Die gefährlichsten Börsenfallen – und wie man sie umgeht

Buch Die gefährlichsten Börsenfallen – und wie man sie umgeht

Campus,


Rezension

Uwe Lang beschreibt die Gefahren und Tücken der Börsenwelt. Er warnt vor Gier, Selbstüberschätzung und Herdentrieb. Und er gibt Tipps und verrät Kniffe, wie Kleinan­leger an der Börse mitspielen – und dabei noch ruhig schlafen können. Mit Beispielen aus der Praxis zeigt er, wie es hinter den Kulissen der Weltbörsen zugeht. Wie die Grossbanken Kurse ma­nip­ulieren. Wie sie mit immer neuen An­lage-Kon­struk­ten die Kleinan­leger schamlos abzocken. Und wie dabei auch namhafte Medien eine unrühmliche Rolle spielen. Der Stil ist flüssig und leicht verständlich. BooksInShort empfiehlt das Buch allen Kleinan­legern, die ihr Geld an der Börse nicht le­icht­fer­tig in den Sand setzen wollen. Aber auch Studenten und Jour­nal­is­ten, die sich mit dem Thema Finanzen beschäftigen, sowie Vertretern von Pen­sion­skassen sei das Buch ans Herz gelegt.

Take-aways

  • Börsen­neulinge haben oft völlig falsche Vorstel­lun­gen darüber, was an Prognosen überhaupt möglich ist.
  • Niemand fragt mehr nach Zinsen und Preisen – es sind nur noch Modewerte gefragt.
  • Börsen­neulinge sollten sich vor Augen führen, dass andere an ihnen verdienen.
  • Es gab an der Börse immer wieder Jahre einer scheinbar endlosen Hausse.
  • Die Fähigkeit, aus Fehlern zu lernen, die in der eigenen Psyche begründet sind, ist die Grund­vo­raus­set­zung für Börsenerfolg.
  • Wenn die Börse zum Lebens­mit­telpunkt wird, ist sie mit einer religiösen Gemein­schaft ver­gle­ich­bar.
  • Der er­fol­gre­iche Spekulant hält sich für unschlagbar.
  • Die aktuellsten Nachrichten und Daten sind zumeist in übertriebener Form bereits in den Kursen enthalten.
  • Börsenkurse werden im Wesentlichen von In­vest­ment­fonds, also von Grossan­legern beeinflusst.
  • Wie verun­sichert müssen Anleger sein, um wie eine Schafherde den Leithammeln zu folgen, egal wohin sie die Herde führen?
 

Zusammenfassung

Verdienen am Neuen Markt

Abzocken an der Börse heisst das neueste Gesellschaftsspiel. Wer nicht mitspielt, gehört zu den ewig Gestrigen. Doch seit kurzem liefern die Börsen­nachrichten täglich nur noch Schreck­ens­meldun­gen. Viele Anleger haben – gerade am Neuen Markt – viel Geld in den Sand gesetzt. Das muss nicht sein. Auch heute noch können Anleger am Neuen Markt Geld verdienen.

„Niemand fragt nach Zinsen und Preisen. Es sind nur noch Modewerte mit gi­gan­tis­chem Kurs-Gewinn-Verhältnis gefragt.“

Prüfen Sie also Ihre Aktien sorgfältig. Trennen Sie sich von Titeln, wenn Gewin­nwar­nun­gen ausgegeben werden oder an den Bilanzen herumge­feilt wird. Mis­strauisch sollten Sie werden, wenn das Unternehmen zahlreiche un­wesentliche Mit­teilun­gen herausgibt, um im Gespräch zu bleiben. Und wenn Altaktionäre schon bald nach der Sechsmonats-Sper­rfrist verkaufen. Oder wenn die Firma gar eigene Aktien zurückkauft, anstatt zu investieren.

Zauberwort Wachstum

Die Euphorie über den Neuen Markt lockte viele Neulinge an die Börse – und ins Verderben. Eigene Gier und Naivität waren oft schuld, wenn der Ehemann die Urlaub­skasse der Familie leerte, die Frau das Fam­i­lien­sil­ber verpfändete und Eltern die Sparbücher ihrer Kinder plünderten – und am Schluss von riesigen Schulden­berge gedrückt wurden. Aber auch die Banken und Fonds haben wenig getan, um die Anleger aufzuklären. Im Gegenteil: Immer weiter haben sie neue Fonds für enge Märkte aufgelegt. Und die Medien übertrafen sich mit gegen­seit­i­gen Sen­sa­tions-Geschichten fast täglich aufs Neue.

„Manchmal trage ich mich mit dem Gedanken, mich von der Börse ganz zu ve­r­ab­schieden. Der Spielka­sino-Charak­ter wird immer grösser, ebenso der Einfluss von Spielern und Zockern.“

Anfang 2000 drohte der Neue Markt zu einem reinen Speku­la­tion­sob­jekt zu verkommen. Niemand schien mehr nachzurech­nen, ob die gehandelten Kurse noch jemals durch künftige Gewinne gerecht­fer­tigt sein könnten. So wurde z. B. Trick­film­pro­duzent und Verleiher EM-TV, eine der bekan­ntesten Aktien am Neuen Markt, so hoch gehandelt, dass die Firma fast ebenso viel wert war wie die vier DAX-Grosskonz­erne Adidas, Linde, Karstadt-Quelle und Degussa zusammen. Ein Wahnsinn!

„Überdurch­schnit­tliche Kursgewinne der letzten fünf Jahre dürfen nicht zu entsprechen­den Hochrech­nun­gen auf die nächsten fünf Jahre verleiten.“

Das Zauberwort hiess Wachstum. Und jeder dachte: So viele Käufer können sich doch nicht irren. Von heute auf morgen wurden neue ökonomische Regeln entdeckt. Zum Beispiel: Gewinne sind schädlich, weil sie von geringer In­vesti­tion­slust zeugen, während Verluste hohes Wachstum versprechen. Und: Nicht das Kurs-Gewinn-Verhältnis muss man beachten, sondern das Kurs-Um­satz-Verhältnis. Anfang 2000 drohte die Kur­sex­plo­sion. Die Deutsche Bank warnte vor Kurssturz und Panik. Für Warburg Dillon Read, Tochter der Schweizer UBS, kein Hin­derungs­grund, noch zu diesem Zeitpunkt Branchenin­dex-Zer­ti­fikate auf dem Neuen Markt anzubieten und so die Kurse weiter zu pushen.

Sie dürfen kein Herdentier sein

Speziell für den Neuen Markt, generell aber für alle Börsengeschäfte gilt: Lösen Sie sich vom Herdentrieb. Wenn der Leithammel einen Abhang hi­n­un­ter­springt, folgen ihm die anderen Schafe nach. Das ist fatal – auch an der Börse. Eine Un­ter­suchung der Yale-Uni­ver­sität belegt: Vor dem grossen Crash 1987 war den meisten Anlegern klar, dass die Aktienkurse viel zu hoch waren. Doch keiner stiess seine Papiere ab. Die Spekulanten sahen nur noch, was sie sehen wollten: Bei steigenden Kurse verkauft man nicht. Und wo alle hingehen, muss doch was zu holen sein. Mit dem Crash kam das böse Erwachen.

Börsenerfolge machen blind

Wenn’s an der Börse läuft, verlieren auch sonst so besonnene Leute ihre kritische Urteilsfähigkeit. Nur noch Statistiken und Zahlen werden herange­zo­gen, die die eigene Meinung und das eigene Gefühl bestätigen. Dreht dann die Stimmung, wird der Rückschlag umso heftiger. Das muss nicht sein: Ein bewährtes Hilfsmittel, mit dem Sie sowohl den übergrossen Optimismus als auch den Pessimismus und über(ver)kaufte Börsen messen können, ist der Vier-Wochen-Durch­schnitt. Steigt oder fällt ein Aktienindex im Vergleich zu einem kurzfristi­gen Durch­schnitt zu rasant, dann hat die Börse übertrieben und ist zumindest für eine kurzfristige Korrektur anfällig.

Auch Analysten sind keine Hellseher

Merken Sie sich eines: Auch Analysten sind keine Hellseher. Sie hüten sich vor eindeutigen Urteilen. Denn die Gefahr ist gross, dass sie daneben­liegen – und ihren Job verlieren. Die Folge: Immer mehr Analysten schliessen sich der Meinung einiger weniger an. Hinzu kommt: Zu dem Zeitpunkt, wenn eine Analyse veröffentlich wird, ist es für Sie als Anleger eh schon zu spät zum Handeln. Die Börse hat bereits reagiert.

„Je schneller Pri­vatan­leger und In­sti­tu­tionelle die Heimtücken und Fallen der Börsen zu Beginn des 21. Jahrhun­derts durch­schauen lernen, desto weniger können sie zu Opfern werden.“

Noch etwas sollte Sie stutzig machen: Keiner sägt sich den Ast ab, auf dem er selbst sitzt. Beispiel: Die Deutsche Telekom brachte im Jahr 2000 ihre Tochter T-Online und weitere eigene Aktien an die Börse. Ein gewaltiges Business für In­vest­ment­banker. Wen wundert’s, kamen doch von den grossen US-Geldhäusern keine negativen Kommentare zur Deutschen Telekom, obwohl der Kurs der Aktie in den ersten drei Monaten 2000 fast senkrecht in die Höhe stieg, die Firma gle­ichzeitig aber immer weniger verdiente. Wer will sich schon die schönen Kurse durch negative Analysen verderben?

Statistiken lügen

Mit Zahlen kann man alles beweisen. Wird eine Statistik direkt nach einem Höchststand erstellt, erscheinen 40 %-Kur­sauss­chläge vor 20 oder 30 Jahren nur noch als un­wesentliche Kursko­r­rek­tur. Noch etwas: Behandeln Sie Statistiken aus den 90er Jahren besonders vorsichtig. Die meisten sind seit 1997 nicht mehr repräsentativ. Die Fonds­man­ager kaufen seither in wesentlich höherem prozen­tualen Anteil als früher Aktien, die in den breiten europäischen und amerikanis­chen Indizes enthalten sind. Und vergessen Sie nicht: Es gab und gibt immer wieder Jahre einer scheinbar endlosen Hausse und dann Zeiten der Flaute. Nach einer Reihe von aussergewöhnlichen Börsenjahren ist die Wahrschein­lichkeit jetzt wieder sehr viel grösser, dass eine mehrjährige Ko­r­rek­tur­phase einsetzt, die gewisse Übertrei­bun­gen ausgleicht.

Auch in New York kocht man nur mit Wasser

Lassen Sie sich von News aus New York nicht verrückt machten. Mal wartet die Börsenwelt gespannt auf die neuesten Pro­duk­tion­szahlen, dann sind Angaben über Beschäfti­gungszahlen angekündigt. Doch die Aus­sagekraft ist oft gleich null. Ein Beispiel: Am 3. September 1999 wurde bekannt gegeben, dass die Entwicklung der Lohnstückkosten im letzten Berichtsmonat plus 0,2 % betragen habe. Erwartet wurden hingegen 0,3 %. Diese nichts sagende Differenz genügte jedoch, um in New York eine Kursrallye auszulösen. Der Nas­daq-In­dex stieg um 3 %. Man belauert sich gegenseitig und schaut, wie die Hauptmasse der Börsen­teil­nehmer auf die US-Zahlen reagiert. Mit sorgfältiger Analyse hat das nichts mehr zu tun, solche Kurssteigerun­gen lassen sich nur massenpsy­chol­o­gisch erklären. Doch erfolgreich sind diese Spekulanten auf Dauer nicht: Sehr häufig kommt es schon Minuten nach der ersten hys­ter­ischen Bewegung zu einer Gegen­reak­tion, weil einige Analysten die Zahlen genauer unter die Lupe genommen haben.

Ver­heis­sungsvolle Lock­vo­gel-Ange­bote

Noch eine An­legerfalle. Am 22. Juli meldete die renommierte Frankfurter Allgemeine Zeitung: „Deutsche Aktien übergewichten. Merrill Lynch: Chemietitel und Autowerte sind interessant.“ Was soll eine solche Meldung für den Leser? Diejenigen, die diese Empfehlung gaben, haben ihre Käufe mit Sicherheit schon unter Dach und Fach. Könnte es also sein, dass die Veröffentlichung für Merrill Lynch einen ganz anderen Zweck hatte? Beispiel­sweise diesen: Potenzielle Käufer neugierig machen, damit die In­vest­ment­bank für sich und ihre Kunden leichter verkaufen konnte? Tatsache ist: Am 22. Juli und in den darauf folgenden Wochen waren massive Verkäufe deutscher Aktien zu beobachten. Die VW-Aktie fiel von 57 auf 48 Euro, die im FAZ-Artikel besonders erwähnte Bayer-Aktie sank von 40 auf 36 Euro, und die Auto- und Chemieak­tien zählten gerade nicht zu den Favoriten der Mitte Oktober 1999 beginnenden Ak­tien­hausse in Deutschland.

Auf Fonds-Profis ist kein Verlass

Aktienfonds werden zwar von Profis gemanagt. Aber das heisst noch gar nichts. Nur 5 % der aktiv gemanagten Fonds haben nach Aussage einer Langzeit­studie über die Wer­ten­twick­lung britischer Pen­sions­fonds zwischen 1988 und 1997 den Index deutlich übertroffen. Der Grund für die schlechte Arbeit der Fonds­man­ager: Viele junge Händler stehen unter einem sehr hohen Er­fol­gs­druck. Jeder ist bestrebt, im Trend der Mehrheit zu liegen, dann kann man ihm keine Vorwürfe machen. Deshalb handelt er wie die Herde. Die Fi­nanzver­wal­ter drängen zur selben Zeit in dasselbe Mark­t­seg­ment hinein und treiben die Kurse in nicht mehr rational nachvol­lziehbare Höhen.

„Der US-Ökonom Terrance Odean stellte bei der Auswertung von 35 000 Depots einer Bank fest, dass es meist Männer sind, die sich selbst überschätzen.“

Ein Tipp: Kaufen Sie keinesfalls die siegreichen Fonds des Vorjahres. Den Siegern fliesst im folgenden Jahr zwar viel Kapital zu. Doch die Wieder­hol­ung des Erfolges ist schwierig: Auch bei einer Länder- und Branchen­ro­ta­tion müssen die Fonds­man­ager immer wieder die richtigen Werte auswählen. Und das ist oft Glückssache.

Suchen Sie un­ter­be­w­ertete Titel

Orientieren Sie sich nicht nur an Ak­tienin­dizes wie Dow Jones, DAX und NEMAX. Seit 1996 liefern diese ein falsches Bild von den Aktienmärkten. Der Grund: Die Fonds kaufen fast auss­chliesslich die in den Indizes enthaltenen Aktien und treiben diese nach oben. Die Indizes vermitteln also nicht mehr ein repräsentatives Gesamtbild. Noch vor 20 Jahren war es unwichtig, ob und in welchem Index sich eine Aktie befand. Heute ist es nur noch interessant, ob eine Aktie im DAX, Nasdaq oder NEMAX geführt wird. Dann lässt sich ein Kauf immer recht­fer­ti­gen.

„Im Grunde ist die Überreaktion auf Zahlen aus New York ein Zeichen von höchster Un­sicher­heit.“

Es kommt zu einer Ket­ten­reak­tion: Analysten empfehlen eine Aktie zum unbedingten Kauf – Strong Buy. Die Fonds­man­ager nehmen die Aktie in überdurch­schnit­tlichen Mengen ins Depot. Aufgrund des Kur­sanstiegs erhöht sich die Mark­tkap­i­tal­isierung. Die Deutsche Börse entscheidet, dass die Aktie stärker im Index gewichtet werden muss. Und weitere Fondskäufe setzen ein, weil die Fonds­man­ager nun mehr Anteile von diesem Unternehmen halten müssen, um den Index nachzu­bilden. Fazit: Gute Chancen bei völlig un­ter­be­w­erteten Titeln werden nicht wahrgenom­men, weil man sich in einer steilen Ak­tien­hausse wähnt, während der man nicht mehr an der Börse einzusteigen wagt.

Fusionen freuen nur das Porte­mon­naie der Topmanager

Nehmen Sie sich vor der Fu­sions-Eu­phorie in Acht. In den letzten Jahren wurden durch gigantische Übernahmeschlachten ohnehin schon überbe­w­ertete Aktien noch weiter nach oben getrieben. Bei den meisten Fusionen hätten die Aktionäre das beste Geschäft gemacht, wenn sie ihre Titel bei Bekanntgabe des Zusam­men­schlusses schleunigst verkauft hätten. So war es beim Zusam­men­schluss von Sandoz und Ciba-Geigy zu Novartis, Schweizer Bankge­sellschaft und Schweizer Bankverein zu UBS wie auch bei Vodafone und Mannesmann und Daim­ler­Chrysler.

„Der Herdentrieb der Fonds­man­ager sorgt dafür, dass lange Zeit immer wieder dieselben von Analysten ange­priese­nen Aktien bevorzugt gekauft werden.“

Weshalb also überhaupt Mega-Fu­sio­nen? Für das Top-Man­age­ment sind sie eine ideale Möglichkeit, um den eigenen Lohn noch weiter hin­aufzuschrauben. Nach der Mannesmann-Übernahme durch Vodafone sank der Kurs nur noch. Trotzdem verlangte Voda­fone-Chef Chris Gent eine Prämie von 30 Millionen Mark.

Über den Autor

Uwe Lang übt seinen ursprünglichen Beruf als Pfarrer seit 1993 nur noch ehre­namtlich aus. Seine haupt­beru­fliche Beschäftigung gilt seither der Geldanlage. Er veröffentlicht Pub­lika­tio­nen, hält Vorträge und Börsensem­inare. Nicht zuletzt ist er aber selbst aktiver und er­fol­gre­icher Anleger. Lang ist Herausgeber der Börsensignale und Autor zahlreicher Bücher. Zuletzt veröffentlichte er 1999 Börsenwissen kurz und bündig und er war Mither­aus­ge­ber von Das Börsenlexikon (2000).