Was ist gute Werbung?
Um die Wirkung ihrer Werbung zu ĂŒberprĂŒfen, lassen viele Unternehmen aufwĂ€ndige Befragungen und Studien durchfĂŒhren. Bewerten die Kunden z. B. einen TV-Spot positiv, gehen die VeÂrÂantÂwortlichen im Unternehmen davon aus, dass er auch seinen Zweck erfĂŒllen wird. Aber der Gradmesser fĂŒr erÂfolÂgreÂiche Werbung ist nicht, ob der Kunde das Produkt gut findet, sondern ob er es kauft â ein wenig beachteter, aber entscheiÂdenÂder Unterschied. Bewertungen laufen bewusst ab, WĂŒnsche entstehen dagegen in den evolutionĂ€r Ă€lteren GehirnÂbereÂichen und damit auf einer wesentlich primÂiÂtivÂeren Ebene. Werbung erreicht ihr Ziel, wenn sie die BedĂŒrfnisse der Kunden anspricht und positive Emotionen weckt. Dazu muss sie passgenau auf die Zielgruppe zugeschnitÂten sein. GenÂder-MarÂketÂing, also Werbung speziell fĂŒr MĂ€nner oder Frauen, ist ein Schritt in diese Richtung.
Alles gleich â oder doch nicht?
Lange Zeit war man der Meinung, dass mĂ€nnliches bzw. weibliches Verhalten nur von Erziehung und Gesellschaft geprĂ€gt wird. Doch neue wisÂsenschaftliche ErkenÂntÂnisse, insÂbesonÂdere der HirnÂforschung, zeigen: Es gibt tatsĂ€chlich typisch mĂ€nnliche und weibliche VerÂhalÂtensweisen, und sie haben biologische Ursachen. Schon im Mutterleib entwickeln sich die Gehirne von MĂ€dchen und Jungen unÂterÂschiedlich. Ein mĂ€nnlicher Fötus produziert Testosteron, ein weiblicher nicht. Testosteron sorgt fĂŒr das Wachstum der rechten GehirnhĂ€lfte, die u. a. fĂŒr die rĂ€umliche OriÂenÂtierung zustĂ€ndig ist. Ohne Testosteron bildet sich die linke GehirnhĂ€lfte stĂ€rker aus und mit ihr die KomÂmuÂnikaÂtionsfĂ€higkeit. UneingeschrĂ€nkt veÂrÂallÂgeÂmeinÂern lassen sich diese ErkenÂntÂnisse natĂŒrlich nicht â selbstverstĂ€ndlich gibt es auch MĂ€nner mit typisch weiblichen QualitĂ€ten und umgekehrt. Klar ist aber: Hormone steuern unser Verhalten ein Leben lang. HormonverĂ€nderungen wĂ€hrend SchwangerÂschaft und Geburt z. B. haben einen Einfluss auf das Gehirn, sodass die Sorge um das Wohlergehen des Kindes in den Vordergrund rĂŒckt. Solange die Firma Pampers ihre Windeln als ErÂleÂichterung fĂŒr die SĂ€uglingspflege anpries, reagierten die Kundinnen kaum darauf. Erst als die PamÂpers-WerÂbung das Wohl des Babys in den Mittelpunkt stellte, wurde die Marke erfolgreich.
MĂ€nnliche Werbung, weibliche Kunden
Werbung wird noch immer vorwiegend von MĂ€nnern gemacht und orientiert sich an deren Vorlieben. Dass inzwischen auch viele Frauen in der WerÂbeÂbranche tĂ€tig sind, Ă€ndert daran nichts â auch sie haben eine entsprechende Ausbildung durchlaufen und die Regeln der MĂ€nner fĂŒr gute Werbung gelernt. GleÂichzeitig werden aber die meisten KaufentscheiÂdunÂgen von Frauen getroffen. Frauen kaufen erÂwiesenÂermaĂen lieber ein als MĂ€nner, und oft erledigen sie gleich den Einkauf fĂŒr die gesamte Familie. Andere KaufentscheiÂdunÂgen trifft der Mann gemeinsam mit der Partnerin. Studien haben gezeigt, dass nur etwa 10 % der MĂ€nner jemals allein ein MöbelstĂŒck gekauft haben. Kein Wunder also, dass Werbung oft ihr Ziel verfehlt â die Botschaft geht schlichtweg an der Zielgruppe vorbei. Werbung, die Frauen anspricht, braucht allerdings auch HinÂterÂgrundÂwisÂsen, wie das Beispiel Dell zeigt: Der ComÂputÂerÂherÂsteller wollte eine Website speziell fĂŒr weibliche Kunden einrichten. Diese bediente jedoch so viele Klischees, dass man statt MarkÂtanÂteilen nur Hohn und Spott erntete. Schon nach wenigen Tagen war die Seite wieder weg vom Netz. Der ImÂageschaden fĂŒr Dell war enorm.
MĂ€nnliche und weibliche Produkte
Studien zeigen, dass wir â oft unbewusst â viele GegenstĂ€nde als mĂ€nnlich oder weiblich klasÂsiÂfizieren. Schmuck z. B. gilt bei vielen Befragten als weiblich, VerÂsicherunÂgen gelten als mĂ€nnlich. Frauen konnten sich mit einem schwarzen Chefsessel kaum idenÂtiÂfizieren, mit einem creÂmeÂfarÂbeÂnen Modell hingegen schon. BĂŒcher sind eher weiblich, Autos mĂ€nnlich, Zeitungen ebenso â deshalb bieten sie neuen Abonnenten auch gerne TaschenÂmesser oder schwarze Koffersets an. Elektrische Werkzeuge werden ebenfalls, allen BemĂŒhungen mancher BauÂmarkÂtketÂten zum Trotz, als eindeutig mĂ€nnlich wahrgenomÂmen. Die Frage lautet natĂŒrlich: Wie kann man das Interesse von Frauen an einem mĂ€nnlichen Produkt wecken? Viele Firmen â etwa im Bereich technischer Produkte â machen es sich leicht: Das Modell fĂŒr Frauen ist etwas kleiner als jenes fĂŒr MĂ€nner, und mit einiger WahrscheinÂlichkeit ist es rosa. Doch ganz so einfach ist es nicht. Welche Frau geht schon mit einem rosa Laptop in eine Besprechung? TatsĂ€chlich zeigen UnÂterÂsuchunÂgen, dass MĂ€nner und Frauen die gleichen LieblingsÂfarÂben haben. Bei beiden Geschlechtern liegen Blau, Rot und GrĂŒn ganz vorn.
MĂ€nner und Frauen beim Einkauf
MĂ€nner kaufen nicht gerne BeÂdarfÂsarÂtikel wie Kleidung oder Möbel. Kommen sie nicht darum herum, wĂ€hlen sie den erstbesten Gegenstand, der ihren VorstelÂlunÂgen entspricht. Freude macht ihnen das Einkaufen dann, wenn sie das Objekt als Luxus ansehen, z. B. bei ElekÂtronÂikarÂtikeln oder Sportzubehör. MĂ€nner wollen nicht lange InÂforÂmaÂtioÂnen durchlesen, sondern selbst ausÂproÂbieren, wie etwas funkÂtionÂiert. Sie lieben Expertentum, kaufen gern Produkte âvom SpezialÂisÂtenâ oder âfĂŒr Kennerâ. Auch Faktoren wie Leistung, StĂ€rke und AggressivitĂ€t kommen gut an. Frauen dagegen genieĂen das Shopping, vor allem bei Kleidung, Kosmetika, Möbeln oder anderen WohnacÂcesÂsoires. Sie kaufen nicht einfach das Erstbeste, sondern informieren sich ĂŒber das gesamte Angebot, weil sie eine optimale EntscheiÂdung treffen wollen. Frauen denken wesentlich vernetzter als MĂ€nner und können deshalb auch die KonÂseÂquenÂzen einer Handlung besser abschĂ€tzen. WĂ€hrend ein Mann eher spontan kauft und darauf baut, dass er eine FehlentscheiÂdung spĂ€ter korrigieren kann, wollen Frauen Fehler vermeiden und nehmen sich viel Zeit fĂŒr die Auswahl.
âDie Werbung, die Menschen â angeblich â am besten gefĂ€llt, ist nicht dieselbe Werbung, auf die ihr Gehirn anspringt und die womöglich zum Kauf veranlasst.â
MĂ€nner sind eher auf GegenstĂ€nde fixiert, Frauen auf Menschen, das zeigen schon Tests an NeugeÂboreÂnen. Deshalb stellt die von MĂ€nnern geprĂ€gte Werbung so gern den Gegenstand in den Mittelpunkt, vielleicht ergĂ€nzt um ein paar LeisÂtungsÂdaten. Frauen werden damit allerdings nicht angeÂsprochen. Sie reagieren eher auf Spots, in denen Menschen das Produkt anwenden und in denen Geschichten erzĂ€hlt werden.
ZwisÂchenÂmenÂschliche Beziehungen
MĂ€nner besitzen ein ausgeprĂ€gtes HiÂerÂarÂchiedenken, sie nehmen Hilfe nur ungern an und kaufen lieber ein NavÂiÂgaÂtionÂsÂgerĂ€t, als nach dem Weg zu fragen. 1993 wurden amerikanisÂche Topmanager von der BörseÂnaufÂsicht dazu verdonnert, ihre GehĂ€lter ofÂfenÂzuleÂgen. Damit wollte man ĂŒbertrieben hohe Zahlungen verhindern. Das Gegenteil war die Folge: Es entstanden GehaltÂsranÂglisÂten, die weniger gut Bezahlten wollten mindestens so viel verdienen wie ihre Kollegen, und die GehĂ€lter exÂplodierten. Das mĂ€nnliche HiÂerÂarÂchiedenken hatte gesiegt. MĂ€nner sind risikobereÂiter als Frauen. Vor allem bei jungen MĂ€nnern ist die Zahl derer, die durch riskantes Verhalten ihr Leben lassen, markant höher als bei den Frauen. Und: MĂ€nner lieben die SelbÂstÂdarstelÂlung. WĂ€hrend Frauen in aller Stille veÂrÂantÂworÂtungsÂbeÂwusst ihren Job machen, setzen MĂ€nner ihre Leistungen in Szene. Bei vielen noch archaisch lebenden Völkern sind ĂŒberwiegend die Frauen fĂŒr die NahrungsÂbeschafÂfung zustĂ€ndig. Das wird nicht weiter honoriert. Wenn jedoch die MĂ€nner einmal auf die Jagd gehen, dann muss dieses Ereignis entsprechend zelebriert werden.
âIm Grunde ist es Zufall, was MĂ€nner kaufen. Sie retten sich mit dem ersten Gegenstand, der ihre wenigen AnÂforderunÂgen erfĂŒllt, zur Kasse und danach zum Ausgang.â
Frauen liegt wenig an Hierarchien, aber viel an ausÂgeÂwoÂgeÂnen Beziehungen. Ein VerkĂ€ufer, der sich einer Kundin fachlich ĂŒberlegen fĂŒhlt, wird sie das vielleicht spĂŒren lassen â und hat damit schon verloren. MĂ€nner lösen ihre Probleme gern allein; Frauen fĂŒhlen sich in der Gruppe wohl und teilen Probleme und Geheimnisse mit Freundinnen. Werbung, die eine ProÂtagÂoÂnistin unter ihresÂgleÂichen zeigt, löst bei ihnen positive GefĂŒhle aus. EinzelgĂ€ngerinnen hingegen, womöglich noch in potenziell gefĂ€hrlichen Situationen, sind schlechte AushĂ€ngeschilder.
Humor in der Werbung
Ein Mann, der eine Frau zum Lachen bringen kann, gewinnt ihre Sympathie. Auch in der Werbung mögen Frauen Humor. Allerdings nur dann, wenn sie selbst dabei nicht abgewertet werden. Gerade bei Produkten, die sich ĂŒberwiegend an MĂ€nner wenden, etwa Bier, werden Frauen gerne als hilflos, dĂ€mlich und weltfremd dargestellt. Ein Mann mag das lustig finden, aber selbst wenn das der Fall ist: Frauen lĂ€cherlich zu machen, um damit zu vermitteln, dass das Produkt fĂŒr âechte MĂ€nnerâ gedacht ist, ist keine gute Idee. Die WahrscheinÂlichkeit, dass die Frau dem Mann sein Bier aus dem Supermarkt mitbringt â also die Marke auswĂ€hlt â, ist nĂ€mlich ziemlich hoch. Die Mehrheit aller KaufentscheiÂdunÂgen wird von Frauen getroffen, und das betrifft selbst typische MĂ€nnerÂproÂdukte.
Werbung mit allen Sinnen
Frauen haben insgesamt eine feinere Sinneswahrnehmung als MĂ€nner. Was das Sehen angeht, so sind bei den Frauen die NerÂvenÂzellen, die fĂŒr die Wahrnehmung von Farbe und Form zustĂ€ndig sind, stĂ€rker ausgeprĂ€gt, bei den MĂ€nnern sind es die Zellen fĂŒr die Wahrnehmung von Bewegung. Deshalb mögen MĂ€nner Dinge, die sich bewegen, wĂ€hrend Frauen mehr Wert auf Farben legen. Werbung macht oft LĂ€rm, um AufmerkÂsamkeit zu wecken. Doch eine LautstĂ€rke, die fĂŒr MĂ€nner noch angenehm ist, empfinden Frauen oft schon als störend. Auch ihr Geruchssinn ist sensibler, und fĂŒr InÂforÂmaÂtioÂnen ĂŒber den Tastsinn sind Frauen besonders empfĂ€nglich; sie lieben es, eine Ware anfassen zu dĂŒrfen. Noch bietet die Werbung dafĂŒr viel zu wenige Möglichkeiten.
SexualitÀt in der Werbung
âSex sellsâ, lautet eine alte Regel. Wer aber glaubt, mit viel nackter Haut in der Werbung lasse sich alles verkaufen, der irrt. GrundsĂ€tzlich reagieren MĂ€nner positiv auf die Darstellung nackter Frauen, Frauen jedoch kaum auf die Darstellung nackter MĂ€nner. Es ist also keine gute Idee, Produkte, die sich an Frauen richten, mit viel nackter MĂ€nnerhaut zu bewerben. Aber auch bei MĂ€nnern wirken leicht bekleidete Frauen nur bei jenen Artikeln verkaufsfördernd, durch die sich MĂ€nner bewusst oder unbewusst höhere Chancen bei den Frauen ausrechnen, die sie also mit SexualitĂ€t in Verbindung bringen. Autos gehören dazu; aus diesem Grund gibt es keine Autoschau ohne hĂŒbsche Hostessen. FĂŒr profanere Produkte wie RasierÂschaum dagegen eignet sich diese Art der Verkaufsförderung weniger. Frauen sprechen nicht auf nackte MĂ€nner an, aber durchaus auf solche, die sie als potenziell begehrenswerte Partner einordnen. Meist sind das MĂ€nner, die liebevoll und vertrauenswĂŒrdig wirken. Sie lassen sich in WerÂbeÂbotschaften an Frauen sehr effektiv einsetzen.
Frauen gezielt ansprechen
Ist es gĂŒnstig, Produkte fĂŒr Frauen explizit als solche zu bewerben? Nicht unbedingt. Meistens wird die Botschaft eher indirekt vermittelt, etwa indem ausschlieĂlich Frauen in den Werbespots auftreten. Was man hĂ€ufiger antrifft, ist ein expliziter Hinweis darauf, dass sich ein Produkt an MĂ€nner richtet (z. B. PflegeÂproÂdukte âfor menâ). TatsĂ€chlich macht eine solche âsichtbare Strategieâ fĂŒr MĂ€nner tendenziell mehr Sinn: Ihnen ist es wichtiger, sich vom andern Geschlecht abzugrenzen.
âMit der eingeschlechtlichen KunÂdenÂbindung finanziert man tatsĂ€chlich die AbstoĂung eines anderen Kundenteils.â
Mit neuen, digitalen Medien haben sich in den vergangenen Jahren auch die Möglichkeiten der WerÂbekomÂmuÂnikaÂtion vervielfacht. Umso wichtiger ist es, genau zu planen, wie man welche Zielgruppe am besten erreicht. Einige Werbeformen sind bei Frauen besonders beliebt. Da Frauen KomÂmuÂnikaÂtion auf gleicher Ebene bevorzugen, sind sie ĂŒber DiÂalogÂmarÂketÂing gut zu erreichen. Sie geben auch gerne persönliche EmpfehlunÂgen ab. Und, besonders aktuell: In sozialen Netzwerken sind die Mehrheit der Nutzer Frauen.