Beschäftigungsfähig mit über 40
Gute Mitarbeiter haben vor allem eines: ausreichend Fachwissen. Wer aber eine wirkliche Spitzenkraft sein will, benötigt darüber hinaus jene „weichen“ Faktoren, die einen im Unternehmen unentbehrlich machen: Entscheidungsfähigkeit, Durchsetzungsvermögen, Loyalität, Zuverlässigkeit und Integrität, um nur einige zu nennen. Sich in dieser Hinsicht selbst richtig einzuschätzen, ist gar nicht so einfach. Die Schüchternen zweifeln an ihren Fähigkeiten, und die Selbstbewussten merken nicht, dass sie gar nicht so anerkannt sind. Damit Sie wissen, wie es um Ihre Jobfitness („Employability“) steht, sollten Sie zunächst herausfinden, ob Ihr Name auf der Kündigungsliste ganz oben, ganz unten oder eher in der Mitte auftaucht.
„Fachwissen ist eine notwendige Bedingung dafür, top im Job zu sein, aber keine ausreichende.“
Die Topbesetzung für eine Stelle ist nicht zwangsläufig unter den Twens zu finden. Als Assistentin der Geschäftsleitung z. B. werden nicht selten Bewerberinnen jenseits der 40 bevorzugt. Mit dem Alter kommt eben Erfahrung und Menschenkenntnis dazu, das macht ruhig und souverän. Wenn Sie bis 50 aber nicht in der Chefetage gelandet sind, ist die Karriereleiter meist zu Ende. Ein Grund dafür ist, dass man mit 25 einfach belastbarer ist, dass Jetlag und Zwölf-Stunden-Arbeitstag einen nicht gleich in die Knie zwingen. Außerdem kosten Jüngere weniger, sind leistungsbereit und flexibel. Jugendverliebte Topmanager kriegen bei jüngeren Bewerbern gerne glänzende Augen – interessanterweise haben sie selbst meist den 40. Geburtstag längst gefeiert, halten sich aber für fit und flexibel – und zusätzlich noch für sehr erfahren.
„Die Zeiten lebenslanger sicherer Beschäftigung und garantiert steigender Löhne und Sozialleistungen sind vorbei, und das trifft alle Arbeitnehmer, ob nun über oder unter 40.“
Allerdings ist es nicht so, dass alle über 50 auf der Straße sitzen. Anfang 2010 etwa hatten in Deutschland von den 50- bis 65-jährigen Arbeitnehmern 9,3 % keine Arbeit; eine Zahl, die nur wenig über der Arbeitslosenquote aller zivilen Erwerbstätigen liegt (8,7 %). Auch die Jungen haben es nicht nur rosig, ihnen werden vermehrt Leiharbeit und befristete Beschäftigungen angeboten. Arbeitsvermittler sehen die Chancen von Bewerbern über 40 denn auch differenziert. Sie betonen, dass es oft auf die Einstellung der Arbeitgeber ankommt, aber auch auf die Eigeninitiative und die Art, wie man sich am Markt anbietet.
„Entscheidend ist nicht (nur), wie gut Sie jetzt sind, sondern dass Sie sich überhaupt mit Ihrer Beschäftigungsfähigkeit auseinandersetzen und versuchen, sie zukünftig zu erhalten und zu verbessern.“
„Employable“, also beschäftigungsfähig zu sein, heißt, fachliche, soziale und Methodenkompetenzen vorweisen zu können. Eigenverantwortung steht dabei ganz oben, gefolgt von ziel- und aufgabenorientiertem Denken, Team- und Kommunikationsfähigkeit, Veränderungs- und Lernbereitschaft nicht zu vergessen Sprach- und Medienkompetenz. Diese Liste von Schlüsselqualifikationen ist keineswegs neu; neu aber ist, dass Unternehmen sich ihrer bewusst werden und nicht mehr nur auf fachliche Kompetenzen setzen. Die Krux: Arbeitgeber halten ältere Mitarbeiter zwar für fachkompetent und teamfähig, alle anderen Kernkompetenzen trauen sie aber meistens eher den Jüngeren zu. Das bedeutet für Sie als Ü-40-Bewerber, beweisen zu müssen, dass Sie es draufhaben – und sich dann perfekt zu verkaufen.
Bieten, was der andere braucht
Sind Sie vielleicht insgeheim noch der Ansicht, dass Arbeitgeber großzügige Gutmenschen sind, für deren Arbeitsofferte Sie lebenslänglich in Demut dankbar sein müssen? Das ist grundfalsch. Ein Unternehmen braucht Ihre Arbeitskraft, sonst geht es schlicht pleite. Es geht also um gegenseitigen Nutzen. So wie das Unternehmen Kunden finden muss, die ihm für sein Produkt Geld bezahlen, brauchen Sie einen Arbeitgeber (Ihren Kunden), der Ihnen im Gegenzug für Ihre Leistung Ihr Gehaltskonto füllt.
„Der Arbeitsanbieter muss seine Qualifikationen polieren, sich auf dem Markt positionieren, für sich werben und einen Kunden für seine Arbeitskraft finden.“
Arbeitgeber und Arbeitnehmer sind somit in sehr ähnlichen Positionen: Beide begeben sich auf Kundenfang und tauschen Wertschöpfung gegen Geld. Dieses Tauschgeschäft funktioniert nur, wenn sich die Partner den Erfordernissen des Marktes anpassen. Wenn Sie Buchdrucker sind und nicht mehr gebraucht werden, müssen Sie sich neu qualifizieren. Sehen Sie es so: Es wäre ja auch totlangweilig, wenn Sie Ihr gesamtes Arbeitsleben mit ein und derselben Tätigkeit verbringen würden. Neues bietet immer auch Chancen, und Unternehmer nutzen solche Chancen. Als Arbeitsmarktunternehmer sollten Sie dasselbe tun.
„Schildern Sie, welche Probleme Sie gelöst, welche Kennzahlen Sie verbessert, welchen Umsatz Sie erzielt und welches Projekt Sie gerettet haben.“
Zuerst aber müssen Sie analysieren, ob Sie ein wirklich brauchbares Produkt anbieten. Sie müssen wissen, wie Arbeitgeber Ihre Leistung einschätzen. Schauen Sie sich dazu mal Ihre Vita an, überlegen Sie, welches Feedback Sie vom Chef und den Kollegen erhalten oder welche Erfolge Sie verbuchen können. Klopfen Sie auch Ihr Netzwerk nach Branchenkontakten ab, prüfen Sie, ob Sie Weiterbildungen nachweisen können und ob Sie fachlich wie technisch auf dem Laufenden sind. Aus den Ergebnissen leiten Sie ein persönliches Verbesserungsprogramm ab, um Ihre Jobfitness aufzumöbeln, sowie einen „Notfalls-selbstständig-Plan“. Denn auch wenn Sie top sind, kann Ihr Unternehmen ins Schlingern geraten und Sie brauchen eine Alternative.
„Ich möchte Sie ermutigen, Ihren persönlichen Ausweg zu finden, und Sie vor allem davor warnen, in eine lähmende Opferrolle zu geraten.“
Wer heute über 40 ist, hat noch gelernt, Bescheidenheit sei eine Zier. Auf dem Arbeitmarkt bleiben Sie mit so einer Einstellung außen vor. Gute Leistungen sprechen leider nicht für sich; sie sprechen überhaupt nicht, sprechen müssen Sie. Junge Leute beherrschen das Rühren der Werbetrommel in eigener Sache, älteren Arbeitnehmern ist das eher peinlich. Sie kommen aber nicht drum herum. Wer sagt, was er kann, ist kein Angeber, im Gegenteil, es ist nur professionell, seine Fähigkeiten herauszustellen und sich als Problemlöser anzubieten. Betteln Sie nie um einen Job.
„Arbeitgeber erwarten heute Initiative, sie erwarten, dass man sich um sein eigenes Arbeitsgebiet und seine Weiterentwicklung kümmert.“
Wenn Sie sich gar nicht verkaufen können, lassen Sie einen Karrierecoach für Sie arbeiten. Das ist nicht nur etwas für High Potentials, auch Sekretärinnen und Sachbearbeiter zwischen 50 und 60 könnten davon profitieren.
Eigenverantwortung und Eigeninitiative
Wer etwas verändern will, muss darüber nachdenken, welche Wünsche er hat und wie er seine Pläne realisieren kann. In Bezug auf Ihr Berufsleben sollten Sie sich deshalb einmal im Jahr ein paar wichtige Fragen stellen. Beispielsweise, ob Sie in Ihrem Job, in Ihrer Firma und mit dem bisher Erreichten zufrieden sind. Auch die Zukunft Ihres Unternehmens und Ihre künftige Rolle dort sind eine Überlegung wert. So werden Sie herausfinden, ob Sie vielleicht einen anderen Job wollen oder ob Sie Angst vor Veränderung haben. Sie müssen Ihre Träume kennen, um bis zur Rente und darüber hinaus Ihr Leben nach Ihren Ideen gestalten zu können.
„Schnelle Einarbeitung, flexibel anpassbares Wissen, Erfolge auch unter veränderten Bedingungen – all das können Sie am besten dann leisten und belegen, wenn Sie Ihrem Lebenslauf immer wieder neue berufliche Stationen hinzufügen.“
Eigenverantwortung ist einer der ganz wichtigen Kompetenzen, wenn es um Employability geht. Niemand außer Ihnen selbst ist dafür verantwortlich, was Sie tun oder lassen, welche Entscheidungen Sie in Ihrem Leben treffen. Sagen Sie nicht, Sie hätten keine Wahl gehabt; es gibt immer Alternativen. Sie können einen Job annehmen, oder Sie bleiben, wo Sie sind. Es liegt allein in Ihren Händen, wofür Sie sich entscheiden. Für die Konsequenzen Ihrer Entscheidung müssen Sie Verantwortung übernehmen. Das kann auch bedeuten, einen Fehler einzugestehen, selbst wenn es wehtut. Die anderen sind nicht schuld, wenn Sie scheitern, das müssen Sie schon auf Ihre Kappe nehmen, daraus lernen und sich aktiv neu orientieren. Ähnliches gilt für Ihre Gesundheit. Die wird nicht vom System „Unternehmen“ ruiniert, sondern die ruinieren Sie, wenn Sie nicht für Ihren Körper sorgen.
„Viel ist schon getan, wenn Sie sich über die Lektüre von Fachzeitschriften und -büchern über die Entwicklung in Ihrem Fachgebiet auf dem Laufenden halten, sich an Diskussionen in Internetforen beteiligen bzw. sie verfolgen und sich auch mal von einem Kollegen zeigen und erklären lassen, wie er was macht und warum.“
Ein weiterer Baustein Ihrer Beschäftigungsfähigkeit ist die Eigeninitiative, und zwar im Sinne des Mitdenkens und Anpackens zum Wohl des Unternehmens. Ältere Mitarbeiter können da besonders gut punkten, einfach weil sie den Überblick haben, Zusammenhänge erkennen und dank ihrer Erfahrung Situationen richtig einschätzen. Sie müssen nicht mehr allein durch Anwesenheit glänzen, aber Sie müssen da sein, wenn Not am Mann ist. Dienst nach Vorschrift überlassen Sie besser anderen, Sie engagieren sich. Und wenn es erforderlich ist, erledigen Sie auch mal niedere Dienste, nicht jammernd, sondern weil es wichtig ist. Das bedeutet nicht, dass Sie sich ausnutzen und zum Abteilungs-Hanswurst degradieren lassen sollen. Gerade als „Ü 40“ haben Sie Fleiß und Disziplin noch als Tugenden gelernt. Zeigen Sie das!
Lernen, lernen, lernen
Erfahrung ist eine tolle Sache, solange sie nicht zu Routine oder Bequemlichkeit verleitet. Das profundeste Fachwissen ist irgendwann überholt und Ihre Erfahrung nicht mehr so viel wert. Und für glänzende Erfolge in der Vergangenheit krault Ihnen mit 50 keiner im Unternehmen den Bauch. Sie müssen heute noch genauso erfolgreich sein und weiterhin Top-Leistungen erwarten lassen. Der deutsche Ex-Nationaltorhüter Oliver Kahn hat auf die Frage, wie man ganz oben bleibt, geantwortet: „Nur über Veränderung. Veränderung im Denken, in der Zielsetzung, in der Arbeitsweise. Wenn du immer alles gleich machst, kommst du irgendwann nicht mehr voran.“
„Heute wird erwartet, dass jeder Arbeitnehmer reden und andere für sich gewinnen kann.“
Spitzenkräfte bleiben Neuem gegenüber aufgeschlossen. Auch mit 56 kann man noch eine Software-Schulung besuchen oder intern den Job wechseln. Kleben Sie nicht lebenslänglich am gleichen Bürostuhl; Ihre Vita macht keinen Eindruck, wenn dort nicht alle paar Jahre eine neue berufliche Herausforderung auftaucht. Ein paar Zertifikate über Weiterbildungen lassen das Herz der Personaler höher schlagen, hier sollten Sie also investieren. Warten Sie bitte nicht, bis man Sie auf dem Tablett zur Schulung trägt, sondern ergreifen Sie die Initiative – und zwar durchaus auch in Ihrer Freizeit.
„Auch in Ihrem Arbeitsleben werden immer wieder Hoffnungen und Erwartungen enttäuscht werden. Es ist auch ein Ausdruck Ihrer Employability, wie Sie mit diesen Frustrationen umgehen.“
Gerade ältere Mitarbeiter stehen oft auf Kriegsfuß mit Computern, es mangelt ihnen an Sprachkenntnissen und interkulturellen Kompetenzen. Auch wenn Ihnen davor graut, kämpfen Sie sich durch und belegen Sie nicht einfach Kurse, die Ihren persönlichen Neigungen entsprechen. Es geht hier nicht um Ihre Hobbys, sondern um Ihre Beschäftigungsfähigkeit. Außerdem wird Ihr Chef die Maßnahme wohl nur unterstützen, wenn er darin einen Vorteil für sich und das Unternehmen erkennt. Sollte Ihr Chef gar kein Gehör für Weiterbildungen haben, dann bitten Sie zumindest um eine Freistellung für das Seminar und setzen Sie Ihr privates Geld dafür ein. Das zahlt sich später aus.
Kommunikatikon und Stressbewältigung
Der Unternehmensalltag ist ein ständiger Kampf: Selbst wenn alle Kollegen das gleiche Ziel verfolgen, will jeder einen anderen Weg gehen. Durchsetzungsvermögen ist gefragt, aber auch Selbstbeherrschung und Fingerspitzengefühl – das alles macht Ihre Konfliktfähigkeit aus. Auf jüngere Kollegen sollten Sie zugehen und ehrliches Interesse zeigen. Ein wenig kniffelig wird es, wenn der Jüngere zugleich der Chef ist. Das altersspezifisch unterschiedliche Kommunikationsverhalten ist dann oft ein Problem, denn die Jungen erwarten kommunikationstechnische Dauerpräsenz; die Älteren eher Wertschätzung im persönlichen Gespräch. Der Königsweg ist, das Problem offen anzusprechen, und den ersten Schritt dazu wird wohl der Ältere tun müssen.
„Riskieren Sie lieber den Jobverlust als den Ihrer Gesundheit und damit Ihrer Arbeitsfähigkeit.“
Konflikte gibt es aber nicht nur zwischen Ü 40 und der „Generation online“, einige Schwierigkeiten müssen Sie auch mit sich selbst austragen. Dann nämlich, wenn etwas schiefläuft und Sie enttäuscht werden, von Ihrem Chef, von Ihren Kollegen, von Ihrem neuen Job. Frustration gehört zwar zum Arbeitsalltag, aber wer seine Erwartungen auf ein gesundes Maß zurückschraubt, erspart sich unnötigen Stress und läuft weniger Gefahr, in die innere Kündigung zu gehen. Sie sind alt genug, um zu erkennen, dass weder das Unternehmen noch die Welt untergeht, wenn Dinge nicht ad hoc erledigt werden. Morgen ist auch noch ein Tag. Das Burn-out überlassen Sie lieber anderen.