Management interorganisationaler Beziehungen

Buch Management interorganisationaler Beziehungen

Netzwerke – Cluster – Allianzen

Kohlhammer,


Rezension

Unternehmen werden gemanagt, klar. Aber was ist mit den Beziehungen zwischen ihnen? Was in jeder zwis­chen­men­schlichen Part­ner­schaft gang und gäbe ist, gilt auch für den in­teror­gan­i­sa­tionalen Bereich, um dieses Wortungetüm aus dem Buchtitel zu bemühen. Bei diesem einen Monstrum bleibt es leider nicht, wendet man sich dem Buchinnern zu. Wie so oft, wenn Wis­senschaftler zur Feder greifen, wimmelt es auch hier von langen, schwer verständlichen Wörtern, mühsam zu lesenden Schachtelsätzen, die noch mit Quel­lenangaben versehen sind, und sehr viel Theorie. Immerhin kann sich der Leser so ein solides Fundament schaffen, auf dem er vielleicht selbst das Management von Un­ternehmens­beziehun­gen aufbaut oder aber diese weiter erforscht. Hilfreich und interessant sind die praktischen Beispiele, vorrangig von der Star Alliance, die der grauen Theorie wenigstens so viel Leben einhauchen, dass die Um­set­zbarkeit der Ideen machbar erscheint. Der Titel des Buches ist etwas irreführend, denn dem Management von Beziehungen zwischen Or­gan­i­sa­tio­nen widmet sich nur ein Kapitel. In erster Linie lernt der Leser, solche Beziehungen zu analysieren und einzuordnen. Insofern ist das Buch für Praktiker weniger interessant als für Studierende und Forschende der Be­trieb­swirtschaft­slehre, denen BooksInShort es empfiehlt.

Take-aways

  • In­teror­gan­i­sa­tionale Beziehungen spielen sich auf der Ebene des Individuums, der Or­gan­i­sa­tion und des or­gan­i­sa­tionalen Feldes (Zulieferer, Kunden, Gew­erkschaften, usw.) ab.
  • Sie können vertikaler, hor­i­zon­taler und lateraler Art sein.
  • Jede Or­gan­i­sa­tion zeichnet sich durch Formalität und Reflexivität aus: Sämtliche Handlungen basieren auf Regeln, die stetig weit­er­en­twick­elt werden.
  • Typische Formen in­teror­gan­i­sa­tionaler Beziehungen sind Markt-, Netzwerk- und Hi­er­ar­chiebeziehun­gen.
  • Net­zw­erk­beziehun­gen bringen Vorteile in Bezug auf Kosten und Flexibilität.
  • Outsourcing mündet oft in eine Net­zw­erk­beziehung.
  • Netzwerke kommen auch dann zum Tragen, wenn der Markt versagt.
  • Netzwerke entwickeln sich selten in einem linearen Prozess, sondern meist in einem dauerhaften Kreislauf von Verhandlung, Selb­stverpflich­tung und Ausführung.
  • Beim Net­zw­erk­man­age­ment geht es immer um Part­ner­auswahl, Ressourcenverteilung, Regulierung und Evaluierung.
  • Netzwerke werden anfangs meist sporadisch und erst nach einiger Zeit pro­fes­sionell gemanagt.
 

Zusammenfassung

Beziehungsrich­tun­gen

Alle Unternehmen stehen in Beziehung zu anderen Mark­t­teil­nehmern, zu Abnehmern, zu Zulieferern, zur Gesellschaft usw. Solche in­teror­gan­i­sa­tionalen Beziehungen müssen genauso gemanagt werden wie die Prozesse und die Belegschaft innerhalb eines Un­ternehmens. Wer aus diesen Beziehungen das Beste machen will, sollte sie korrekt einordnen können, etwa nach ihrer Richtung. Diese kann vertikal, horizontal oder lateral verlaufen.

  • Vertikale Beziehungen bestehen zu Unternehmen, die in der Wertekette vor- oder nachge­lagert sind. Vorgelagert sind beispiel­sweise Lieferanten von Rohstoffen und Teilen. Nachge­lagert sind Han­dels­be­triebe.
  • Horizontale Beziehungen liegen zwischen Or­gan­i­sa­tio­nen auf der gleichen Wertschöpfungsstufe vor. Dabei geht es eigentlich immer um Konkur­renten, die gemeinsam Forschung und Entwicklung betreiben, ein Produkt herstellen oder im Doppelpack einkaufen, um von Größenvorteilen zu profitieren.
  • Laterale Beziehungen sind häufig bei di­ver­si­fizierten Unternehmen anzutreffen. Hier kooperiert eine Stufe der Wertekette einer Un­ternehmen­sein­heit mit einer oder mehrerer Stufen einer Wertekette einer anderen Einheit.

Ebenen in­teror­gan­i­sa­tionaler Beziehungen

In­teror­gan­i­sa­tionale Beziehungen können auf ver­schiede­nen Ebenen analysiert werden: erstens auf der Ebene des Individuums und der Gruppe, zweitens auf der Ebene der Or­gan­i­sa­tion und des Netzwerks sowie drittens auf der Ebene des or­gan­i­sa­tionalen Feldes und der Gesellschaft.

„Geschäfts­beziehun­gen, Allianzen, Wertketten, Cluster, Supply Chains, Netzwerke – wie auch immer die Ausprägungen in­teror­gan­i­sa­tionaler Beziehungen heißen mögen, sie müssen allesamt gemanagt werden.“

Die Individuen sind diejenigen, die die Beziehungen letztlich aufbauen, pflegen und auch wieder abbrechen. Ihre Beziehungsfähigkeit ist stark vom Selb­st­be­wusst­sein, von sozialen Kompetenzen, von fachlichen Fähigkeiten und von der Ko­op­er­a­tionsnei­gung abhängig.

Eine Or­gan­i­sa­tion ist ein soziales System, das sich durch Formalität und Reflexivität auszeichnet. Formalität heißt, dass sämtliche Handlungen auf formalen Regeln basieren, z. B. auf Weisungs­befug­nis­sen oder Stel­lenbeschrei­bun­gen. Reflexivität bedeutet, dass sämtliche Regeln immer wieder auf ihre Zweckmäßigkeit überprüft und ggf. verändert werden.

„Man­age­men­thandeln, das sich auf die Gestaltung in­teror­gan­i­sa­tionaler Beziehungen richtet, knüpft einerseits an die aktuellen Qualitäten der Beziehungen an und versucht an­der­er­seits diese entweder zu bewahren oder aber zu verändern.“

Das or­gan­i­sa­tionale Feld umfasst Zulieferer, Kunden, Gew­erkschaften, Regierung­sor­gan­i­sa­tio­nen usw. Dieses Feld kann die Beziehungsnei­gung von Or­gan­i­sa­tio­nen bee­in­flussen. So wirken beispiel­sweise Branchen­verbände und Universitäten nachweisbar stärker auf die Net­zw­erk­bil­dung von Unternehmen der optischen Industrie ein als Gew­erkschaften. Auch die Gesellschaft spielt eine Rolle. In der japanischen Gesellschaft etwa sind Beziehungen seit jeher sehr wichtig, weswegen auch Netzwerke tra­di­tionell gepflegt und gefördert werden.

Un­ter­schiedliche Formen in­teror­gan­i­sa­tionaler Beziehungen

Betrachtet man die un­ter­schiedlichen Formen in­ter­na­tionaler Beziehungen, lassen sich diese grob in Markt-, Netzwerk- und Hi­er­ar­chiebeziehun­gen einteilen:

  • Mark­t­beziehun­gen basieren meist auf einem Vertrag und sind auch Ursprung für Netzwerk- und Hi­er­ar­chiebeziehun­gen. Unternehmen bedienen sich des Marktes, indem sie beispiel­sweise Produkte austauschen, sei es ein- oder mehrmalig. Dabei gibt es Geschäfte, bei denen Produkte gegen eine zuvor vereinbarte Geldsumme übergeben werden, genauso wie solche, bei denen eine Leistung gegen eine andere getauscht wird, z. B. beim Prod­uct-Place­ment. So werden kom­merzielle Inhalte für Radio- oder Fernsehsendun­gen von Unternehmen gesponsert, die im Gegenzug Werbe­minuten erhalten.
  • Or­gan­i­sa­tio­nen können Net­zw­erk­beziehun­gen ver­schieden­ster Art eingehen. In einem Kartell sprechen sich Unternehmen stillschweigend über Preise oder Ver­trieb­s­stan­dorte ab. Auf diese Weise schränken sie den Wettbewerb ein und bringen sich in eine vorteil­hafte Position. Das deutsche Bun­deskartel­lamt verbietet solche Absprachen in den meisten Fällen, etwa beim so genannten Kaf­fee-Kartell: Tchibo, Melitta, Dallmayr und Jacobs Kaffee (Kraft Foods) stimmten zwischen 2000 und 2008 ihre Preise illegal ab. Auch Verbände sind Netzwerke. In ihnen or­gan­isieren sich Unternehmen oder Menschen mit gleichen Interessen. In erster Linie sollen die Verbände die Öffentlichkeit im Sinne der Mitglieder bee­in­flussen. Ein weiteres Beispiel für Netzwerke sind strate­gis­che Allianzen. Hierbei handelt es sich um for­mal­isierte und länger­fristige vertikale, horizontale und laterale Ko­op­er­a­tio­nen. Jedes Mitglied will dabei von den Stärken der anderen Mitglieder profitieren. Ein bekanntes und er­fol­gre­iches Beispiel ist die Star Alliance, in der sich Flugge­sellschaften wie die Lufthansa, Air Canada oder United Airlines zusam­mengeschlossen haben.
  • Hi­er­ar­chiebeziehun­gen entwickeln sich u. a. durch die Übernahme eines Un­ternehmens. Das übernommene Unternehmen muss sich in einer auf Konzen­tra­tion aus­gerichteten Übernahmes­trate­gie dem übernehmenden Unternehmen unterordnen. Solche Beziehungen entstehen auch dann, wenn Bereiche eines Un­ternehmens aus­gegliedert werden und weitgehend autonom wirtschaften. Typ­is­cher­weise findet man diese Art der Beziehung in Konzernen oder Holdings.
„Tatsächlich ist empirisch nachweisbar, dass bei zunehmender Relevanz von Net­zw­erk­beziehun­gen die Net­zw­erk­man­age­men­tkom­pe­ten­zen einen zunehmenden In­sti­tu­tion­al­isierung­sprozess durchlaufen.“

Unter den genannten Beziehungs­for­men gilt die Net­zw­erk­beziehung als besonders in­no­va­tionsfähig. Netzwerke arbeiten kostengünstiger und flexibler und werden nicht zuletzt häufig von der öffentlichen Hand gefördert. Nicht nur die Summe dieser Vorteile, sondern auch die tech­nol­o­gis­che Entwicklung, vor allem das Internet, haben die Vernetzung von Or­gan­i­sa­tio­nen vo­r­angetrieben. Netzwerke bilden sich häufig durch Outsourcing, d. h., wenn ein Unternehmen einen Bereich auslagert. Gründe dafür sind etwa Kosten­vorteile oder Risikover­lagerun­gen. Bietet ein aus­ge­lagertes Rechen­zen­trum beispiel­sweise spezielle Leistungen an, die eine enge Abstimmung mit dem Kunden erfordern, arbeiten die Akteure net­zw­erkar­tig zusammen. Ebenso setzen Unternehmen auf Netzwerke, wenn der Markt versagt.

Phasen der Net­zw­erk­bil­dung

Es gibt ver­schiedene Modelle, die die En­twick­lungsphasen eines Netzwerks beschreiben. Ein Teil betrachtet die Entwicklung als linearen Prozess, was jedoch an der Realität vorbeigeht. Dennoch finden vor allem diese Modelle Akzeptanz in der Man­age­ment­praxis, da sie Ori­en­tierung bieten. Nicht­lin­eare Modelle sind dazu nicht in der Lage, weshalb sie nur wenig beachtet werden. Das darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie die Realität besser abbilden. Ein solches Modell ist dasjenige von Peter Ring und Andy Van de Ven. Es geht von drei Ba­sis­prozessen aus:

  1. Verhandlung: In diesem Teilprozess formuliert jeder seine Erwartungen und diskutiert sie mit den anderen Partnern. Dabei spielt neben der Wirtschaftlichkeit auch die durch die Net­zw­erk­part­ner empfundene Gerechtigkeit eine Rolle.
  2. Selb­stverpflich­tung: Die Verhandlung mündet in eine Selb­stverpflich­tung für künftiges Handeln. Dabei werden formale juristische Verträge abgeschlossen oder informelle Übereinkünfte getroffen.
  3. Ausführung: Die Selb­stverpflich­tung bildet die Grundlage der Ausführung, also des Handelns. Dabei gibt es persönliche, informelle In­ter­ak­tio­nen neben formellen, welche die Rollen vorschreiben.
„Unter den Begriff ,strate­gis­che Allianz‘ fallen vertikale, horizontale und laterale Ko­op­er­a­tio­nen, die eine mehr oder weniger for­mal­isierte und länger­fristige Beziehung zwischen rechtlich selbstständigen, wirtschaftlich jedoch abhängigen Unternehmen begründen, um eigene Schwächen durch Stärke­poten­ziale anderer Unternehmen zu kom­pen­sieren.“

Der gesamte Prozess ist durch Reziprozität gekennze­ich­net. Es ist ein Kreislauf, der sich immer wieder selbst anstößt. Während des Handelns sammeln die Akteure Erfahrungen, die laufend die Erwartungen bee­in­flussen. Verändern sich die Erwartungen, werden u. U. die Verträge infrage gestellt und ggf. erneuert. Mit der Zeit spielen auch persönliche Beziehungen eine zunehmend wichtige Rolle. Die Partner kennen ihr Gegenüber und vertrauen ihm. Absprachen zählen irgendwann mehr als formale Verträge.

Management von Netzwerken

Das Net­zw­erk­man­age­ment beinhaltet grob gesehen vier Funktionen:

  1. Selektion: Die Ve­r­ant­wortlichen entscheiden, wer in das Netzwerk aufgenommen wird bzw. wer bleiben darf. Grundlage für die Entscheider ist, dass sie sich über die Netzwerkdomäne, also die Kern­leis­tung, im Klaren sind. Schließlich sollte der Net­zw­erk­part­ner die notwendigen Leistungen erbringen können. Bei der Star Alliance gibt es beispiel­sweise drei Domänen: globale Flugstrecken sowie in­terkon­ti­nen­tale und regionale Flugstrecken. Die Partner sind also große und in­ter­na­tional agierende Flugge­sellschaften sowie kleinere und mittlere Anbieter.
  2. Allokation: Allokation heißt, dass das Management Aufgaben, Ressourcen und Ve­r­ant­wor­tung verteilt. Das sollte in einer Weise geschehen, in der die Kompetenzen und Wet­tbe­werb­svorteile jedes Partners genutzt werden. So konnten mit der Aufnahme von Continental in die Star Alliance durch gemeinsame Nor­dat­lantik­leis­tun­gen Kosten gesenkt und optimierte Routenpläne entwickelt werden.
  3. Regulation: Hier steht die Frage nach dem Wie des Handelns im Vordergrund. Dazu entwickelt das Management Regeln, die auf formale Verträge oder informelle Absprachen zielen. Damit das Netzwerk dabei nicht seine Flexibilität einbüßt, sollte es die Balance zwischen Formalität und Informalität sowie De­tail­lierung und Unbes­timmtheit finden.
  4. Evaluation: Das Management muss Kosten und Nutzen bestimmen und verteilen. Dabei spielen wirtschaftliche Kriterien eine Rolle, aber auch Fragen der Gerechtigkeit. In erster Linie geht es bei der Evaluation aber um Kontrolle und Steuerung. In diesem Zusam­men­hang wird auch überlegt, wie Partner zu guten Leistungen motiviert werden und welche Sanktionen auf schlechte Leistungen folgen könnten. Die Evaluation kann von net­zw­erk­in­ter­nen Instanzen genauso durchgeführt werden wie von net­zw­erkex­ter­nen.

In­sti­tu­tion­al­isierung des Managements

Die Erfahrung hat gezeigt, dass sich das Management von Netzwerken mit der Zeit immer weiter in­sti­tu­tion­al­isiert. Dabei beginnt die Entwicklung mit einer eher nebe­namtlichen Wahrnehmung der Aufgaben. Es gibt zu dieser Zeit noch keine speziellen Stellen oder Prozesse. In einer zweiten Stufe übernehmen einzelne Fach­pro­mo­toren das Management, sammeln jedoch nicht sys­tem­a­tisch Wissen und Erfahrungen. Das geschieht erst im nächsten Schritt, in dem ein Kom­pe­tenzzen­trum aufgebaut wird. Aus Wissen und Erfahrungen entwickelt dieses stan­dar­d­isierte Man­age­ment­meth­o­den. Wichtige Man­age­men­tauf­gaben, wie die strate­gis­che Analyse, werden in diesem Zentrum gebündelt. In der letzten Stufe der In­sti­tu­tion­al­isierung befasst sich das Kom­pe­tenzzen­trum mit dem Port­fo­lioman­age­ment und pflegt zudem die In­fra­struk­tur für das Management.

Über die Autoren

Jörg Sydow ist Professor für Be­trieb­swirtschaft­slehre am Institut für Management der Freien Universität Berlin. Stephan Duschek ist Professor für Or­gan­i­sa­tion­s­the­o­rie an der Hel­mut-Schmidt-Uni­ver­sität der Bundeswehr in Hamburg.