Hintergründe der Weltwirtschaftskrise 2008
Nach dem Platzen der New-Economy-Blase im Jahr 2000 wurden Immobilien wieder zu interessanten Anlageobjekten. Die amerikanische Notenbank senkte die ohnehin schon niedrigen Leitzinsen nach den Anschlägen vom 11. September 2001 weiter, um eine Rezession zu vermeiden. Das attraktive Zinsniveau heizte die Immobiliennachfrage weiter an, sodass die Preise sich in sechs Jahren mehr als verdoppelten. Selbst Konsumenten mit geringer Bonität erhielten ohne Schwierigkeiten Hypotheken, so genannte Subprime-Kredite.
„Das beste Krisenmanagement verhindert die Krise oder zeigt bereits im Vorfeld auf, wo es zu Problemen kommen kann.“
Die Weltwirtschaftskrise ist im Kern auf diesen amerikanischen Immobilienboom zurückzuführen. Was die Situation verschlimmerte und zu einer weltweiten Ausweitung der Krise führte, war die Tatsache, dass die Banken die Hypotheken als besicherte Anleihen bündelten, selbst darin investierten oder sie weiterverkauften. Gleichzeitig belehnten die Verbraucher ihre Eigenheime in manchen Fällen zu über 120 %. Auf die Banken kamen nach dem Platzen der Immobilienblase enorme Abschreibungen zu, wodurch ihre Eigenkapitalausstattung spürbar sank. Daher mussten die Institute die Kreditvergabe reduzieren. Es setzte ein Dominoeffekt ein, an dessen Ende auch gesunde Betriebe keine Kredite mehr erhielten. Das Finanzsystem kam fast zum Stillstand.
Krisen, und wie sie eingeschätzt werden
Ende 2008 beziehungsweise Anfang 2009 standen viele Unternehmer mit einem Mal vor einer bedrohlichen Absatzkrise – ohne jede Ahnung, wie es weiter gehen sollte.
„Krisen entstehen durch einen Verlust der Erfolgspotenziale, gefolgt vom Verlust des Erfolgs und schlussendlich vom Verlust der Liquidität.“
Es gibt grundsätzlich drei klassische Krisenverläufe: Beim V-förmigen Verlauf folgt auf einen steilen Fall ein ebenso starker Anstieg. Der U-förmige Verlauf ist gekennzeichnet durch einen rasanten Absturz, ein breites Tal und einen steilen Aufschwung. Schließlich gibt es die L-förmige Rezession mit einem Crash und einem anschließenden langen Tief. Anfang 2009 fiel die Einschätzung der Krise in den USA und Europa zunächst viel zu optimistisch aus. Die EU-Kommission ging beispielsweise von einem Rückgang des EU-Bruttosozialprodukts in Höhe von 1,2 % aus, tatsächlich summierte sich das Minus jedoch auf 3,5 %.
Stellhebel des Krisenmanagements
Grundsätzlich gibt es zwei Arten von Krisen, schwellende und plötzliche. Letztere kommen völlig überraschend und sind nur schwer in den Griff zu bekommen. Auslöser solcher Krisen können Terroranschläge, Naturkatastrophen, Werksunfälle oder Sabotagen sein. Die schwellenden Krisen beginnen als kleines Problem und weiten sich nach und nach aus. Defekte an Produkten oder Skandale können sie auslösen. Eine Studie von Roland Berger ergab, dass rund die Hälfte der österreichischen Unternehmen erst auf Krisen reagiert, wenn sie einen Ergebniseinbruch zur Folge haben.
„Zu Beginn einer Krise ist es für jedes Unternehmen essenziell, das Überleben zu sichern.“
Im Idealfall greifen Sie so früh wie möglich ein, um weiteren Schaden abzuwenden. In der latenten Phase sind jedoch die Krisensymptome teilweise versteckt, daher übersehen viele Manager die Warnsignale. Wenn Sie zu spät reagieren, wird die Krise akut, die Liquidität gefährdet. Es gibt drei Frühindikatoren, die auf Absatzkrisen hindeuten: projektbezogene und finanzielle Anzeichen sowie Änderungen im Kundenverhalten. Beispiele für projektbezogene Frühindikatoren sind Verzögerungen von Aufträgen oder neue Lieferbedingungen. Finanzielle Anzeichen sind verspätete Zahlungseingänge, neue Zahlungsmodalitäten oder Preisdruck. Was das Kundenverhalten betrifft, sollte Ihre Alarmglocke läuten, wenn Kunden zurückhaltender werden, intensiver als sonst verhandeln oder sehr lange Entscheidungsphasen brauchen.
„Das Wort Krise, aus dem Altgriechischen stammend, fordert etwas ein – nämlich Entscheidung für oder gegen etwas.“
Freilich bleibt es schwierig, Krisen rechtzeitig als solche wahrzunehmen, zumal uns psychologische Hürden daran hindern. So verdrängen Menschen grundsätzlich gern Krisen, weil sie ihr positives Selbstbild aufrechterhalten wollen. Man spricht in diesem Zusammenhang von selektiver Wahrnehmung. Ein weiteres Problem ist, dass Führungskräfte zu Idealisierungen neigen, was im Unternehmensalltag dadurch zum Ausdruck kommt, dass sie die kleinsten Hoffnungsschimmer als Lösungsweg für alle Probleme sehen.
Szenario-Technik und Business-Wargaming
Ein schnelles, proaktives Eingreifen ist in Rezessionen unerlässlich. Zuerst müssen Sie die Liquidität sicherstellen, um den Fortbestand der Firma nicht zu gefährden. Erst in einem zweiten Schritt kümmern Sie sich um die Gewinne. Am besten bereiten Sie sich schon in ruhigen Zeiten auf mögliche Krisen vor. Eines der wichtigsten Mittel hierfür ist der Liquiditätsstresstest. Um Entscheidungsgrundlagen für künftige Marktveränderungen zu schaffen, bieten sich vor allem zwei Modelle an: Die Szenario-Technik und Business-Wargaming. Mithilfe der Szenario-Technik lässt sich durchdenken, wie sich Geschäftsbedingungen entwickeln, wenn sich die Einflussfaktoren ändern. So entstehen mehrere mögliche Zukunftsszenarien, aus denen Sie wiederum verschiedene Strategien ableiten. Business-Wargaming heißt: Sie ermitteln in Rollenspielen, wie Sie und Ihre Konkurrenten in bestimmten Geschäftssituationen reagieren würden. Diese Strategie hat ihre Ursprünge im Militär. Im Kern geht es darum, zu ermitteln, welches Szenario am wahrscheinlichsten ist.
„Die Preisgestaltung spielt in Krisenzeiten eine ganz besondere Rolle.“
Ideal ist eine Krisenstrategie, die auf drei Säulen fußt: Kosten senken, Geschäft ausbauen, in die Zukunft investieren. Versuchen Sie, den Ausbau dieser Säulen gleichmäßig anzugehen. Kostensparen nach dem Rasenmäherprinzip funktioniert nicht, das ist zu radikal und in manchen Bereichen schädlich. Kosten dürfen Sie nie zulasten der Unternehmensstärken senken. Versuchen Sie, Ihr Geschäft in erster Linie mit Ihren profitabelsten Kunden auszubauen. Wenn Sie in einer Krise sogar vermehrt investieren und akquirieren können, haben Sie einen immensen Vorteil: Das wird den wenigsten Mitbewerbern gelingen.
Häufige Fehler in der Krise
Oft wollen Manager die Absatzkrise nicht wahrhaben und verlieren wertvolle Zeit. Was der Führungsspitze dann im letzten Moment einfällt, sind oft pauschale Kostenkürzungen über alle Bereiche hinweg oder gefährliche Schnellschüsse, um die Liquidität zu sichern. So kann es zu übertrieben hohen Kürzungen in Forschung und Entwicklung kommen oder es werden einige teure Mitarbeiter entlassen, obwohl gerade diese eine tragende Rolle spielen. Tiefe Einschnitte im Marketing sind nicht unbedingt sinnvoll, denn dann können Konkurrenten mit einer aggressiven Werbestrategie mühelos an Ihnen vorbeiziehen. Seien Sie auch nicht zu freigiebig mit Preisnachlässen – solche Rabattaktionen könnten die Kunden ab sofort immer erwarten.
Praxisbeispiele: So meistern Unternehmen die Absatzkrise
Backaldrin, Österreichs führender Backgrundstoffhersteller, legt großen Wert auf qualitativ hochwertige Produkte und enge Kundenbeziehungen. Während der Krise 2008/09 blieben ernsthafte Folgen für das Geschäft zwar zunächst aus, doch ab Oktober 2008 verloren der Rubel und der Zloty jeweils 30 %, der Forint 25 % gegenüber dem Euro. Daraus entstanden deutliche Wechselkursverluste für das in Euro fakturierende Unternehmen, das sich nicht gegen dieses Risiko abgesichert hatte. Die Kurse fielen so rasch, dass schon eine Verzögerung von wenigen Tagen bei Zahlungseingängen zu hohen Verlusten in Euro führen konnte.
„Es ist wichtig, Turbulenzen oder Krisen frühzeitig zu erkennen, um ein Unternehmen sicher steuern zu können.“
Dank intensivem Forderungsmanagement gelang es Backaldrin, das Problem in den Griff zu bekommen. Anders als ihre Konkurrenten senkte das Unternehmen das Zahlungsziel von 30 Tagen allerdings nicht weiter, um den Kunden weiterhin eine gewisse Flexibilität zu bieten.
Engel, ein Spritzgussmaschinenhersteller aus Oberösterreich, wurde von der Krise im ersten Halbjahr 2009 voll erfasst: Die Aufträge brachen um 50–70 % ein; eine nachhaltige Besserung wurde erst für 2015 erwartet. Der Vorstand verordnete Kurzarbeit; man musste sich von 250 Mitarbeitern trennen. Darüber hinaus entschieden sich 150 Beschäftigte für eine Bildungspause, wählten Altersteilzeit oder gingen in Pension. Zu einer Hausmesse erschienen im Mai 2009 mehr als 2000 Kunden. Engel offerierte den Kunden dort Vorfinanzierungen und Leasing, um so gemeinsam durch die schwierige Zeit zu manövrieren. So machte sich der Maschinenhersteller gleichzeitig zu einer Art Hausbank für die Kunden.
„Für den Verkauf gilt, dass persönliche Kontakte in turbulenten Zeiten besonders wichtig sind.“
Fischer Sports litt schon vor der Krise unter sinkendem Interesse am Skisport. Im „Horrorwinter“ 2006/07 war der Absatz der Ski-Hersteller um 30 % eingebrochen. Schneearme Winter und schwierige wirtschaftliche Rahmenbedingungen belasteten auch in den Folgejahren das Geschäft. Mit einer cleveren Strategie reagierte das Unternehmen auf die Probleme: Zum einen setzte der Traditionsbetrieb auf intensive Forschungs- und Entwicklungsarbeit und brachte so immer wieder neue Produkte auf den Markt. Zum anderen betreute der Markenanbieter zahlreiche Athleten, baute den internationalen Vertrieb aus und verlagerte die Produktion ins Niedriglohnland Ukraine.
„Es gilt, bei Schlüsselkunden die eigene Präsenz zu steigern, die bestehenden Geschäfte abzusichern und den Kunden zu versichern, dass man ein stabiler und vertrauenswürdiger Partner ist.“
Hoerbiger baut auf Kompressor-, Automatisierungs- und Antriebstechnik. Die Krise traf das Unternehmen überraschend. Pläne für den Fall eines Absatzeinbruchs gab es keine, so unterzog der Vorstand alle Bereiche einer massiven Kostensenkung. Überstunden wurden reduziert, Leiharbeiter und Stammkräfte wurden abgebaut. Mit den Lieferanten handelte Hoerbiger neue Einkaufspreise aus, Investitionen senkte man um mehr als 50 %. „Cash is King“ war fortan die Maxime. Das Lager wurde reduziert, Außenstände forderte man zügig ein. Im Low-End-Bereich senkte Hoerbiger die Preise, im High-End-Bereich sorgte die Einführung neuer Produkte für einen Wettbewerbsvorteil.
„Das Management neigt dazu, in potenziellen oder latenten Krisensituationen externe Bedrohungen subjektiv abzuschwächen, gleichzeitig überschätzt es jedoch die eigenen Stärken.“
Beim Fensterhersteller Internorm blickte die Führung bereits im Herbst 2008 mit gemischten Gefühlen auf das Jahr 2009. Ein Szenario ging von einem Umsatzminus von 20 % aus. Investitionen tätigte Internorm deshalb nur zögerlich. Rosenbauer, der österreichische Hersteller von Feuerwehrfahrzeugen, verzeichnete hingegen während der Rezession volle Auftragsbücher.
„In der Krise regiert der Rotstift, doch nur wer intelligent streicht, sichert seine Wettbewerbsfähigkeit.“
Der harte Preisdruck jedoch machte CEO Julian Wagner zu schaffen. Um die langfristigen Folgen der Krise abzufedern – die Budgets der Kommunen in Europa und den USA sinken tendenziell – startete der Vorstand ein Wertanalyse-Programm. Mit dieser Methode sollen die Kosten der Löschfahrzeuge weiter gesenkt werden, ohne Einbußen bei der Qualität in Kauf nehmen zu müssen.
Absatzkrisen clever bewältigen
Konjunkturprognosen haben gezeigt, dass Sie sich nicht auf Planspiele verlassen können. Stattdessen ist Ihr Urteilsvermögen gefragt. Beobachten Sie die Wachstumstreiber USA, China, Indien und Russland. Schätzen Sie die Folgen von Konjunkturprogrammen, Geldpolitik, Preisentwicklungen auf den Rohstoffmärkten und die (Neu-)Regulierung der Finanzmärkte ein. Entwickeln Sie dabei Mut zur eigenen Meinung. Vor der Krise setzen Sie Business-Wargaming ein, um für den Ernstfall gerüstet zu sein.
„In der Krise sind viele Dinge machbar, die in normalen Zeiten nicht einmal angedacht werden können. Insofern bergen solche Situationen auch ungeheure Chancen, verkrustete Strukturen aufzubrechen und die Unternehmen schlanker und flexibler zu machen.“
Mit einer Krisen-Management-Matrix (Krimax) entwickeln Sie Strategien, wie Sie im Falle einer Absatzkrise reagieren wollen. Einfach gnadenlos den Rotstift anzusetzen, ist nicht ratsam. Streichen Sie nur wohlüberlegt bestimmte Kostentreiber. Konzentrieren Sie sich auf Ihr Kerngeschäft, Randgeschäfte können Sie eventuell abstoßen. Erhöhen Sie die Kundenbindung, indem Sie sich intensiv um Ihre Schlüsselkunden kümmern. Forschung und Entwicklung sind das Herz Ihrer Firma, nur damit bleibt sie zukunftsfähig.
Achten Sie darauf, nicht mit aggressiven Preissenkungen auf einen Absatzeinbruch zu reagieren. Gleichwohl sind strenges Kosten- und Cash-Management nötig, um das Überleben zu sichern. Sowohl nach innen als auch nach außen sollten Sie während des Abschwungs offen kommunizieren. So können Sie das Entstehen von Gerüchten und eine Phase der Lethargie unterbinden.