Unternehmensdiagnose

Buch Unternehmensdiagnose

Ein Führungsinstrument zur Sicherung der nachhaltigen Existenzfähigkeit von Unternehmen

Springer,


Rezension

Die Un­ternehmens­di­ag­nose ist ein Führungsin­stru­ment, mit dem der Zustand eines Un­ternehmens analysiert werden kann und alle nötigen Schritte für das weitere Überleben entwickelt werden. Der Autor Klaus Peter Nührich legt grossen Wert darauf, dass Unternehmen sich nicht auf einseitige Fakten, wie beispiel­sweise Kenn­zahlen­sys­teme, verlassen, sondern einen um­fassenderen, sys­temis­chen Standpunkt einnehmen sollten. Dieser Trend lässt sich in den letzten Jahren immer häufiger beobachten: Die Lehrsätze der Kybernetik und Sys­temthe­o­rie werden auf das Unternehmen übertragen. Stilistisch mutet das Buch dem Leser einiges zu: Man muss sich fast hindurchquälen, weil Beispiele fast durchgängig fehlen und Nührich eine sehr technische Schreibe hat. Beispiele hätten das teilweise sehr abstrakte Thema wohltuend aufge­lock­ert und den Prax­is­trans­fer erleichtert. BooksInShort.​com empfiehlt dieses Buch allen Führungskräften, die ihr Unternehmen sys­tem­a­tisch durch­leuchten und Schwächen di­ag­nos­tizieren wollen.

Take-aways

  • Unternehmen sind hochkom­plexe soziokul­turelle und ökonomische Systeme.
  • Für dauerhafte Hilfe müssen Sie das Unternehmen als Ganzes verstehen.
  • Für die Diagnose werden insgesamt etwa drei Wochen benötigt.
  • Während der Un­ternehmens­di­ag­nose wird ein In­for­ma­tion­spool über das Unternehmen aufgebaut.
  • Interviews auf allen Hi­er­ar­chieebe­nen sind die Grundlage einer jeden Diagnose.
  • Während der Diagnose wird ein "wünschenswerter Zustand" definiert. Den Weg dorthin beschreibt der Tran­si­tion-Plan.
  • Bauen Sie auf Prozesse. Sie ermöglichen Rückbezug auf den Un­ternehmen­szweck.
  • Für den Erfolg Ihres Un­ternehmens gibt es genau vier Gestal­tungs­felder: Vision/Strategie, Prozesse, Strukturen und die Un­ternehmen­skul­tur.
  • Eine offene Fehlerkul­tur schärft den Blick für grundsätzliche Probleme.
  • Vo­raus­set­zung für die Existenzfähigkeit eines Un­ternehmens ist, Nutzen zu stiften.
 

Zusammenfassung

Machen Sie Schluss mit Kurzfristlösungen!

Kennen Sie diese Situation? Ihre Rolle als Führungskraft wird bestimmt von Man­age­ment­pro­gram­men und Kennzahlen. Wenn irgendwo ein Problem auftaucht, machen Sie oder Ihre Vorge­set­zten eine Schublade auf, und schon haben Sie ein probates Mittel, das kurzfristig Besserung bringt. Wohlgemerkt kurzfristig! Doch wer immer nur Symptome kuriert, der wird niemals die Krankheit besiegen. So auch im Unternehmen: Kennzahlen und Rezeptlösungen helfen Ihnen mit der Zeit immer weniger, wenn Sie nicht das Unternehmen als Ganzes verstehen und begreifen, wo Ihre Defizite liegen und welche Stellhebel Sie umzulegen haben, wenn es irgendwo brennt. Unternehmen sind keine isolierten Objekte, sondern hochkom­plexe soziokul­turelle und ökonomische Systeme, die innerhalb einer sich permanent verändernden Umwelt verankert sind.

Drei Wochen, die sich lohnen: Das Werkzeug Un­ternehmens­di­ag­nose

Die Un­ternehmens­di­ag­nose ist ein Tool, dass es Ihnen und Ihren Mi­tar­beit­ern leichter macht, das Ganze zu sehen, In­ter­de­pen­den­zen und Verknüpfungen aufzuspüren, kurz: Ihr Unternehmen besser kennen zu lernen. Dabei benötigt die Un­ternehmens­di­ag­nose nur etwa drei Wochen: Innerhalb dieser Zeit wird mit Hilfe von Interviews, Workshops, Check-ups und Analysen ein In­for­ma­tion­spool mit Wissen über das Unternehmen aufgebaut. Das Ziel der Übung: Sie und Ihre Mitarbeiter können sich wortwörtlich (z. B. in Form von Ablauf­di­a­gram­men) ein Bild von den Prozessen, Stärken und der Leistungsfähigkeit machen. So ist es einfacher, diejenigen Gefahren zu iden­ti­fizieren, die Sie bedrohen. Im Mittelpunkt der Un­ternehmens­di­ag­nose steht der Un­ternehmen­szweck. Vo­raus­set­zung für die Existenzfähigkeit eines Un­ternehmens ist nicht, Geld zu machen oder Produkte herzustellen, sondern einen Nutzen zu stiften. Doch neben dem Zweck müssen auch andere Per­spek­tiven bei der Diagnose berücksichtigt werden. Nur so lassen sich Ein­seit­igkeit und Vernachlässigungen vermeiden.

Decken Sie Defizite auf!

Die Un­ternehmens­di­ag­nose hat v. a. ein Ziel, nämlich aufzudecken, was bei Ihnen im Argen liegt. Eines dieser Defizite ist die Ver­schwen­dung: z. B. dann, wenn Arbeiten doppelt ausgeführt werden, weil es keine richtigen Kom­mu­nika­tions­for­men gibt. Bei einer falschen Fehlerkul­tur bricht z. B. sehr schnell das "Selb­sthil­fesyn­drom" aus: Da die Mitarbeiter nicht für Fehler gerügt werden wollen, versuchen sie diese - mehr schlecht als recht - selbst auszubügeln. Die Folge: Ein Teufel­skreis mit den Stationen Zeitverlust, unerledigte Arbeit, Zeitk­nap­pheit, mangelhafte Arbeit wird in Gang gesetzt. Schlimmer noch: Fehler sind Signale für tief liegende Probleme, z. B. schlecht aufeinander abgestimmte Prozessabläufe. Eine offene und kon­struk­tive Fehlerkul­tur würde nicht nur die Ver­schwen­dung der Arbeitszeit stoppen, sondern ebenfalls auf grundsätzliche Probleme aufmerksam machen. Ein offener Umgang mit Indikatoren für Defizite erhöht die Chancen, solche Mängel auszumerzen. Beispiele für De­fiz­itindika­toren sind: hohe Mi­tar­beit­er­fluk­tu­a­tion, Budgetüberschre­itun­gen, Un­fre­undlichkeit, niedriger Servicegrad, zweck­ent­fer­nte Tätigkeiten, hohe Fehlerquoten und negatives Kun­den­feed­back.

Der gesunde Men­schen­ver­stand

Manche "Common Sense"-Maximen sind selt­samer­weise nur in wenigen Unternehmen verbreitet. Obwohl sie doch frei zugänglich und mil­lio­nen­fach bewährt sind, wird lieber auf modische Man­age­men­tkonzepte ausgewichen, bis sich dann plötzlich her­ausstellt, das der Nutzen doch sehr begrenzt ist. Neben den "selbstverständlichen" Merksätzen gibt es auch allgemein anerkannte Hand­lung­sprinzip­ien, die Sie beachten sollten. Eine Auswahl:

  • Mit steigendem Aufwand wird der dabei erzielbare Zusatznutzen immer kleiner: Überlegen Sie genau, wann sich der Aufwand für Sie noch lohnt (Gesetz vom abnehmenden Grenznutzen).
  • Zeit ist die einzige Ressource, die Sie nicht re­pro­duzieren können: Wenn Sie schnell sind, haben Sie keine Zeit für Ver­schwen­dung (Gesetz von der Geschwindigkeit des Handelns).
  • Rechnen Sie mit dem Unbekannten: In einem Unternehmen gibt es immer Bereiche, deren Verhalten Sie nicht errechnen und nicht planen können. (Unbes­timm­barkeit­sanal­o­gon der Kybernetik für soziale Systeme).

Vier De­ter­mi­nan­ten des Erfolges

Für den Erfolg Ihres Un­ternehmens gibt es genau vier Gestal­tungs­felder, die un­mit­tel­baren Einfluss auf die Un­ternehmensen­twick­lung haben:

  1. Vision - Zweck - Strategie: Es ist notwendig, klar zu definieren, was der Un­ternehmen­szweck ist. Das bedeutet auch, dass man sich nur darauf konzen­tri­eren sollte. Alles andere ist Zeit- und Ressourcenver­schwen­dung.
  2. Strukturen: Es ist schwer, einen un­be­weglichen Riesen zu steuern. Darum sollten Sie Ihr Unternehmen in viele kleine, autonom handlungsfähige Einheiten aufteilen. Ein Flot­ten­ver­band unter Ihrem Kommando ist schlagkräftig und agil. Grup­pe­nar­beit und flache Hierarchien sind Meilen­steine auf diesem Weg.
  3. Prozesse: Prozesse sind das zentrale Gestal­tung­sob­jekt eines Un­ternehmens: Wenn Sie Prozesse verbessern wollen, dann nur den ganzen Prozess. Wenn Sie nur an einzelnen Elementen "herum­schrauben", gerät der Gesamt­prozess aus dem Takt.
  4. Un­ternehmen­skul­tur: Systeme wie Unternehmen sind dann lernfähig, wenn Sie den Übergang von der Kontrolle zur Vision schaffen: Wenn Ihre Mitarbeiter in einer offenen, teamor­i­en­tierten und wahrheit­slieben­den Un­ternehmen­skul­tur "aufwachsen", iden­ti­fizieren sie sich mit den Zielen und werden zu nutzbrin­gen­den Partnern.

Das Ziel: Der wünschenswerte Zustand

Ein wichtiger Schritt, der zur Veränderung führt, ist die Definition des wünschenswerten Zustandes, d. h. des Zustandes, den das Unternehmen erreichen soll. Nachdem eine Un­ternehmens­di­ag­nose durchgeführt wurde, wird schnell klar, welche Defizite vorhanden sind. Der di­ag­nos­tizierte Ist-Zustand sollte mit dem gewünschten Zustand verglichen werden, daraus leitet sich der Veränderungs­be­darf ab. Die Un­ternehmens­di­ag­nose wird mit einem "Tran­si­tion-Plan" abgeschlossen, der als Wegweiser der Optimierung fungiert. Ide­al­er­weise hat das Unternehmen nach der Veränderung folgende Eigen­schaften:

  1. Bei der Un­ternehmensleitung und bei den Mi­tar­beit­ern herrscht Klarheit darüber, welche Prozesse welchen Beitrag im Unternehmen erfüllen.
  2. Der Un­ternehmen­szweck ist keine nebulöse Worthülse, sondern klar und deutlich definiert. Alle Mitarbeiter wissen das.
  3. Die Strategie des Un­ternehmens wird von allen Mi­tar­beit­ern anerkannt und unterstützt. Der Grund: Die wesentlichen Teile wurden in offener Form mit allen Beteiligten festgelegt.
  4. Es ist ganz selbstverständlich, dass allgemeine Grundwerte erfüllt werden müssen und dass dafür bestimmte Grundfähigkeiten notwendig sind. Jeder ist damit ein­ver­standen, diese zu erwerben und zu verbessern.
  5. Alle Mitarbeiter hin­ter­fra­gen täglich ihre Tätigkeiten und sind am kon­tinuier­lichen Verbesserung­sprozess beteiligt. Es hat sich die Überzeugung un­ternehmensweit durchge­setzt, dass die Überlebensfähigkeit des Un­ternehmens täglich sichergestellt werden muss.
„In der Praxis fehlt ein Grundverständnis für das Unternehmen als Ganzes.“

Die Un­ternehmens­di­ag­nose Schritt für Schritt

  1. Interviews - Interviews sind die Grundlage einer jeden Diagnose. Im Span­nungs­feld von persönlichen Einschätzungen und harten Fakten wird die Situation des Un­ternehmens ermittelt. Einzelin­ter­views auf der ersten und zweiten Führungsebene werden bere­ich­sweise durchgeführt, im Anschluss ist das mittlere Management abteilungsweise dran. Die Mitarbeiter auf der operativen Ebene werden in Gruppen befragt. Schliesslich sollte eine gemeinsame Befragung in gemischten Gruppen durchgeführt werden. Aber Vorsicht: Achten Sie darauf, dass sich die ver­schiede­nen Ebenen durch Schuldzuweisun­gen nicht zer­fleis­chen. Provozieren Sie die Mitarbeiter nicht zu Beschwerden über andere! Stellen Sie die Fragen so, dass die Befragten nicht einfach mit "Ja" oder "Nein" antworten können (geschlossene Fragen). Verwenden Sie wirk­lichkeit­snahe Szenarien, weil Sie so die besseren Antworten bekommen. Beispiel­sweise fragen Sie nicht: "Sehen sie das so oder so?", sondern: "Wenn Sie auf einem Kon­troll­gang in Ihrem Bereich einen Fehler entdecken - wie handeln Sie dann?" Die Fragen sollten sich um die drei Bereiche Zahlen und Fakten (z. B. Kun­den­beziehung, Lieferfähigkeit, Servicegrad), Wertungen von Ereignissen (z. B. Personalveränderungen, Führungswech­sel) und Stim­mungs­bilder (z. B. Führungskräftev­er­hal­ten, Einstellung zur Arbeit) drehen.
  2. Strate­gie-Re­views und In­no­va­tions-Checks - Viel zu oft werden Produkte mit Eigen­schaften aus­ges­tat­tet, die der Kunde gar nicht braucht oder will. In­folgedessen ist er auch nicht bereit, dafür (mehr) zu bezahlen. So gesehen, sind In­no­va­tio­nen, die nicht dem Un­ternehmen­szweck dienen, reine Ver­schwen­dung von Ressourcen. Daher müssen in diesen Gesprächen In­no­va­tio­nen sorgsam daraufhin untersucht werden, ob sie dem Un­ternehmen­szweck entsprechen. Das Gleiche gilt auch für die Strategie: Sie muss klar struk­turi­ert und eindeutig kom­mu­niziert werden.
  3. Wis­sens-Work­shops - Ein Lehrsatz aus der Psychologie besagt: Das Individuum iden­ti­fiziert sich letztlich nur mit sich selbst. Daher können Sie von Ihren Mi­tar­beit­ern nicht erwarten, dass Sie voll hinter Ihrem Unternehmen stehen, wenn Sie nichts dafür tun, eine von allen geteilte Kultur zu etablieren. Wis­sens-Work­shops dienen genau diesem Zweck: Gemeinsam finden Ihre Mitarbeiter mit Ihnen heraus, wie der wünschenswerte Zustand des Un­ternehmens aussehen soll. Fehler und Defizite in un­ter­schiedlichen Bereichen, die sich aus den Interviews ergeben haben, kommen auf den Tisch. Die Teilnehmer der Workshops formulieren, unterstützt durch Abfragen mittels Karten oder Haftpunkten, welche Probleme am drin­gend­sten gelöst werden müssen. Schliesslich werden die Ressourcen und Pläne für eine Verbesserung festgelegt.
  4. Aufbau einer prozes­sori­en­tierten Or­gan­i­sa­tion - Ist Ihr Unternehmen nach Funktionen organisiert? Dann sollten Sie im Rahmen der Un­ternehmens­di­ag­nose auf eine Prozes­sar­chitek­tur umstellen. Prozesse sind Bündel von Aktivitäten, die einen Auslöser haben, einen eindeutigen Zweck verfolgen und ein messbares Ergebnis her­vor­brin­gen (meist die Erfüllung eines Kun­den­wun­sches). Um jedwede Ver­schwen­dung auszumerzen, müssen Sie sich auf Prozesse konzen­tri­eren, weil nur so ein Rückbezug auf den Un­ternehmen­szweck möglich ist. Anders bei einer funk­tionalen Or­gan­i­sa­tion: Der Funk­tions­bere­ich "Einkauf" wird immer nur sich selbst optimieren, der Wertschöpfung­sprozess jedoch bleibt auf der Strecke. Bestimmen Sie zunächst die Er­fol­gs­fak­toren der einzelnen Geschäftsfelder. Dann iden­ti­fizieren Sie die Schlüssel-Funk­tion­alitäten, die für die Erfüllung der Geschäftszwecke nötig sind. Jetzt können Sie eine Prozess- und Wertschöpfungskette aufstellen, die sie schliesslich noch visuell (mit Ablauf­di­a­gram­men und Symbolen) darstellen. Bauen Sie aus den definierten Prozessen Ihre Prozes­sar­chitek­tur auf.

Über den Autor

Klaus Peter Nührich ist Wirtschaftsin­ge­nieur und war viele Jahre für einen deutschen Elek­trokonz­ern tätig. Weltweit konnte er als interner Berater die Bereiche Controlling, In­no­va­tion­s­man­age­ment, Strategie, Or­gan­i­sa­tion und Produktion kennen lernen. Seit 1990 arbeitet er als Man­age­ment­ber­ater für die ve­r­ar­bei­t­ende Industrie und im Di­en­stleis­tungssek­tor.