Das Unternehmen Trigema
Der Firmenname Trigema steht für „Trikotwarenfabrik Gebrüder Mayer“. Das Unternehmen ging aus einem 1919 gegründeten Vorläuferbetrieb im schwäbischen Burladingen hervor. Seit 1972 wird es von Wolfgang Grupp geleitet. Sein Großvater, der Firmengründer Josef Mayer, fertigte vor allem Herrenunterwäsche. In der Nazizeit produzierte er aber auch SA-Braunhemden. Er erwarb im Zuge der Arisierungen einen jüdischen Betrieb und beschäftigte französische Zwangsarbeiter. Nach dem Tod des Firmengründers im Jahr 1956 übernahm sein Schwiegersohn, Grupps Vater, die Firmenleitung. Der Jurist expandierte ohne Erfolg und belud den Betrieb mit Schulden.
„Aufgrund seiner klaren wirtschaftspolitischen und unternehmensethischen Standpunkte ist Wolfgang Grupp in Deutschland einmalig.“
Der junge Wolfgang Grupp, der ein Jesuiteninternat besucht und danach Betriebswirtschaft studiert hatte, arbeitete ab Ende der 60er Jahre für die Firma, indem er in Köln den Aufbau eines Tennismode-Vertriebs in die Hand nahm. Eines seiner ersten Projekte war das Umfärben altmodischer weißer Unterhemden zu Batikshirts der Hippiemode, womit er den Vater beeindruckte. Darauf folgte der Einstieg in die Produktion von T-Shirts, einem damals neuen Artikel. Trigema bedruckte sie zunächst mit Walt-Disney-Motiven. Die zunehmenden T-Shirt-Bestellungen ließ das Unternehmen von 1972 bis 1979 auch in Hongkong erledigen. Beim Stabwechsel vom Vater zum Sohn, der nicht ohne Reibereien erfolgte, konnte Wolfgang Grupp einen für sich vorteilhaften, gewinnabhängigen Vergütungsvertrag aushandeln.
Geschäftsprinzipien und -erfolg
Der jährliche Umsatz beträgt dem Vernehmen nach rund 85 Millionen Euro. Der Umsatz von rund 65 000 € pro Angestelltem gilt in der Branche als niedrig und wirft gelegentlich Fragen nach der Profitabilität auf. Der 68-jährige Grupp antwortet darauf, indem er auf sein Geschäftsmodell verweist. Unabhängig vom Auf und Ab des Bestelleingangs produziert die Firma das ganze Jahr über in zwei Schichten am Tag, um die Näherinnen und die Infrastruktur voll auszulasten. Färberei, Bleicherei und Stoffherstellung laufen im Dreischichtbetrieb. Was nicht sofort verkauft wird, wandert ins Lager. Weil die Fertigung nahe am Absatzmarkt – also in Deutschland – angesiedelt ist, ist der Hersteller in der Lage, auf Bestellungen schnell und flexibel zu reagieren. Innerhalb von zwei Tagen kann geliefert werden. Zum Unternehmen gehören 46 Geschäfte, vom Allgäu bis nach Sylt. Über diese Läden setzt Trigema die Hälfte der Produktion ab. Die andere Hälfte sind Aufträge vom Facheinzelhandel oder von Industriekunden, die z. T. über Onlineversand bestellen. Großaufträge, die Umsatz, aber keinen Gewinn bringen, lehnt Grupp ab. Auf den gestiegenen Preisdruck vonseiten der Kaufhäuser, Versandhändler und Discounter reagierte Grupp, indem er die Geschäftsbeziehungen kappte und einen eigenen Vertrieb aufbaute. Anlass dafür war der Verlust des Absatzes über Aldi-Märkte in den 1980er Jahren. Aldi hatte 40 % Preisnachlass verlangt. Grupp weigerte sich und verlor über Nacht Millionenumsätze.
„Grupp will von niemandem abhängig sein, weder von Großkunden noch von Banken oder von Mitarbeitern.“
Trigema bezahlt Lieferanten und Maschinen sofort und kann deswegen hohe Rabatte aushandeln. Die Produkte sollen allesamt von hoher Qualität sein, damit der Preisaufschlag gegenüber der asiatischen Konkurrenz gerechtfertigt ist. Dazu gehört Schadstofffreiheit nach Öko-Tex-Standard 100. Alles, was die Belegschaft kann, soll sie ohne fremde Hilfe bewerkstelligen. Die Firma engagiert keine Unternehmensberater. Unter Wolfgang Grupp hat der Betrieb weder Kurzarbeit angemeldet noch betriebsbedingte Kündigungen ausgesprochen. Die Firma ist seit Jahrzehnten schuldenfrei. Sie ist unabhängig von Bankkrediten oder Leasingfinanzierungen. Die Eigenkapitalquote liegt bei 100 %.
Führungsstil
Grupp führt ein strenges Regime. Statt sich von Spezialisten abhängig zu machen, will er in sämtlichen Bereichen den Überblick behalten. 80 % seiner Führungskräfte hat er selbst ausgebildet, sie sind als Lehrlinge in die Firma gekommen. Bei der Verwaltung achtet Grupp auf Sparsamkeit. Jeder Anruf in der Zentrale soll entgegengenommen werden – um den Rückruf und damit Zeit zu sparen. Es gibt keine Diensthandys oder Firmenkreditkarten. Hausinterne E-Mails sind verpönt. Weil er seine Mitarbeiter über viele Jahre – und z. T. generationenübergreifend – an sich bindet, sind sie motiviert und loyal. Grupp sorgte in den 1970er Jahren dafür, dass im Betriebsrat nicht nur Gewerkschafter, sondern auch leitende Angestellte, etwa Abteilungsleiter, saßen. Somit konnte er die nötigen Umstrukturierungen mithilfe der Belegschaftsvertretung umsetzen.
„Trotz seines Hintergrundes als Firmenerbe ist Grupp so etwas wie ein Selfmademan.“
Anders als die meisten deutschen Textilunternehmer hat Grupp seine Produktion nicht ins Ausland verlagert. Seine drei Fabriken befinden sich auf der Schwäbischen Alb, südlich von Tübingen – einem Landstrich, der früher stark von Textilbetrieben geprägt war. In Burladingen gab es Anfang der 1990er Jahre noch 25 Textilhersteller. In Deutschland schrumpfte die Zahl der Betriebe und Arbeitsplätze in dieser Zeit auf ein Drittel. Heute stammen nur noch 2 % der hierzulande verkauften Bekleidungstextilien aus deutscher Produktion. Der Schrumpfkurs der Konkurrenz relativiert den Titel Trigemas als „Deutschlands größtem Hersteller von Sport- und Freizeitkleidung“. Diesen Spruch etablierte Grupp, kaum hatten die Platzhirsche Adidas und Puma 1976 wesentliche Teile ihrer Produktion nach Asien verlagert. Inzwischen ist Trigema generell Deutschlands größter Textilhersteller. Im Bereich der Produktion besteht im Inland keine Konkurrenz mehr. Diese ist nur noch in Geschäftsleitung, Produktentwicklung, Marketing und Vertrieb vertreten.
Grupp in der Kritik
Der Textilunternehmer und Mindestlohnbefürworter zahlt seinen rund 1200 Angestellten, darunter 700 Näherinnen, seiner Ansicht nach auskömmliche Löhne. Die Personalkosten entsprechen etwas mehr als der Hälfte des Produktionsumsatzes – und in der Branche gibt es Betriebe, die nur 10 % des Umsatzes für Löhne aufwenden. Allerdings gehört Trigema, anders als unter Wolfgang Grupps Vater, keinem Arbeitgeberverband an und hat damit keinen Tarifvertrag. Der Einsteigerstundenlohn liegt bei 8,50 €, wohingegen der Tariflohn bei über 10 € läge. Langjährige Mitarbeiter erhalten bis zu 12 € je Stunde. In ostdeutschen Textilbetrieben werden allerdings niedrigere Löhne gezahlt als bei Trigema. Die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall hält Grupp für schädlich, da ihr keine Leistung gegenüberstehe. Dementsprechend setzt er Anreize, um den Krankenstand niedrig zu halten. Die Industriegewerkschaft Metall (IGM) sieht das kritisch. Sie bemängelt, dass Grupp Mitarbeitern das Urlaubs- und Weihnachtsgeld je nach Anzahl der Krankheitstage kürzt und neuen Angestellten mit 25 Tagen vergleichsweise wenig Urlaub gibt.
Der Werbespot mit dem Affen
Viele Menschen setzen Trigema und Wolfgang Grupp mit dem berühmt-berüchtigten Werbespot in Verbindung, der erstmals im Jahr 1990 vor der Sportschau ausgestrahlt wurde. Wer den Werbespot heute zum ersten Mal sieht, mag sich über den sprechenden Schimpansen, über dessen Bekenntnis, nur deutsche Produkte zu kaufen, und über den kantigen Firmenbesitzer wundern. Den einen gilt der Spot als Kult, die anderen finden ihn peinlich. Unbestritten ist, dass er den Bekanntheitsgrad der Marke und des Unternehmers enorm erhöht hat. Die Idee zu dem Spot hatte ein mit Grupp befreundeter Werbefilmproduzent, allerdings war sie ursprünglich für einen anderen Auftraggeber gedacht. Die Schimpansensequenz war bereits abgedreht, als der Kunde das Interesse an ihr verlor. Grupp entschied sich für den sprechenden Affen, vor allem um aufzufallen und neue Kundengruppen anzusprechen. Zunächst gab der Schimpanse den Alleinunterhalter. Erst 1996 gesellte sich Grupp dazu. Seitdem läuft der Spot in praktisch unveränderter, nur leicht modifizierter Form bis zu viermal im Monat vor der Tagesschau, auf einem der teuersten Werbeplätze im deutschen Fernsehen. Das kostet das Unternehmen rund 2 Millionen Euro pro Jahr. Es ist die einzige höhere Marketingausgabe der Firma. Früher war Trigema Trikotsponsor von Bundesligavereinen wie Schalke 04.
„Trigemas bei Weitem größte Kundengruppe dürfte älter sein, als dem Unternehmen in mittel- und langfristiger Betrachtung seiner Marktchancen lieb ist.“
Grupp ist nicht nur durch den Fernsehspot bundesweit präsent, sondern auch durch seine Auftritte in politischen Talkshows. Als Vortragsredner wird er von einer Düsseldorfer Agentur vermittelt, die bereits für Michail Gorbatschow und andere Größen Termine organisiert hat. Journalisten finden den Trigema-Chef interessant, weil er sich redegewandt und streitlustig mit der eigenen Zunft anlegt. Grupp lieferte sich Wortgefechte mit Ex-Post-Boss Klaus Zumwinkel wegen dessen Arbeitsplatzabbau und mit CSU-Minister Erwin Huber wegen des Versagens der Bayerischen Landesbank. Grupp kritisierte den Ex-Daimler-Chef Jürgen Schrempp, als dieser noch fest im Sattel saß und einen – mittlerweile gescheiterten – Expansionskurs einschlug. Einige Hochkaräter wollen nach alledem nicht mehr mit Grupp in einer Sendung auftreten, beispielsweise der ehemalige Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), Hans-Olaf Henkel. Er wirft Grupp Populismus vor. Dessen Aufruf, nur einheimische Produkte zu kaufen, schade der deutschen Exportwirtschaft: Man stelle sich vor, das Ausland würde so denken. Grupp sagt von sich selbst, ein Deutscher, aber nicht ein Deutschtümler zu sein.
Verantwortung als Unternehmer
Wolfgang Grupp vertritt ein konservatives Weltbild. Darin hat der Glaube an die persönliche Haftung und an die Vorbildwirkung einen besonderen Platz gefunden. Neben dem Größenwahn vieler Konzernlenker bemäkelt der katholische Mittelständler die Selbstbedienungsmentalität vieler Vorstände. Er fordert eine strenge Managerhaftung, propagiert aber auch eine Steuerhalbierung für persönlich haftende Unternehmer. Mit einer nach ihm und seiner Frau benannten Stiftung unterstützt Grupp das soziale Leben in Burladingen, seinem Stammsitz, etwa durch einen Zuschuss zum Bau einer Turnhalle. Grupp gehörte 1988 kurz der CDU an, um eine Kandidatur des Sohns seines Prokuristen zu unterstützen. Er brachte damals 120 Mitarbeiter dazu, ebenfalls in die Partei einzutreten. Wegen der Querelen um diese Aktion trat er wieder aus.
„Im Grunde möchte Grupp eine Firmenlandschaft mit prägenden Unternehmerpersönlichkeiten und Managern an der Spitze, die ihre geschäftlichen Unternehmungen so gestalten, dass sie sie selbst noch überblicken können.“
Seine bundesweit verstreuten Geschäfte sucht Grupp mit dem firmeneigenen Helikopter auf. Damit spart er Zeit, schließlich liegt die nächste Autobahnauffahrt 38 Kilometer von Burladingen entfernt. Sein Pilot flog früher Bohrinseln an und hat die Berechtigung, Grupp überall in Deutschland abzusetzen, also auch außerhalb der dafür vorgesehenen Flugplätze. Allerdings betrachtet Grupp seine persönlichen Dienstleister nicht als seinen Hofstaat, sondern als Personal im Dienst der Firma. Dementsprechend fährt sein Chauffeur auch Lkw und sein Pilot erledigt Nebenkostenabrechnungen, wenn er vom Chef gerade nicht gebraucht wird. Für Aufsehen in Burladingen sorgt weniger das ungewöhnliche Transportmittel; denn schon der Firmengründer Josef Mayer fiel im bescheidenen schwäbischen Umfeld durch seinen gehobenen Lebensstil und seine Reisetätigkeit auf. Für Schlagzeilen sorgte vielmehr die großflächige Grabstätte, die Wolfgang Grupp für sich und seine Familie auf dem Friedhof errichten ließ. Rund 600 Quadratmeter groß ist das Areal. Grupp jagt gern. Auf 400 Hektar unterhält er im Allgäu ein eigenes Jagdgelände.
Privatleben
Anfang der 1980er Jahre bezog der damals 40-jährige Wolfgang Grupp in Burladingen ein Haus, das er nach eigenen Vorstellungen im Stil eines Sylter Ferienhauses errichten ließ. Es hatte ein vollständig eingerichtetes Damenschlaf- sowie mehrere Kinderzimmer, obwohl Grupp damals weder Frau noch Kinder hatte. Das änderte sich erst einige Jahre später. 1988 heiratete er eine junge österreichische Adlige, die seitdem in der Firma mitarbeitet. Am zweitägigen Hochzeitsfest nahmen nicht nur die Familie, die Honoratioren und einige Prominente teil, sondern auch Grupps Belegschaft. Das Paar hat zwei Kinder, die ein Schweizer Internat besucht haben und in London studieren. Schon früh wurden sie von Grupp mit maßgefertigter Kleidung ausgestattet. Dies sollte sie nicht nur herausheben, sondern auch zu diszipliniertem Verhalten anregen. Weil er sich Englisch selbst beibringen musste, legte Grupp bei seinen Kindern Wert auf eine englischsprachige Ausbildung. Er pflegt mit ihnen ein gutes, herzliches Verhältnis. Beide können sich vorstellen, später in die Leitung der Firma einzutreten, halten sich aber auch andere Optionen offen.