht verlieren, falsch ist. Demnach ist von einer reinen Buy-and-hold-Strate­gie, bei der man Aktien kauft und erst nach einigen Jahrzehnten wieder einen Blick daraufwirft, dringend abzuraten. Kurse tendieren dazu, schneller zu steigen als etwa das Brut­toin­land­spro­dukt. Das ist allerdings logisch nicht nachvol­lziehbar, da doch der Preis eines Investments die zukünftigen Gewinne wider­spiegeln soll. Nach der so genannten Ef­fizienz­mark­thy­pothese müssten alle Aktien an der Börse richtig bewertet sein. Die Theorie geht davon aus, dass allen Mark­t­teil­nehmern dieselben In­for­ma­tio­nen zur Verfügung stehen. Dass das utopisch ist, liegt auf der Hand.
  • Anleihen: Wenn die Zeiten für Aktien schlecht sind, heißt das nicht unbedingt, dass die Zeit reif für Anleihen (Bonds) ist. Deren Preis ist stark von den aktuellen Marktzinsen abhängig. Steigen diese, sinkt der An­lei­henkurs, weil für Anleger höher verzinste neue Anleihen am Markt zu haben sind. Warum schließlich sollten sie denselben Preis für zwei un­ter­schiedlich verzinste, aber sonst ähnliche Papiere bezahlen? Auch eine erwartete höhere Inflation zwingt die An­lei­hen­preise in die Knie. Bonds sind demnach keine so sichere Sache, auch nicht langfristig. Wenn Sie Anleihen kaufen, dann bitte nur, um kurzfristig Gewinne einzus­tre­ichen.
  • Immobilien: Der deutsche und der britische Im­mo­bilien­markt un­ter­schei­den sich sehr stark. In Deutschland bleiben die Preise bei höherer Nachfrage nach Immobilien stabil, weil Brachflächen für Wohnbauten erschlossen werden. In Großbritannien – ebenso wie in den USA oder in den Nieder­lan­den – ist aber kein Platz mehr vorhanden. Die Folge: Die Häuserpreise explodieren. Immobilien eignen sich derzeit generell nicht als An­la­geob­jekt, höchstens in Form eines selbst bewohnten In­fla­tion­ss­chutzes.
  • Rohstoffe: Kaufen Sie Gold, wenn Sie glauben, dass die Inflation höher sein wird als vom Markt bisher angenommen. Verkaufen Sie Gold, wenn Sie vom Gegenteil überzeugt sind. Die meisten anderen Rohstoffe sollten Sie Profi­an­legern überlassen.
„Schauen Sie als Investor nicht auf den absoluten Preis, sondern auf die Diskrepanz zwischen Ihrer eigenen Analyse und den Mark­ter­wartun­gen.“

Das CAPE-Modell (Cyclically Adjusted Price Earnings Ratio) zeigt Ihnen, ob ein Markt über- oder un­ter­be­w­ertet ist. Es lässt sich auf Einze­lak­tien ebenso anwenden wie auf Indizes. Dividieren Sie dazu den Kurs der Aktie durch den jährlichen Gewinn je Aktie, wobei Sie den durch­schnit­tlichen in­fla­tions­bere­inigten Gewinn der vergangenen zehn Jahre verwenden (Werte dazu finden Sie auf der Website des CAPE-Erfind­ers, Robert Shiller). Dividieren Sie nun das Ergebnis, das CAPE, durch den Durch­schnitt all seiner eigenen Werte. Ein Resultat, das größer ist als 1, deutet auf eine Überbe­w­er­tung hin. Werte deutlich unter 1 hat man im letzten Viertel­jahrhun­dert am deutschen Aktienmarkt nur im März 2009 gesehen.

Und nun: Ihre eigene Makros­trate­gie

Makros­trate­gien haben einen Nachteil: Das Marktumfeld ändert sich, sodass Sie ständig ein Auge auf Ihr Portfolio haben und rasch auf neue In­for­ma­tio­nen reagieren müssen. Vielleicht sehen Sie bereits, dass eines der oben genannten Szenarien wahrschein­licher ist als ein anderes. Ein er­fol­gre­icher Makros­tratege kennt zwar nicht die Zukunft, er hat aber ein Gespür dafür, ob im Markt etwas schiefläuft. Bevor Sie zu investieren beginnen, hier ein paar Tipps:

  • Stellen Sie Ihr Risiko­pro­fil auf. Wo liegen Ihre persönlichen Risiken? Arbeiten Sie z. B. in der Au­toin­dus­trie, sollten Sie Ihr Geld nicht auch noch im Autosektor anlegen.
  • Machen Sie einen Bogen um Hedgefonds. Sie sind teuer, riskant und erfordern einen hohen Min­destein­satz.
  • Wenn Sie auf fallende Märkte spekulieren möchten, wählen Sie Verkauf­sop­tio­nen (Puts) statt Leerverkäufe. Die sind zwar teurer, aber das Ver­lust­poten­zial ist begrenzt.
  • Steigen Sie rechtzeitig aus – spätestens wenn sich Ihr Einsatz verdoppelt hat.
„Seien Sie nicht gierig.“

Um Inflation kommen wir langfristig wohl nicht herum. Eine beispiel­hafte Makros­trate­gie, die auf diesem Szenario aufbaut, sähe wie folgt aus:

  • 20 % des Investments in Edelmetalle, davon zwei Drittel in Platin und ein Drittel in Gold.
  • 25 % in Anleihen. Da die Inflation in den USA vermutlich stärker ausgeprägt sein wird als in Europa, kaufen Sie deutsche Staat­san­lei­hen und eine Verkauf­sop­tion auf amerikanis­che Staat­san­lei­hen. Wenn Sie ohne Optionen oder Leerverkäufe auskommen möchten oder müssen, legen Sie diese 25 % in in­fla­tion­s­geschützte Anleihen, so genannte TIPS, an.
  • 20 % in den Geldmarkt, damit Sie kurzfristig manövrierfähig bleiben.
  • 35 % entweder in Immobilien – ein Hoch auf das Eigenheim! – oder in japanische Aktien.
„Ich erwarte langfristig einen ziemlich starken Schock für das Fi­nanzsys­tem und die Weltwirtschaft, eine Krise, die weitaus schlimmer sein wird als die letzte.“

Glauben Sie auch, dass die globalen Un­gle­ichgewichte zu einer neuen Blase führen werden? Wenn ja, investieren Sie in Bankaktien. Gerade die Fi­nanzin­sti­tute bereichern sich während einer Blase. Vergessen Sie nicht, rechtzeitig Gewinne mitzunehmen und Ihr Investment zurückzuholen. Ein Warnsignal für den richtigen Ausstiegszeit­punkt ist eine stärkere Regulierung des Fi­nanzsys­tems.

Über den Autor

Wolfgang Münchau ist Mitbegründer der Financial Times Deutschland und ihr ehemaliger Chefredak­teur. Er schreibt u. a. für die britische Financial Times, war Ko­r­re­spon­dent der Londoner Times, betreibt die In­for­ma­tion­sweb­site Eurointelligence.​com und ist Autor der Bücher Das Ende der Sozialen Mark­twirtschaft, Vorbeben und Kern­schmelze im Fi­nanzsys­tem.