Mythos Führungskraft

Buch Mythos Führungskraft

Konzepte, Tugenden, Erfolgsgeheimnisse

Wiley-VCH,


Rezension

Sind die Chefs wirklich so schlecht wie ihr Ruf? Und wenn ja, warum? Weil Führungskräfte ohne genügende Vor­bere­itung ins kalte Wasser gestoßen werden, meint Werner Katzen­gru­ber. Um Abhilfe zu schaffen, vergleicht der Psychologe und Be­trieb­swirt un­ter­schiedliche Führungsstile und stellt erprobte Werkzeuge und Hand­lungs­maxi­men vor. Ein er­fol­gre­icher „Menschenführer“, sagt er, zieht seine Stärke aus seiner Persönlichkeit – und die wächst mit den Her­aus­forderun­gen in der Praxis. Den idealen Leader gibt es nicht. Jeder muss durch die tägliche Erprobung ver­schiedener Führung­stech­niken seinen in­di­vidu­ellen Weg und Stil finden. Katzen­gru­ber geht sein Thema fast akademisch, aber nicht abgehoben an, zumal er häufig aus seinem eigenen Er­fahrungss­chatz schöpft. BooksInShort empfiehlt das Buch angehenden Führungskräften sowie alten Hasen, die noch einmal zu einem Sprint ansetzen wollen.

Take-aways

  • Die kulturellen und de­mografis­chen En­twick­lun­gen verändern die An­forderun­gen an Führungskräfte.
  • Eine Führungskraft braucht heute in erster Linie psy­chol­o­gis­ches Verständnis und soziale Fähigkeiten.
  • Beißen Sie sich nicht an einem bestimmten Führungsstil fest. Jeder hat Vor- und Nachteile.
  • Selb­st­diszi­plin ist erfolgsfördernder als ein hoher IQ.
  • Eine starke Führungspersönlichkeit entwickelt sich in der Praxis.
  • Ihre Autorität nützt Ihnen nur so weit, wie sie von Ihren Mi­tar­beit­ern anerkannt wird.
  • Fördern Sie eine positive Konkur­ren­zkul­tur, damit Ihre Mitarbeiter ihre Stärken entfalten können.
  • Beziehen Sie Ihre Mitarbeiter in Entschei­dung­sprozesse mit ein, aber fällen Sie die Entschei­dun­gen in Eigen­ver­ant­wor­tung.
  • Stellen Sie Mitarbeiter ein, die anders sind als Sie, um die Vielfalt und das Kreativitätspotenzial zu erhöhen.
  • Nur wenn Sie sich selbst führen können, können Sie auch andere führen.
 

Zusammenfassung

Rah­menbe­din­gun­gen für wirksame Führung

Gute Führung kann sich nur unter den richtigen Rah­menbe­din­gun­gen entwickeln. Die folgenden Aspekte sollten Sie besonders beachten:

  • Verständnis von Arbeit: Aufgrund der kulturellen und de­mografis­chen En­twick­lun­gen prallen un­ter­schiedliche Ar­beit­se­in­stel­lun­gen aufeinander, mit denen Führungskräfte umgehen müssen. Zudem stehen sie in einem Span­nungs­feld zwischen ihren Vorge­set­zten und ihren Un­tergebe­nen sowie zwischen den Un­ternehmen­szie­len und dem gesellschaftlichen Umfeld. Nur eine gefestigte und souveräne Persönlichkeit kann diese un­ter­schiedlichen An­forderun­gen aushalten und meistern.
  • Un­ternehmen­skul­tur: Sie darf nicht nur prof­i­to­ri­en­tiert sein, sondern muss kulturelle Regeln und Werte umfassen, die un­ter­schiedliche Mitarbeiter zusam­men­hal­ten und es den Führungskräften leicht machen, sich für das Unternehmen einzusetzen.
  • Konkur­ren­zkul­tur: Eine kon­struk­tive Konkur­ren­zkul­tur innerhalb der Firma orientiert sich an gemeinsamen Zielen und fördert die Potenziale und Qual­i­fika­tio­nen aller Mitarbeiter. Eine negative Konkur­ren­zkul­tur, in der jeder bestrebt ist, die eigenen Macht­po­si­tio­nen zu verteidigen, läuft Gefahr, hoch qual­i­fizierte Mitarbeiter zu vertreiben.
  • Kom­pe­ten­zfelder: An erster Stelle braucht eine Führungskraft psy­chol­o­gis­ches Verständnis und soziale Fähigkeiten, um die eigene Wirkung sowie die Mi­tar­beit­erkom­pe­ten­zen einschätzen zu können. Zudem muss sie fachlich genügend qual­i­fiziert sein, um die Leistungen ihrer Mitarbeiter bewerten zu können. Schließlich sind Man­age­men­tqualitäten in kaufmännischer und ergeb­nisori­en­tierter Führung von Belang.

Führungsstile im Vergleich

Jeder Führungsstil hat seine Vor- und Nachteile – je nach Situation. Insofern gibt es keinen eindeutig richtigen oder falschen Stil. Bleiben Sie flexibel und klammern Sie sich nicht an eine einzige Theorie. Die wichtigsten Führungstypen sind:

  • Der Charis­matiker: Er ist fähig, in seiner Umgebung starke Gefühle auszulösen und seine Mitarbeiter zu guten Leistungen anzuspornen. Andere hochrangige Mitarbeiter ver­schwinden jedoch leicht in seinem Schatten. Verlässt er das Unternehmen, kann dieses ori­en­tierungs­los werden.
  • Der Patriarch: Er steht oft kleinen Betrieben, manchmal aber auch großen Konzernen vor. In kleinen Unternehmen pflegt er un­mit­tel­baren Kontakt zu den Kunden und Lieferanten. Seine Mitarbeiter arbeiten ihm direkt zu, weshalb solche Betriebe keinen guten Nährboden für andere Führungskräfte bieten.
  • Der Dulder: Sein Laisser-faire-Stil bedeutet, dass er sich zurückhält, keine Konflikte her­auf­beschwört und im Streitfall Konsens herstellt. Vor allem im mittleren Management kom­pen­sieren Führungskräfte oft ihre Sand­wich­po­si­tion, bei der sie Druck von oben und von unten aushalten müssen, indem sie die Ve­r­ant­wor­tung für das Handeln ihrer Un­tergebe­nen denen selbst überlassen. In schwierigen Zeiten bietet der Laisser-faire-Stil keine klare Ori­en­tierung.
  • Die Autorität: Der autoritäre Führungsstil spricht den Mi­tar­beit­ern eine innere Motivation für ihre Leistungen ab. Bei Aufgaben werden sie genauestens angeleitet, wobei die Führungskraft die Ve­r­ant­wor­tung behält. Dieser Führungsstil ist kaum geeignet, auf­strebende Mitarbeiter ins Unternehmen zu ziehen oder sie zu halten. Er kann allerdings in Aus­nahme­si­t­u­a­tio­nen, z. B. während Krisen, sinnvoll sein.
  • Der Kooperateur: Er baut auf part­ner­schaftliche, gle­ich­berechtigte, informelle, kom­pe­tenzbe­zo­gene und persönliche Beziehungen. Er kann zum Problem werden, wenn er einzelne Beziehungen in­ten­siviert und wenn dadurch die Gle­ich­be­hand­lung aller Mitarbeiter leidet. In Krisen­zeiten kann der fre­und­schaftliche Umgangston zum Ballast werden.
  • Der Flexible: Der situative Führungsstil passt sich den An­forderun­gen und dem Reifegrad der Mitarbeiter an. Sie erhalten Un­ter­weisun­gen, wenn sie den Auf­gaben­stel­lun­gen nicht gewachsen sind. Bei Son­der­auf­gaben ist es u. U. nötig, dass die Führungskraft Mitarbeiter mit mäßiger Reife von ihrem Potenzial überzeugt. Gegenüber Mi­tar­beit­ern mit einem hohen Reifegrad verhält sich die Führungskraft sehr beziehungs- und weniger auf­gabenori­en­tiert. Besonders reife Mitarbeiter können auch auf die persönliche Beziehung verzichten. Ihnen können Aufgaben und Ve­r­ant­wor­tun­gen delegiert werden, und sie wissen den großen Spielraum zu nutzen.
  • Der Autonome: Dieser Führungsstil geht davon aus, dass die Mitarbeiter intrinsisch motiviert sind und von sich aus Optimales leisten würden, wenn man nur die einschränkenden Normen abbaute. Es besteht aber die Gefahr, dass sich egoistische Be­stre­bun­gen durchsetzen oder dass das gemeinsame Un­ternehmen­sziel in zahlreiche In­di­vid­u­alziele aufge­s­plit­tet wird, was zu Chaos und Des­ori­en­tierung führt.

Wertvolle Tugenden

Eine Führungspersönlichkeit muss nicht alles können. Die folgenden Qualitäten aber sollten Sie mitbringen:

  • Disziplin: Sie müssen bereit sein, persönliche Privilegien zugunsten der Gemein­schaft aufzugeben, zuverlässig, berechenbar, vorbildhaft und konsistent zu bleiben und Zeit für die Belange der Mitarbeiter aufzubrin­gen. Amerikanis­che Wis­senschaftler haben in ver­gle­ichen­den Studien fest­gestellt, dass Disziplin erfolgsfördernder ist als ein hoher IQ.
  • Mut: Er kann bedeuten, dass Sie auf der Grundlage des Vertrauens in Ihre eigene Kompetenz Vorgaben von Vorge­set­zten infrage stellen, anstatt sie kritiklos Ihren eigenen Mi­tar­beit­ern überzustülpen. Mut fordert auch die Fähigkeit zur Kritik an der eigenen Person.
  • Stärke: Eine starke Persönlichkeit entwickeln Sie, indem Sie schwierige Situationen meistern und an Fehlern wachsen. Weil starke Persönlichkeiten das Potenzial und die Autonomie ihrer Mitarbeiter fördern, folgen diese ihnen freiwillig.
  • Authentizität: Mitreißende Führungspersönlichkeiten zeichnen sich durch ihre Echtheit aus. Gespieltes Verhalten verschleißt nur Energie.
  • Emotionale Intelligenz: Um andere Menschen zu führen, reichen in­tellek­tuelle Fähigkeiten nicht aus. Sie müssen Ihre eigenen Emotionen und die Ihrer Mitarbeiter kennen, um sie konstruktiv zu nutzen.
  • Visionäres Denken: Eine Vision geht über konkrete Un­ternehmen­sziele hinaus. Sie schweißt zusammen, stiftet Sinn und beflügelt die Arbeit. Ein Beispiel für eine Vision wäre, sich für eine gesündere Umwelt einzusetzen. Apple-Gründer Steve Jobs hatte die Vision, dass auf jedem Schreibtisch ein Computer steht.

Autorität und Macht

Sie müssen un­ter­schei­den zwischen der Amtsautorität, die verliehen wird, der Fachautorität, die Sie durch Ihre Qual­i­fika­tio­nen und Erfahrungen erwerben, und Ihrer persönlichen Autorität, die auf Ihren Charak­tereigen­schaften, Wertvorstel­lun­gen und Glaubenssätzen beruht. Im Idealfall wirken alle drei zusammen. Bei der Menschenführung ist jedoch die persönliche Autorität auss­chlaggebend. Dass Mitarbeiter allein aufgrund ihrer fachlichen Qual­i­fika­tion zu Führungskräften aufsteigen, wie es in der Praxis oft geschieht, ist prob­lema­tisch, da die neue Rolle gänzlich andere An­forderun­gen stellt.

„Viele Unternehmen beurteilen die Leistung der Führungskräfte nach deren Produktivitäts- und Um­satz­zahlen, nicht jedoch nach der Qualität der Führung.“

Führungskräfte haben durch ihre Position de facto Macht über andere, da sie deren Verhalten sank­tion­ieren können. Wer Macht hat, muss sie umsichtig einsetzen, damit er von den Mi­tar­beit­ern als Führungskraft akzeptiert wird – so gesehen ist Macht auch relativ.

Entscheiden als Haup­tauf­gabe von Führungskräften

Entschei­dun­gen werden meist dann notwendig, wenn ein Problem auftaucht. Sammeln Sie in diesem Fall so viele In­for­ma­tio­nen wie möglich über den zu entschei­den­den Sachverhalt. Die Ursache des Problems gibt meist bereits erste Hinweise auf seine Lösung.

„Führungskräfte sind sich der Werkzeuge der Ma­nip­u­la­tion bewusst und setzen sie zum Wohle der Or­gan­i­sa­tion und ihrer Ziele ein.“

Zögern Sie Entschei­dun­gen nicht hinaus. Bedenken Sie alle Kon­se­quen­zen der Hand­lungsalter­na­tiven – also nicht nur die ökonomischen –, um mögliche Fol­geprob­leme zu verhindern. Dringliche Entschei­dun­gen können Sie auch spontan fällen. Treffen Sie Ihre Entschei­dun­gen stets mit Kopf und Bauch. Sie können Ihre Mitarbeiter in Entschei­dung­sprozesse einbeziehen, die letzte Entschei­dung sollte jedoch von demjenigen getroffen werden, der die Ve­r­ant­wor­tung für die Umsetzung übernimmt.

Wichtige Hand­lungs­maxi­men er­fol­gre­icher Führungskräfte

Egal, welchen Führungsstil Sie pflegen – die folgenden Hand­lungs­maxi­men haben sich in der Praxis bewährt:

  • Richtige Mitarbeiter finden: Haben Sie den Mut, Bewerber einzustellen, die anders sind als Sie selbst. Zu ähnliche Menschen nehmen einen gemeinsamen blinden Fleck nicht wahr.
  • Flow: Finden Sie bei Ihren Mi­tar­beit­ern den Mittelweg zwischen Über- und Un­ter­forderung, zwischen Stress und Langeweile. Wer sich auf diesem Grat bewegt, gelangt einfacher in den „Flow-Zu­s­tand“, der optimale Ar­beit­sergeb­nisse her­vor­bringt. Beachten Sie nicht nur die Fähigkeiten und die Reife Ihrer Mitarbeiter, sondern auch deren Vorlieben, beispiel­sweise ob sie lieber alleine oder im Team arbeiten.
  • Kritik an der Führung: Akzeptieren Sie Kritik an Ihrer Person, sofern sie konstruktiv und sachlich ist sowie positiven Zielen dient.
  • Nicht motivieren: Äußere Anreize, Merksätze und Belohnungen motivieren nur kurzzeitig und müssen daher wiederholt oder sogar verstärkt werden. Bauen Sie stattdessen auf die innere Motivation Ihrer Mitarbeiter, auf ihre Neugierde und ihr Interesse. Sind Sie mit den Ergebnissen eines Mi­tar­beit­ers unzufrieden, führen Sie mit ihm ein Ko­r­rek­turge­spräch.
  • Arbeitssinn: Jedem Mitarbeiter muss klar sein, inwiefern er mit seinem Beitrag dem Unternehmen nützt.
  • Delegieren: Delegieren ist die beste Methode, sich selbst zu entlasten und die Mitarbeiter zu fördern. Setzen Sie diese gemäß ihren Fähigkeiten ein. Delegieren Sie sys­tem­a­tisch: Halten Sie Zielsetzung, Zwis­chen­ziele, Kon­troll­ter­mine und die beteiligten Mitarbeiter fest.
  • Ma­nip­u­la­tion: Man kann nicht nicht ma­nip­ulieren. Allein die Anwesenheit oder der Blick eines Menschen verändern das Verhalten des anderen. Es kommt darauf an, die Werkzeuge der Ma­nip­u­la­tion zum Wohl der Or­gan­i­sa­tion und gemäß einem am Menschen ori­en­tierten Wertesys­tems einzusetzen.
  • Angst: Sie sollte kein Instrument für Motivation sein. Eingeschüchterte Menschen liefern schlechtere Leistungen ab und arbeiten weniger eigenständig.
  • Schriftlichkeit: Mündliche Absprachen werden weniger beachtet und umgesetzt als schriftliche. Drücken Sie sich präzise aus und vermeiden Sie Konjunktive oder verdeckte Botschaften.
  • Trennen: Mitarbeiter, die nicht die gewünschte Leistung erbringen, richten einen beträchtlichen gesamtwirtschaftlichen Schaden an und de­mor­al­isieren das Team. Haben Sie daher den Mut, sich für die Trennung von solchen Mi­tar­beit­ern einzusetzen.
  • Stress: Führungskräfte sind besonders anfällig für Stress, Erschöpfung und Burn-out. Verdrängen Sie erste Alarm­sig­nale nicht, sonst droht eine Neg­a­tivspi­rale. Sorgen Sie für eine aus­re­ichende Work-Life-Bal­ance. In fort­geschrit­tenem Stadium ist pro­fes­sionelle Hilfe unerlässlich.
  • Vision: Ihre wichtigste Führung­sher­aus­forderung ist Ihre eigene Selbst- und Lebensführung. Nur wer sich selbst führen kann, kann auch andere führen. Orientieren Sie sich daran, wie Sie dereinst in Erinnerung bleiben möchten.

Über den Autor

Werner Katzen­gru­ber studierte Psychologie und Be­trieb­swirtschaft. Außerdem ließ er sich in ver­schiede­nen Ther­a­piefor­men sowie als Coach und Per­sonal­diag­nos­tiker ausbilden. 1997 gründete er die Un­ternehmens­ber­atung Katzen­gru­ber Human Development Group.