Die Moral-Macher

Buch Die Moral-Macher

Erfolgreiche Manager mit Gewissen und was man von ihnen lernen kann

Redline,


Rezension

Bücher über nach­haltiges Wirtschaften und ethische Geschäft­sprinzip­ien haben Konjunktur. Der Beitrag der vier Autoren, die allesamt als Redakteure beim Nachricht­en­magazin Focus tätig sind, passt de­mentsprechend in die heutige Zeit. Im ersten Abschnitt erteilen die Autoren den bisherigen Konz­ern­bossen eine Abfuhr. Hierbei kommen zwar kaum neue Argumente auf den Tisch, dafür schreiben sie in einer flotten und einprägsamen Sprache. Im zweiten Teil des Buches stellen sie elf Zeitgenossen vor, denen es gelungen ist, ethisches Handeln mit wirtschaftlichen Interessen zu verbinden. Die Porträts sind un­ter­halt­sam, bleiben aber z. T. auf der Oberfläche, sodass nicht alle Geschäftsmodelle im Detail aus­geleuchtet werden. Als Leitfaden für Nachahmer ist das Buch darum nicht geeignet, wohl aber als Quelle für Anregungen. BooksInShort empfiehlt es allen, die einen Einblick ins soziale Un­ternehmer­tum gewinnen wollen.

Take-aways

  • Die alte Man­agere­lite machtbe­sessener Egozen­triker hat abgewirtschaftet.
  • Zwei Drittel der heutigen Manager fühlen sich beim Gedanken an ihre Arbeit und die Produkte ihrer Firma unwohl.
  • Nach­haltigkeit ist ein Modewort, mit dem viele Unternehmen zu Unrecht werben.
  • Auch für viele Verbraucher ist die Ori­en­tierung an sozialen Standards beim Einkauf nur ein Lip­pen­beken­nt­nis.
  • Dennoch geht der Trend hin zu sozial, ökologisch und ethisch korrektem Wirtschaften.
  • Altgediente Unternehmer wie Götz W. Werner zeigen, dass auch in der Ver­gan­gen­heit Un­ternehmer­tum mit sozialer Ve­r­ant­wor­tung möglich war.
  • Junge Un­ternehmensgründer ver­wirk­lichen ihre Ideen und sehen genau darin, und nicht im Profit, ihre Erfüllung.
  • Die neuen Manager bringen auf ihrem Weg in die Topetagen einen in­ter­na­tionaleren, weib­licheren und weniger pa­tri­ar­chalis­chen Führungsstil mit.
  • Planen Sie Ihre Karriere nicht als Aufstieg um jeden Preis, sondern setzen Sie auf Konstanz und ve­r­ant­wor­tungsvolle Aufgaben.
  • Wählen Sie Stel­len­be­wer­ber nicht nur nach ihren Ex­a­m­ensergeb­nis­sen aus, sondern auch nach ihrem gesellschaftlichen Engagement.
 

Zusammenfassung

Die Psy­chopa­then sind gescheitert

Spätestens seit der Finanz- und Wirtschaft­skrise ist ein bestimmter Typ Manager, der vorher vor Kraft zu strotzen schien, schwer angeschla­gen. Größenwahn, Kurzfris­to­ri­en­tierung, Egoismus und Maßlosigkeit bestimmten die Weltsicht dieser Alphatiere. Ob Wendelin Wiedeking von Porsche, Thomas Middelhoff von Arcandor oder Ron Sommer von der Telekom – sie haben abgewirtschaftet. Umfragen bescheini­gen ganz allgemein „den Managern“ eine große Un­be­liebtheit. Eine wichtige Rolle spielt dabei deren moralisches Versagen. Dass sich Fir­men­lenker nach dem selbst ver­schulde­ten Scheitern noch rasch die Taschen vollstopfen, bringt viele Menschen und Politiker gegen die Man­agere­lite auf. Der kanadische Psychologe Robert Hare glaubt im Verhalten vieler Topmanager sogar Symptome von Psy­chopa­then zu erkennen. Rücksichtslos bahnen sich die Macher ihren Karriereweg, selbst wenn sie dabei von Misserfolg zu Desaster eilen. Jürgen Schrempp von Daim­ler­Chrysler etwa hatte viele ver­lus­tre­iche Stationen passiert, bis er endlich den Vor­standsvor­sitz erklomm. Konzerne sind ein Biotop für macht­gierige, ve­r­ant­wor­tungslose Männer. Vom freien Markt sprechen sie mit re­li­gion­sar­tiger Verklärung, sind dabei aber alles andere als segensreich wirkende Er­fol­gs­gestal­ten. Von ihren Fehlentschei­dun­gen sind viele Menschen betroffen, und zwar rund um den Globus. Wenn hierzulande Jobs abgebaut werden, in Island das Banksystem zusam­men­bricht, überschuldete Haus­be­sitzer in den USA ihre Grundstücke verlassen müssen – dann sind das nicht zuletzt die Folgen der Entschei­dun­gen ungehemmter Wirtschafts­bosse.

Nach­haltigkeit ist in Mode – und ein Modewort

Das Wort „Nach­haltigkeit“ ist in aller Munde. Ursprünglich im 18. Jahrhundert geprägt, um dem forstwirtschaftlichen Kahlschlag das Prinzip der re­gen­er­a­tiven Wald­be­wirtschaf­tung ent­ge­gen­zuset­zen, steht der Begriff heute offenbar ganz allgemein für das Gute in der Wirtschaft. Doch viele Unternehmen, die sich in der Öffentlichkeit mit ihrem Engagement schmücken, blasen ihre tatsächliche Leistung aus Marketinggründen auf, etwa nach dem Motto: Tue ein wenig Gutes und rede umso mehr darüber. Die meisten Unternehmen kalkulieren ihre Budgets für Wohltaten oder „Corporate Social Re­spon­si­bil­ity“ (CSR) ebenso kurzfris­to­ri­en­tiert wie ihre operativen Geschäfte. Genauso widersprüchlich verhalten sich allerdings auch die Verbraucher: Angeblich informieren sich fast 60 % der Deutschen regelmäßig über das sozial- und umweltverträgliche Verhalten von Firmen. Tatsächlich achtet aber nur rund jeder Zehnte beim Einkauf auf diese Kriterien. Für 80 % gibt nicht das Glück der Kuh oder die Zufrieden­heit der Lohnar­beiter in der Dritten Welt den Ausschlag, sondern schlicht der Preis. Auch nach der Krise hat in weiten Teilen der Wirtschaft kein Umdenken eingesetzt. Gerade im weiterhin kaum regulierten Fi­nanzsek­tor scheint – dank staatlicher Ret­tungspakete – die Devise zu gelten: Weiter so!

Eine neue Generation wächst heran

Dennoch geht die Zeit der charis­ma­tis­chen „In­dus­tri­eschaus­pieler“, der harten Knochen und Machertypen zu Ende. Von den heutigen Managern gestehen zwei Drittel, dass sie sich bei ihrem Tun und ihren Produkten unwohl fühlen. Immer mehr Unternehmen erkennen ihre soziale Ve­r­ant­wor­tung an. Eine neue Generation von Geschäftsleuten reift heran. Vor allem junge Manager und der akademische Nachwuchs sprechen nicht mehr von Boni und Profit, sondern von Ve­r­ant­wor­tung und Gemeinsinn. An der US-Eliteschmiede Harvard Business School haben Hunderte Absolventen im Jahr 2009 einen Eid auf ethisches Verhalten abgelegt. Auch die European Business School in Oestrich-Winkel will ihre Graduierten ein beruf­sethis­ches Gelöbnis leisten lassen. Unterdessen wird an der ISO-Norm 26000 gearbeitet, die weltweit für Unternehmen, Behörden und Vereine Standards in ethisch korrektem Verhalten setzen soll – eine Art „Moral-TÜV“. Die neuen, sozial denkenden Manager sind allerdings vielerorts noch nicht in den Topetagen angekommen. Es ist noch ein weiter Weg, bis der Führungsstil in­ter­na­tionaler, weiblicher und weniger pa­tri­ar­chalisch wird und unter besserer Kontrolle steht.

Junge Gründer

Elisabeth Hahnke startete während ihres Studiums im Jahr 2009 die Initiative „Rock your life!“. Dahinter verbirgt sich ein Coaching für Hauptschüler. Weil diese in unserem Bil­dungssys­tem allzu schnell abgeschrieben werden, sah die 26-Jährige, die inzwischen auf Basis ihrer Idee eine gemeinnützige GmbH gegründet hat, einen Bedarf für das Hil­f­sange­bot. Sie rekrutierte Studenten, die sich individuell zwei Jahre lang je um einen Hauptschüler kümmern sollten. Im damaligen Bun­des­fi­nanzmin­is­ter Peer Steinbrück fand sie einen Schirmherrn und in sechs Unternehmen der Bo­denseere­gion Sponsoren. „Rock your life!“ wurde preisgekrönt und hat expandiert, arbeitet aber noch nicht kos­ten­deck­end.

„Scheitern und abkassieren – nirgends funk­tion­iert das besser als in den Führungse­ta­gen der großen Konzerne.“

Claudia Langer hat das In­ter­net-Ver­braucher­por­tal Utopia ins Leben gerufen, eine Community, die inzwischen rund 65 000 Mitglieder zählt. Zur Zielgruppe gehören so genannte „Parkos“ – par­tizipa­tive Konsumenten, die sich über umwelt­fre­undliche und ethisch korrekte Produkte austauschen.

Stephan A. Jansen hat im Alter von 31 Jahren die private Zeppelin Universität in Friedrichshafen gegründet, die gezielt in­ter­diszi­plinär ausbildet und Studenten auf ökonomisch tragfähiges soziales Un­ternehmer­tum vorbereitet.

Klei­n­un­ternehmer

Gernot Pflüger hat eine Agentur gegründet, die nach streng demokratis­chen Prinzipien geführt wird: Die Firma CPP Studios in Offenbach, die aufwändige Messe-, Ausstel­lungs- und Werbepräsentationen entwirft, zahlt allen Mi­tar­beit­ern ein Ein­heits­ge­halt – außer den beiden Firmengründern, da diese mit ihrem Vermögen haften. Alle sollen am Firmen­er­folg par­tizip­ieren und deshalb keinen Anreiz haben, Kunden aus persönlichem fi­nanziellem Interesse etwas Unnötiges aufzudrängen. Außerdem gibt es ein Mitbes­tim­mungsrecht für alle und keine dauerhaften Hierarchien: Pro­jek­tleiter finden sich beim nächsten Projekt als einfache Pro­gram­mierer wieder. Die Ar­beit­szeiten werden lässig gehandhabt. Natürlich muss jedes Projekt rechtzeitig fertig werden. Soziale Kontrolle sorgt dafür, dass Drückebergerei auffällt und von den Kollegen zur Sprache gebracht wird. Das Umfeld fördert Kreativität und Motivation. Pflüger sieht seine Firma als durch und durch kap­i­tal­is­tis­ches Unternehmen. Kritiker, die sein Modell nur für Klei­n­un­ternehmen geeignet halten, verweist er auf die US-Elek­tron­ikkette Best Buy und den brasil­ian­is­chen Maschi­nen­bauer Semco mit jeweils mehreren Tausend Angestell­ten, die ähnliche Konzepte verfolgen.

Fi­nanzun­ternehmer

Karl Matthäus Schmidt wurde bekannt als New-Econ­omy-Un­ternehmer und Gründer des On­line­bro­kers Consors. Nach dem Börsencrash im Jahr 2000 verkaufte Schmidt das Unternehmen und gründete 2006 eine neue Bank. Die Quirin-Bank un­ter­schei­det sich von anderen Instituten dadurch, dass sie Kunden gegen eine Pauschale berät, statt ihnen pro­vi­sion­s­getrieben unpassende Produkte zu verkaufen.

„In der Krise kam ein neues, in Wirk­lichkeit sehr altes Modewort in unseren Sprachge­brauch: Nach­haltigkeit.“

Andreas W. Korth managt einen Fonds, der nicht nur in klassische An­la­geob­jekte, sondern daneben auch in den Mikro­fi­nanzsek­tor von Dritte-Welt-Ländern investiert. In die sozial ve­r­ant­wortlichen Geschäftsgründungen fließen beim Good Growth Funds 20 % der üblichen Man­age­ment­gebühr.

Konz­ern­lenker

Der Gründer der dm-Märkte, Götz W. Werner, gilt als Pionier des sozialen Un­ternehmer­tums. Er schickt Auszu­bildende in The­ater­work­shops und Führungskräfte auf Bil­dungsreisen – weil er in ihnen nicht Kosten­fak­toren sieht, sondern Kreativ­posten, die ihre Scheu verlieren und ihren Horizont erweitern sollen. Wegen seines un­kon­ven­tionellen Führungsstils nennen ihn manche „Wal­dorf-Man­ager“. Als er im Jahr 1973 mit 29 Jahren seinen ersten Drogeriedis­count­markt eröffnete, nutzte er den Wegfall der Preis­bindung für Drogeriepro­dukte. Anders als beim fast zeitgleich gestarteten Konkur­renten Schlecker musste man sich bei dm nicht mit Klagen über schlechte Ar­beits­be­din­gun­gen au­seinan­der­set­zen. Über das Sortiment bestimmen die Verkäufer vor Ort, angeblich auch über ihr Gehalt. Werner streitet für ein be­din­gungsloses Grun­deinkom­men für jedermann.

„Paradox ist, dass einige der so en­thu­si­astisch gestarteten CSR-Pro­gramme in vielen Unternehmen wegen der Krise nun wieder eingedämmt werden müssen.“

Robert Hartung hat beim Fo­to­voltaikun­ternehmen Centrotherm ein Führungsmod­ell eingeführt, das jedem Mitarbeiter einen Bereich zuordnet, für den er ve­r­ant­wortlich ist. Diese Ve­r­ant­wor­tung motiviert mehr als das Gehalt und reizt Fachkräfte, bei der ex­pandieren­den Firma anzuheuern. Kleine Teams lösen ihre Aufgaben eigen­ver­ant­wortlich wie kleine Unternehmen.

„Zu wenig gelebte Werte sieht der Abtprimas Notker Wolf in allen Bereichen unserer Gesellschaft.“

André Krause, der Finanzchef und CSR-Ve­r­ant­wortliche des Telekomkonz­erns O2, gewährt den Mi­tar­beit­ern des Un­ternehmens Hilfe bei der Betreuung von Kindern und pflegebedürftigen Angehörigen sowie in fi­nanziellen Notlagen. Dafür werden die Beschäftigten angehalten, sich außerhalb der Firma sozial zu engagieren, z. B. indem sie Schulen renovieren oder be­nachteiligten Ju­gendlichen bei der Lehrstel­len­suche helfen. Den Aufwand fürs soziale Gewissen beziffert das Unternehmen auf über 1 Million Euro.

Kirche­nun­ternehmer

Wolfgang Huber ist ethischer Berater von Unternehmen und Or­gan­i­sa­tio­nen. Der ehemalige Bischof und Ratsvor­sitzende der evan­ge­lis­chen Kirche in Deutschland hat eine radikale Struk­tur­reform auf den Weg gebracht, damit die evan­ge­lis­che Kirche trotz des anhaltenden Mit­glieder­schwunds handlungsfähig bleibt. Die Reform sieht eine Zusam­men­le­gung von Lan­deskirchen sowie be­trieb­s­be­d­ingte Kündigungen und Gehaltskürzungen vor. Seine Leistung sieht Huber darin, dass die Betroffenen sich nicht als Opfer betrachten, sondern die Reform als nötig ansehen und sie darum mittragen. Der Theologe kritisiert nicht das Streben nach Wohlstand, sehr wohl aber die Gewis­senlosigkeit von Managern.

„Wer sich mit der Firma iden­ti­fiziert und sich dort respektiert und angenommen fühlt, wird das mit Einsatz und Loyalität zurückzahlen.“

Abtprimas Notker Wolf führt den Benedik­tineror­den, der weltweit mehr als 1000 Klöster mit 25 000 Mönchen und Nonnen umfasst, wie ein Vor­standsvor­sitzen­der eines Konzerns – aber nach ethischen Prinzipien, über die er häufig vor Managern in Seminaren und Exerzitien doziert. Gehorsam, Demut und soziales Engagement sind Werte, die er im Wirtschaft­sleben und in der Gesellschaft vermisst. Langfristi­gen Erfolg habe nur „humanes Management“, nicht rein gewin­nori­en­tiertes. Er geißelt die Selbstverständlichkeit, mit der viele hierzulande Sozialleis­tun­gen in Anspruch nehmen. Seine hohen Buch­hono­rare kommen der Or­dens­ge­mein­schaft zugute.

Gebote für Führungskräfte und Unternehmen

Folgende Grundsätze sollten Sie sich zu Herzen nehmen:

  • Nehmen Sie sich bei der Karriere Zeit. Es geht nicht um den schnellsten Aufstieg, sondern um Konstanz und nach­halti­gen Erfolg. Streben Sie Posten nicht wegen des Titels an, sondern wegen der Gestal­tungsmöglichkeiten. Bei welcher Firma Sie sich bewerben, sollten Sie anhand von Kriterien wie Solidität und Transparenz des Un­ternehmens entscheiden.
  • Wählen Sie Kandidaten nicht nur nach den Ex­a­m­ensergeb­nis­sen aus, sondern auch nach ihrem gesellschaftlichen Engagement. Dieses ist ein Hinweis auf Teamfähigkeit. Fragen Sie Bewerber in Vorstel­lungs­ge­sprächen nach ihren Werten und ihren ar­beit­sethis­chen Prinzipien. Danach sollten Sie sich auch erkundigen, wenn Sie Referenzen einholen.

Über die Autoren

Die Autoren sind Redakteure beim Nachricht­en­magazin Focus. Jobst-Ul­rich Brand arbeitet als stel­lvertre­tender Leiter des Kul­tur­res­sorts. Christoph Elflein ist Redakteur im Poli­tikres­sort. Carin Pawlak leitet das Ressort Menschen. Stefan Ruzas arbeitet im Ressort Medien.