El Al und Luxor
Am 23. Juli 1968 entführten Terroristen der Volksfront zur Befreiung Palästinas ein Flugzeug der israelischen Fluggesellschaft El Al. Zum ersten Mal verwickelten Terroristen außerhalb ihres Heimatlandes völlig unbeteiligte Menschen in ihre Aktivitäten. Die Entführung endete unblutig, da sich die israelische Regierung unter dem Druck der Medien genötigt sah, 19 in Israel inhaftierte Araber herauszugeben, um die unschuldigen Passagiere im Flugzeug zu befreien.
„Die Angst vor einem terroristischen Akt ist heute zu einer festen Größe in unserem Leben geworden.“
Am 17. November 1997 verloren 68 Touristen bei einer Besichtigung im Tal der Könige bei Luxor ihr Leben, als Terroristen der Gruppe Al-Dschama’a al-islamiyya ein Massaker anrichteten. Es war der Höhepunkt einer ganzen Reihe von islamistischen Anschlägen, die seit 1992 Touristenorte in Ägypten zum Ziel hatten. Die Terroristen wollten den Staat schädigen und die einheimische Bevölkerung auf ihre Seite ziehen. Ersteres gelang, Letzteres allerdings misslang gründlich. Der Terror führte dazu, dass der Tourismus im Land stark zurückging. Die wirtschaftlichen Verluste trafen auch den einfachen Straßenhändler, sodass die Terroristen nach und nach ihren Rückhalt in der Bevölkerung verloren.
9/11: New York 2001
Als am 11. September 2001 die von al-Kaida gekaperten Flugzeuge in die Türme des World Trade Centers krachten, hielt die Welt den Atem an. Der islamistische Terror hatte eines der wichtigsten Symbole für den Erfolg des amerikanischen Finanzsystems getroffen. Versicherungen sahen sich in der Folge mit immensen Regulierungsschäden konfrontiert. Die Aktienkurse der im World Trade Center vertretenen Firmen und die Kurse der Mutterhäuser der Fluggesellschaften American Airlines und United Airlines stürzten in den Keller. Merkwürdigerweise wurden kurz vor den Anschlägen überproportional viele Put-Optionen auf diese Aktien gekauft. Vielleicht haben Insider, die von den bevorstehenden Anschlägen wussten, mit der Ausübung der Optionen nach dem 11. September 2001 Gewinne von mehreren Millionen gemacht. Nutzten die Terroristen die Anschläge also zusätzlich noch als Finanzierungsquelle? Studien kommen zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen. Ob es sich bei 9/11 tatsächlich um eine Geldmaschine der Terroristen handelte, ist bis heute nicht eindeutig geklärt.
Kostenrechnung des Terrors
Der Terror fordert Menschenleben, verursacht Trauer, Wut und Angst. Kaum einer fragt angesichts der damit verbundenen menschlichen Tragödien nach den finanziellen Aspekten des Terrorismus. Entsprechend steckt die Forschung in diesem Bereich noch in den Kinderschuhen. Einige ihrer Ergebnisse sind aber sehr interessant: Man hat z. B. herausgefunden, dass nicht alle Terroristen Idealisten sind. Manche von ihnen betreiben das blutige Handwerk, weil sie darauf spekulieren, dass dabei Geld für sie herausspringt. Der einzige überlebende Terrorist der Anschläge von Mumbai 2008 gestand, dass er sich der Terrorgruppe mit der Hoffnung auf eine Verbesserung seiner finanziellen Situation angeschlossen hatte.
„Im Jahr 1968 erfuhr das Phänomen Terrorismus einen maßgeblichen Wandel: Es wurde internationalisiert.“
Nicht nur in den so genannten Krieg gegen den Terror fließt viel Geld, auch die Terrororganisationen selbst müssen riesige Summen bewegen, um ihre Aktionen zu finanzieren. Allerdings sind die Folgekosten, die der betroffenen Volkswirtschaft entstehen, um ein Vielfaches höher als die Finanzierungskosten der Anschläge. Der Terrorismus hat also eine gewaltige Hebelwirkung.
Direkte Finanzierungskosten
Die direkten Finanzierungskosten betreffen u. a. die Logistik, d. h. den Transport von Waffen, Munition und Terroristen. Ein in einem besetzten Gebiet lebender palästinensischer Terrorist kann einen Anschlag in Israel für 100–200 US-$ durchführen. Die Attacken auf das World Trade Center verschlangen dagegen rund eine halbe Million Dollar. Sprengstoff und Bomben bilden einen weiteren Kostenblock. Eine einfache Bombe kann dank einer Anleitung aus dem Internet und mit Materialien aus einem Baumarkt bereits für 5 US-$ hergestellt werden. Weitere Kostenbestandteile sind: Aufwendungen für die Planung des Anschlags, Kosten für die Ausbildung der Attentäter, Unterkunft und Verpflegung der Terroristen, Kosten für Kommunikationsmittel wie Telefone oder Computer sowie Transaktionskosten für die Versendung und Bereitstellung von Geld.
Indirekte Finanzierungskosten
Zu den indirekten Finanzierungskosten gehören z. B. Schadenersatzzahlungen an die Angehörigen eines Selbstmordattentäters. Vor allem in den israelisch besetzten Gebieten ist es durchaus üblich, dass arme Familien ihre Söhne oder Töchter in den Märtyrertod schicken und im Gegenzug ein Mehrfaches ihres regulären Jahreseinkommens erhalten. Das ist einer der Gründe, warum die Israelis seit 1999 die Häuser der Familien von palästinensischen Attentätern nach einem Anschlag zerstören: Diese existenzbedrohende Maßnahme wirkt abschreckend auf die Familien und soll verhindern, dass sie ihre Kinder als Märtyrer opfern.
„Naturgemäß fällt es uns schwer, bei Terroranschlägen an finanzielle Aspekte, an Kosten zu denken und diese eingehender zu betrachten. Leider aber sind Geldflüsse ein zentraler Treiber unserer heutigen Welt, und so auch, wenn es um Terrorismus geht.“
Auch Terroristenorganisationen haben Personalkosten: Die PLO zahlte ihren Mitgliedern im Jahr 1990 rund 1 US-$ pro Monat, ergänzt um Zuschläge, wenn sie Familie hatten. Der Betrag entsprach dem Durchschnittslohn eines Landarbeiters. Erheblich sind die Kosten für die Ausbildung neuer Attentäter. Das liegt daran, dass die Terrororganisationen aufgrund verschärfter Sicherheitsmaßnahmen in andere Länder ausweichen und dabei sorgfältig darauf bedacht sein müssen, dass sie nicht entdeckt werden. Organisationen wie die Hamas oder die Hisbollah lassen sich auch die Unterstützung der heimischen Bevölkerung etwas kosten: Durch Spenden oder gemeinnützige Bauprojekte versuchen sie ihr Image als Freiheitskämpfer zu stärken. Osama bin Laden zahlte jährlich 10–20 Millionen Dollar an die Taliban, um seine Terrorcamps in Afghanistan aufrechterhalten zu können.
Finanzierungsquellen: Almosen und Honig für den Terror
Wer zahlt für den Terror? Viele Terrororganisation finanzieren sich ironischerweise durch die Almosensteuer, die eine der fünf Säulen des Islam darstellt. Jeder gläubige Muslim muss 2,5 % seines Einkommens für karitative Zwecke spenden. Dieses Geld wird auch bei Banktransaktionen automatisch einbehalten. Die Verteilung der Spendengelder ist weitestgehend unreguliert. Ein Teil davon kommt deshalb terroristischen Organisationen zugute. Weitere Finanzierungsquellen sind Unternehmensgewinne, die Verschiebung von Vermögenswerten, Zuwendungen von Privatpersonen (wohlhabende Saudis finanzierten beispielsweise al-Kaida) und Einnahmen aus illegalen Geschäften wie Betrug, Erpressung, Diebstahl oder Schmuggel.
„Die Volksweisheit, dass es nichts auf der Welt gratis gibt, trifft auch auf die Finanzierung von Terror zu.“
Honiglieferungen aus dem Jemen und aus Pakistan werden seit vielen Jahren für den Schmuggel von Waffen oder Rauschgift verwendet – aufgrund des süßen Honigduftes versagen die Nasen der Spürhunde. Honig hat in der arabischen Welt einen ähnlichen Stellenwert wie bei uns der Zucker; deshalb ist der Handel sehr rege und einträglich. Osama bin Laden selbst war Honig-Großunternehmer und finanzierte mit diesem Geschäft einen Teil der Kosten für sein Terrornetzwerk.
Die Hebelwirkung des Terrors
Für den Anschlag am 11. September 2001 betrugen die indirekten Kosten der Terroristen rund 1 Milliarde Dollar. Der Vergleich mit der halben Million direkter Finanzierungskosten zeigt deutlich, dass die indirekten Kosten von Terroranschlägen den Löwenanteil ausmachen. Die direkten Kosten, die nach dem Anschlag auf das World Trade Center für die Volkswirtschaft anfielen, beliefen sich auf 32 Milliarden Dollar. Sie umfassten Kosten durch Sachbeschädigung, Rettungs-, Bergungs- und Hilfskosten, Aufräumkosten, Wiederherstellungskosten, Versicherungskosten und Kosten durch Gewinnausfälle im World Trade Center.
„Der Blick auf die Zahlen ist ernüchternd: Mit geringem finanziellem Einsatz kann enormer Schaden angerichtet werden.“
Indirekte Kosten aufseiten der angegriffenen Volkswirtschaft waren Vergeltungskosten (Ausgaben für Militär und Geheimdienst), Inhaftierungs- und Justizkosten, Aufwendungen für die Prävention und Hilfszahlungen des Staates. Auch der Abzug von ausländischen Geldern bzw. Investitionen zählt zu den Kosten, die eine betroffene Volkswirtschaft schultern muss.
„Der Kampf gegen den Terrorismus und damit auch die Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung haben nach dem 11. September 2001 markant an Bedeutung gewonnen.“
Die indirekten Folgekosten für den Anschlag vom 11. September lagen für die USA gemäß maximaler Schätzung bei 883,9 Milliarden Dollar. Die Hebelwirkungen des Terroraktes und der Kosten für das geschädigte Land sind also erheblich.
Kampf dem Terror
Der 11. September ist ein singuläres Ereignis in der Geschichte des Terrors und der Terrorbekämpfung. Infolge der Attacken auf die USA erstellten Staaten sowie die Vereinten Nationen Normen und Resolutionen, die zum Ziel hatten, die Finanzierung des Terrors zu unterbinden oder zumindest zu stören. Mutmaßliche Terroristen kamen auf schwarze Listen, und gegen Länder, die Terrorverdächtigen Unterschlupf gewähren, wurden Embargos verhängt. Außerdem wurden Gesetze gegen die Geldwäsche erlassen oder verschärft.
„Terroristen transferieren auch außerhalb der formellen Zahlungssysteme Geld.“
Allerdings reichen die derzeitigen Bemühungen nicht aus. Viele Anschläge benötigen nur geringe Summen, die noch dazu in kleinen Einzelbeträgen überwiesen werden können, sodass es äußerst schwierig ist, Finanztransaktionen als diejenigen von Attentätern zu identifizieren. Zudem verwenden Terroristen alternative Geldtransfersysteme, die sich bereits vor Tausenden von Jahren bewährt haben. Hierzu gehört das Hawala-System in arabischen Ländern, bei dem Transaktionen zwischen mehreren so genannten Ethnic Bankers an unterschiedlichen Orten mittels Codewörtern abgewickelt werden. Ein fast familiäres Vertrauensverhältnis ist dabei eine Grundbedingung. Offiziell lassen sich solche Transaktionen nicht verfolgen.
„Der Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung wird zwar eine abschreckende und damit präventive Wirkung zugeschrieben, doch halten diese Maßnahmen alleine den Terrorismus nicht auf.“
Die Vorgehensweise, die Bankkonten eines Terrorverdächtigen sofort einzufrieren, wird von Experten kontrovers beurteilt, weil ein solches Vorgehen andere Terroristen warnt. Stattdessen sollten die Kontobewegungen genauestens kontrolliert und protokolliert werden, damit man herausfindet, wohin die Gelder geschleust werden. Weitere Maßnahmen könnten sein:
- Kosten für Terroristen erhöhen: Wenn es gelingen würde, die Kosten für die Vorbereitung und Durchführung eines terroristischen Anschlags drastisch zu erhöhen (z. B. durch Sicherheitsvorkehrungen oder Verfolgung), könnte man den Terrorismus zumindest behindern. Allerdings lässt sich das Verhalten von Terroristen nicht ausschließlich über ökonomische Motive steuern.
- Kompromissmöglichkeiten nutzen: Sofern Terroristen politische Ziele verfolgen, gibt es allenfalls Verhandlungsmöglichkeiten zwischen ihnen und dem betroffenen Staat. Durch Verhandlungen kann der Terror unattraktiv werden, zumal auch die Bevölkerung den Terroristen ihre Unterstützung verweigert, wenn reelle Kompromissmöglichkeiten nicht genutzt werden. Ein gelungenes Beispiel ist der Umgang mit der IRA in Großbritannien.