Die Psychopathen sind gescheitert
Spätestens seit der Finanz- und Wirtschaftskrise ist ein bestimmter Typ Manager, der vorher vor Kraft zu strotzen schien, schwer angeschlagen. Größenwahn, Kurzfristorientierung, Egoismus und Maßlosigkeit bestimmten die Weltsicht dieser Alphatiere. Ob Wendelin Wiedeking von Porsche, Thomas Middelhoff von Arcandor oder Ron Sommer von der Telekom – sie haben abgewirtschaftet. Umfragen bescheinigen ganz allgemein „den Managern“ eine große Unbeliebtheit. Eine wichtige Rolle spielt dabei deren moralisches Versagen. Dass sich Firmenlenker nach dem selbst verschuldeten Scheitern noch rasch die Taschen vollstopfen, bringt viele Menschen und Politiker gegen die Managerelite auf. Der kanadische Psychologe Robert Hare glaubt im Verhalten vieler Topmanager sogar Symptome von Psychopathen zu erkennen. Rücksichtslos bahnen sich die Macher ihren Karriereweg, selbst wenn sie dabei von Misserfolg zu Desaster eilen. Jürgen Schrempp von DaimlerChrysler etwa hatte viele verlustreiche Stationen passiert, bis er endlich den Vorstandsvorsitz erklomm. Konzerne sind ein Biotop für machtgierige, verantwortungslose Männer. Vom freien Markt sprechen sie mit religionsartiger Verklärung, sind dabei aber alles andere als segensreich wirkende Erfolgsgestalten. Von ihren Fehlentscheidungen sind viele Menschen betroffen, und zwar rund um den Globus. Wenn hierzulande Jobs abgebaut werden, in Island das Banksystem zusammenbricht, überschuldete Hausbesitzer in den USA ihre Grundstücke verlassen müssen – dann sind das nicht zuletzt die Folgen der Entscheidungen ungehemmter Wirtschaftsbosse.
Nachhaltigkeit ist in Mode – und ein Modewort
Das Wort „Nachhaltigkeit“ ist in aller Munde. Ursprünglich im 18. Jahrhundert geprägt, um dem forstwirtschaftlichen Kahlschlag das Prinzip der regenerativen Waldbewirtschaftung entgegenzusetzen, steht der Begriff heute offenbar ganz allgemein für das Gute in der Wirtschaft. Doch viele Unternehmen, die sich in der Öffentlichkeit mit ihrem Engagement schmücken, blasen ihre tatsächliche Leistung aus Marketinggründen auf, etwa nach dem Motto: Tue ein wenig Gutes und rede umso mehr darüber. Die meisten Unternehmen kalkulieren ihre Budgets für Wohltaten oder „Corporate Social Responsibility“ (CSR) ebenso kurzfristorientiert wie ihre operativen Geschäfte. Genauso widersprüchlich verhalten sich allerdings auch die Verbraucher: Angeblich informieren sich fast 60 % der Deutschen regelmäßig über das sozial- und umweltverträgliche Verhalten von Firmen. Tatsächlich achtet aber nur rund jeder Zehnte beim Einkauf auf diese Kriterien. Für 80 % gibt nicht das Glück der Kuh oder die Zufriedenheit der Lohnarbeiter in der Dritten Welt den Ausschlag, sondern schlicht der Preis. Auch nach der Krise hat in weiten Teilen der Wirtschaft kein Umdenken eingesetzt. Gerade im weiterhin kaum regulierten Finanzsektor scheint – dank staatlicher Rettungspakete – die Devise zu gelten: Weiter so!
Eine neue Generation wächst heran
Dennoch geht die Zeit der charismatischen „Industrieschauspieler“, der harten Knochen und Machertypen zu Ende. Von den heutigen Managern gestehen zwei Drittel, dass sie sich bei ihrem Tun und ihren Produkten unwohl fühlen. Immer mehr Unternehmen erkennen ihre soziale Verantwortung an. Eine neue Generation von Geschäftsleuten reift heran. Vor allem junge Manager und der akademische Nachwuchs sprechen nicht mehr von Boni und Profit, sondern von Verantwortung und Gemeinsinn. An der US-Eliteschmiede Harvard Business School haben Hunderte Absolventen im Jahr 2009 einen Eid auf ethisches Verhalten abgelegt. Auch die European Business School in Oestrich-Winkel will ihre Graduierten ein berufsethisches Gelöbnis leisten lassen. Unterdessen wird an der ISO-Norm 26000 gearbeitet, die weltweit für Unternehmen, Behörden und Vereine Standards in ethisch korrektem Verhalten setzen soll – eine Art „Moral-TÜV“. Die neuen, sozial denkenden Manager sind allerdings vielerorts noch nicht in den Topetagen angekommen. Es ist noch ein weiter Weg, bis der Führungsstil internationaler, weiblicher und weniger patriarchalisch wird und unter besserer Kontrolle steht.
Junge Gründer
Elisabeth Hahnke startete während ihres Studiums im Jahr 2009 die Initiative „Rock your life!“. Dahinter verbirgt sich ein Coaching für Hauptschüler. Weil diese in unserem Bildungssystem allzu schnell abgeschrieben werden, sah die 26-Jährige, die inzwischen auf Basis ihrer Idee eine gemeinnützige GmbH gegründet hat, einen Bedarf für das Hilfsangebot. Sie rekrutierte Studenten, die sich individuell zwei Jahre lang je um einen Hauptschüler kümmern sollten. Im damaligen Bundesfinanzminister Peer Steinbrück fand sie einen Schirmherrn und in sechs Unternehmen der Bodenseeregion Sponsoren. „Rock your life!“ wurde preisgekrönt und hat expandiert, arbeitet aber noch nicht kostendeckend.
„Scheitern und abkassieren – nirgends funktioniert das besser als in den Führungsetagen der großen Konzerne.“
Claudia Langer hat das Internet-Verbraucherportal Utopia ins Leben gerufen, eine Community, die inzwischen rund 65 000 Mitglieder zählt. Zur Zielgruppe gehören so genannte „Parkos“ – partizipative Konsumenten, die sich über umweltfreundliche und ethisch korrekte Produkte austauschen.
Stephan A. Jansen hat im Alter von 31 Jahren die private Zeppelin Universität in Friedrichshafen gegründet, die gezielt interdisziplinär ausbildet und Studenten auf ökonomisch tragfähiges soziales Unternehmertum vorbereitet.
Kleinunternehmer
Gernot Pflüger hat eine Agentur gegründet, die nach streng demokratischen Prinzipien geführt wird: Die Firma CPP Studios in Offenbach, die aufwändige Messe-, Ausstellungs- und Werbepräsentationen entwirft, zahlt allen Mitarbeitern ein Einheitsgehalt – außer den beiden Firmengründern, da diese mit ihrem Vermögen haften. Alle sollen am Firmenerfolg partizipieren und deshalb keinen Anreiz haben, Kunden aus persönlichem finanziellem Interesse etwas Unnötiges aufzudrängen. Außerdem gibt es ein Mitbestimmungsrecht für alle und keine dauerhaften Hierarchien: Projektleiter finden sich beim nächsten Projekt als einfache Programmierer wieder. Die Arbeitszeiten werden lässig gehandhabt. Natürlich muss jedes Projekt rechtzeitig fertig werden. Soziale Kontrolle sorgt dafür, dass Drückebergerei auffällt und von den Kollegen zur Sprache gebracht wird. Das Umfeld fördert Kreativität und Motivation. Pflüger sieht seine Firma als durch und durch kapitalistisches Unternehmen. Kritiker, die sein Modell nur für Kleinunternehmen geeignet halten, verweist er auf die US-Elektronikkette Best Buy und den brasilianischen Maschinenbauer Semco mit jeweils mehreren Tausend Angestellten, die ähnliche Konzepte verfolgen.
Finanzunternehmer
Karl Matthäus Schmidt wurde bekannt als New-Economy-Unternehmer und Gründer des Onlinebrokers Consors. Nach dem Börsencrash im Jahr 2000 verkaufte Schmidt das Unternehmen und gründete 2006 eine neue Bank. Die Quirin-Bank unterscheidet sich von anderen Instituten dadurch, dass sie Kunden gegen eine Pauschale berät, statt ihnen provisionsgetrieben unpassende Produkte zu verkaufen.
„In der Krise kam ein neues, in Wirklichkeit sehr altes Modewort in unseren Sprachgebrauch: Nachhaltigkeit.“
Andreas W. Korth managt einen Fonds, der nicht nur in klassische Anlageobjekte, sondern daneben auch in den Mikrofinanzsektor von Dritte-Welt-Ländern investiert. In die sozial verantwortlichen Geschäftsgründungen fließen beim Good Growth Funds 20 % der üblichen Managementgebühr.
Konzernlenker
Der Gründer der dm-Märkte, Götz W. Werner, gilt als Pionier des sozialen Unternehmertums. Er schickt Auszubildende in Theaterworkshops und Führungskräfte auf Bildungsreisen – weil er in ihnen nicht Kostenfaktoren sieht, sondern Kreativposten, die ihre Scheu verlieren und ihren Horizont erweitern sollen. Wegen seines unkonventionellen Führungsstils nennen ihn manche „Waldorf-Manager“. Als er im Jahr 1973 mit 29 Jahren seinen ersten Drogeriediscountmarkt eröffnete, nutzte er den Wegfall der Preisbindung für Drogerieprodukte. Anders als beim fast zeitgleich gestarteten Konkurrenten Schlecker musste man sich bei dm nicht mit Klagen über schlechte Arbeitsbedingungen auseinandersetzen. Über das Sortiment bestimmen die Verkäufer vor Ort, angeblich auch über ihr Gehalt. Werner streitet für ein bedingungsloses Grundeinkommen für jedermann.
„Paradox ist, dass einige der so enthusiastisch gestarteten CSR-Programme in vielen Unternehmen wegen der Krise nun wieder eingedämmt werden müssen.“
Robert Hartung hat beim Fotovoltaikunternehmen Centrotherm ein Führungsmodell eingeführt, das jedem Mitarbeiter einen Bereich zuordnet, für den er verantwortlich ist. Diese Verantwortung motiviert mehr als das Gehalt und reizt Fachkräfte, bei der expandierenden Firma anzuheuern. Kleine Teams lösen ihre Aufgaben eigenverantwortlich wie kleine Unternehmen.
„Zu wenig gelebte Werte sieht der Abtprimas Notker Wolf in allen Bereichen unserer Gesellschaft.“
André Krause, der Finanzchef und CSR-Verantwortliche des Telekomkonzerns O2, gewährt den Mitarbeitern des Unternehmens Hilfe bei der Betreuung von Kindern und pflegebedürftigen Angehörigen sowie in finanziellen Notlagen. Dafür werden die Beschäftigten angehalten, sich außerhalb der Firma sozial zu engagieren, z. B. indem sie Schulen renovieren oder benachteiligten Jugendlichen bei der Lehrstellensuche helfen. Den Aufwand fürs soziale Gewissen beziffert das Unternehmen auf über 1 Million Euro.
Kirchenunternehmer
Wolfgang Huber ist ethischer Berater von Unternehmen und Organisationen. Der ehemalige Bischof und Ratsvorsitzende der evangelischen Kirche in Deutschland hat eine radikale Strukturreform auf den Weg gebracht, damit die evangelische Kirche trotz des anhaltenden Mitgliederschwunds handlungsfähig bleibt. Die Reform sieht eine Zusammenlegung von Landeskirchen sowie betriebsbedingte Kündigungen und Gehaltskürzungen vor. Seine Leistung sieht Huber darin, dass die Betroffenen sich nicht als Opfer betrachten, sondern die Reform als nötig ansehen und sie darum mittragen. Der Theologe kritisiert nicht das Streben nach Wohlstand, sehr wohl aber die Gewissenlosigkeit von Managern.
„Wer sich mit der Firma identifiziert und sich dort respektiert und angenommen fühlt, wird das mit Einsatz und Loyalität zurückzahlen.“
Abtprimas Notker Wolf führt den Benediktinerorden, der weltweit mehr als 1000 Klöster mit 25 000 Mönchen und Nonnen umfasst, wie ein Vorstandsvorsitzender eines Konzerns – aber nach ethischen Prinzipien, über die er häufig vor Managern in Seminaren und Exerzitien doziert. Gehorsam, Demut und soziales Engagement sind Werte, die er im Wirtschaftsleben und in der Gesellschaft vermisst. Langfristigen Erfolg habe nur „humanes Management“, nicht rein gewinnorientiertes. Er geißelt die Selbstverständlichkeit, mit der viele hierzulande Sozialleistungen in Anspruch nehmen. Seine hohen Buchhonorare kommen der Ordensgemeinschaft zugute.
Gebote für Führungskräfte und Unternehmen
Folgende Grundsätze sollten Sie sich zu Herzen nehmen:
- Nehmen Sie sich bei der Karriere Zeit. Es geht nicht um den schnellsten Aufstieg, sondern um Konstanz und nachhaltigen Erfolg. Streben Sie Posten nicht wegen des Titels an, sondern wegen der Gestaltungsmöglichkeiten. Bei welcher Firma Sie sich bewerben, sollten Sie anhand von Kriterien wie Solidität und Transparenz des Unternehmens entscheiden.
- Wählen Sie Kandidaten nicht nur nach den Examensergebnissen aus, sondern auch nach ihrem gesellschaftlichen Engagement. Dieses ist ein Hinweis auf Teamfähigkeit. Fragen Sie Bewerber in Vorstellungsgesprächen nach ihren Werten und ihren arbeitsethischen Prinzipien. Danach sollten Sie sich auch erkundigen, wenn Sie Referenzen einholen.