Oh nein, schon wieder ein Kunde!

Buch Oh nein, schon wieder ein Kunde!

Wie Sie Einstellungen ändern, Ergebnisse erzielen und mehr Umsatz erwirtschaften

Junfermann,


Rezension

Der aufge­brachte Kunde, der sich lauthals im Laden beschwert oder am Ser­vicetele­fon ausrastet – das ist die Ursituation, mit der sich Shelle Rose Charvets Buch beschäftigt. Eindeutig stört solch ein Kunde die internen Abläufe, womöglich beleidigt er noch den Mitarbeiter, mit dem er es zu tun hat. Und doch sind gerade die Wüteriche wertvoll: Die kanadische Trainerin und Beraterin führt vor, nach welchen Mustern man mit ihnen umgeht und wie man sie bestenfalls sogar zu Stammkunden machen kann. Leider strotzt der Text vor Wieder­hol­un­gen und Längen: Immer wieder kündigt Charvet an, was als Nächstes kommt, führt es dann im Text aus, wiederholt es in einer Tabelle, und oft kann man es fast wortgleich in einem späteren Kapitel noch einmal lesen. Allgemeine Ausführungen geraten ihr etwas zu abstrakt, und die Prax­is­beispiele lassen sich nur schwer ve­r­all­ge­mein­ern. Trotzdem kann BooksInShort das Buch allen Un­ternehmern und Ver­trieblern empfehlen, die ihre Kun­de­nori­en­tierung verbessern wollen.

Take-aways

  • Un­zufriedene Kunden verhalten sich zunehmend aggressiv; sie sind aber ein Gewinn für Ihre Firma, wenn Sie das Feedback ernst nehmen.
  • Berücksichtigen Sie beim Kun­denkon­takt die Ver­hal­tens­muster der Lan­guage-and-Be­hav­iour-Pro­file (LAB) und stärken Sie so Ihre Kun­den­beziehun­gen.
  • Außen­ges­teuerte Menschen orientieren sich an anderen Personen – so auch an einem Verkäufer.
  • Reaktive und sa­chori­en­tierte Menschen wollen sich nur un­verbindlich informieren, um anschließend selbst zu entscheiden.
  • Achten Sie bei Rekla­ma­tio­nen während des gesamten Gesprächs auf das Profil des Kunden.
  • Reagieren Sie zunächst nur auf die Emotionen, noch nicht auf den Inhalt der Beschwerde.
  • Wälzen Sie die Ve­r­ant­wor­tung nie auf andere ab, sondern machen Sie sich zum Anwalt Ihres Kunden.
  • Bieten Sie dem Kunden als Ausgleich für sein Problem zwei Optionen an.
  • Bringen Sie das Gespräch zu einem positiven Abschluss: Der Kunde kann sich jederzeit wieder an Sie wenden.
  • Schulen Sie Ihre Mitarbeiter darin, die LAB-Profile zu erkennen und sie flexibel und sit­u­a­tions­be­d­ingt anzuwenden.
 

Zusammenfassung

Wenn Godzilla plötzlich im Laden steht

Firmen sind zunehmend mit einer aggressiven Spezies kon­fron­tiert: wütenden Kunden. Solche, die 30 Minuten in der Warteschleife der Hotline hängen, ehe ihr Anruf ent­ge­gengenom­men wird. Oder solche, die darauf warten, begrüßt zu werden, während hinter der Ladentheke minutenlang niemand vom Computer aufschaut. Kunden gewinnen geht anders.

„Alles, was Sie tun, wirkt sich auf die Gefühlslage Ihrer Kunden aus.“

Aber auch den Wert einer Reklamation sollten Sie nicht unterschätzen. Rekla­ma­tio­nen sind deshalb wertvoll, weil sie Kun­den­er­fahrun­gen aus erster Hand darstellen, anders als so manche spätere Befragung zur Kun­den­zufrieden­heit. Der wütende Kunde hat immerhin den Weg zu Ihnen in den Laden auf sich genommen oder 30 Minuten am Telefon auf Sie gewartet. Er in­ter­essiert sich also für Ihr Unternehmen. Nutzen Sie diese Chance! Wenn Sie sein Vertrauen zurückgewinnen, haben Sie u. U. einen Stammkunden gewonnen.

Wie ein normaler Kun­den­prozess störungsfrei abläuft

Das A und O im Umgang mit Kunden besteht darin, eine persönliche Beziehung aufzubauen und zu halten. Gehen Sie so vor:

  • Begrüßen Sie den Kunden, egal ob in der persönlichen Begegnung, am Telefon oder auf der Website. Sig­nal­isieren Sie so schnell wie möglich, dass Sie seine Anwesenheit bemerkt haben, auch wenn Sie gerade alle Hände voll zu tun haben.
  • Spiegeln Sie Aussagen, Körpersprache und sonstiges Verhalten des Kunden, wenn Sie sich mit ihm austauschen. So kommen Sie auf die gleiche Wellenlänge. Hören Sie ihm zu, lassen Sie ihn Dinge anschauen und aus­pro­bieren, geben Sie ihm In­for­ma­tio­nen. Dadurch wird er sich verstanden fühlen, und die Beziehung vertieft sich.
  • Erörtern Sie das Problem des Kunden und seine wahren Bedürfnisse durch Fragen. Kunden wissen oft gar nicht, was sie eigentlich wollen.
  • Teilen Sie Ihr Fachwissen, Ihre Erfahrung mit dem Kunden und zeigen Sie Problemlösungen auf. Das gilt für die Fi­nanzber­atung ebenso wie für den Heimw­erk­er­markt.
  • Bestärken Sie den Kunden zum Abschluss in seinem Verhalten. Dadurch hin­ter­lassen Sie einen guten Eindruck.
„Proaktive Kunden können ungeduldig werden und scheinen nicht sehr umgänglich oder manchmal sogar aggressiv zu sein.“

Achten Sie darauf, dass Sie während des ganzen Gesprächs einen netten Tonfall haben und den Kunden nicht überwältigen.

Holen Sie den Kunden dort ab, wo er steht

Nicht immer läuft ein Kun­denkon­takt so mustergültig ab, denn jeder Kunde ist anders. Wenn Sie jedoch die grundle­gen­den Ver­hal­tenstypen und -muster kennen, wird Ihnen der Kontakt mit dem wütenden Kunden – Ihre eigentliche Bewährungsprobe – erleichtert. Solche Muster, die so genannten Lan­guage-and-Be­hav­iour-Pro­file (LAB), gelten übrigens für jeden men­schlichen Kontakt, auch im Privatleben. Wenn Sie und Ihre Mitarbeiter diese Profile auch im Alltag berücksichtigen und die adäquaten Ver­hal­tensweisen quasi einüben, sind Sie für den Umgang mit wütenden Kunden besser gerüstet. Durch die LAB-Profile lernen Sie den „Subtext“ des Kunden besser verstehen. Einige Beispiele für LAB-Profile:

  • Proaktiv oder reaktiv: Proaktive Menschen warten nicht gern und sind ungeduldig. Dafür entscheiden sie schnell. Wenn Sie diese Eigen­schaften beim Kunden spüren, stellen Sie ihn zufrieden, indem Sie sagen: „Wird sofort erledigt!“ Reaktive Menschen hingegen wollen in Ruhe überlegen, In­for­ma­tio­nen sammeln, Vor- und Nachteile abwägen. Ihnen kommen Sie entgegen mit For­mulierun­gen wie „Überlegen Sie es sich“ oder mit der Frage „Was meinen Sie?“.
  • Auf etwas zu oder von etwas weg: Kunden, die auf einen Sacherwerb aus sind, streben auf ein Ziel zu. Wenn Sie ebenfalls dieses Ziel fokussieren, haben Sie den Kunden auf Ihrer Seite. Andere Kunden haben ein Problem: einen platten Reifen, Geld zur Anlage, Sorge vor Einkom­mensver­lust im Alter usw. Davon möchten sie weg, sie benötigen z. B. eine Reparatur oder eine Lebensver­sicherung. Präsentieren Sie sich oder Ihr Produkt hier als Problemlöser.
  • Außengesteuert oder in­nenges­teuert: Ex­tro­vertierte Menschen, mit denen Sie als Verkäufer oft leicht ins Gespräch kommen, folgen gerne den Empfehlun­gen Dritter. Das können Freunde sein. Aber auch Warentests und natürlich die Werbung bee­in­flussen solche Kunden. Wenn Sie über das Internet verkaufen, verweisen Sie sie am besten auf Ihre Ref­eren­zliste. Im Laden zeigen Sie ihnen Ihren meistverkauften Artikel. Eher in­tro­vertierte Menschen entscheiden hingegen lieber selbst und mögen es gar nicht, wenn man ihnen sagt, was sie tun sollen. Ihnen begegnen Sie mit offenen Fragen wie „Gefällt Ihnen das?“, „Entspricht das Ihren Vorstel­lun­gen?“ und einer einladenden Sprache. Wer­be­botschaften wie „Das sollten Sie sich nicht entgehen lassen“ wirken hier bloß ab­schreck­end. Wenn ein Kunde einfach beschreibt, was er denkt, haben Sie es mit einem in­nenges­teuerten Menschen zu tun, wenn er keine Meinung hat eher mit einem außen­ges­teuerten.
  • Optionen oder Prozeduren: Wer eine Vielzahl von Optionen schätzt, sucht bisweilen noch weitere Al­ter­na­tiven, selbst wenn schon ein attraktives Angebot vorliegt. Solche Kunden können Sie an sich binden, indem Sie einen Regelbruch andeuten („Aus­nahm­sweise …“) oder eine weitere Option aufzeigen, etwa beim Handyver­trag oder bei einer Reklamation. Eine stärkere Kun­den­bindung erreichen Sie auch durch die ausführliche Erklärung des Gebrauchs eines technischen Utensils oder des richtigen Wegs zur Geldanlage. Ihr Kunde wird Ihre Mühe belohnen.
  • Personen- oder Objektbezug: Kunden un­ter­schei­den sich auch darin, dass sie entweder auf Sie als Person oder aber auf die Sache selbst stärker fixiert sind. Erstere sprechen auf Gefühle, Beziehungen und Begeis­terung an, Letztere auf Systeme, Prozesse, Daten und Fakten.
„Selbst wenn alles glatt läuft, wird der Umgang mit Kunden immer schwieriger. Die Kunden erwarten heutzutage Produkte und Di­en­stleis­tun­gen in makelloser Qualität.“

Es kommt aber nicht nur auf den Eindruck an, den Sie von einem Kunden gewinnen, sondern auch auf die jeweilige Verkauf­s­si­t­u­a­tion. Menschen verhalten sich u. U. beim Kauf einer Haartönung ganz anders als beim Kauf einer Musikanlage oder beim Abschluss einer Ver­sicherung. Wichtig ist, dass Sie das Verhalten des Kunden in der jeweiligen Verkauf­s­si­t­u­a­tion spiegeln.

Umgang mit wütenden Kunden

Ist ein Kunde verärgert – egal ob zu Recht oder zu Unrecht –, besteht die akute Gefahr, dass sie ihn an die Konkurrenz verlieren. Sie dürfen nun auf keinen Fall:

  • das Problem einer anderen Abteilung in die Schuhe schieben oder sonst wie die Ve­r­ant­wor­tung abwälzen,
  • mit einer Bemerkung wie „Ich kenne das Problem“ den Eindruck vermitteln, Mängel und Fehlleis­tun­gen seien bei Ihrer Firma die Regel,
  • einfach cool bleiben (auch wenn dies vielen Call­cen­ter-Mi­tar­beit­ern eingeschärft wird).
„Menschen mit einem optionalen Muster weigern sich, einen fest­gelegten Prozess zu durchlaufen.“

Was Sie dagegen tun sollten, ist mitleiden. Die Emotionen des Kunden stehen im Vordergrund. Verhalten Sie sich folgendermaßen:

  • Spiegeln Sie seinen Tonfall und zeigen Sie sich überrascht über den Mangel oder das Problem. Er­fahrungs­gemäß ist es wirkungsvoll, das Kun­den­prob­lem dreimal im Tonfall des Kunden zu spiegeln, um die Situation zu entkrampfen: „Die Lieferung ist immer noch nicht bei Ihnen?“ – „Wie ist das denn nur möglich?“ – „Ich kann das nicht verstehen. Jetzt wollen wir keine Zeit mehr ver­schwen­den.“
  • Bieten Sie Ihre Hilfe an, und zwar sofort. Bringen Sie allmählich wieder Ruhe in Ihren Tonfall. Dadurch fühlt sich der Kunde verstanden und ernst genommen. Achten Sie während des gesamten Gesprächs darauf, ob er im jeweiligen Moment proaktiv oder reaktiv, außen- oder in­nenges­teuert ist. Solange er sich aufgebracht verhält, ist er proaktiv. Entsprechend reagieren Sie. Eine Reklamation ist eine typische Von-et­was-fort-Sit­u­a­tion.
  • Bieten Sie Optionen an. Entweder lässt sich die Bestellung ausführen oder der Mangel beheben. Oder aber das ist nicht möglich – dann erkundigen Sie sich, was der Kunde wünscht. Bieten Sie ihm zwei Möglichkeiten als Ausgleich an: Ersatz, Rück­er­stat­tung des Geldes, Gutschrift und dergleichen. Ihre Mitarbeiter sollten hierfür einen Er­messensspiel­raum haben. Wollen Sie das Geld nicht zurückerstatten, sollten Sie diese für den Kunden schlechte Nachricht mit zwei, drei guten Nachrichten verbinden: „Ich kann leider nicht …, aber ich kann xy machen und ich kann yz versuchen.“
  • Wecken Sie zum Abschluss eine positive Erwartung für die Zukunft: „Was kann ich noch für Sie tun?“ Oder: „Sie können mich jederzeit wieder anrufen.“ Versuchen Sie dabei authentisch und nicht floskelhaft oder übertrieben förmlich zu wirken. Der letzte Eindruck ist immer der bleibende.

Kun­den­beziehun­gen pflegen

Orientieren Sie sich schon bei der Auswahl Ihrer Kun­den­di­en­st­mi­tar­beiter an den LAB-Pro­filen. Sehr proaktive Personen eignen sich gut für die Akquise oder in einem Ladengeschäft, aber vielleicht nicht so sehr für das Warten auf Rekla­ma­tion­san­rufe. Eher per­so­n­en­be­zo­gene Menschen mit Empathie brauchen Sie am Empfang. Für die Bankber­atung eignen sich ob­jek­t­be­zo­gene Menschen, die Prozeduren lieben. Jeder hat seine Stärken.

„Un­ter­suchun­gen zeigen, dass ein Eingehen auf die Emotionen von Kunden der Schlüssel einer er­fol­gre­ichen Kun­den­bindung ist.“

Alle Mitarbeiter müssen darin geschult werden, die LAB-Profile zu verin­ner­lichen und flexibel darauf zu reagieren. Denn diese Profile gelten nur situativ; sie können sich bei einem Kunden auch verändern, sogar während ein und desselben Kun­denkon­takts. Gerade beim Rekla­ma­tion­s­ge­spräch kann sich ein Kunde zunächst sehr proaktiv verhalten, dann aber in den reaktiven Modus wechseln. Darauf müssen die Mitarbeiter reagieren können.

„Damit ein Wiedergut­machungssys­tem funk­tion­iert, brauchen die Mitarbeiter mit Kun­denkon­takt klare Richtlinien und Vorgaben, bis zu welcher Höhe sie etwas gewähren dürfen, um dann nach eigenem Ermessen sinnvoll handeln zu können.“

Das gilt besonders für Ser­vicemi­tar­beiter mit lang anhaltendem Kun­denkon­takt, z. B. bei einer Flug- oder Schiff­s­reise. Erfolgreich agiert hier nur, wer seine Teams sehr gut auf Ver­hal­tenss­chemata wie die LAB-Profile schult, wer sie darauf einstellt, die Sicht der Kunden einzunehmen. Feed­back­prozesse seitens der Vorge­set­zten, Kollegen und auch der Kunden unterstützen die Mitarbeiter.

„Wenn Or­gan­i­sa­tio­nen ihre Mitarbeiter darin schulen, flexibel auf die sich wandelnden Kundenbedürfnisse einzugehen, werden sie am Ende reich belohnt.“

Ein Beispiel für vorbildlich gemanagte Kun­den­beziehun­gen ist die amerikanis­che Lebens­mit­telkette Maple Leaf, die 2008 nach Lis­te­riose-Todesfällen offen dazu beigetragen hat, den Skandal aufzuklären, sich zu entschuldigen, die Betroffenen zu entschädigen und eine Wieder­hol­ung zu vermeiden. So konnte sie das Kun­den­ver­trauen zurückgewinnen.

Über die Autorin

Shelle Rose Charvet ist als Trainerin, Referentin, Beraterin und Kolumnistin tätig. Sie ist zer­ti­fizierte NLP-Trainerin und hat für eine Vielzahl von Unternehmen, für nationale und in­ter­na­tionale Behörden sowie für Gew­erkschaften und gemeinnützige Unternehmen gearbeitet.