Fachlaufbahnen

Buch Fachlaufbahnen

Alternative Karrierewege für Spezialisten schaffen

Luchterhand,


Rezension

Karriere machen, ohne Chef zu sein – genau das verspricht das Konzept der Fach­lauf­bahn. Michel E. Domsch und Désirée H. Ladwig bieten einen guten Einblick in das Thema, das immer mehr an Bedeutung gewinnt. Nachdem im ersten Teil des Buches ein kurzer Überblick über den Forschungs­stand gegeben wird, folgen im zweiten die Er­fahrungs­berichte von insgesamt 13 Unternehmen, darunter Audi, Bosch, Eon, Carl Zeiss und Credit Suisse. Durch die Vielfalt der Beiträge wird deutlich, wie un­ter­schiedlich die Einführung von Fach­lauf­bah­nen im Detail angegangen werden kann. Zugleich kommen aber auch Aspekte zum Vorschein, die praktisch in jedem der Unternehmen eine Rolle gespielt haben – und die deshalb bei der Etablierung eines Fach­lauf­bahn­sys­tems generell zu beachten sind. BooksInShort empfiehlt das Buch allen Per­son­alver­ant­wortlichen, die mit der Einführung oder Weit­er­en­twick­lung entsprechen­der Lauf­bahnkonzepte zu tun haben.

Take-aways

  • Die Wissens- und In­for­ma­tion­s­ge­sellschaft bringt neue Her­aus­forderun­gen für die Per­son­alar­beit mit sich.
  • Viele Wis­sensar­beiter wollen Karriere machen, ohne jedoch Führungskraft zu sein.
  • Moderne Unternehmen un­ter­schei­den darum zwischen zwei großen Kar­ri­ere­bere­ichen: tra­di­tionelle Führungslauf­bahn und Fach­lauf­bahn.
  • Die häufigsten Fach­lauf­bah­nen sind die Spezial­is­ten­lauf­bahn und die Pro­jek­t­lauf­bahn.
  • An der Entwicklung von Fach­lauf­bah­nen sollten hochrangige Manager und Per­son­al­fach­leute beteiligt sein.
  • Die Fach­lauf­bah­nen müssen sich sowohl am Interesse der Mitarbeiter als auch an den länger­fristi­gen Un­ternehmen­szie­len orientieren.
  • Von besonderer Bedeutung ist eine of­fen­sichtliche und deutlich kom­mu­nizierte Gle­ich­w­er­tigkeit von Führungslauf­bahn und Fach­lauf­bahn.
  • Für beide Laufbahnen sollte nur eine begrenzte Stellenzahl auf den höheren Hi­er­ar­chi­estufen zur Verfügung stehen.
  • Der Wechsel von einer Laufbahn in eine andere sollte grundsätzlich ermöglicht werden.
  • Fach­lauf­bah­nen können wesentlich zur Gewinnung und Bindung hoch qual­i­fizierter Mitarbeiter beitragen.
 

Zusammenfassung

Neue Spielregeln für die Per­son­alar­beit

Wissen und Information sind in den letzten Jahren zu wichtigen Säulen der Unternehmen westlicher In­dus­trien­atio­nen geworden. Entschei­dende Wet­tbe­werb­svorteile hängen zunehmend von einem pro­fes­sionellen Wis­sens­man­age­ment ab. Datenbanken allein reichen dafür nicht aus. Denn Wissen und Kreativität stecken vor allem in den Köpfen der Mitarbeiter. Gle­ichzeitig erleben die Unternehmen in den In­dus­trien­atio­nen einen zunehmenden Fachkräftemangel.

„Wis­sensar­beiter einer Wis­sens­ge­sellschaft erwarten innovative Karriere- und Führungskonzepte, die den sich rasant ändernden Ar­beits­be­din­gun­gen angepasst sind.“

Schon heute können in Deutschland jährlich bis zu 100 000 Positionen nicht besetzt werden. Wer vor diesem Hintergrund die besten Köpfe für das eigene Unternehmen gewinnen will, muss nicht nur innovative Führung bieten, sondern auch neue und attraktive Kar­ri­erechan­cen. Ein wichtiger Schritt in diese Richtung besteht darin, Fach­lauf­bah­nen anzubieten.

Die drei Schichten der modernen Or­gan­i­sa­tion

Zukun­ftsweisende Or­gan­i­sa­tio­nen beruhen auf der Vernetzung von drei Schichten:

  1. Geschäftssystem: Diese Schicht entspricht der tra­di­tionellen Un­ternehmensstruk­tur. Hier laufen die üblichen Geschäftsprozesse ab, Strategien werden entwickelt und im Rahmen einer Lin­ien­hier­ar­chie umgesetzt.
  2. Pro­jek­t­teams: Im Rahmen von zeitlich begrenzten Projekten oder länger­fristi­gen Netzwerken werden Wis­sensar­beiter dazu eingesetzt, bere­ichsin­tern oder bereichsübergreifend neues Wissen zu erwerben oder zu generieren. Auf dieser Ebene werden auch aufwändige Projekte gemanagt, deren Umfang und Komplexität das Ausmaß tra­di­tioneller Führungsauf­gaben übersteigt.
  3. Wis­sens­ba­sis: Auf dieser Ebene wird das Wissen des Un­ternehmens bewahrt und in sinnvoller Weise für die Erreichung der Un­ternehmen­sziele eingesetzt. Dies geschieht durch Datenbanken, aber auch mithilfe der Un­ternehmensvi­sion und -kultur. Alle Mitarbeiter haben Zugang zur Wis­sens­ba­sis.
„Viele kar­ri­ere­ori­en­tierte Mitarbeiter wollen eher fachlich fundiert arbeiten, anstatt in die Man­age­ment­lauf­bahn gezwungen zu werden.“

Die drei Schichten sind in modernen Unternehmen intensiv vernetzt. Jede von ihnen ist für den Un­ternehmenser­folg entschei­dend. Aufgrund dieses Umstands gewinnt die Fach­lauf­bahn gegenüber der tra­di­tionellen Führungs- oder Man­age­ment­lauf­bahn zunehmend an Bedeutung. Möglicher­weise wird sie in Zukunft sogar wichtiger werden als diese. Das wertet die Mitarbeiter, die als Experten und Fachleute tätig sind, auf und macht sie zu einer wichtigen Zielgruppe für die Per­son­alar­beit.

Drei Typen von Fach­lauf­bah­nen

Je nach Schw­er­punk­t­set­zung lassen sich drei Typen von Fach­lauf­bah­nen un­ter­schei­den:

  1. Spezial­is­ten­lauf­bahn: Viele Experten empfinden sich als überqual­i­fiziert und sind es nach Meinung ihrer Vorge­set­zten auch. Daher ist es wichtig, ihnen einen Aufstieg im Rahmen einer Spezial­is­ten­hier­ar­chie zu bieten, der mit keiner oder nur einer geringen Per­son­alver­ant­wor­tung verbunden ist und kaum Ver­wal­tungsauf­gaben beinhaltet. Der Schwerpunkt liegt bei dieser Karriere auf den Fachauf­gaben. Dadurch soll strategisch wichtiges Wissen für das Unternehmen gefördert und erhalten werden. Belohnt wird die Aufgabenerfüllung durch eine Karriere, die parallel zu den ver­schiede­nen Leitungsebe­nen der Führungslauf­bahn verläuft. In fast allen Un­ternehmens­bere­ichen fallen Fachauf­gaben an: nicht nur in Forschung und Entwicklung, sondern auch im IT-Bereich, im Per­son­al­bere­ich und der Weit­er­bil­dung, im Marketing, im Bereich Planung und Strategie sowie in der Rechtsabteilung.
„Oberstes Ziel einer Spezial­is­ten­lauf­bahn ist die Förderung, Erhaltung und Belohnung besonderer fachlicher Leistungen in wichtigen Wis­sens­bere­ichen.“

Beim Design einer Spezial­is­ten­lauf­bahn ist es hilfreich, eine Ar­beits­gruppe zu bilden, die aus anerkannten Experten, hochrangi­gen Managern aus den entsprechen­den Abteilungen und Per­son­al­fach­leuten besteht. Dabei müssen Sie vor allem klar un­ter­schei­d­bare Rangstufen definieren. Typische Positionen innerhalb dieser Hierarchie müssen beschrieben und Gehalts­band­bre­iten festgelegt werden. Bei Auswahlver­fahren für diese Laufbahn hat sich die Einrichtung eines Auswahlgremi­ums bewährt. Es ist wichtig, dass das Top­man­age­ment selbst die Einführung einer solchen Laufbahn kom­mu­niziert. Ernennungen in höhere Positionen sollten vorsichtig gehandhabt werden, damit der Anreiz solcher Positionen hochge­hal­ten wird. Bei der Nutzung der Spezial­is­ten­lauf­bahn gilt es, fachliche Leistung zu belohnen und die Einrichtung nicht als Ab­stell­gleis für erfolglose Manager aus der Führungslauf­bahn zu miss­brauchen.

  1. Pro­jek­t­lauf­bahn: In vielen modernen Unternehmen wird zunehmend und teilweise bereichsübergreifend in Projekten und Teams gearbeitet. Egal, ob es sich um tra­di­tionelle Projekte, Task Forces oder Pro­duk­t­teams handelt – die Komplexität der Aufgaben erfordert oft eine Leitung durch entsprechende Fachleute. Bei größeren Projekten kann eine Pro­jek­thier­ar­chie sinnvoll sein – etwa vom einzelnen Team­mit­glied über Leiter für kleinere Projekte bis hin zum ve­r­ant­wortlichen Pro­jek­tleiter für kom­pliziert­ere Projekte. Die Fähigkeiten, die in der Pro­jek­thier­ar­chie die jeweiligen Positionen bestimmen, un­ter­schei­den sich teilweise deutlich von denen, die für eine tra­di­tionelle Führungslauf­bahn oder eine Spezial­is­ten­lauf­bahn er­forder­lich sind. Daher lohnt es sich, auch eine eigene Pro­jek­t­lauf­bahn anzubieten. Je nach Auf­gaben­schw­er­punkt der Projekte ist es sinnvoll, eine Durchlässigkeit hin zur Führungslauf­bahn oder zur Spezial­is­ten­lauf­bahn zu ermöglichen.
  2. Gremien­lauf­bahn: Information, Kom­mu­nika­tion und Entschei­dungs­find­ung erfordern heutzutage vernetztes, bereichsübergreifendes Denken. Doch die tra­di­tionellen Führungsstruk­turen sind dafür oft nicht flexibel genug. In dieser Hinsicht hat sich die Einrichtung von Gremien wie Busi­ness-Units, Profit-Cen­ter-Boards oder Ab­stimmkreisen bewährt, deren Führungsmit­glieder für bestimmte Produkte oder ganze Sortimente ve­r­ant­wortlich sind und diese Aufgabe vor allem durch Gremien­ar­beit wahrnehmen. Je nach Umfang und Bud­getver­ant­wor­tung solcher Einheiten kann eine Mit­glied­schaft in einem Gremium auch hi­er­ar­chis­chen Charakter haben: Je wichtiger die Einheit für den Geschäftserfolg, umso höherwertig die Position. Entsprechend lässt sich auch eine Gremien­lauf­bahn einrichten.
„Die Fach­lauf­bahn bietet Sicherheit. Denn auch in Krisen­zeiten können Unternehmen nicht auf Ex­perten­wis­sen verzichten.“

Durch die Einführung eines Fach­lauf­bahn­sys­tems wird den Mi­tar­beit­ern die Möglichkeit geboten, ihre jeweiligen Stärken in das Unternehmen einzubrin­gen und auch ohne den Einstieg in die tra­di­tionelle Führung­shier­ar­chie Karriere zu machen. Es ist sinnvoll, den Wechsel innerhalb der Laufbahnen grundsätzlich zu ermöglichen. Denn das führt zu einer erhöhten Flexibilität bei der Per­son­alen­twick­lung und schafft zusätzliche Anreize für Spezial­is­ten, in das Unternehmen einzutreten und ihm treu zu bleiben.

Besondere Her­aus­forderun­gen für die Per­son­alar­beit

Die Einführung eines flexiblen Lauf­bahn­sys­tems führt zu neuen An­forderun­gen an die Per­son­alar­beit:

  • Klare Lauf­bahnal­ter­na­tiven: Häufig sind Unternehmen in ihrer Per­son­alar­beit und Führung noch sehr konservativ aus­gerichtet. Daher bedarf es bei der Einführung neuer innovativer Lauf­bahnkonzepte einiger Überzeu­gungsar­beit. Die Vor- und Nachteile un­ter­schiedlicher Fach­lauf­bah­nen müssen offen erörtert und die neuen Strukturen klar und deutlich vermittelt werden.
  • Feststellen des Interesses und der Möglichkeiten: Zum einen ist es wichtig, durch Befragungen festzustellen, wie stark das Interesse der Mitarbeiter an Fach­lauf­bah­nen überhaupt ist. Zum anderen müssen Sie klären, welche Arten von Fach­lauf­bah­nen am besten zur mittel- und langfristi­gen Un­ternehmen­spla­nung passen.
  • Gezielte Per­son­alen­twick­lung: Eine besonders wichtige Aufgabe ist die Auswahl und Förderung der geeigneten Mitarbeiter für die Besetzung der jeweiligen Fach­lauf­bah­n­po­si­tio­nen. Zudem muss der Erfolg der Fach­lauf­bah­nen kon­tinuier­lich evaluiert werden.

Praxis­er­fahrun­gen

Der Stand der Einführung von Fach­lauf­bah­nen in den Unternehmen ist sehr un­ter­schiedlich. Bei einer Befragung im Jahr 2009 zeigte sich, dass ein Drittel der aus­gew­erteten Unternehmen mit Fach­lauf­bahn diese vor mehr als zehn Jahren eingeführt hat, fast die Hälfte hat diesen Schritt in den letzten fünf Jahren getan. Bei über der Hälfte der Unternehmen wurden Fach­lauf­bah­nen un­ternehmensweit eingeführt. Ebenfalls haben mehr als die Hälfte der Unternehmen sowohl eine Spezial­is­ten­lauf­bahn als auch eine Pro­jek­t­lauf­bahn ein­gerichtet, die restlichen Unternehmen boten nur eine Spezial­is­ten­lauf­bahn.

„Das früher häufig prak­tizierte Prinzip, dass der fachlich ver­sierteste Mitarbeiter nach bestimmter Be­trieb­szugehörigkeit automatisch zur Führungskraft befördert wird, hat ausgedient.“

Einige Faktoren haben sich bei der Einführung von Fach­lauf­bah­nen als er­fol­gskri­tisch erwiesen:

  • Wie bei einer Führungslauf­bahn sollte nur eine begrenzte Anzahl von Stellen auf den höheren Hi­er­ar­chi­estufen zur Verfügung stehen, um eine Verwässerung des Kar­ri­erekonzepts zu vermeiden.
  • Die An­forderungskri­te­rien bei den einzelnen Stufen müssen transparent sein. Besonders wichtig ist es, sich bei den Stel­lenbeschrei­bun­gen nicht an momentan im Unternehmen vorhandenen Spezial­is­ten zu orientieren, sondern die objektiven An­forderun­gen der jeweiligen Position her­auszuar­beiten.
  • Führungs- und Fach­lauf­bah­nen müssen gle­ich­w­er­tig sein. Das betrifft u. a. den Titel, das Gehalt, Sta­tussym­bole wie die Büroausstat­tung oder die Einordnung der jeweiligen Stelle im Organigramm. Diese Gle­ich­w­er­tigkeit muss auch kom­mu­niziert werden, etwa indem in der Mi­tar­beit­erzeitung über Beförderungen im Rahmen von Fach­lauf­bah­nen informiert wird.
  • Auch bei den Fach­lauf­bah­nen sollte es ein objektives und nachvol­lziehbares Verfahren für die Auswahl und Beförderung der Stel­len­in­haber geben.
„Die Einführung einer Fach­lauf­bahn ist nicht nur für die Bindung der vorhandenen, hoch qual­i­fizierten Mitarbeiter, sondern auch für die Rekru­tierung geeigneter Bewerber ein wichtiger Bestandteil eines modernen Per­sonal­man­age­ments.“

Da das fachliche Wissen und Können der Mitarbeiter immer mehr an Bedeutung für den Un­ternehmenser­folg gewinnt, wird die Einführung von Fach­lauf­bah­nen zu einem wichtigen Instrument der Per­son­alar­beit. Diese hat die Aufgabe, die Gewinnung und Bindung hoch qual­i­fizierter Mitarbeiter zu fördern.

Über die Autoren

Michel E. Domsch ist Professor für Per­son­al­we­sen und In­ter­na­tionales Management an der Hel­mut-Schmidt-Uni­ver­sität Hamburg und leitet dort das Management Development Center. Désirée H. Ladwig ist Professorin für Per­sonal­man­age­ment und Allgemeine Be­trieb­swirtschaft­slehre an der Fach­hochschule Lübeck sowie Un­ternehmens­ber­a­terin.