Psychoblasen in der Wirtschaft

Buch Psychoblasen in der Wirtschaft

Irrungen und Wirrungen im Management

Gabler,


Rezension

Man­age­men­tkonzepte sind in der Regel von zahlreichen englischen Begriffen geprägt, wobei deutsche Beze­ich­nun­gen nur noch selten vorkommen. Autor Sebastian Lesch, seines Zeichens Dipl.-Psychologe, beleuchtet eine Reihe dieser Konzepte. Sie behandeln die Themen Glob­al­isierung, Werte, Commitment, Motivation, Kom­mu­nika­tion, Coaching, Teamfähigkeit und Zeit­man­age­ment. Anhand von Beispielen aus der Praxis räumt er mit ver­bre­it­eten Missverständnissen auf. Seine zentrale Erkenntnis: Die meisten dieser Begriffe sind mehr Schein als Sein. Und längst nicht jedes Führungsin­stru­ment hält, was es verspricht – auch nicht, wenn es für teures Geld verkauft oder gelehrt wird. Bahn­brechend neu ist diese Einsicht zwar nicht, dennoch kann BooksInShort das Buch Führungskräften als nützlichen Denkanstoß empfehlen.

Take-aways

  • Die Glob­al­isierung ist für viele Menschen ein Schreck­ge­spenst – dabei ist sie keineswegs eine Erfindung der Neuzeit.
  • Sie hat sich allerdings durch die digitale Vernetzung merklich beschle­u­nigt.
  • Werte sind wichtig, aber sie alleine sind kein Führungsin­stru­ment.
  • Un­ternehmen­schefs können mithilfe einfacher Mittel Einfluss darauf nehmen, ob sich die Arbeitskräfte einer Firma verbunden fühlen oder nicht.
  • Ob sich ein Mitarbeiter bei der Arbeit wohlfühlt oder nicht, hat gewaltige Auswirkun­gen auf die Qualität seiner Leistung.
  • Motivation kommt von innen oder außen – aber selten durch einen Teambesuch im Hoch­seil­gar­ten.
  • E-Mail-Ko­r­re­spon­denz führt häufig zu Missverständnissen und somit zu Zeitver­schwen­dung.
  • Weder das Telefon noch Post-its, Mails oder Ar­beit­san­leitun­gen können das persönliche Gespräch ersetzen.
  • Doch auch in der direkten Kom­mu­nika­tion gibt es viele Missverständnisse: Mimik und Gestik können falsch verstanden werden.
  • Für Coaching können Sie unnötig viel Geld ausgeben; seien Sie auf der Hut vor Geschäftemachern.
 

Zusammenfassung

Glob­al­isierung

Die Glob­al­isierung ist für viele Menschen weltweit ein Schreck­ge­spenst. Häufig wird sie für negative En­twick­lun­gen ve­r­ant­wortlich gemacht. Der Begriff „Glob­al­isierung“ besagt zunächst nichts weiter, als dass die Länder der Erde wirtschaftlich, kulturell und sozial näher zusammenrücken. Eine Folge davon ist, dass sich Waren im Ausland günstiger produzieren lassen. Selbst der Transport von einem Kontinent zum anderen ist inzwischen so billig, dass dies kein Hindernis mehr darstellt. Viele Unternehmen finden das natürlich prima. Wir dürfen aber nicht übersehen, dass sich auch vieles zum Negativen wendet: Stichwort Klimaveränderung. Auch andere Probleme breiten sich global aus, beispiel­sweise Terror, Kriminalität und Fi­nanzkrisen. Die Frage ist jedoch, ob daran wirklich die Glob­al­isierung schuld ist. Denn die ist gar nicht so neu, wie man denkt. Sie reicht zurück bis ins 15. Jahrhundert. Schon in den Anfängen der Kolo­nialzeit ging es wie heute um die Sicherung von Rohstoffen in anderen Erdteilen.

„Das größte Trauma überhaupt ist vielleicht die Glob­al­isierung.“

Interessant ist, dass nicht nur der Westen den Osten erobert und in nahezu jedem Land der Welt seine berühmt-berüchtigten Fast-Food-Ket­ten eröffnet. Der Westen wird seinerseits nämlich auch von östlichen Strömungen beeinflusst: Yoga, Sushi und Qigong sind nur einige Beispiele. Die Glob­al­isierung ist also kein neues Phänomen, allerdings kommt sie im Unterschied zu früher heute deutlich schneller voran. Der Grund dafür liegt in der digitalen Vernetzung – wobei das Internet einen großen Teil ausmacht. Wer als Firmenchef von der Glob­al­isierung profitieren will, muss darum vor allem die moderne Technik und ihre Möglichkeiten prüfen, und zwar immer wieder aufs Neue: Welchen Vorteil haben Sie durch Videotele­fonie, Twitter oder Smartphones? Stärkt das die Un­ternehmen­skom­mu­nika­tion?

Werte

Ein weiterer Begriff, der in der Wirtschaft gerne strapaziert wird, ist jener der Werte. Sie sind etwas Ähnliches wie Ziele, aber eben nicht ganz das Gleiche: Werte sind grundle­gen­der und übergeordnet. Sie geben vor, wie Mitarbeiter in Firmen oder Abteilungen handeln sollen. Grundsätzlich also eine gute Sache. Allerdings neigen Unternehmen dazu, sich zu viele Werte auf ihre Fahne zu schreiben. Zwar gibt es wohl kaum konkrete Vorgaben darüber, wie viele Werte ein Unternehmen vertreten soll. Sinnvoll ist jedoch, so wenige zu nehmen, dass die Mitarbeiter sie sich merken können. In der Lerntheorie gelten im Durch­schnitt vier Dinge als gut merkbar. Beginnen alle Werte mit dem gleichen An­fangs­buch­staben, prägen sie sich übrigens noch besser ein. Ein Beispiel: Verständnis, Vertrauen und Ve­r­ant­wor­tung.

„Nicht die Glob­al­isierung ist schuld an unseren Problemen und Wirtschaft­skrisen, sondern die Dynamik und Komplexität des Mark­t­geschehens sind ihre Ursache.“

Häufig kommt es vor, dass man sich mit Werten brüstet, die bei der Konkurrenz gerade zu kurz kommen. Wird dort beispiel­sweise eine Führungskraft der Korruption überführt, schreibt man sich selbst den Wert „Ehrbarkeit“ zu – aber Vorsicht, der Schuss könnte nach hinten losgehen! Übrigens: Werte müssen nicht über Jahrzehnte gleich bleiben. Sie verändern sich im Lauf der Zeit und sind auch abhängig von den Mi­tar­beit­ern, die eingestellt werden oder das Unternehmen verlassen.

Commitment

Der Ausdruck „Commitment“ steht für Selb­stverpflich­tung. Eine solche geht der Mitarbeiter ein, wenn er die Ziele und Werte des Un­ternehmens anerkennt und sie nach außen trägt. Weil dadurch das Zugehörigkeitsgefühl gefördert wird, mögen es Unternehmen, wenn sich ihre Angestell­ten „committen“. Die Frage ist jedoch, wo diese Beziehung endet. Gilt das Commitment auch dann noch, wenn eine andere Firma mit mehr Geld oder einem besseren Job lockt? Klar ist: Sie können Mitarbeiter nicht fortwährend mit höherem Gehalt und tollen En­twick­lungschan­cen bestechen, damit sie sich Ihrem Unternehmen verpflichten. Und auch das Angebot, Teilzeit oder von zu Hause aus zu arbeiten, ist längst nicht für alle Mitarbeiter interessant. Studien belegen, dass Teilzeitkräfte oft mehr arbeiten, als sie müssten.

„Das, was man hat, bestimmt über das mit, was man anstrebt – ein soziales Naturgesetz.“

Hinzu kommt, dass sich nicht jede Familie Teilzeit finanziell leisten kann. Tatsache ist, dass praktisch alles, was Mitarbeiter auf der einen Seite locken könnte, auf der anderen einen Pferdefuß hat. Was machen Sie, wenn sich die Mitarbeiter ohne Wenn und Aber Ihrem Unternehmen verpflichten – und es plötzlich zu einer Neuaus­rich­tung kommt? Sollen Ihre Mitarbeiter dann von einem Tag auf den anderen ihre Einstellung wechseln? Das wird ihnen nicht gefallen, denn Menschen verhalten sich gerne konsistent. Wenn sie plötzlich einem neuen Credo folgen müssen, kann das Auswirkun­gen auf ihr Verhalten und Fühlen haben. De­mo­ti­va­tion und Spannungen sind die Folge.

„Mitarbeiter nehmen sich das gleiche Recht heraus wie Kunden – nämlich das Recht zu wechseln.“

Was also tun, damit sich Ihre Mitarbeiter bei Ihnen wohlfühlen? Behandeln Sie sie gerecht. Angestellte vergleichen ihren Aufwand und Ertrag mit dem, was andere leisten und bekommen. Je aus­bal­ancierter dieses Verhältnis ist, desto zufriedener sind Ihre Mitarbeiter am Ar­beit­splatz. Sind sie allerdings unglücklich, ist es nur eine Frage der Zeit, bis sie zu einem anderen Unternehmen wechseln. Und bis dahin haben Sie keine guten, engagierten Mitarbeiter, sondern solche, die Dienst nach Vorschrift leisten. Sie werden weder eigene Ideen entwickeln, noch wird ihre Arbeit besonders sorgfältig sein. Und ob die Teamarbeit funk­tion­iert, ist auch fraglich.

„Stabile Ursachen lassen darauf schließen, dass Ergebnisse, die in der Ver­gan­gen­heit erzielt wurden, auch in der Zukunft wieder erzielt werden.“

Ein Mitarbeiter, der sich wohlfühlt, ist in der Regel freiwillig dazu bereit, mehr zu leisten. Schwierig wird es nur, wenn Sie als Vorge­set­zter dieses Mehr plötzlich erwarten. Denn dann gerät die Sache aus dem Gle­ichgewicht. Ebenso, wenn Sie in Zielgesprächen ständig die Latte un­re­al­is­tisch hoch legen. Dann frustrieren Sie die Mitarbeiter, weil sie keine Chance haben, die Ziele zu erreichen. In so einem Fall sprechen sie gewöhnlich nicht mehr von „Vere­in­barun­gen“, was ein part­ner­schaftliches Arbeiten vo­raus­set­zen würde, sondern benutzen eher Ausdrücke wie „Zielvor­gaben“, denen ein hi­er­ar­chis­cheres Ar­beitsverständnis zugrunde liegt.

„Motivation ist nicht immer von gleicher Intensität, nicht immer gle­ichgerichtet und vor allem nicht unerschöpflich.“

Sind die Zielvere­in­barun­gen realistisch, aber der Mitarbeiter erreicht sie trotzdem nicht, muss an anderen Schrauben gedreht werden. Liegt das Problem vielleicht in der mangelnden Kompetenz des Mi­tar­beit­ers? Dann können Weit­er­bil­dun­gen die Lösung sein. Bedenken Sie aber, dass der Mitarbeiter danach nicht auf Knopfdruck funk­tion­ieren wird, denn gut Ding will Weile haben.

Motivation

Andere Faktoren, die das Wohlbefinden des Ar­beit­nehmers bee­in­flussen, sind das Verhalten des Chefs, die äußeren Bedingungen der Arbeit und das kollegiale Umfeld. Können Sie in diesen Bereichen punkten, sparen Sie sich Mo­ti­va­tion­spro­gramme wie etwa flexible oder variable Vergütungsmod­elle, Boni, regelmäßige Auf­gaben­wech­sel oder gesundes Bioessen in der Kantine. Auch Kinder­be­treu­ung oder Einkauf­sser­vice sind Angebote, mit denen Arbeitgeber versuchen ihre Mitarbeiter bei der Stange zu halten. Damit soll die so genannte Work-Life-Bal­ance sichergestellt werden. Wird den Mi­tar­beit­ern jedoch alles rund um „Life“ abgenommen, bleibt letztlich nur noch „Work“ übrig. Beliebt sind in diesem Zusam­men­hang auch Anreize wie ein Ausflug zum Hoch­seil­gar­ten mit dem ganzen Team. Dort soll gle­ichzeitig der Zusam­men­halt gestärkt werden. Aber: Wer Sie heute beim Aufstieg sichert, lässt Sie möglicher­weise morgen den Arbeitsberg trotzdem alleine bewältigen. Solche Team­bil­dungsmaßnahmen verfehlen gerne ihr Ziel und fördern auch nicht zwangsläufig die Motivation. Sie sind oft vergeudete Zeit.

„Das Coaching von Führungskräften hat vieles versprochen, aber bei Weitem nicht alles halten können.“

Experten un­ter­schei­den grundsätzlich zwischen der in­trin­sis­chen und der ex­trin­sis­chen Motivation. Als Vorge­set­zter haben Sie nur auf die ex­trin­sis­che, also von außen kommende Motivation Einfluss, beispiel­sweise durch Lob, Anerkennung oder Gehaltserhöhungen. In­trin­sis­che Motivation schöpft der Mitarbeiter aus der Arbeit selbst; Neugier und Spaß sind Mo­ti­va­tionsverstärker. Häufig wird die in­trin­sis­che Motivation auf- und die ex­trin­sis­che abgewertet – zu Unrecht: Belohnungen sind durchaus geeignet, um eine Verhaltensänderung herbeizuführen. Allerdings: Egal, was Sie bei der Arbeit bieten, alle werden Sie nie glücklich machen.

Kom­mu­nika­tion

Reden können wir alle und zuhören auch. Trotzdem geht in der Kom­mu­nika­tion im Beruf­sall­tag vieles schief. Beispiel E-Mail: Oft schleicht sich dort zwischen Ko­op­er­a­tionspart­nern schnell ein laxer Umgangston ein, obwohl man gemeinsam Geschäfte macht. Schwierig wird es, wenn es zum Knall kommt und etwas nicht nach Plan läuft. Der Auftrag kann nicht gehalten werden, die Qualität ist schlecht. Was nun? Jetzt muss der zuletzt kam­er­ad­schaftliche Ton zwischen den beiden Parteien wieder zu einem formellen Umgang zurückgedreht werden. Keine schöne Situation. Ein anderes Beispiel: Sie halten eine E-Mail für so wichtig, dass Sie sie mit Dringlichkeitsstufe „hoch“ senden. Was, wenn das alle machen? Dann liegt es am Empfänger, die Prioritäten zu setzen. Ähnlich ist es, wenn Sie eine Mail abschicken und eine Lesebestätigung verlangen. Diese mag Ihr Kollege zwar senden, aber ob er die Mail in Ruhe gelesen und verstanden hat, steht auf einem anderen Blatt. Auch der Versand von Mails an mehrere Menschen gle­ichzeitig ist prob­lema­tisch. In einigen Unternehmen hat es sich eingebürgert, dass ein großer Kreis von Kollegen Mails per „Cc“ geschickt bekommt. Der Versender will sich damit absichern. Ein Cc-Versand gibt ihm jedoch nicht wirklich die Gewissheit, dass die anderen die Nachricht lesen werden. Fakt ist nur, dass die Mailflut dadurch ungebührlich in die Höhe getrieben wird.

„Belohnung ist eines der besten Mittel zur Verhaltensänderung.“

Alle diese Punkte stellen erst die äußeren Faktoren des E-Mail-Verkehrs dar. Natürlich geht es auch um die Inhalte. Überlegen Sie sich zum Beispiel, was genau Sie vermitteln, indem Sie schreiben: „Zögern Sie nicht, mich jederzeit anzurufen.“ Diese Auf­forderung impliziert nämlich, dass Sie auch nach Feierabend gestört werden wollen, im Restaurant, in der Oper, beim Fernsehen, am Wochenende oder sogar mitten in der Nacht. Sie präsentieren sich als Sklave Ihrer Arbeit und Ihrer Kunden. Wollen Sie das wirklich? Und mehr noch: Wollen Ihre Mitarbeiter das auch?

„Berufsleben und Privatleben können bei richtiger Or­gan­i­sa­tion in Einklang gebracht werden. Das ist seit Jahren ein Dogma, das in der Wirtschaft hartnäckig aufrechter­hal­ten wird.“

Abgesehen davon ist es eine Fehleinschätzung, dass das persönliche Gespräch durch neue Medien oder eine Papierflut ersetzt werden könnte: Eine Notiz auf einem Post-it muss schon sehr durchdacht sein, damit der Leser ohne Rückfrage darauf reagieren kann. Auch eine ausführlichere Ar­beit­san­weisung auf Papier hilft nicht immer weiter. Ein einziges missverständliches Wort, und die Anweisung führt in die Sackgasse; eine Stelle nicht ak­tu­al­isiert, und das Papier ist keine Zeit­erspar­nis mehr. Allerdings soll jetzt nicht der Eindruck entstehen, dass im persönlichen Gespräch immer alles problemlos läuft. Auch dort lauern Fallen und Fettnäpfchen. Mimik und Gestik beispiel­sweise, die beim Tele­fonge­spräch oder der Mailko­r­re­spon­denz ganz verloren gehen, sind hier zwar sichtbar, können aber falsch gedeutet werden.

Coaching

Viele Unternehmen geben eine Menge Geld fürs Coaching aus. Sinnvoll ist das aber leider nicht immer. Denn der Coach will natürlich auch seinen Profit machen. Es kann also sein, dass er absichtlich möglichst langsam an den Kern des Problems vorrückt, weil er dadurch mehr verdient. Das geht zu Ihren Lasten, denn Ihre Zeit wäre möglicher­weise besser genutzt, wenn Sie sie für Ihre anstehenden Aufgaben aufwenden würden statt für ein Coaching in Zeit­man­age­ment. Seien Sie darum auf der Hut, wenn jemand Sie über lange Zeit coachen möchte, ein Coaching für Ihr ganzes Team vorschlägt oder Ihr Interesse für Speed-Coach­ing zu wecken versucht. Alle drei Methoden führen eher zu einer Kosten­be­las­tung als zu Ihrer Ar­beitsent­las­tung.

Über den Autor

Sebastian Lesch ist Dipl.-Psychologe mit den Schw­er­punk­ten Arbeits- und Or­gan­i­sa­tion­spsy­cholo­gie sowie Klinische Psychologie. Er hat in un­ter­schiedlichen Un­ternehmens­ber­atun­gen gearbeitet und ist jetzt als Experte im Per­son­al­bere­ich einer Krankenkasse tätig.