Nach der Krise ist vor dem Aufschwung

Buch Nach der Krise ist vor dem Aufschwung

Wie Unternehmen die stagnierende Wirtschaft für Überholmanöver nutzen

FinanzBuch,
Auch erhältlich auf: Englisch


Rezension

Die Krise verändert alles, sagen die Un­ternehmens­ber­ater David Rhodes und Daniel Stelter. Doch das ist auch eine Chance: Jetzt ist die beste Zeit, um Unternehmen für die kommenden mageren Jahre zu po­si­tion­ieren. Die Autoren zeigen auf, weshalb die Krise noch lange nicht vorbei ist. Sie erklären, welche Trends die Wirtschaft­sre­alität neu formen und warum das Zusam­men­spiel zwischen Offensiv- und De­fen­sivs­trate­gien für das Fortkommen von Unternehmen notwendig ist. Der Appell der beiden Boston-Con­sult­ing-Ex­perten, dass Kostensenkung allein nichts bringt, verhallt hoffentlich nicht ungehört. Rhodes und Stelter bringen die Dinge auf den Punkt und würzen ihre Ausführungen mit zahlreichen Beispielen aus der Un­ternehmen­spraxis. BooksInShort empfiehlt ihr Buch daher allen Managern und Strategen.

Take-aways

  • Die Krise scheint vorbei, doch eine lange Zeit geringen Wachstums steht uns bevor.
  • Staaten häufen nun Schulden an, um den Konsumenten zu helfen, Schulden zu reduzieren.
  • Der Staat wird sich stärker in die Wirtschaft einmischen.
  • Sparen wird im Trend sein. Der Konsument wird seine Präferenzen ändern.
  • Finden Sie so viel wie möglich über Ihre Kunden heraus, damit Sie Ihre Preis­poli­tik auf die neuen Ein­stel­lun­gen abstimmen können.
  • Ganze Branchen werden sich grundlegend verändern, Geschäftsmodelle stehen auf dem Prüfstand.
  • Verteidigen Sie Ihr Unternehmen gegen die Krise: Senken Sie die Preise sowie die kurz- und langfristi­gen Kosten und sorgen Sie für ausreichend Liquidität.
  • Die Krise ist für Unternehmen nicht nur eine Gefahr, sondern auch eine Chance.
  • Fahren Sie die Budgets für Marketing sowie Forschung und Entwicklung nach oben.
  • Im Abschwung sind schwächelnde Konkur­renten günstig zu haben.
 

Zusammenfassung

Keine Entwarnung

Eben noch von der Rezession gezeichnet, sind die Auftragsbücher deutscher Unternehmen wieder voll. Auch weltweit deutet Mitte 2010 kaum etwas auf die Wirtschaft­skrise hin, die noch bis zum Sommer 2009 Ar­beit­slosigkeit, Fir­men­bankrotte und Pri­vatkonkurse mit sich brachte. Kann also Entwarnung gegeben werden? Lieber nicht. Die USA zählen immer noch auf den Konsum ihrer Bürger als Wirtschaftsmo­tor, und große Banken ächzen unter den Belastungen des Ret­tungs­marathons. Die Schulden – die Wurzel der Krise – sind keineswegs getilgt, sondern haben sich lediglich vom Konsumenten zum Staat verlagert. Stellen Sie sich daher auf eine lange Zeit geringen Wachstums ein.

Eine kurze Geschichte der Krise

In den Jahren 1997–2006 kannten die Im­mo­bilien­preise in den USA und anderswo nur eine Richtung: nach oben. War es realistisch anzunehmen, dass sie niemals fallen könnten? Wohl kaum. Dennoch schienen genau das alle zu glauben. Es entstand eine Blase, die sich enorm vergrößerte, als die Banken auch quasi mittellosen Kunden den Hauskauf auf Kredit schmackhaft machten. Die daraus ent­stande­nen Hypotheken wurden gebündelt und als verbriefte Produkte an Investoren verkauft, denen die Zinsen der US-Staat­san­lei­hen zu gering waren. 2006 schließlich endete der Aufwärtstrend im Im­mo­biliensek­tor. Die Preise machten kehrt, ein Hy­pothekarkredit nach dem anderen fiel aus. Die Blase zerplatzte im August 2007. Banken wollten sich un­tere­inan­der kein Geld mehr leihen, aus Furcht davor, die wertlosen Hy­pothekarver­briefun­gen (nun „toxische Papiere“ genannt) würden das jeweils andere Institut in den Ruin treiben – die Finanzkrise war geboren. 2008 wurde aus ihr eine Wirtschaft­skrise.

„Ein auf immer mehr Ver­schul­dung basierender Boom ist zu Ende.“

Mit spektakulären Ret­tungsak­tio­nen bewahrten Regierungen so genannte „sys­tem­rel­e­vante“ Banken vor dem Untergang. Ein paar Käufe von toxischen Papieren hier, einige Kapitalerhöhungen dort, kombiniert mit historisch niedrigen Zinsen, das schien die geeignete Medizin für die erkrankten Banken zu sein. Ein erster Blick auf die Bankzahlen bestätigen die Heilung offenbar: Die Gewinne steigen. Doch trauen Sie dem nicht. Durch die Niedrigzin­spoli­tik steht den Banken viel billiges Geld zum Wirtschaften zur Verfügung – eine Situation, die nicht ewig andauern kann.

Auf der Suche nach dem nächsten Schuldner

Was passiert, wenn Schulden über längere Zeit stärker wachsen als das Einkommen, hat die Im­mo­bilien­blase gezeigt. Seinen Anfang genommen hat der Im­mo­bilien­boom beim US-Bürger und seinem Konsum. Würde der Amerikaner plötzlich nichts mehr kaufen, bräche die weltweite Wirtschaft­sleis­tung um 18 % ein. Zugleich haben die Schulden der amerikanis­chen Konsumenten ein derart hohes Niveau erreicht, dass man 4 Billionen Dollar brauchen würde, nur um die Verbindlichkeiten auf ihren langfristi­gen Mittelwert zu senken. Wenn es aber nun im privaten Sektor an Geld fehlt, wer oder was soll die Wirtschaft antreiben? Weltweit gibt es auf diese Frage zwei Antworten: niedrige Zinsen und staatliche Kon­junk­tur­pro­gramme. Der Staat gibt nun das Geld aus und wird der neue Schuldner. Doch Staatss­chulden treiben die Zinsen auch für Private in die Höhe. Zudem zeigen Un­ter­suchun­gen, dass eine Ver­schul­dung von über 90 % des Sozial­pro­dukts das Wachstum anhaltend dämpft.

„Nach der Krise ist nichts wie zuvor.“

Der Ausweg aus diesem Dilemma heißt Exportüberschuss. Es gilt also, mehr zu exportieren als zu importieren. Dafür müssen die heimischen Produkte aber günstiger werden, damit sie für andere Länder preislich attraktiv sind. Das könnte Lohnkürzungen und Preisver­fall, also Deflation, nach sich ziehen. Die Alternative ist Inflation, die den Wert der Schulden verringern würde. Ob uns Deflation oder Inflation bevorsteht, ist nicht klar. Die Angst vor einer Rezession sitzt jedenfalls tief – sie ebnet den Weg für billiges Geld und für Inflation.

Die Welt wird eine andere sein

Diese Trends werden die Welt, wie wir sie kennen, verändern:

  • Der starke Staat kehrt zurück: Die Politik wird sich immer mehr in die Wirtschaft einmischen, sei es durch die Einführung neuer Regeln und Normen, durch Kon­junk­tur­pro­gramme, durch pro­tek­tion­is­tis­che Maßnahmen gegen fremde Mark­t­teil­nehmer zum Schutz der heimischen Wirtschaft oder durch Notver­staatlichun­gen.
  • Die Werte der Konsumenten ändern sich: Nach Jahren des gren­zen­losen Konsums sitzen die Konsumenten auf einem Schulden­berg. Sparen wird zum Trend. Discounter verzeichnen bereits jetzt Um­satzsteigerun­gen. Leitungswasser wird Min­er­al­wasser vorgezogen. Die Menschen arbeiten länger und nehmen Zweitjobs an, weil ihre Al­tersvor­sorge der Finanzkrise zum Opfer gefallen ist. Pensionäre haben weniger Geld zum Ausgeben, ebenso wie deren Kinder, die die Alten nun stärker finanziell unterstützen müssen. Arbeitsplätze bei etablierten Unternehmen in der Old Economy werden begehrter als Jobs in der als unsicher geltenden Fi­nanzbranche. Dies alles wirkt sich auf die gesellschaftlichen Werte aus. Soziale Unruhen sind nicht auszuschließen, da viele Menschen ihre gesamten Ersparnisse verloren haben.
  • Unternehmen kämpfen um Wachstum: Kostensenkung­spro­gramme und staatliche Unterstützung werden den Unternehmen nur kurzfristig zu be­friedi­gen­den Renditen verhelfen. Wahrschein­lich ist, dass der geringere Konsum und höhere Steuern die Gewinne dämpfen werden. Der Konkur­ren­zkampf zwischen den Firmen wird angesichts der Schlacht um Mark­tan­teile zunehmen. Das Management wird sich bald weniger an den Aktionären und vermehrt an den Interessen der Stakeholder, z. B. der Mitarbeiter, orientieren. Machen Sie sich darauf gefasst, dass sich ganze Branchen grundlegend verändern werden – Ihre womöglich auch. Un­wirtschaftliche Unternehmen haben die Krise nicht überlebt. Sie sind von Wet­tbe­wer­bern übernommen worden oder haben fusioniert. Dieser Trend wird sich fortsetzen.
  • Investoren werden re­al­is­tis­cher: Aggressives Wachstum ist passé. Investoren halten nun Ausschau nach starken Bilanzen, kon­tinuier­lichen Dividenden und langfristi­gen Strategien. Un­ter­be­w­ertete Aktien sind begehrter als nebulöse Wach­s­tum­saus­sichten.

Die Krise als Chance

Nutzen Sie die Krise als Chance! Es geht um die Verbesserung Ihrer langfristi­gen Mark­t­po­si­tion. Ein Blick auf den Automarkt der 1930er Jahre ve­r­an­schaulicht dies: Vor der Großen Depression dominierten General Motors und Ford Motor Company mit je einem Drittel des Marktes den Wettbewerb. Die Krise brach die Branchen­struk­turen auf, sodass am Ende General Motors 15 % und der Aufsteiger Chrysler 19 % Marktanteil hinzuge­wan­nen. Währenddessen blieb Ford zurück. Was war der Trick von General Motors? Das Unternehmen hatte erkannt, dass die Kunden weniger Geld hatten. Darum verlagerte man den Mar­ket­ingschw­er­punkt von der Luxu­s­lim­ou­sine zum Kleinwagen. Chrysler gab mehr für Marketing, Werbung und Forschung aus, steigerte dabei aber die Produktivität und reduzierte die Kosten.

Die Vertei­di­gung zuerst

Eine gute Vertei­di­gung ist die Basis für einen effizienten Angriff. Daher:

  • Sichern Sie die fi­nanziellen Grundlagen: Hohe Kassenbestände und niedrige Ver­schul­dung – sprich: genügend Liquidität – sind angesagt. Nur wenn das der Fall ist, können Sie die für die Zukunft notwendigen In­vesti­tio­nen tätigen. Durch­forsten Sie Ihre Verträge mit Lieferanten und stellen Sie sich die Frage, ob die Konditionen noch zeitgemäß sind. In einer Zeit schlechter Konjunktur für ganze Branchen sollten Sie nicht an früher verhandelte hohe Preise gebunden sein. Nutzen Sie die Vorhersagen von Wirtschaft­sex­perten zur Konjunktur, um Ihr Lager entsprechend anzupassen. Bei der Fi­nanzierung nehmen Sie sich am besten ein Beispiel an McDonald’s: Das Unternehmen nahm in der Niedrigzinspe­ri­ode Anfang der 1970er Jahre Geld auf, um die Expansion vo­ranzutreiben. Als Ende der 70er aber die Zinsen nach oben kletterten, baute McDonald’s die Schulden ab, anstatt den Investoren Dividenden zukommen zu lassen.
  • Sichern Sie die geschäftlichen Grundlagen: Kurzfristige Kosten sind rasch gesenkt und vor allem am Anfang der Kon­junk­tur­flaute effektiv. Denken Sie aber auch auf lange Sicht. Bauen Sie Kapazitäten in der Produktion ab, erhöhen Sie die Effizienz und lagern Sie Tätigkeiten, die nicht zum Kerngeschäft gehören, an Dritte aus. Eliminieren Sie aber nichts, was wesentlich zu Ihrem Geschäftserfolg beiträgt, z. B. gute Mitarbeiter. Wenn Sie diese in der Krise ziehen lassen, wird es Ihnen im Aufschwung leidtun. Besser sind Ar­beit­szeitkürzungen, unbezahlter Urlaub oder Jobrochaden innerhalb des Un­ternehmens. Die niederländische Flugge­sellschaft KLM machte es vor: 2009 mussten ihre Piloten auch am Boden bei der Abfertigung mithelfen.
  • Sichern Sie Ihre Einnahmen: Jobverlust, Schulden­ab­bau und Probleme bei der Fi­nanzierung machen Ihren Kunden das Leben schwer. Machen Sie es ihnen leichter, indem Sie Ihre Preise senken. Das geht natürlich nur dann, wenn Sie auch Ihre Kosten reduzieren können. Andernfalls reduzieren Sie den Inhalt in der Verpackung und behalten Sie den Preis bei. Oder unterteilen Sie Ihre Di­en­stleis­tung in eine günstige Stan­dard­vari­ante und eine Pre­mi­um­vari­ante mit höherem Preis. So machte es der Lkw-Ver­mi­eter U-Haul in der Rezession Anfang der 1990er Jahre: Als die Gewinne mehr und mehr schrumpften, bot er seinen Kunden, die die Lkws für den Umzug nutzten, Ver­pack­ungs­ma­te­r­ial an – mit positiver Wirkung auf die Gewinnspanne.

In die Offensive gehen

Um im harten Wettbewerb einen Schritt vorwärtszukommen, müssen Sie mit diesen Maßnahmen in die Offensive gehen:

  • Legen Sie das Augenmerk auf Innovation: Innovation gibt Unternehmen in schlechten Zeiten Auftrieb. Da der Büro­maschi­nen­her­steller IBM in den 1930er Jahren die Forschung und Entwicklung vorantrieb, konnte er in dieser Zeit dreimal so viele Pro­duk­t­neuheiten vorstellen wie in den 20ern.
  • Verstehen Sie Ihre Kunden: Während der Weltwirtschaft­skrise der 1930er Jahre erfand der Konsumgüter­her­steller Procter & Gamble Mark­t­forschungsmeth­o­den, die noch heute in Gebrauch sind. Auch Sie sollten versuchen, Ihre Kunden zu verstehen. Zum Beispiel werden heute die günstigeren Eigenmarken gegenüber den Marke­nar­tikeln immer beliebter. Halten Sie sich aber nicht nur über die Konsumenten, sondern auch über die Schachzüge der Regierungen auf dem Laufenden.
  • Fahren Sie Werbung und Marketing hoch: Die Wirkung von Werbung ist schwer nachzu­vol­lziehen, weshalb in Ab­schwung­phasen die Ausgaben dafür häufig gekürzt werden. Ein schw­er­wiegen­der Fehler! Wenn Sie jetzt den Markt intensiv bearbeiten, ist Ihnen die Aufmerk­samkeit so gut wie sicher.
  • Setzen Sie Ihre Mitbewerber unter Druck: Der Wettbewerb wird härter, zumal neue Mitbewerber – u. U. aus ganz anderen Ländern und Sektoren – in den Markt eintreten. Erfinden Sie das Spiel neu, oder versuchen Sie zumindest, Ihre Stärken auszus­pie­len. Die japanischen Bier­her­steller hatten in den 1990er Jahren mit stag­nieren­dem Absatz zu kämpfen. Als 1997 die Branche übereinkam, dass das Ver­falls­da­tum auf neun Monate ab Abfüllung festgesetzt sein sollte, gelang Asahi-Bier der Coup: Asahi-Bier – so wurde geworben – sei das frischeste, da bereits drei­monatiges Bier vom Markt genommen werde.
  • Investieren Sie für die Zukunft: Kaufen Sie nun, da die Preise gesunken sind, schwächelnde Konkur­renten. Oder trennen Sie sich von Geschäfts­bere­ichen, mit denen Sie nicht zufrieden sind.
  • Erfinden Sie das Geschäft neu: Ganze Geschäftsmodelle stehen nun auf dem Prüfstand. Prüfen Sie auch Ihres. Werden Sie z. B. Bil­li­gan­bi­eter, betreten Sie neue Geschäftsfelder oder denken Sie über mögliche Varianten der Zusam­me­nar­beit mit Ihren Lieferanten nach.

Über die Autoren

David Rhodes ist Senior Partner und Managing Director bei der Boston Consulting Group (BCG) in London. Er berät Fi­nanzin­sti­tute bei Strategie- und Or­gan­i­sa­tions­fra­gen. Daniel Stelter ist Senior Partner und Managing Director bei BCG in Berlin. Er berät Unternehmen bei Akqui­si­tions- und Desin­vesti­tion­sentschei­dun­gen.