Von Standards, Systemen und Prozessen
Es gibt ein Konzept, mit dem Sie innerhalb weniger Tage Ihr gesamtes Unternehmen auf Schwachstellen bzw. Stolpersteine durchleuchten können: den „Firmenscan“. Hierbei handelt es sich keineswegs um eine IT-Lösung, sondern um die systematische Strukturierung und Analyse der wichtigsten Geschäftsprozesse. Das Gute daran: Dieses Konzept ist auf zahlreiche Branchen anwendbar. Sie können Ihr Unternehmen durch die konsequente Einführung von Standards und Prozessen sowie durch die Identifizierung von Routineereignissen so formen, dass sich rund 95 Prozent aller Aufgaben und Tätigkeiten quasi automatisch ausführen lassen – Ihre Mitarbeiter erledigen sie selbstständig. Ihnen als Unternehmer bleibt damit mehr Zeit, sich um Ihre eigentliche Aufgabe zu kümmern: die strategische Entwicklung der Firma. Das große Ziel dieses Konzepts ist es, mehr Zeit und mehr Lebensqualität zu erlangen.
Zu viel des Falschen
Die meisten Unternehmer arbeiten zu viel und an den falschen Stellen. Sie sehen sich als beste Fachkraft der Firma, als Topverkäufer oder patriarchischen Alleskönner. Jeder Unternehmer sollte sich von der Gründung an Gedanken machen über die strategische Ausrichtung, über spätere Verkaufsmöglichkeiten, über seine Vision, die Werte des Unternehmens und die Zeit, die er dem Unternehmen widmen möchte. Ein echter Unternehmer ist nicht zugleich Mitarbeiter in seiner Firma; vielmehr sollte er sich einzig auf die Planung, die Kommunikation und die Kontrolle der festgelegten Ziele konzentrieren.
Eine Firma ist ein System
Dem Firmenscan liegt die Annahme zugrunde, dass jede Firma ein System ist und dass das System, wie der amerikanische Managementberater Michael Gerber sagt, die Arbeit verrichtet, während die Menschen das System betreiben. Dazu muss das System erkannt, in seine Einzelteile zerlegt und analysiert werden. So können Sie es anschließend optimieren. Wenn alle Prozesse durchdacht und standardisiert werden, lassen sich die einzelnen Aufgaben in gleichbleibender Qualität von den Mitarbeitern ausführen und sogar stetig verbessern. Dies setzt in vielen Fällen ein Umdenken in Richtung Kundenwünsche und Kundennutzen voraus. Nur wer definieren kann, was seine Dienstleistung oder sein Produkt den Kunden an Nutzen und Lebensqualität bringt, ist in der Lage, gute und von den Kunden gewürdigte Leistungen zu erbringen.
„Strukturen sind die Königsdisziplin der Unternehmensentwicklung.“
Der Firmenscan durchleuchtet acht Geschäftsprozesse: Management, Marketing, Mitarbeiterführung, Interessentengewinnung, Kundengewinnung, Leistungserbringung, Support und Finanzen. Um einen schnellen Überblick darüber zu erhalten, was in Ihrem Unternehmen bereits systematisiert und als Prozess konzipiert ist, hilft Folgendes:
- Stellen Sie alle bereits beschriebenen Geschäftsprozesse und Dokumentationen, Anweisungen, Checklisten und Schaubilder zusammen. Häufig liegen diese aus ISO-Zertifizierungen schon vor.
- Stellen Sie alle Unterlagen zur Routinekommunikation zusammen, also beispielsweise Briefvorlagen, E-Mail-Vorlagen, das Ablagesystem, Corporate-Identity-Regelungen.
- Businessplan, Finanzplanung, IT-Handbuch, Marketingplan und Mitarbeiterhandbuch gehören ebenfalls zu den Standard-Steuerungsinstrumenten, die vorhanden sein sollten.
Die einzelnen Prozesse
Wenn Sie die wichtigsten Prozesse Ihrer Firma unter die Lupe nehmen, werden Sie zahlreiche Stellen entdecken, die Sie optimieren und systematisieren können:
- Management: Dieser Prozess wird maßgeblich vom Geschäftsführer gestaltet und beinhaltet im Wesentlichen die strategische Ausrichtung des Unternehmens. Erstellen Sie einen umfassenden Businessplan, der Perspektiven, Wachstum und erforderliche Aktivitäten messbar beschreibt. Außerdem gehören eine konkrete Maßnahmenplanung, eine Prozessübersicht mit entsprechenden Dokumenten sowie eine Übersicht über Routinetätigkeiten und Vorgaben für die Finanz- und IT-Planung dazu. Der Businessplan sollte die kommenden fünf bis zehn Jahre anvisieren und mindestens zweimal im Jahr überarbeitet werden.
- Marketing: Wenn Sie Interessenten für Ihre Produkte oder Dienstleistungen gewinnen wollen, ist planvoll ausgeführtes Marketing unverzichtbar. Dazu braucht es ein Budget, eine Marketingplanung mit konkreten Maßnahmen und Abläufen, klar definierte Botschaften sowie eine USP (Unique Selling Proposition, ein Alleinstellungsmerkmal), die den Interessenten den Nutzen und den Schwerpunkt Ihrer Leistungen klarmacht. Als Budget setzen Sie rund 10 Prozent des Vorjahresumsatzes an. Arbeiten Sie heraus, was die Kernkompetenz des Unternehmens ist. Erst wenn Sie das wissen, können Sie auch glaubhafte Botschaften vermitteln. Behalten Sie unbedingt den Kundennutzen im Auge – schließlich soll der Kunde Ihre Leistung kaufen, nicht Sie. Zu einem umfassenden Marketingplan gehören auch der Innen- und Außenauftritt (einheitliche PC-Hintergrundbilder, Kleidung, Geschäftsausstattung, Dokumente, Broschüren, Webseiten). Achten Sie darauf, dass Ihre Aussagen und Inhalte in allen Werbemitteln deckungsgleich sind. Überlegen Sie auch, inwieweit Ihre Internetseite hilft, neue Interessenten zu gewinnen. Der Marketingplan ist ein Teil des Marketingprozesses. Dieser besteht außerdem aus Marktforschung und Befragungen, aus denen Interessentenprofile (Zielgruppen) erstellt werden. Mit geeigneten Marketingmitteln (Werbung, Events, PR, Messen, Networking, Social Media) gewinnen Sie Interessenten, die Sie später dem Verkauf zuführen können.
- Mitarbeiterführung: Zu diesem Prozess gehören alle Arbeitsmittel und Tätigkeiten, die bei der Personalrekrutierung sowie bei der Mitarbeiterführung und Mitrbeiterentwicklung zum Einsatz kommen. Sie brauchen dazu ein Organigramm, sprich eine Beschreibung der einzelnen Verantwortlichkeiten und Positionen sowie der Tätigkeiten in Ihrem Unternehmen. Planen Sie, wie Vorstellungsgespräche und der Auswahlprozess eines geeigneten Bewerbers verlaufen sollen. Lassen Sie nicht Ihr Bauchgefühl entscheiden, sondern legen Sie einheitliche Kriterien fest. Entwickeln Sie für alle Stellen einen Einarbeitungsplan. Zum Prozess gehören außerdem rechtssichere Vertragsvorlagen, ein Mitarbeiterhandbuch, das alle Dos and Don’ts präzise regelt, sowie Richtlinien zur Nutzung der IT. Schließlich fällt in diesen Bereich auch ein Personalfinanzplan, als Basis für die zu erwirtschaftenden Gehälter.
- Interessentengewinnung: Einer der wichtigsten Prozesse ist die Generierung von Interessenten. Sie müssen klären, wer ein Interessent ist und wer nicht. Dazu suchen Sie nach Kriterien zur „Disqualifikation“ von Interessenten, beispielsweise wenn diese bestimmte Zahlungsvoraussetzungen nicht erfüllen oder wenn sie Hausbesitzer sein müssen, um für ein bestimmtes Produkt, etwa eine Versicherung, infrage zu kommen. Je später im Prozess Sie bemerken, dass aus einem Interessenten nie ein Kunde werden wird, desto mehr Ressourcen (Zeit, Arbeitskraft, Infomaterialien) haben Sie vergeudet. Definieren Sie also frühzeitig, wer ein Interessent ist. Interessentengewinnung ist nicht die Aufgabe des Verkaufs. Die Verkäufer sollten sich nur qualifizierten Interessenten mit Kaufabsicht widmen. Alle anderen müssen im Prozess der Interessentengewinnung herausgefiltert werden. Legen Sie zudem fest, wo und wie Sie regelmäßig neue Interessenten gewinnen.
- Kundengewinnung: In diesem Prozess werden die qualifizierten Interessenten mit Kaufabsicht aufgegriffen und es wird versucht, sie zu Kunden zu machen. Dazu sollten Sie Ihre Verkaufsgespräche systematisieren, sich jeweils auf einen Gesprächsablauf konzentrieren und Ihre Hauptargumente sorgfältig herausarbeiten. Nutzen Sie Präsentationen, Schaubilder, Probematerial und Informationsblätter, und achten Sie darauf, dass diese möglichst immer aus Kundensicht argumentieren. Entwickeln Sie eine einfache Vorgehensweise für Ihre Verkaufsgespräche. Ihre Verkäufer sollen nicht individuelle Geheimmittel einsetzen, sondern bewährte Techniken und Hilfsmittel. Erstellen Sie einen Gesprächsleitfaden, der angibt, welche Unterlagen und Daten vor dem Kundengespräch vorliegen sollen. Entwickeln Sie eine Liste mit häufigen Kundenfragen und Einwänden sowie den entsprechenden Antworten darauf. Geben Sie vor, welche Informationen im Gespräch abgefragt werden sollen, und stellen Sie eine Vorlage für den anschließenden Report des Verkäufers zur Verfügung. Legen Sie auch fest, ob dem Kunden eine Präsentation gezeigt wird und wie die Abschlussformel oder -vereinbarung des Gesprächs lauten soll. Auf diese Weise strukturieren Sie den Prozess, legen den Ablauf so weit es geht fest und sorgen dafür, dass alle Verkaufsmitarbeiter mit den gleichen Hilfsmitteln und Argumenten arbeiten.
- Leistungserbringung: Egal ob Produkt oder Dienstleistung – Sie müssen auf gleichbleibende Qualität und klare Dokumentation achten. Implementieren Sie eine automatische Manöverkritik, um Ihre Leistungen stetig zu verbessern. Mithilfe von Checklisten, Handbüchern, Ablaufplänen, Prozessbeschreibungen, Formularen und Abnahmeprotokollen können Sie sicherstellen, dass die Leistung, die Sie für Kunden erbringen, dokumentiert wird. Auch Beispielprojekte oder Mustervorlagen können hilfreich sein, gerade bei sehr individuell zu erbringenden Leistungen. In diesen Prozess gehört auch die konsequent durchgeführte Kundenzufriedenheitsabfrage mit Bitte um Empfehlungen oder Referenznennungen. Fragen Sie Ihre Kunden nach einer Bewertung Ihrer Leistung, und zwar unmittelbar nachdem Sie diese erbracht haben – dann ist die Zufriedenheit in der Regel am größten.
- Support: Eine das Geschäft in allen Teilbereichen unterstützende IT-Abteilung ist heute ein wesentlicher Baustein der meistenUnternehmen. Umso erstaunlicher ist es, dass hier oft kein explizites Regelwerk existiert und die IT-Architektur meist zusammengestückelt und angebaut ist, sodass sich Systeme gegenseitig behindern und Arbeitsabläufe erschwert werden. Auch hier hilft Systematik. Definieren Sie zunächst, was die IT-Abteilung leisten soll und welche Ziele sie unterstützen muss. Alle anfallenden Routineaufgaben (Wartung, Updates, Sicherung, Konfigurationen) sollten dokumentiert und durch Checklisten beschrieben werden. Sorgen Sie dafür, dass die verwendete Software lizenziert ist und dass es einen IT-Notfallplan sowie eine IT-Betriebsvereinbarung gibt. Darin sollte unter anderem das Verbot einer privaten Nutzung der IT durch die Mitarbeiter festgeschrieben sein. Arbeiten Sie an allen Arbeitsplätzen mit derselben Ausstattung an PC bzw. Laptop, Drucker und Mobiltelefon – verschiedene Modelle oder Hersteller garantieren höhere Komplikationen. Außerdem lassen sich durch Standardisierungen in der IT Kosten sparen.
- Finanzen: Dieser Prozess umfasst alle Finanzsteuerungsinstrumente des Unternehmens. Dazu gehören u. a. die Buchhaltung, das Controlling und diverse Planungen (Liquidität, Umsatz, Gewinn, Kosten usw.). Drehen Sie an den richtigen Stellschrauben, um auch hier Kosten zu sparen und Abläufe zu definieren. Im Mahnwesen etwa setzen Sie Zahlungsziele fest und erstellen Vorlagen für Mahnungen. In der Vertragsverwaltung sorgen Sie für die rechtzeitige Kündigung sich selbst verlängernder Verträge und das Aussortieren doppelter oder nutzloser Verträge. Optimieren Sie Ihre Erträge, indem Sie systematisch nach Alternativen oder Kosteneinsparungen in allen Betriebsbereichen suchen (beispielsweise Energiekosten, Bürobedarf, Abfall, Postversand, Telefon, Versicherungen).