Managerismus

Buch Managerismus

Unternehmensführung in der Not

Wiley-VCH,


Rezension

Fi­nanz­mark­tkrisen, Verfall der Werte im Geschäftsleben, Ver­trauensver­lust in der sozialen Mark­twirtschaft – all das beklagt Manfred Hoefle. Ve­r­ant­wortlich dafür macht er die selbstsüchtigen „Man­ageris­ten“ bzw. deren Entourage an Beratern, ihr kurzfristiges Denken und ihre überhöhten Gehälter. Hoefle nimmt kein Blatt vor den Mund, nennt Namen und ruft zur öffentlichen Ächtung der „Man­ageris­ten“ auf. Denn das sei es, was diese Selb­st­darsteller am härtesten träfe. Er schlägt teilweise radikale Maßnahmen vor, etwa die Abschaffung von Quar­tals­berichten oder eine Maximalgröße für Firmen. „Gute“ Unternehmer im Sinne Hoefles und Politiker finden hier pointierte Argumente gegen exzessive Vergütungen, gegen das Share­holder-Value-Denken und gegen staatliche Rettungsmaßnahmen. BooksInShort empfiehlt das Buch allen Geschäftsführern, Vor­standsmit­gliedern, Aufsichtsräten und politischen Entschei­dern – auch und gerade solchen, die den Status quo verteidigen wollen.

Take-aways

  • Man­ageris­ten sind Führungskräfte, die letztlich nur das eigene Wohl im Sinn haben.
  • Für man­ageris­tisch geführte Unternehmen stehen Gewin­n­max­imierung und Wachstum im Vordergrund.
  • Man­ageris­ten denken kurzfristig und sind Befürworter des Share­holder-Value-Ansatzes, der alleinigen Ori­en­tierung am Aktionariat.
  • Sie werden durch exzessive Gehälter und prestigeträchtige Führungspo­si­tio­nen angelockt.
  • Im Zentrum einer nach­halti­gen Un­ternehmensführung steht Robustheit, die auf Ve­r­ant­wor­tung gründet.
  • Führungskräfte müssen sich für langfristig orientierte Kernaktionäre einsetzen und den Kunden wieder in den Mittelpunkt stellen.
  • Ve­r­ant­wor­tungs­be­wusste Unternehmer wollen in erster Linie die Wertschöpfungstiefe erhöhen.
  • Um die Ausbreitung des Man­ageris­mus zu stoppen, braucht es eine starke, unabhängige Un­ternehmen­sauf­sicht und gesetzliche Vorschriften.
  • Die Ausgaben für Berater und die Vor­stands­gehälter müssen veröffentlicht werden.
  • Die Politik sollte eine Maximalgröße für Unternehmen vorschreiben, die Quar­tals­berichter­stat­tung abschaffen und die persönliche Haftung durchsetzen.
 

Zusammenfassung

Phänomen Man­ageris­mus

Wenn selbstsüchtige, rein prof­i­to­ri­en­tierte Manager ein Unternehmen penetrieren, dann liegt Man­ageris­mus vor – ein Begriff, der gewollt abwertend klingt. Man­ageris­ten sind nur auf den eigenen Vorteil bedacht und treten meist mit einem Gefolge von Beratern und Bankern auf.

„Die un­heil­vollen Auswüchse des Man­ageris­mus konzen­tri­eren sich in einem Genre von Unternehmen, die eng mit dem Kap­i­tal­markt verbunden sind und von Managern geleitet werden, denen das eigene Wohl wichtiger ist als das des Un­ternehmens.“

Seine Wurzeln hat der Man­ageris­mus im Taylorismus, der die arbeitenden Menschen als aus­tauschbare Ressourcen betrachtet. Hinzu kam in den 1980er Jahren die Entwicklung des Share­holder-Value-Konzepts, das die Wert­steigerung für die Eigentümer des Un­ternehmens über das Wohl der anderen Stakeholder, wie Kunden oder Mitarbeiter, stellt. Mit der Glob­al­isierung schwappte diese amerikanis­che Sichtweise auf Europa über. Die Ablösung des ehrbaren Kaufmanns durch den Kap­i­tal­is­ten – heute oftmals in Gestalt des Pri­vate-Eq­uity- oder Hedge­fonds-Man­agers – zeugt vom Wertev­er­fall: Spekulation verdrängt die Sparsamkeit, Vorteil­snahme die Ehrlichkeit, und die Unternehmen werden zu Spielbällen der Man­ageris­ten.

Gewin­n­max­imierung

Das Streben nach Gewin­n­max­imierung geht mit einer starken Share­holder-Value-Ori­en­tierung einher. Der Kap­i­tal­markt verlangt von den Unternehmen eine ständige Steigerung des Gewinns. Man­ageris­ten werden darum erfind­erisch und betätigen sich auch bei Geschäften, die nicht dem Kunden dienen.

„Robuste Unternehmen sind kom­pro­miss­los am Kunden orientiert und streben unablässig nach Innovation und Perfektion.“

Ein Beispiel ist der Eigenhandel der Banken: Die Institute tätigen Transak­tio­nen für sich selbst statt für den Kunden und spekulieren mit dessen Geld. Statt Nach­haltigkeit zu propagieren und In­no­va­tio­nen vo­ranzutreiben, setzen Man­ageris­ten auf ge­ografis­che Expansion und die Übernahme anderer Unternehmen. Dadurch soll der Gewinn, und somit der Bonus des Man­ageris­ten, rasch gesteigert werden. Ein gutes – oder eben schlechtes – Beispiel für die starke Ori­en­tierung an den Aktionären ist der US-Mis­chkonz­ern General Electric bzw. dessen ehemaliger CEO und Börsenstar Jack Welch. Aber auch der Deutsche Jürgen Schrempp hielt sich in seiner Zeit als Vor­standsvor­sitzen­der von Daimler an diese Doktrin.

Drang nach Größe

Groß muss nicht immer gut heißen. Dennoch streben von Man­ageris­ten geführte Unternehmen danach, Marktführer zu werden. Ist das Unternehmen nicht bei der Pro­duk­tqualität führend oder besonders in­no­va­tions­freudig, muss eben der Wettbewerb zurückgedrängt werden. Strafen für Unternehmen wie ABB oder ThyssenK­rupp zeugen von den daraus folgenden, bisweilen unerlaubten Machen­schaften. Großunternehmen leben ihre Macht aus, indem sie die Preise bei den Lieferanten drücken und auf der Verkauf­s­seite durch geschicktes Marketing Pre­mi­umpreise erzielen. Sie setzen auf Größenvorteile: Hohe Stückzahlen machen niedrige Wertschöpfung und fehlende In­no­va­tio­nen wett. Doch Größenvorteile nehmen ab einem bestimmten Punkt ab, die Bürokratie nimmt überhand. Außerdem verlieren die Mitarbeiter den Bezug zum Un­ternehmen­skoloss.

Kurzfristiges Denken

Man­ageris­ten sind Op­por­tunis­ten. Sie bedenken zwar den nächsten Schritt und seine Auswirkun­gen auf ihr eigenes Wohlbefinden, doch die langfristige Vision fehlt ihnen. Eine Re­or­gan­i­sa­tion jagt die nächste – Hauptsache, der Managerist hat dem Unternehmen seinen Stempel aufgedrückt. Ein Symptom dieser kurzfristi­gen Ausrichtung ist die Quar­tals­berichter­stat­tung – für die meisten börsen­notierten Unternehmen eine Pflicht. Ihre Befürworter behaupten, sie bringe Transparenz für die Anleger. In Wahrheit dient sie vor allem den Analysten, deren Aufgabe es ist, die richtigen Zahlen alle drei Monate möglichst genau vorherzusagen. Langfristig orientierte Anleger in­ter­essieren sich nicht für die leicht zu ma­nip­ulieren­den Quar­tal­szahlen. Schließlich ist es die Regel, dass die Ergeb­nisen­twick­lung eines Un­ternehmens in Zyklen verläuft. Um aber dem Finanzmarkt einen stabilen Aufwärtstrend vorzu­gaukeln, müssen Un­ternehmenslenker tricksen und die Ergebnisse glätten – die ehemaligen Aktionäre des bankrottge­gan­genen US-Energiehändlers Enron können ein Lied davon singen.

Exzessive Vergütungen

Man­ageris­ten verwechseln Unternehmen mit Selb­st­be­di­enungsläden. Bereits in den 1980er Jahren schrie die Bevölkerung auf, als sich die Schere zwischen der Vergütung von Führungskräften und jener von Mi­tar­beit­ern weiter auftat. Im Jahr 2007 verdiente ein Vor­standsvor­sitzen­der 275 Mal so viel wie ein Arbeiter; gemäß anderen Berech­nun­gen sogar das 400-Fache. Natürlich tragen Führungskräfte mehr Ve­r­ant­wor­tung als andere Angestellte, doch das recht­fer­tigt nicht diese unverhältnismäßig hohen Gehälter.

Glamour an der Führungsspitze

Klaus Kleinfeld, der Ex-Siemens-Vor­stand, und Ron Sommer, der ehemalige Vor­standsvor­sitzen­der der Deutschen Telekom, sind gute Beispiele für Selb­st­darsteller an der Un­ternehmensspitze. Man­ageris­ten sind ihrer Eitelkeit verpflichtet und schmettern Kritik ab. Das verhindert, dass Fehler zugegeben und Kursko­r­rek­turen vorgenommen werden. Mitarbeiter sind für solche Manager bloß ein Mittel zum Zweck, das man kon­trol­lieren muss. Dass das Wohl des Un­ternehmens nicht erste Priorität genießt, liegt auf der Hand: Der Managerist trachtet vielmehr danach, sein Imperium aufzubauen und etwas zu hin­ter­lassen, was an ihn erinnert – etwa einen überdi­men­sion­ierten neuen Firmensitz.

Kostenabwälzung auf die Gemein­schaft

Ex­ter­nal­isierung bedeutet, dass die negativen Folgen einer Handlung oder Transaktion Un­beteiligte betreffen. Man­ageris­ten versuchen z. B. zu profitieren, indem sie möglichst viele Kosten auf den Steuerzahler abwälzen. Sie verlagern die Produktion ohne Rücksicht auf die Arbeitsplätze in Länder, die es mit dem Umweltschutz nicht so genau nehmen. Sie bestechen Entschei­dungsträger, um öffentliche Aufträge zu überhöhten Preisen zu erhalten. Gle­ichzeitig nutzen man­ageris­tisch geführte Unternehmen fleißig staatliche Beihilfen oder lassen sich – wie die Finanzkrise gezeigt hat – gar vollständig vom Steuerzahler vor dem Konkurs retten.

Un­zure­ichende Corporate Governance

Das Thema Corporate Governance wurde in den vergangenen Jahren zwar heftig diskutiert, dennoch kann weiterhin nicht von einer stimmigen und aus­re­ichen­den Regulierung gesprochen werden. In­ter­essenkon­flikte in den Un­ternehmensgremien stehen an der Tage­sor­d­nung: Vor­standsmit­glieder von Dax-Firmen fungieren als Aufsichtsräte in anderen börsenkotierten Gesellschaften, deren Di­rek­to­ri­umsmit­glieder zu ihren Bekannten gehören. Statt Aufsicht wird kollegiale Rück­sicht­nahme geübt, man leistet sich Fre­und­schafts­di­en­ste. Um sich den Anschein geset­zestreuen Gebarens zu geben, wird ein „Corporate Compliance Officer“ installiert: Dieser ist offiziell dafür zuständig, dass das Unternehmen Vorschriften einhält und dass die interne Kontrolle funk­tion­iert – nur ein weiteres bürokratis­ches Element, das die Un­ternehmenslenker von ihrer Ve­r­ant­wor­tung befreit.

Die Kaste der Man­ageris­ten und ihre Helfer

Man kann durchaus von einer Kaste der Man­ageris­ten sprechen: Sie sind eine Gruppe, die sich mithilfe von Sta­tussym­bolen vom Durch­schnitt abzuheben versucht, die unter sich bleibt und der Reichtum und Macht wichtiger sind als persönliche Bindung und Ve­r­ant­wor­tung. Die Konkurrenz un­tere­inan­der ist groß: Wer wird im nächsten Ranking zum Manager des Jahres gewählt? Wessen MBA von welcher Busi­ness-School ist prestigeträchtiger? Der tech­nokratis­che Zugang zum Management, der Fokus auf Ex­cel-Sheets statt auf weiche Faktoren wie z. B. die Un­ternehmen­skul­tur verstellt den Man­ageris­ten den Blick auf das System als Ganzes. Daher brauchen sie parasitäre Helfer, die sich Man­age­ment-Con­sul­tants nennen. Diese wollen aber auch nichts weiter als Geld verdienen und die neueste Man­age­ment­mode verkaufen.

Maßnahmen für eine ve­r­ant­wor­tungsvolle Un­ternehmensführung

Von alleine werden sich die Man­ageris­ten nicht ändern. Sie weit­er­ma­chen zu lassen wie bisher können wir uns aber nicht leisten – denn der Ver­trauensver­lust in der Wirtschaft greift auch auf die Gesellschaft über; die Mark­twirtschaft selbst gerät in die Krise. Der erste Schritt lautet daher: öffentliche Ächtung der Man­ageris­ten. Sie müssen dort gepackt werden, wo es ihnen am meisten wehtut – bei ihrer Eitelkeit. Was können Sie darüber hinaus in Ihrem Unternehmen tun?

  • Unternehmen müssen sich neu orientieren, sozusagen ihr Be­trieb­ssys­tem neu aufsetzen. Im Mittelpunkt einer ve­r­ant­wor­tungsvollen, nach­halti­gen Un­ternehmensführung steht die Robustheit des Un­ternehmens. Manager müssen wieder Ve­r­ant­wor­tung für ihr Tun übernehmen und mit ihrem Handel den sozialen Nutzen fördern. Sie sollen Vorbilder für ihre Mitarbeiter sein, was z. B. bedeutet, auf übertriebene Privilegien zu verzichten.
  • Ve­r­ant­wor­tung übernehmen heißt auch, mit seiner Un­ter­schrift zu bürgen. Lassen Sie nicht zu, dass Anträge von mehreren Vor­standsmit­gliedern un­ter­schrieben werden, die sich so aus der Ve­r­ant­wor­tung stehlen wollen.
  • Bemessen Sie Boni nicht anhand eindi­men­sion­aler Ziele.
  • Die Selb­stverpflich­tung zu ordnungsgemäßer Un­ternehmensführung funk­tion­iert nicht, das zeigt die Erfahrung überdeutlich. Setzen Sie sich für entsprechende gesetzliche Vorgaben ein.
  • Räumen Sie persönlichen Gesprächen den Vorrang vor E-Mails und Pow­er­point-Präsentationen ein. Führungskräfte dürfen nicht von der Realität abgeschnit­ten sein.
  • Flexibilität ist unabdingbar: Ersetzen Sie Budgetpläne durch Aktionspläne.
  • Stellen Sie sicher, dass der Un­ternehmen­szweck nicht nur als fi­nanzieller Gewinn definiert wird, sondern auch als gesellschaftlicher Beitrag.
  • Achten Sie darauf, dass der Firma zu jeder Zeit genügend liquide Mittel zur Verfügung stehen und dass sich die Mitarbeiter mit der Un­ternehmen­skul­tur iden­ti­fizieren. Das sichert den Fortbestand des Un­ternehmens.
  • Binden Sie wertschöpfung­sori­en­tierte Kernaktionäre an den Betrieb. Die Mitarbeiter brauchen das sichere Gefühl, das eine stabile Eigentümerstruktur mit sich bringt, um sich ohne Ar­beit­splatz­sor­gen ihrer Tätigkeit widmen zu können.
  • Stellen Sie wieder den Kunden statt das am Kap­i­tal­markt orientierte Kosten-Nutzen-Denken in den Mittelpunkt.
  • Übernehmen Sie nur in Ausnahmefällen andere Unternehmen; legen Sie stattdessen Wert auf die kon­tinuier­liche Verbesserung der eigenen Fähigkeiten.
  • Erhöhen Sie die Wertschöpfungstiefe und verringern Sie das Outsourcing.
  • Führen Sie mit einer langfristi­gen Perspektive, re­spek­tieren Sie Ihre Mitarbeiter und besetzen Sie Führungspo­si­tio­nen mit bestehendem Personal.
  • Eine dezentrale, flache und vernetzte Or­gan­i­sa­tion vermindert Bürokratie und fördert das un­ternehmerische Denken.

Was die Politik tun muss

Die Politik sollte eine Maximalgröße für Unternehmen vorschreiben, die Quar­tals­berichter­stat­tung abschaffen, die persönliche Haftung durchsetzen und die unabhängige Un­ternehmen­sauf­sicht stärken. Ausgaben von Unternehmen für Lobbying und Berater sowie die Vor­stands­gehälter sind zu veröffentlichen. Vergütungen sollten einen nicht monetären Anteil beinhalten und nicht an den Aktienkurs gekoppelt sein.

Über den Autor

Manfred Hoefle studierte Wirtschaftswis­senschaft in St. Gallen und war danach bei einem Konzern in diversen Positionen im Bereich Strategie und Or­gan­i­sa­tion beschäftigt. Er gründete ein Tech­nolo­gie­un­ternehmen und berät Jun­gun­ternehmer. Unter www.​managerismus.​com stellt er weitere In­for­ma­tio­nen zum Thema zur Verfügung.