Das Geschäft mit dem Terror

Buch Das Geschäft mit dem Terror

Wie sich al-Kaida und Co. finanzieren und was uns ihre Taten kosten

Orell Füssli,


Rezension

Es mutet ein wenig frivol an, wenn man angesichts des Leids, das Ter­ro­ran­schläge auf der ganzen Welt verursachen, aufs Geld schaut. Sita Mazumder tut es trotzdem und zeigt, wie die Kosten­rech­nung des Schreckens aussieht. Die Autorin führt im Detail auf, wie teuer die Anschläge der Terroristen sind und wie sie finanziert werden. Die Expertin für Wirtschaft­skrim­i­nalität belegt: Die Kosten für die Beseitigung der Schäden betragen stets ein Mehrfaches des Geldes, das von den Terroristen eingesetzt wurde. Die Hebel­wirkung des Terrors wird mehr als deutlich. Mazumders Buch beeindruckt besonders an den Stellen, wo die Autorin neue Aspekte al­t­bekan­nter Fakten aufzeigt: Die von den Medien inzwischen hinlänglich nacherzählten Ereignisse des 11. September 2001 etwa erscheinen mit dem Blick auf die Kostenseite in einem neuen Licht. Da verzeiht man gern auch die eine oder andere holprige For­mulierung. BooksInShort empfiehlt das Buch allen Lesern, die sich für die fi­nanziellen Hintergründe des in­ter­na­tionalen Terrorismus in­ter­essieren.

Take-aways

  • Terroristen sind auf eine zuverlässige Fi­nanzierung ihrer Anschläge angewiesen.
  • Die direkten Fi­nanzierungskosten umfassen u. a. den Transport und die Beschaffung von Waffen, Sprengstoff und Bomben sowie die Ausbildung der Terroristen.
  • Zu den indirekten Fi­nanzierungskosten gehören Aus­gle­ich­szahlun­gen an die Familien der Attentäter, Spenden an Sym­pa­thisan­ten und Per­son­alkosten.
  • Ter­ror­is­tis­che Anschläge haben eine enorme Hebel­wirkung: Die Kosten, die der betroffenen Volk­swirtschaft entstehen, sind ungleich höher als jene der Täter.
  • Experten streiten darüber, ob Terroristen den 11. September 2001 für In­sid­ergeschäfte mit Ak­tienop­tio­nen nutzten.
  • Terroristen finanzieren sich über Spenden und die Al­mosen­s­teuer des Islam, aber auch über illegale Geschäfte.
  • In der arabischen Welt gilt der Handel mit Honig als einträgliche Geldquelle – auch für Osama bin Laden.
  • Es ist sehr schwierig, Fi­nanz­transak­tio­nen von Terroristen zu iden­ti­fizieren und zurück­zu­ver­fol­gen.
  • Wer Terrorismus verhindern will, muss dessen Kosten erhöhen oder dessen Nutzen vermindern – beides ist jedoch kaum zu schaffen.
  • Falls Ver­hand­lungsmöglichkeiten bestehen, sollten diese genutzt werden: Terror wird so weniger attraktiv, und die Unterstützung in der Bevölkerung schwindet.
 

Zusammenfassung

El Al und Luxor

Am 23. Juli 1968 entführten Terroristen der Volksfront zur Befreiung Palästinas ein Flugzeug der is­raelis­chen Flugge­sellschaft El Al. Zum ersten Mal ver­wick­el­ten Terroristen außerhalb ihres Heimat­landes völlig un­beteiligte Menschen in ihre Aktivitäten. Die Entführung endete unblutig, da sich die israelische Regierung unter dem Druck der Medien genötigt sah, 19 in Israel inhaftierte Araber her­auszugeben, um die un­schuldigen Passagiere im Flugzeug zu befreien.

„Die Angst vor einem ter­ror­is­tis­chen Akt ist heute zu einer festen Größe in unserem Leben geworden.“

Am 17. November 1997 verloren 68 Touristen bei einer Besich­ti­gung im Tal der Könige bei Luxor ihr Leben, als Terroristen der Gruppe Al-Dschama’a al-is­lamiyya ein Massaker anrichteten. Es war der Höhepunkt einer ganzen Reihe von is­lamistis­chen Anschlägen, die seit 1992 Touris­tenorte in Ägypten zum Ziel hatten. Die Terroristen wollten den Staat schädigen und die ein­heimis­che Bevölkerung auf ihre Seite ziehen. Ersteres gelang, Letzteres allerdings misslang gründlich. Der Terror führte dazu, dass der Tourismus im Land stark zurückging. Die wirtschaftlichen Verluste trafen auch den einfachen Straßenhändler, sodass die Terroristen nach und nach ihren Rückhalt in der Bevölkerung verloren.

9/11: New York 2001

Als am 11. September 2001 die von al-Kaida gekaperten Flugzeuge in die Türme des World Trade Centers krachten, hielt die Welt den Atem an. Der is­lamistis­che Terror hatte eines der wichtigsten Symbole für den Erfolg des amerikanis­chen Fi­nanzsys­tems getroffen. Ver­sicherun­gen sahen sich in der Folge mit immensen Reg­ulierungsschäden kon­fron­tiert. Die Aktienkurse der im World Trade Center vertretenen Firmen und die Kurse der Mutterhäuser der Flugge­sellschaften American Airlines und United Airlines stürzten in den Keller. Merkwürdigerweise wurden kurz vor den Anschlägen überpro­por­tional viele Put-Op­tio­nen auf diese Aktien gekauft. Vielleicht haben Insider, die von den bevorste­hen­den Anschlägen wussten, mit der Ausübung der Optionen nach dem 11. September 2001 Gewinne von mehreren Millionen gemacht. Nutzten die Terroristen die Anschläge also zusätzlich noch als Fi­nanzierungsquelle? Studien kommen zu sehr un­ter­schiedlichen Ergebnissen. Ob es sich bei 9/11 tatsächlich um eine Geld­mas­chine der Terroristen handelte, ist bis heute nicht eindeutig geklärt.

Kosten­rech­nung des Terrors

Der Terror fordert Men­schen­leben, verursacht Trauer, Wut und Angst. Kaum einer fragt angesichts der damit verbundenen men­schlichen Tragödien nach den fi­nanziellen Aspekten des Terrorismus. Entsprechend steckt die Forschung in diesem Bereich noch in den Kinder­schuhen. Einige ihrer Ergebnisse sind aber sehr interessant: Man hat z. B. her­aus­ge­fun­den, dass nicht alle Terroristen Idealisten sind. Manche von ihnen betreiben das blutige Handwerk, weil sie darauf spekulieren, dass dabei Geld für sie her­ausspringt. Der einzige überlebende Terrorist der Anschläge von Mumbai 2008 gestand, dass er sich der Ter­ror­gruppe mit der Hoffnung auf eine Verbesserung seiner fi­nanziellen Situation angeschlossen hatte.

„Im Jahr 1968 erfuhr das Phänomen Terrorismus einen maßgeblichen Wandel: Es wurde in­ter­na­tion­al­isiert.“

Nicht nur in den so genannten Krieg gegen den Terror fließt viel Geld, auch die Ter­ro­ror­gan­i­sa­tio­nen selbst müssen riesige Summen bewegen, um ihre Aktionen zu finanzieren. Allerdings sind die Folgekosten, die der betroffenen Volk­swirtschaft entstehen, um ein Vielfaches höher als die Fi­nanzierungskosten der Anschläge. Der Terrorismus hat also eine gewaltige Hebel­wirkung.

Direkte Fi­nanzierungskosten

Die direkten Fi­nanzierungskosten betreffen u. a. die Logistik, d. h. den Transport von Waffen, Munition und Terroristen. Ein in einem besetzten Gebiet lebender palästi­nen­sis­cher Terrorist kann einen Anschlag in Israel für 100–200 US-$ durchführen. Die Attacken auf das World Trade Center ver­schlangen dagegen rund eine halbe Million Dollar. Sprengstoff und Bomben bilden einen weiteren Kostenblock. Eine einfache Bombe kann dank einer Anleitung aus dem Internet und mit Materialien aus einem Baumarkt bereits für 5 US-$ hergestellt werden. Weitere Kostenbe­standteile sind: Aufwen­dun­gen für die Planung des Anschlags, Kosten für die Ausbildung der Attentäter, Unterkunft und Verpflegung der Terroristen, Kosten für Kom­mu­nika­tion­s­mit­tel wie Telefone oder Computer sowie Transak­tion­skosten für die Versendung und Bere­it­stel­lung von Geld.

Indirekte Fi­nanzierungskosten

Zu den indirekten Fi­nanzierungskosten gehören z. B. Schaden­er­satz­zahlun­gen an die Angehörigen eines Selb­st­mor­dat­tentäters. Vor allem in den israelisch besetzten Gebieten ist es durchaus üblich, dass arme Familien ihre Söhne oder Töchter in den Märtyrertod schicken und im Gegenzug ein Mehrfaches ihres regulären Jahre­seinkom­mens erhalten. Das ist einer der Gründe, warum die Israelis seit 1999 die Häuser der Familien von palästi­nen­sis­chen Attentätern nach einem Anschlag zerstören: Diese ex­is­tenzbedro­hende Maßnahme wirkt ab­schreck­end auf die Familien und soll verhindern, dass sie ihre Kinder als Märtyrer opfern.

„Naturgemäß fällt es uns schwer, bei Ter­ro­ran­schlägen an finanzielle Aspekte, an Kosten zu denken und diese eingehender zu betrachten. Leider aber sind Geldflüsse ein zentraler Treiber unserer heutigen Welt, und so auch, wenn es um Terrorismus geht.“

Auch Ter­ror­is­tenor­gan­i­sa­tio­nen haben Per­son­alkosten: Die PLO zahlte ihren Mitgliedern im Jahr 1990 rund 1 US-$ pro Monat, ergänzt um Zuschläge, wenn sie Familie hatten. Der Betrag entsprach dem Durch­schnittslohn eines Lan­dar­beit­ers. Erheblich sind die Kosten für die Ausbildung neuer Attentäter. Das liegt daran, dass die Ter­ro­ror­gan­i­sa­tio­nen aufgrund verschärfter Sicher­heitsmaßnahmen in andere Länder ausweichen und dabei sorgfältig darauf bedacht sein müssen, dass sie nicht entdeckt werden. Or­gan­i­sa­tio­nen wie die Hamas oder die Hisbollah lassen sich auch die Unterstützung der heimischen Bevölkerung etwas kosten: Durch Spenden oder gemeinnützige Bauprojekte versuchen sie ihr Image als Freiheitskämpfer zu stärken. Osama bin Laden zahlte jährlich 10–20 Millionen Dollar an die Taliban, um seine Terrorcamps in Afghanistan aufrechter­hal­ten zu können.

Fi­nanzierungsquellen: Almosen und Honig für den Terror

Wer zahlt für den Terror? Viele Ter­ro­ror­gan­i­sa­tion finanzieren sich iro­nis­cher­weise durch die Al­mosen­s­teuer, die eine der fünf Säulen des Islam darstellt. Jeder gläubige Muslim muss 2,5 % seines Einkommens für karitative Zwecke spenden. Dieses Geld wird auch bei Bank­transak­tio­nen automatisch einbehalten. Die Verteilung der Spenden­gelder ist weitest­ge­hend unreguliert. Ein Teil davon kommt deshalb ter­ror­is­tis­chen Or­gan­i­sa­tio­nen zugute. Weitere Fi­nanzierungsquellen sind Un­ternehmensgewinne, die Ver­schiebung von Vermögenswerten, Zuwendungen von Pri­vat­per­so­nen (wohlhabende Saudis fi­nanzierten beispiel­sweise al-Kaida) und Einnahmen aus illegalen Geschäften wie Betrug, Erpressung, Diebstahl oder Schmuggel.

„Die Volk­sweisheit, dass es nichts auf der Welt gratis gibt, trifft auch auf die Fi­nanzierung von Terror zu.“

Honigliefer­un­gen aus dem Jemen und aus Pakistan werden seit vielen Jahren für den Schmuggel von Waffen oder Rauschgift verwendet – aufgrund des süßen Honigduftes versagen die Nasen der Spürhunde. Honig hat in der arabischen Welt einen ähnlichen Stellenwert wie bei uns der Zucker; deshalb ist der Handel sehr rege und einträglich. Osama bin Laden selbst war Honig-Großunternehmer und finanzierte mit diesem Geschäft einen Teil der Kosten für sein Ter­ror­net­zw­erk.

Die Hebel­wirkung des Terrors

Für den Anschlag am 11. September 2001 betrugen die indirekten Kosten der Terroristen rund 1 Milliarde Dollar. Der Vergleich mit der halben Million direkter Fi­nanzierungskosten zeigt deutlich, dass die indirekten Kosten von Ter­ro­ran­schlägen den Löwenanteil ausmachen. Die direkten Kosten, die nach dem Anschlag auf das World Trade Center für die Volk­swirtschaft anfielen, beliefen sich auf 32 Milliarden Dollar. Sie umfassten Kosten durch Sachbeschädigung, Rettungs-, Bergungs- und Hilfskosten, Aufräumkosten, Wieder­her­stel­lungskosten, Ver­sicherungskosten und Kosten durch Gewinnausfälle im World Trade Center.

„Der Blick auf die Zahlen ist ernüchternd: Mit geringem fi­nanziellem Einsatz kann enormer Schaden angerichtet werden.“

Indirekte Kosten aufseiten der ange­grif­f­e­nen Volk­swirtschaft waren Vergel­tungskosten (Ausgaben für Militär und Geheim­di­enst), In­haftierungs- und Jus­tizkosten, Aufwen­dun­gen für die Prävention und Hil­f­szahlun­gen des Staates. Auch der Abzug von ausländischen Geldern bzw. In­vesti­tio­nen zählt zu den Kosten, die eine betroffene Volk­swirtschaft schultern muss.

„Der Kampf gegen den Terrorismus und damit auch die Bekämpfung der Ter­ror­is­mus­fi­nanzierung haben nach dem 11. September 2001 markant an Bedeutung gewonnen.“

Die indirekten Folgekosten für den Anschlag vom 11. September lagen für die USA gemäß maximaler Schätzung bei 883,9 Milliarden Dollar. Die Hebel­wirkun­gen des Terroraktes und der Kosten für das geschädigte Land sind also erheblich.

Kampf dem Terror

Der 11. September ist ein singuläres Ereignis in der Geschichte des Terrors und der Terrorbekämpfung. Infolge der Attacken auf die USA erstellten Staaten sowie die Vereinten Nationen Normen und Res­o­lu­tio­nen, die zum Ziel hatten, die Fi­nanzierung des Terrors zu unterbinden oder zumindest zu stören. Mutmaßliche Terroristen kamen auf schwarze Listen, und gegen Länder, die Terrorverdächtigen Un­ter­schlupf gewähren, wurden Embargos verhängt. Außerdem wurden Gesetze gegen die Geldwäsche erlassen oder verschärft.

„Terroristen trans­ferieren auch außerhalb der formellen Zahlungssys­teme Geld.“

Allerdings reichen die derzeitigen Bemühungen nicht aus. Viele Anschläge benötigen nur geringe Summen, die noch dazu in kleinen Einzelbeträgen überwiesen werden können, sodass es äußerst schwierig ist, Fi­nanz­transak­tio­nen als diejenigen von Attentätern zu iden­ti­fizieren. Zudem verwenden Terroristen alternative Geld­trans­fer­sys­teme, die sich bereits vor Tausenden von Jahren bewährt haben. Hierzu gehört das Hawala-Sys­tem in arabischen Ländern, bei dem Transak­tio­nen zwischen mehreren so genannten Ethnic Bankers an un­ter­schiedlichen Orten mittels Codewörtern abgewickelt werden. Ein fast familiäres Ver­trauensverhältnis ist dabei eine Grundbe­din­gung. Offiziell lassen sich solche Transak­tio­nen nicht verfolgen.

„Der Bekämpfung der Ter­ror­is­mus­fi­nanzierung wird zwar eine ab­schreck­ende und damit präventive Wirkung zugeschrieben, doch halten diese Maßnahmen alleine den Terrorismus nicht auf.“

Die Vorge­hensweise, die Bankkonten eines Terrorverdächtigen sofort einzufrieren, wird von Experten kontrovers beurteilt, weil ein solches Vorgehen andere Terroristen warnt. Stattdessen sollten die Kon­to­be­we­gun­gen genauestens kon­trol­liert und pro­tokol­liert werden, damit man her­aus­findet, wohin die Gelder geschleust werden. Weitere Maßnahmen könnten sein:

  • Kosten für Terroristen erhöhen: Wenn es gelingen würde, die Kosten für die Vor­bere­itung und Durchführung eines ter­ror­is­tis­chen Anschlags drastisch zu erhöhen (z. B. durch Sicher­heitsvorkehrun­gen oder Verfolgung), könnte man den Terrorismus zumindest behindern. Allerdings lässt sich das Verhalten von Terroristen nicht ausschließlich über ökonomische Motive steuern.
  • Kompromissmöglichkeiten nutzen: Sofern Terroristen politische Ziele verfolgen, gibt es allenfalls Ver­hand­lungsmöglichkeiten zwischen ihnen und dem betroffenen Staat. Durch Ver­hand­lun­gen kann der Terror unattraktiv werden, zumal auch die Bevölkerung den Terroristen ihre Unterstützung verweigert, wenn reelle Kompromissmöglichkeiten nicht genutzt werden. Ein gelungenes Beispiel ist der Umgang mit der IRA in Großbritannien.

Über die Autorin

Sita Mazumder ist Professorin und Pro­jek­tlei­t­erin am Institut für Fi­nanz­di­en­stleis­tun­gen Zug der Hochschule Luzern. Sie forscht seit Jahren zu den Themen Geldwäscherei, Korruption und Ter­ror­is­mus­fi­nanzierung.