Der Kunde im Mittelpunkt des Interesses
Customer Relationship Management ist zum herausragenden Schlagwort geworden, wenn es um zeitgemässe Unternehmensstrategie geht. Denn der Wert der Kundenbeziehung ist zum eigentlichen Motor wirtschaftlicher Interessen geworden. Für Kreditinstitute gilt dies besonders. Denn Kundenbeziehungen werden immer lockerer. Heutzutage hat ein Kunde durchschnittlich über 15 Verträge bei sieben verschiedenen Kreditinstituten. Die verstärkte Wechselwilligkeit des Kunden hat drei Gründe:
- Die neuen technologischen Möglichkeiten, allen voran das Internet.
- Der sich verschärfende Wettbewerb.
- Das steigende Selbstbewusstsein der Kunden.
„Was zählt, sind nicht Kundenkontakte, sondern Kundenbeziehungen.“
Daraus ergibt sich für Banken die Aufgabe, einerseits die Individualität des Kunden ausreichend zu berücksichtigen und andererseits die Kundenberatung zu rationalisieren. Kundensegmentierung mit simplen Methoden, wie Einteilung nach Umsatz, oder die Messung der Kundenzufriedenheit reichen hier nicht mehr aus. Der CRM-Ansatz verlangt totale Ausrichtung des gesamten Unternehmens auf den Kunden. Ziele sind die Stärkung der Kundenbindung und die Erhöhung der Profitabilität. Um dies zu erreichen, müssen möglichst viele Informationen über den Kunden eingeholt und aufbereitet werden. Mit Hilfe dieser Informationen werden die Instrumente Cross- und Up-Selling gewinnbringend eingesetzt.
Aufbau eines CRM-Systems
Die Ausrichtung auf den Kunden ist nichts Neues. Doch durch die technologische Entwicklung haben sich in den letzten Jahren neue Möglichkeiten ergeben. Nachdem die Softwareindustrie seit einigen Jahren Systeme auf den Markt bringt, die die Beziehungen zwischen Kunden und Unternehmen unterstützen, gibt es den Begriff Customer Relationship Management (CRM). Der Aufbau eines CRM-Systems gilt als schwierig. Grund dafür ist, dass das Zusammentragen der Informationen, deren Auswertung und die daraus resultierenden Massnahmen komplexe Aufgaben sind. Dabei werden drei Arten von CRM unterschieden: Beim operativen CRM geht es um Marketing-Massnahmen, beim analytischen CRM um Auswertung der Informationen und beim kollaborativen CRM um die Interaktion zwischen Kunden und Bank. Das reibungslose Zusammenspiel dieser drei Prozesse führt zu einem kompletten und erfolgreichen CRM. Entsprechende Programme gibt es reichlich. Hauptproblem ist aber, die bestehenden Daten einzubinden, sowie die Organisation des CRM-Projektes. Auf Vertriebsseite ist zu beachten, dass eine Vielfalt von Vertriebskanälen nebeneinander besteht.
Herausragendes Ziel
Oberstes Ziel von CRM ist es, die Kundenprofitabilität im Verlauf seines „Lebenszyklus“ zu optimieren. Dabei gilt als Faustregel, dass 80 % des Umsatzes mit 20 % der Kunden gemacht werden. Diese speziellen Klienten herauszufiltern und durch entsprechende Vertriebs-, Marketing- und Service-Massnahmen zu binden, ist deshalb das Hauptaugenmerk des Unternehmens.
CRM-Praxis in Deutschland
Der Markt für CRM in Deutschland ist noch nicht sehr entwickelt. Eine Ende 1999 durchgeführte Studie ergab, dass lediglich ein Drittel der befragten Unternehmen ein CRM-System einsetzt oder plant. Hauptablehnungsgrund ist dabei der nicht erkennbare Nutzen. Referenzprojekte sind nicht sehr zahlreich. Kein Wunder: Nur 8 % der Unternehmen messen den Erfolg ihrer CRM-Aktionen. Ein weiter Grund für das Scheitern von CRM-Projekten liegt in der fehlenden Abstimmung zwischen den einzelnen Geschäftsbereichen. Eine wesentliche Herausforderung beim CRM ist daher die richtige Einstellung der Mitarbeiter im Unternehmen. Diese müssen umfassend informiert und geschult werden. Denn die Implementierung von CRM hat Auswirkungen auf das gesamte Unternehmen.
„Digging for Gold“
Banken haben in der Regel keinen Mangel an Daten. Ziel der Datenaufbereitung mittels CRM bei Kreditinstituten ist es daher, das Wesentliche vom Unwesentlichen zu trennen: „Digging for Gold“ also. Aus den gewonnenen Daten wird ein intelligentes Kampagnenmanagement, die Personalisierung von Angeboten für Vertrieb und Marketing sowie Ideen für den Kundenservice abgeleitet.
Woher kommen die Daten?
Die für das CRM relevanten Daten sind bei Banken an verschiedenen Orten zu finden. Diese Fundstellen sind über die Jahre eingerichtet und entwickelt worden. Wichtiger Datenlieferant ist beispielsweise ein Call-Center. Aufgabe des CRM ist es, diese Informationen zusammenzutragen, sofern dies aus technischer Sicht möglich ist. Nur Daten mit derselben Semantik (=Bedeutung) können sinnvoll in eine Datei übertragen werden. Um die Qualität der Daten sicherzustellen, müssen diese vorher geprüft werden. Hier helfen auch Korrekturprogramme. Wobei immer die Frage gestellt werden muss, ob in jedem Fall eine Übernahme der Daten sinnvoll ist.
Anspruchsdenken beim Kunden
Die Erwartungen, die ein Kunde an seine Bank stellt, sind in den letzten Jahren grösser geworden. Er möchte den Kommunikationskanal, auf dem er mit seinem Kreditinstitut in Kontakt tritt, selbst wählen und auch bei Bedarf wechseln. Daher kommt dem Multichannel-Marketing eine immer wichtigere Bedeutung zu. Hier gilt es, die verschiedenen Absatz- und Kommunikationskanäle und die daraus gewonnenen Daten zu koordinieren.
CRM und Marketing
Ziel des analytischen CRM ist es, ein möglichst individuell auf den Kunden ausgerichtetes Marketing (Mikromarketing) zu schaffen. Daraus ergeben sich folgende Aufgabenstellungen:
- Analyse und Prognose des Verhaltens der bestehenden und potenziellen Kunden,
- Segmentierung der Kunden,
- Analyse der Kundenprofitabilität,
- Entwicklung von Marketingstrategien und -aktivitäten,
- Analyse des Erfolgs der Marketingaktivitäten.
„Im unternehmerischen Sinne ist CRM häufig nicht als Strategie erkannt und umgesetzt. Themenbereiche, deren betriebswirtschaftlicher Nutzen einfacher hervorzuheben und leichter nachzuweisen ist, werden höher priorisiert umgesetzt und erhalten im Vergleich höhere Budgets.“
Mikromarketing, häufig auch Database-Marketing genannt, hat das Ziel, den richtigen Kunden zum richtigen Zeitpunkt mit den richtigen Argumenten und über das richtige Medium anzusprechen. Voraussetzung für ein erfolgreiches Mikromarketing ist eine vorherige Mikrosegmentierung. Die dafür erforderlichen Daten lassen sich in Grunddaten (z. B. Name und Adresse), Potenzialdaten (wahrscheinlicher Bedarf des Kunden), Aktionsdaten (Einsatz der Marketingaktivitäten) und Reaktionsdaten (Verhalten des Kunden) unterscheiden.
Daten und Data-Warehouse
Unter Data-Warehouse wird die Sammlung von aktuellen und historischen Daten verstanden. Die grundsätzliche Architektur eines Data-Warehouse besteht aus drei Komponenten: Datenbasis, Transformationsprogramme und Metadaten-Repository. Die Datenbasis beinhaltet die kompletten Datensätze, das Transformationsprogramm sorgt für die Zuführung neuer Daten und das Metadaten-Repository gibt Auskunft über die Struktur des Data-Warehouse. Hier sind z. B. auch Angaben zur Formatdefinition abgelegt.
Data-Mining: So funktioniert es
Data-Mining ist eine weitgehend automatisierte Technik, bei der Daten analysiert werden, um versteckte bzw. unbekannte Muster ans Tageslicht zu bringen. Die Techniken des Data-Mining lassen sich grundsätzlich in gerichtete und ungerichtete Verfahren unterscheiden. Bei den gerichteten Verfahren wird das Ziel vorgegeben, beim ungerichteten soll das System selbstständig unbekannte Zusammenhänge suchen. Der Data-Mining-Prozess vollzieht sich in fünf Stufen: Beim „Sample“ wird zunächst eine Vorauswahl getroffen, auch um die Rechenzeit zu reduzieren. Beim Schritt „Explore“ werden erste Trends geliefert. Manchmal ist es notwendig, die Daten zu verändern, z. B. indem Informationen hinzugefügt werden. Dieser Schritt wird „Manipulate“ genannt. Es folgen die eigentliche Berechnung („Model“) und die Auswertung („Assess“).
Datenschutz beim CRM
Das Sammeln und Auswerten von kundenbezogenen Daten führt zwangsläufig zu Fragen des Datenschutzes. Hier gilt grundsätzlich, dass der Kunde mit der Datenerhebung und -verwertung immer einverstanden sein muss. Doch auch die Auswertung anonymer Daten kann wertvolle Ergebnisse liefern.
Ermittlung des Kundenwerts
Eine zentrale Aufgabe des CRM ist es, den Wert des Kunden zu ermitteln. Dieser bemisst sich nach seinem langfristigen (und damit auch zukünftigen) Ertrag. Die den Ertrag bestimmenden Determinanten sind zahlreich und reichen von der Dauer der Geschäftsbeziehung über die bisher entstandenen Kosten bis zu der Kündigungswahrscheinlichkeit.
Churn-Management und CRM
CRM kann wertvolle Erkenntnisse für das Churn-Management, also das Verhindern von Kündigungen, liefern. Denn CRM kann als eine Art Frühwarnsystem genutzt werden, um mögliche Kündigungen ertragsstarker Kunden zu vermeiden, indem rechtzeitig Kundenbindungsmassnahmen eingeleitet werden. In einer qualitativen Analysephase werden dafür zuvor die Einflussfaktoren für die Kundenloyalität bestimmt. Die abzufragenden Kriterien sind: Service- und Beratungsqualität, Zinsen und Gebühren, Produkt- und Dienstleistungspalette, Erreichbarkeit und Beschwerdemanagement.
Marketing-Mix und Churn-Management
Der aus der Wirtschaftslehre bekannte Marketing-Mix, bestehend aus Produkt, Preis, Vertrieb und Kommunikation, kann auch auf das Churn-Management bei Banken angewandt werden. Die Produktpolitik zielt auf den speziellen Kundennutzen, um sich vom Wettbewerb abzugrenzen. Bei der Preispolitik ergibt sich immer mehr das Problem der Transparenz am Markt. Eine Quersubventionierung lässt sich mit der Philosophie des Churn-Managements kaum in Einklang bringen. Der Vertrieb ist hingegen bei Banken das wichtigste Instrument der Kundenbindung. Hier müssen klare Richtlinien für den Umgang mit dem Kunden festgelegt werden. Die Kommunikation nimmt im Churn-Management ebenfalls eine Schlüsselrolle ein. Diese muss daher dialogorientiert und auf Feedback ausgerichtet sein.
CRM im Unternehmen
Eine solide CRM-Strategie berücksichtigt nicht nur Technik und Marketing. Sie sollte auch die strategische Ausrichtung des gesamten Unternehmens beeinflussen können. Dies könnte z. B. helfen, die am Markt notwendigen Alleinstellungsmerkmale herauszuarbeiten. Dafür muss CRM von allen betroffenen Mitarbeitern, vom Vorstandsvorsitzenden bis zum Call-Center-Mitarbeiter, „gelebt“ werden.