Beziehungsrichtungen
Alle Unternehmen stehen in Beziehung zu anderen Marktteilnehmern, zu Abnehmern, zu Zulieferern, zur Gesellschaft usw. Solche interorganisationalen Beziehungen müssen genauso gemanagt werden wie die Prozesse und die Belegschaft innerhalb eines Unternehmens. Wer aus diesen Beziehungen das Beste machen will, sollte sie korrekt einordnen können, etwa nach ihrer Richtung. Diese kann vertikal, horizontal oder lateral verlaufen.
- Vertikale Beziehungen bestehen zu Unternehmen, die in der Wertekette vor- oder nachgelagert sind. Vorgelagert sind beispielsweise Lieferanten von Rohstoffen und Teilen. Nachgelagert sind Handelsbetriebe.
- Horizontale Beziehungen liegen zwischen Organisationen auf der gleichen Wertschöpfungsstufe vor. Dabei geht es eigentlich immer um Konkurrenten, die gemeinsam Forschung und Entwicklung betreiben, ein Produkt herstellen oder im Doppelpack einkaufen, um von Größenvorteilen zu profitieren.
- Laterale Beziehungen sind häufig bei diversifizierten Unternehmen anzutreffen. Hier kooperiert eine Stufe der Wertekette einer Unternehmenseinheit mit einer oder mehrerer Stufen einer Wertekette einer anderen Einheit.
Ebenen interorganisationaler Beziehungen
Interorganisationale Beziehungen können auf verschiedenen Ebenen analysiert werden: erstens auf der Ebene des Individuums und der Gruppe, zweitens auf der Ebene der Organisation und des Netzwerks sowie drittens auf der Ebene des organisationalen Feldes und der Gesellschaft.
„Geschäftsbeziehungen, Allianzen, Wertketten, Cluster, Supply Chains, Netzwerke – wie auch immer die Ausprägungen interorganisationaler Beziehungen heißen mögen, sie müssen allesamt gemanagt werden.“
Die Individuen sind diejenigen, die die Beziehungen letztlich aufbauen, pflegen und auch wieder abbrechen. Ihre Beziehungsfähigkeit ist stark vom Selbstbewusstsein, von sozialen Kompetenzen, von fachlichen Fähigkeiten und von der Kooperationsneigung abhängig.
Eine Organisation ist ein soziales System, das sich durch Formalität und Reflexivität auszeichnet. Formalität heißt, dass sämtliche Handlungen auf formalen Regeln basieren, z. B. auf Weisungsbefugnissen oder Stellenbeschreibungen. Reflexivität bedeutet, dass sämtliche Regeln immer wieder auf ihre Zweckmäßigkeit überprüft und ggf. verändert werden.
„Managementhandeln, das sich auf die Gestaltung interorganisationaler Beziehungen richtet, knüpft einerseits an die aktuellen Qualitäten der Beziehungen an und versucht andererseits diese entweder zu bewahren oder aber zu verändern.“
Das organisationale Feld umfasst Zulieferer, Kunden, Gewerkschaften, Regierungsorganisationen usw. Dieses Feld kann die Beziehungsneigung von Organisationen beeinflussen. So wirken beispielsweise Branchenverbände und Universitäten nachweisbar stärker auf die Netzwerkbildung von Unternehmen der optischen Industrie ein als Gewerkschaften. Auch die Gesellschaft spielt eine Rolle. In der japanischen Gesellschaft etwa sind Beziehungen seit jeher sehr wichtig, weswegen auch Netzwerke traditionell gepflegt und gefördert werden.
Unterschiedliche Formen interorganisationaler Beziehungen
Betrachtet man die unterschiedlichen Formen internationaler Beziehungen, lassen sich diese grob in Markt-, Netzwerk- und Hierarchiebeziehungen einteilen:
- Marktbeziehungen basieren meist auf einem Vertrag und sind auch Ursprung für Netzwerk- und Hierarchiebeziehungen. Unternehmen bedienen sich des Marktes, indem sie beispielsweise Produkte austauschen, sei es ein- oder mehrmalig. Dabei gibt es Geschäfte, bei denen Produkte gegen eine zuvor vereinbarte Geldsumme übergeben werden, genauso wie solche, bei denen eine Leistung gegen eine andere getauscht wird, z. B. beim Product-Placement. So werden kommerzielle Inhalte für Radio- oder Fernsehsendungen von Unternehmen gesponsert, die im Gegenzug Werbeminuten erhalten.
- Organisationen können Netzwerkbeziehungen verschiedenster Art eingehen. In einem Kartell sprechen sich Unternehmen stillschweigend über Preise oder Vertriebsstandorte ab. Auf diese Weise schränken sie den Wettbewerb ein und bringen sich in eine vorteilhafte Position. Das deutsche Bundeskartellamt verbietet solche Absprachen in den meisten Fällen, etwa beim so genannten Kaffee-Kartell: Tchibo, Melitta, Dallmayr und Jacobs Kaffee (Kraft Foods) stimmten zwischen 2000 und 2008 ihre Preise illegal ab. Auch Verbände sind Netzwerke. In ihnen organisieren sich Unternehmen oder Menschen mit gleichen Interessen. In erster Linie sollen die Verbände die Öffentlichkeit im Sinne der Mitglieder beeinflussen. Ein weiteres Beispiel für Netzwerke sind strategische Allianzen. Hierbei handelt es sich um formalisierte und längerfristige vertikale, horizontale und laterale Kooperationen. Jedes Mitglied will dabei von den Stärken der anderen Mitglieder profitieren. Ein bekanntes und erfolgreiches Beispiel ist die Star Alliance, in der sich Fluggesellschaften wie die Lufthansa, Air Canada oder United Airlines zusammengeschlossen haben.
- Hierarchiebeziehungen entwickeln sich u. a. durch die Übernahme eines Unternehmens. Das übernommene Unternehmen muss sich in einer auf Konzentration ausgerichteten Übernahmestrategie dem übernehmenden Unternehmen unterordnen. Solche Beziehungen entstehen auch dann, wenn Bereiche eines Unternehmens ausgegliedert werden und weitgehend autonom wirtschaften. Typischerweise findet man diese Art der Beziehung in Konzernen oder Holdings.
„Tatsächlich ist empirisch nachweisbar, dass bei zunehmender Relevanz von Netzwerkbeziehungen die Netzwerkmanagementkompetenzen einen zunehmenden Institutionalisierungsprozess durchlaufen.“
Unter den genannten Beziehungsformen gilt die Netzwerkbeziehung als besonders innovationsfähig. Netzwerke arbeiten kostengünstiger und flexibler und werden nicht zuletzt häufig von der öffentlichen Hand gefördert. Nicht nur die Summe dieser Vorteile, sondern auch die technologische Entwicklung, vor allem das Internet, haben die Vernetzung von Organisationen vorangetrieben. Netzwerke bilden sich häufig durch Outsourcing, d. h., wenn ein Unternehmen einen Bereich auslagert. Gründe dafür sind etwa Kostenvorteile oder Risikoverlagerungen. Bietet ein ausgelagertes Rechenzentrum beispielsweise spezielle Leistungen an, die eine enge Abstimmung mit dem Kunden erfordern, arbeiten die Akteure netzwerkartig zusammen. Ebenso setzen Unternehmen auf Netzwerke, wenn der Markt versagt.
Phasen der Netzwerkbildung
Es gibt verschiedene Modelle, die die Entwicklungsphasen eines Netzwerks beschreiben. Ein Teil betrachtet die Entwicklung als linearen Prozess, was jedoch an der Realität vorbeigeht. Dennoch finden vor allem diese Modelle Akzeptanz in der Managementpraxis, da sie Orientierung bieten. Nichtlineare Modelle sind dazu nicht in der Lage, weshalb sie nur wenig beachtet werden. Das darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie die Realität besser abbilden. Ein solches Modell ist dasjenige von Peter Ring und Andy Van de Ven. Es geht von drei Basisprozessen aus:
- Verhandlung: In diesem Teilprozess formuliert jeder seine Erwartungen und diskutiert sie mit den anderen Partnern. Dabei spielt neben der Wirtschaftlichkeit auch die durch die Netzwerkpartner empfundene Gerechtigkeit eine Rolle.
- Selbstverpflichtung: Die Verhandlung mündet in eine Selbstverpflichtung für künftiges Handeln. Dabei werden formale juristische Verträge abgeschlossen oder informelle Übereinkünfte getroffen.
- Ausführung: Die Selbstverpflichtung bildet die Grundlage der Ausführung, also des Handelns. Dabei gibt es persönliche, informelle Interaktionen neben formellen, welche die Rollen vorschreiben.
„Unter den Begriff ,strategische Allianz‘ fallen vertikale, horizontale und laterale Kooperationen, die eine mehr oder weniger formalisierte und längerfristige Beziehung zwischen rechtlich selbstständigen, wirtschaftlich jedoch abhängigen Unternehmen begründen, um eigene Schwächen durch Stärkepotenziale anderer Unternehmen zu kompensieren.“
Der gesamte Prozess ist durch Reziprozität gekennzeichnet. Es ist ein Kreislauf, der sich immer wieder selbst anstößt. Während des Handelns sammeln die Akteure Erfahrungen, die laufend die Erwartungen beeinflussen. Verändern sich die Erwartungen, werden u. U. die Verträge infrage gestellt und ggf. erneuert. Mit der Zeit spielen auch persönliche Beziehungen eine zunehmend wichtige Rolle. Die Partner kennen ihr Gegenüber und vertrauen ihm. Absprachen zählen irgendwann mehr als formale Verträge.
Management von Netzwerken
Das Netzwerkmanagement beinhaltet grob gesehen vier Funktionen:
- Selektion: Die Verantwortlichen entscheiden, wer in das Netzwerk aufgenommen wird bzw. wer bleiben darf. Grundlage für die Entscheider ist, dass sie sich über die Netzwerkdomäne, also die Kernleistung, im Klaren sind. Schließlich sollte der Netzwerkpartner die notwendigen Leistungen erbringen können. Bei der Star Alliance gibt es beispielsweise drei Domänen: globale Flugstrecken sowie interkontinentale und regionale Flugstrecken. Die Partner sind also große und international agierende Fluggesellschaften sowie kleinere und mittlere Anbieter.
- Allokation: Allokation heißt, dass das Management Aufgaben, Ressourcen und Verantwortung verteilt. Das sollte in einer Weise geschehen, in der die Kompetenzen und Wettbewerbsvorteile jedes Partners genutzt werden. So konnten mit der Aufnahme von Continental in die Star Alliance durch gemeinsame Nordatlantikleistungen Kosten gesenkt und optimierte Routenpläne entwickelt werden.
- Regulation: Hier steht die Frage nach dem Wie des Handelns im Vordergrund. Dazu entwickelt das Management Regeln, die auf formale Verträge oder informelle Absprachen zielen. Damit das Netzwerk dabei nicht seine Flexibilität einbüßt, sollte es die Balance zwischen Formalität und Informalität sowie Detaillierung und Unbestimmtheit finden.
- Evaluation: Das Management muss Kosten und Nutzen bestimmen und verteilen. Dabei spielen wirtschaftliche Kriterien eine Rolle, aber auch Fragen der Gerechtigkeit. In erster Linie geht es bei der Evaluation aber um Kontrolle und Steuerung. In diesem Zusammenhang wird auch überlegt, wie Partner zu guten Leistungen motiviert werden und welche Sanktionen auf schlechte Leistungen folgen könnten. Die Evaluation kann von netzwerkinternen Instanzen genauso durchgeführt werden wie von netzwerkexternen.
Institutionalisierung des Managements
Die Erfahrung hat gezeigt, dass sich das Management von Netzwerken mit der Zeit immer weiter institutionalisiert. Dabei beginnt die Entwicklung mit einer eher nebenamtlichen Wahrnehmung der Aufgaben. Es gibt zu dieser Zeit noch keine speziellen Stellen oder Prozesse. In einer zweiten Stufe übernehmen einzelne Fachpromotoren das Management, sammeln jedoch nicht systematisch Wissen und Erfahrungen. Das geschieht erst im nächsten Schritt, in dem ein Kompetenzzentrum aufgebaut wird. Aus Wissen und Erfahrungen entwickelt dieses standardisierte Managementmethoden. Wichtige Managementaufgaben, wie die strategische Analyse, werden in diesem Zentrum gebündelt. In der letzten Stufe der Institutionalisierung befasst sich das Kompetenzzentrum mit dem Portfoliomanagement und pflegt zudem die Infrastruktur für das Management.