Die Folgen der Finanzkrise von 2007
Als die Finanzkrise 2007 eskalierte, sahen sich Staaten überall auf der Welt in der Pflicht, helfend einzuschreiten. Ein Staat kann aber nicht in unbegrenztem Umfang die Suppe auslöffeln, die die Banken oder die private Wirtschaft eingebrockt haben. Denn auch Staaten können bankrottgehen. Wie war es im Frühjahr 2007? Zuerst sprang die US-Notenbank, anschließend auch die Europäische Zentralbank und die Bank of England für die Schulden ein, die die Investmentbanken mit ihren „Schrottgeschäften“ gemacht hatten. 2008 mussten zusätzlich zu den Zentralbanken auch noch zahlreiche Staaten Garantien für Spareinlagen abgeben, um einen Zusammenbruch des Bankensystems zu verhindern. Solche Garantien bedeuten im Ernstfall höhere Verschuldung. Das Ganze wurde durch die Konjunkturprogramme verschärft, die zur Ankurbelung der Wirtschaft ab 2008 aufgelegt wurden. Die USA wendeten 8000 Milliarden Dollar auf, in Deutschland waren es immerhin 1890 Milliarden Euro.
„Der drohende Staatsbankrott hat publizistisch Hochkonjunktur.“
Mit Island geriet im Oktober 2008 das erste Land an den Rand des Staatsbankrotts. Der Internationale Währungsfonds (IWF) sprang ein und machte eine Sanierung des öffentlichen Haushalts zur Bedingung seiner Finanzhilfen. Ungarn, der Ukraine und Lettland erging es ähnlich. Auch Irland, Italien und Griechenland kämpften mit dem Gespenst des Staatsbankrotts. Sogar der IWF selbst musste sich in der Folge verschulden, um die Zahllast schultern zu können.
Kleine Geschichte des Staatsbankrotts
Dass Staaten bankrottgehen können, ist keine moderne Erscheinung. Solange es Staaten gibt, droht ihnen immer auch der finanzielle Kollaps. Im antiken Griechenland begann der Aufstieg des Münzwesens. Der Staat finanzierte sich durch indirekte Steuern, Zollabgaben und Marktgebühren. Wurden andere Völker vom griechischen Heer besiegt, mussten sie Tribut zahlen und finanzierten damit den Staat. Wenn es dem Staat gut ging, erhöhte er die Gratisleistungen für Bürger. Wurden Kriege jedoch verloren und unterjochte Völker befreit, so blieben die Tribute aus und Griechenland näherte sich der Pleite.
„Bankrotte sind nicht neu. Sie sind fast so alt wie die Menschheit.“
Ähnlich erging es den Römern: Unter Kaiser Hadrian überstiegen die Ausgaben des Staates die Einnahmen bei Weitem. Das einstige Imperium geriet in den Würgegriff der Inflation. Das Geld verlor an Wert und die Naturalwirtschaft setzte sich wieder durch. Im Mittelalter verhinderte das kirchliche Zinsverbot ein florierendes Kreditwesen. Könige und Fürsten liehen sich Geld vor allem bei Investoren, die Kredite nicht gewerbsmäßig ausgaben, z. B. bei Ritterorden, Klöstern und Städten, die im Gegenzug besondere Privilegien in Anspruch nahmen.
„Von Adam Smith stammt die Regel, wonach der Staat sich nur für ‚rentable‘ Investitionen verschulden darf.“
Erst in der Neuzeit wurde die Naturalwirtschaft wieder zurückgedrängt. Im 17. und 18. Jahrhundert dominierte der Merkantilismus die Wirtschaftspolitik der absolutistischen Staaten. Öffentliche Ausgaben stiegen sprunghaft an; viele der staatlichen Ausgaben erfolgten auf Pump.
Der Liberalismus des 19. Jahrhunderts wendete sich gegen die Verschwendungssucht des vergangenen Jahrhunderts. Der Ökonom Adam Smith mahnte, dass sich der Staat nur dann verschulden dürfe, wenn er das geliehene Geld produktiv anlege, also die Zinsen jederzeit zurückzahlen und das Darlehen tilgen könne. Das war in den vorherigen Jahrhunderten eher die Ausnahme gewesen.
„Eine strategische Rolle für Staatsbankrotte spielen regelmäßig Auslandsschulden.“
Der Erste Weltkrieg stellte das Deutsche Reich vor finanzielle Probleme: Die Finanzierung der Kriegsmaschinerie über Anleihen bei Banken und Privatpersonen reichte nicht aus. Die Folgen nach Kriegsende: Überschuldung, Erhöhung der Geldmenge und galoppierende Inflation. 1923 wurde mit der Währungsreform die Notbremse gezogen. Russland erlebte im Februar 1918 den größten Staatsbankrott aller Zeiten. Auch nach dem Zweiten Weltkriegs sah es düster aus: Deutschland war 1948 pleite, und es blieb nur der Ausweg in eine erneute Währungsreform. Bis in die 70er Jahre ging es dank Wirtschaftswachstum wieder bergauf.
„Der alles dominierende Wohlfahrtsstaat wurde nicht nach sozialen, sondern nach sozialistischen Prinzipien gestaltet.“
Die Ölkrise führte in den 70ern und 80ern allerdings dazu, dass sich viele Staaten hoffnungslos verschuldeten. In den 90er Jahren folgte eine Krise auf die andere: 1995 die Mexikokrise, 1998 die Asienkrise, die Russlandkrise und die Brasilienkrise und in deren Folge 2001 die Krise Argentiniens. 2007 kam es schließlich zu einer weltweiten Finanzkrise, die durch faule Immobilienkredite ausgelöst wurde.
Gründe für den Staatsbankrott
Einige der wichtigsten Ursachen für einen Staatsbankrott sind:
- Kriege: Hier galt und gilt die Regel „The winner takes it all“. Wer einen Krieg gewinnt, profitiert gleich in mehrfacher Hinsicht. Kommt es nach dem Sieg zu einem Aufschwung der Wirtschaft, verschwinden die Schulden sozusagen von selbst. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt bleibt die Schuldenquote moderat. Übel sieht es dagegen für den Staat aus, der den Krieg verliert. Reparationszahlungen belasten die Staatskasse. Wiederaufbau und Sozialausgaben wachsen exorbitant. Wie soll ein Staat all diese Kosten bezahlen, wenn er ohnehin fast pleite ist? Meist greift er zur Notenpresse und bringt neues Geld in Umlauf, was dazu führt, dass das vorhandene Geld immer weniger wert hat. Das letzte Mittel ist dann meist die Währungsreform. Sofern unter der Bevölkerung der Optimismus herrscht, dass mit der neuen Währung auch wirtschaftlicher Wohlstand entsteht, kann daraus tatsächlich eine Sanierung der kriegsgeschädigten Wirtschaft folgen – so geschah es in Deutschland 1948.
- Auslandsschulden: Staaten, die auf dem heimischen Kreditmarkt kein Geld mehr leihen können, wenden sich oft an Banken im Ausland. Die entsprechenden Kredite werden meist in einer fremden Währung aufgenommen und sind aufgrund der eigenen niedrigen Bonität mit hohen Zinsen verbunden. Sofern solche Kredite nur für Investitionen gebraucht werden, ist diese Möglichkeit der Geldbeschaffung durchaus in Ordnung. Wenn Staaten jedoch ihre laufenden Ausgaben mithilfe ausländischer Kredite finanzieren, wird daraus ein Fass ohne Boden.
- Wirtschaftskrisen: Sie sind meist die Eingangspforte zu einer kreditgestützten Wirtschaft. Der Ökonom John Maynard Keynes machte nach der Weltwirtschaftskrise von 1929 das Prinzip des „Deficit-Spending“ populär: Die fehlende private Nachfrage wird durch den Staat ausgeglichen, indem er Schulden macht und die Staatsausgaben erhöht. Diesem Rezept folgten der New Deal in den USA und eine entsprechende Finanzpolitik in fast allen westlichen Ländern nach dem Zweiten Weltkrieg. Problematisch wird eine solche Kreditwirtschaft, wenn sie noch beibehalten wird, obwohl die eigentliche Krise längst überwunden ist.
- Auswüchse des Wohlfahrtsstaates: Die ursprüngliche Konzeption des Sozialstaates war das Subsidiaritätsprinzip: Der Staat greift Menschen unter die Arme, die am Existenzminimum leben. Doch inzwischen scheint der Wohlfahrtsstaat zum Selbstbedienungsladen für Leute geworden zu sein, die „freiwillig arbeitslos“ sind. Individuelles Handeln wird gegenwärtig in vielen Staaten behindert und das freie Spiel der Marktkräfte in ein enges Korsett aus bürokratischen Regeln gezwängt. Der Wohlfahrtsstaat schmeißt mit dem Geld geradezu um sich und man kann dabei zusehen, wie die Ansprüche täglich wachsen. Die Sozialleistungen und die mit politischem Kalkül gemachten Versprechungen sind aber nicht durchfinanziert. Steuererhöhungen lassen sich nur schwer durchsetzen, sodass der Staat seine vielfältigen Wohltaten wieder per Kredit finanzieren muss. Die Gefahr einer Pleite steigt.
Die Grenzen der Staatsverschuldung
Etliche Faktoren helfen, die Staatsverschuldung zu begrenzen. Da wäre zunächst eine unabhängige Zentralbank, die ihre Rolle als Hüterin der Währung ernst nimmt. Verfassungsrechtliche Grenzen sind das Verbot von Staatsdefiziten und der Zwang zur begründeten Mittelzuweisung, falls der Staat sich verschulden will. Frühindikatoren helfen dabei, den Status quo auf seine Gefährlichkeit hin zu beurteilen. Steigen die Schulden nach einer überstandenen Rezession weiter an, sollten die Alarmglocken schrillen und die Ausgaben knallhart überprüft werden.
„Es ist unverzichtbar, dass alle Sozialversicherungen von den Zuschüssen aus den öffentlichen Haushalten gänzlich abgekoppelt werden – sie müssen sich selbst finanzieren.“
Moderne Staaten handeln situationsbezogen, richten ihre Politik also am gegenwärtigen Zustand des Gemeinwesens aus. Situationsbedingt richtig handeln Staaten, wenn sie in der Rezession ein Defizit aufbauen und dieses in der Boomphase wieder ausgleichen. Ist der Konjunkturzyklus abgeschlossen, sollte die Nettoverschuldung bei null liegen.
„Das Gesundheitswesen strotzt geradezu von Fehlanreizen an alle Beteiligten.“
Die Schulden können außerdem in Relation zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) begrenzt werden – denn dieses muss ja für die Tilgung und die Zinsen herangezogen werden. Die Schuldenquote wird dann im Grunde durch das Wirtschaftswachstum eingeschränkt. Allerdings gibt es keine allgemeingültige Schuldenquote im Verhältnis zum BIP. In der Europäischen Union liegt die durchschnittliche Vorgabe bei 60 % Schulden und 3 % Defizit im Verhältnis zum BIP.
Die reale Schuldenquote
Die wirkliche Schuld eines Staates setzt sie sich aus den drei Komponenten Staatsverschuldung, Schulden privater Unternehmen und Schulden der privaten Haushalte zusammen. Im Jahr 2008 führte Japan die Schuldenhitliste mit 397 % vom BIP an. Davon waren 173 % Staatsschulden, 149 % Unternehmensschulden und 75 % Konsumentenschulden. Auf den Plätzen zwei bis sechs waren: Großbritannien (256 %), Frankreich (223 %), Italien (220 %), die USA (219 %) und schließlich Deutschland (190 %). Hinzu kommt eine weitere verdeckte „Quasi-Staatsverschuldung“ für die Zahlungszusagen aus der Sozialversicherung.
Sanierung über die soziale Marktwirtschaft
Eine Möglichkeit, die maroden Staatsfinanzen zu sanieren, ist die Abwendung vom Wohlfahrtsstaat und die Hinwendung zur echten sozialen Marktwirtschaft. Eine wirkungsvolle Marktwirtschaft mit sozialen Zusatzregelungen muss gar nicht erfunden werden: Sie wurde bereits von den Ordoliberalen im Nachkriegsdeutschland entwickelt. Nur konsequent umgesetzt hat man das Prinzip nie. Die Eckpfeiler:
- Abkopplung der Sozialleistungen von Zuschüssen der öffentlichen Hand: Die Sozialversicherung darf nicht länger vom Staat bezuschusst werden, sondern muss sich selbst tragen. Dadurch würden die ständigen Forderungen nach mehr staatlicher Hilfe zurückgedrängt, weil jeder Empfänger auch zur Finanzierung der Sozialversicherung beitrüge.
- Fehlanreize im Gesundheitssystem abbauen: Viele Patienten zahlen nur einen Bruchteil dessen, was sie an Kosten verursachen. Wer sich nicht selbst privat absichert, kann keine über dem Standard liegende Versorgung erwarten. Krankenkassen sollten Bonus- und Malussysteme einführen und einen Selbstbehalt verpflichtend machen. Damit würden „Bagatellkranke“ in ihre Schranken gewiesen und eine wirkungsvolle Nachfragesteuerung etabliert.
- Privatisierung: Der Staat muss sich aus allen Aufgabenfeldern, in denen der Markt effizienter ist, zurückziehen. Subventionen müssen abgebaut und das Steuersystem muss reformiert werden.