Shopper-Marketing – ein übergreifendes Marketingkonzept
Der Kunde, auch Shopper genannt, entscheidet sich bei 70 % seiner Käufe erst am Regal, ob er zu diesem oder jenem Produkt greift. Damit ist der Handel heute zum interessantesten Werbemedium avanciert. Einer der Gründe dafür ist, dass die Kunden die unermüdlich auf sie einprasselnde Werbung, z. B. im Fernsehen, inzwischen bewusst ausblenden. Bei 455 gesendeten TV-Spots pro Stunde im Jahr 2008 müssen Sie sich als Werbetreibender schon fragen, ob Sie Ihr Marketinggeld hier richtig ausgeben. Eine amerikanische Studie aus dem Jahr 2005 hat gezeigt, dass man mit einem Werbebudget von 12 Millionen Euro gerade mal 24–32 Kundenkontakte über Anzeigen erzielt – aber 73 Kontakte durch Maßnahmen am Point of Sale (POS).
„Shopper-Marketing ist eine der Antworten auf das neue Paradigma der Werbung.“
In den USA ist es bereits so weit: Das Fernsehen als Marketingmedium geht langsam unter, der Point of Sale gewinnt immer mehr an Boden. Aber auch in Deutschland avanciert der POS zum bedeutendsten Werbemedium: Laut einer Studie von 2005 empfinden zwei Drittel der Befragten die Werbung im Handel nicht als störend, 80 % halten TV-Werbung dagegen für übertrieben. Entsprechend bemüht sich der Handel immer mehr, dem Kunden einen Mehrwert zu bieten. POS-TV, Selbstbedienungskassen oder interaktive Shopper-Assistenten am Einkaufswagen sind keine Zukunftsmusik mehr.
„In den letzten zehn Jahren haben sich die Informationsbeschaffung und das Konsumverhalten der Shopper insbesondere durch die immer stärkere Nutzung des Internets verändert.“
Hinter dem Begriff „Shopper-Marketing“ verbergen sich viele aufeinander abgestimmte einzelne Maßnahmen innerhalb eines übergreifenden Marketingkonzepts. Dazu zählen beispielsweise Werbung, Customer-Relationship-Management (CRM), Marktforschung, POS-Marketing, Warengruppenmanagement, Handelsmarketing oder Ladendesign. Beim Shopper-Marketing müssen Sie all das geschickt miteinander verbinden, denn dieses Konzept geht deutlich über Verkaufsförderung und klassische Werbung hinaus. Marktforschung ist unabdingbare Voraussetzung: Finden Sie heraus, wo, wie oft, was und warum der Kunde kauft.
„Shopper-Marketing bedeutet, Effizienz, Wertschöpfung, Handel bzw. Vertriebslinien/Absatzwege professionell zu analysieren und die Produkte gemeinsam mit Partnern zu optimieren.“
Die Erkenntnisse, die Sie dadurch gewinnen – die so genannten Shopper Insights – müssen Sie dann in Konzepte umsetzen. Bei Tesco in Großbritannien z. B. ist der POS nicht mehr ein anonymer Supermarkt, sondern ein Wohlfühlort, an dem eine lokale Gemeinschaft Beziehungen aufbaut und pflegt; es wird nicht nur gemeinsam eingekauft und gekocht, die Leute vermitteln sich beispielsweise auch Dienste wie Hausaufgabenhilfe. Kaufhof testet in Dortmund, ob es möglich ist, ein seniorengerechtes Kaufhaus zu führen, das aber nicht als solches deklariert ist – damit andere Kundengruppen nicht abgeschreckt werden. Ähnliche Überlegungen haben bei Adeg in Österreich u. a. zu einem Umsatzplus von 20 %, einer Steigerung der Verweildauer um 30 % und einem starken öffentlichen Interesse geführt. Supermarkt- und Baumarktketten in den USA und in Großbritannien haben gute Erfahrungen mit dem Self-Check-out gemacht – die Kunden stehen hier nicht mehr tatenlos in der Schlange vor der Kasse.
Zehn Shopper-Marketing-Prinzipien
Je genauer Sie wissen, was der Kunde tut und denkt, und je besser Sie sein Verhalten und seinen Einkaufsprozess verstehen, desto effizienter können Sie Ihre Marketingkonzepte gestalten. Beachten Sie die folgenden zehn Prinzipien:
- An den Shopper verkaufen, nicht an den Konsumenten: Sie kennen den Shopper in der konkreten Einkaufssituation und wissen, was seine Entscheidung wann beeinflusst.
- Ihre Marke aus Shopper-Sicht: Sie wissen, was Ihr Produkt am POS für den Shopper einzigartig macht und was zum Kaufentscheid führt.
- Lösungen anbieten: Sie kennen das Bedürfnis, das den Grund für den Einkauf darstellt.
- Synergien und Kooperationen nutzen: Sie kennen die Pläne, Programme und Probleme Ihrer Handelspartner, ihre Gemeinsamkeiten und Anknüpfungspunkte.
- Shopper unterscheiden sich: Sie nutzen Insight-basierte Kriterien, denn unterschiedliche Einstellungen, Interessen und Gewohnheiten beeinflussen den Kauf.
- Was und wie der Shopper einkauft: Shopper-Marketing analysiert nicht nur den Kaufakt selbst, sondern auch das Vor- und Nachspiel.
- Marketing und Verkauf abstimmen: Sie schwören Ihr ganzes Unternehmen auf Shopper-Marketing ein, unterstützt durch die Führungsetage.
- Einfach ist besser: Shopper suchen nach klaren Konzepten und eindeutigen Aussagen, nach Transparenz und Vertrautem.
- Innovation nicht als Selbstzweck: Neue Marketingmöglichkeiten, z. B. digitale Medien, prüfen Sie auf ihren Nutzen für den Shopper.
- Messen und evaluieren: Sie messen ständig Aktionen und Ergebnisse und finden so heraus, wie Sie Ihre Botschaften für den Shopper interessant halten.
Wer ist der Shopper?
Shopper-Marketing funktioniert nur, wenn Sie ganz nah am Kunden sind. Sein Verhalten am POS zu beobachten ist dabei die eine Seite, seine Beweggründe für dieses Verhalten zu kennen, die andere. Der gesamte Kaufprozess – von der Vorbereitung (beispielsweise wie sich der Shopper informiert) bis zur Verwendung des Einkaufs zu Hause – sollte Ihnen vertraut sein. Eine Reihe unterschiedlicher Methoden sowohl quantitativer als auch qualitativer Art helfen Ihnen bei der gründlichen Erforschung des Shoppers. Während erstere Ihnen ein durchschnittliches Stimmungsbild vermitteln, zielen letztere auf Verkaufspsychologie und Motivationsforschung.
„Shopper Insights sind alle relevanten Erkenntnisse, die das Verhalten und den Entscheidungsprozess der Shopper rund um ihren Einkauf erhellen und Rückschlüsse für eine effiziente Gestaltung der Werbemaßnahmen erlauben.“
Zu den quantitativen Methoden zählen Befragungen (POS-Befragung, Straßenbefragung), Online-Erhebungen oder Blickerfassung. Die Blickerfassung gibt Ihnen einen Einblick in das unbewusste Verhalten des Shoppers: Erregt ein Werbemittel die gewünschte Aufmerksamkeit? Ist das Logo optimal platziert? Qualitative Methoden sind z. B. so genannte Shop-Alongs. Hierbei wird der Shopper während des gesamten Einkaufs von einem idealerweise psychologisch geschulten Moderator begleitet und nach seinen Gedanken befragt, die ihm beim Einkauf in den Sinn kommen. Kaufverhalten und Kaufbarrieren können so aufgedeckt werden. Diese Art der Shopper-Forschung ergänzt die klassische Konsumentenforschung um die Beweggründe, die hinter dem Kaufentscheid stecken. Irgendwann haben Sie ein komplettes Bild Ihres Shoppers und wissen genau, an welchen Punkten Ihre Marketingmaßnahmen ansetzen müssen.
Beispiel Family-Shopperin
So wurde beispielsweise die Family-Shopperin (Zielgruppe Familienmütter) genau unter die Lupe genommen. Über einen längeren Zeitraum wurde das persönliche Umfeld von Müttern studiert und ihr Verhalten rund um den Einkauf beobachtet. Zunächst wurden die Motivatoren herausgearbeitet, die das Einkaufsverhalten prägen. Das Resultat: Für die Family-Shopperin heißt die zentrale Motivation, allen Anforderungen gerecht zu werden. Ihr Verhalten ist vornehmlich auf Stressvermeidung aus. Solche Shopper möchten im täglichen Einkauf entlastet werden.
„Der Begriff des ‚Easy Shoppings‘ besitzt branchenunabhängig mehr denn je Gültigkeit und wartet auf Erfüllung in der Realität.“
Der Einkaufsprozess beginnt mit der Planung. Diese bezieht sich aber nur auf den Grundbedarf und die „Pflichtartikel“; wenn es um neue Produkte geht, entscheidet sich die Shopperin spontan am Regal. An der Kasse ist der Prozess noch nicht abgeschlossen: Auch das Auspacken zu Hause und das Verwenden der Produkte gehören dazu, und schließlich mündet alles wieder ins Schreiben des nächsten Einkaufszettels. Der Einkaufsprozess ist also ein Kreislauf, in dem es mehrere potenzielle Kontaktpunkte gibt, an denen Sie mit dem Kunden kommunizieren können. An diesen Kontaktpunkten gilt es den Einkauf zu erleichtern, Stress zu reduzieren und für Orientierung zu sorgen – und das alles unter Berücksichtigung des anvisierten Shopper-Typs: Die relaxte Lieferantin nutzt TV und Internet, die Shopping-Expertin den Handzettel, die pflichtbewusste Hausfrau und die bequemlichkeitsorientierte Versorgerin eine Liste.
„Der Akt des Einkaufens ist nicht mehr unbedingt etwas, was der Shopper alleine macht, sondern er baut zunehmend auf die Meinung und Hilfe anderer Shopper und nutzt soziale Plattformen als Informations- und Austauschort.“
Für alle Shopper-Gruppen aber ist das Geschäft selbst der wichtigste Kontaktpunkt; Shopper lassen sich beim Einkauf gerne inspirieren. Der Orientierung kommt eine zentrale Bedeutung zu. Das heißt: stimmiges Ladenlayout, Produktinformationen, Promotion und Angebote am Regal. Unterschätzen Sie auch die Verpackung nicht, gerade bei unbekannten Markennamen.
Aktionen und Ladengestaltung nach Shopper Insights
Ein gelungenes Beispiel für die Umsetzung von Shopper Insights in ein konkretes Konzept ist der von Procter & Gamble und Edeka neu geschaffene Bereich „Kinderland“. Der deutliche Absatzrückgang bei Windeln war der Auslöser für dieses klassische Warengruppenmanagement-Projekt. Den Kundenbedürfnissen entsprechend wurde ein komplett neu strukturierter Warenbereich mit Baby- und Kleinkindartikeln geschaffen, der nach Shopper-Gesichtspunkten ehemals getrennte Einzelabteilungen zusammenfasst. Lange Wege entfallen, die Kunden sind zufrieden, der Warengruppenabsatz ist gestiegen und die Loyalität der Kunden auch.
„Besonders erfolgreich sind bei Facebook die so genannten Brand Pages. Inzwischen hat praktisch jede große Marke einen eigenen Auftritt nicht nur bei Facebook, sondern auch bei Twitter, YouTube oder MySpace.“
Da der POS eine derart hohe Bedeutung für die Gesamtkommunikation und die Markenführung hat, muss dem Ladendesign unbedingt besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden. Ein wichtiges Kriterium ist dabei das Such- und Entscheidungsverhalten der Shopper – danach hat sich die Platzierungslogik zu richten. Shopper haben wenig Lust zum Suchen; die Hälfte von ihnen verzichtet im Supermarkt sogar auf Produkte, die nicht gleich auffindbar sind. Das Ladenlayout sollte also auf die Kundenwünsche Rücksicht nehmen. Platzieren Sie beispielsweise Tiefkühlwaren möglichst nahe der Kasse, damit sie auf dem langen Weg durch den Supermarkt nicht auftauen. Weitere Entwicklungen aufgrund von Shopper Insights sind etwa offene Bedieninseln, niedrigere und kürzere Regale oder Self-Check-out-Kassen.
Mit digitalen Medien am POS punkten
Die Shopper zeigen sich digitalen Medien gegenüber durchaus aufgeschlossen. Eine Studie besagt, dass einer von zehn Shoppern sich regelmäßig ein POS-Video anschaut und dass 81 % der Betrachter dieses dann gut finden, wenn sein Inhalt mit dem Warenangebot übereinstimmt. Interessant ist das Medium Video vor allem, wenn es Sonderangebote anspricht, Produktinformationen gibt oder spezielle Events ankündigt. Aber Achtung: Die Aufmerksamkeitsspanne der Shopper in der Supermarktumgebung liegt im Sekundenbereich. Das bedeutet: Wenn Sie die Aufmerksamkeit des Kunden gewonnen haben, müssen Sie sofort sagen, was Sache ist, sonst ist er wieder weg. Dazu muss die Installation – idealerweise auf Augenhöhe, denn der Blick des Shoppers geht tendenziell nach unten – die Präsentation der Warengruppe unterstützen.
„Sicherlich lassen sich die reinen Klickzahlen im Netz problemlos auswerten, doch inwiefern markenbezogene Akzeptanz, Image, Einstellung und Loyalität nachweislich über Facebook und Co. beeinflusst werden, ist bisher nicht eindeutig nachvollziehbar.“
Die meisten Kunden sind heute online. Gehen Sie deshalb mit Ihrem Shopper-Marketing ins Internet und holen Sie Ihre Kunden dort ab. Mehr als die Hälfte der größten deutschen Marken agieren bereits im Web und nutzen Twitter, YouTube, Facebook und Corporate Blogs. Lidl hat auf Facebook bereits über 5000 Fans und bietet ihnen dort Neuigkeiten, Tagesangebote, Fanfotos und einen integrierten Onlineshop. Starbucks ist mit knapp 7 Millionen Facebook-Fans der Spitzenreiter. Wichtig ist, dass Sie die Kommunikationsinstrumente des Web 2.0 nicht als Selbstzweck betrachten, sondern dass Sie sie einsetzen, um Shopper an den POS zu bringen.