Erfolgsfaktor Potenzialanalyse

Buch Erfolgsfaktor Potenzialanalyse

Aktuelles Praxiswissen zu Methoden und Umsetzung in der modernen Personalentwicklung

Gabler,


Rezension

Gutes Personal leistet gute Arbeit. Aber oft ist es gar nicht so leicht, die richtigen Leute zu finden und zu fördern. Die Poten­zial­analyse hilft dabei, die Fähigkeiten interner wie externer Kandidaten wis­senschaftlich fundiert zu untersuchen. Das Autorenteam Rohrschnei­der/Friedrichs/Lorenz, allesamt erfahrene HR-Man­age­ment­ber­ater, stellt das Instrument vor und gibt ausführliche Anleitungen, wie sich eine solche Analyse im Unternehmen erfolgreich durchführen lässt. Lobenswert­er­weise lassen die Autoren keinen Zweifel daran, dass es nicht nur unanständig ist, die weniger er­fol­gre­ichen Kandidaten fallen zu lassen wie heiße Kartoffeln, sondern dass die Per­son­al­abteilung ohne Nachsorge bei allen Teilnehmern auf Dauer auch großen Flurschaden im Unternehmen anrichten würde. So ein men­schen­fre­undlicher wie langfristig denkender Ansatz gefällt BooksInShort und deshalb empfehlen wir diesen praxisnahen Ratgeber allen Per­son­alver­ant­wortlichen, die ihre Auswahl­prozesse optimieren wollen.

Take-aways

  • Aufgrund der de­mografis­chen Entwicklung wird es immer schwieriger, geeignete Mitarbeiter zu finden.
  • Eine Poten­zial­analyse hilft, schlum­mernde Talente der Mitarbeiter zu erkennen.
  • Am Anfang steht die An­forderungs­analyse: Was genau muss ein Mitarbeiter in der zu besetzenden Position können?
  • Aufbauend auf den konkreten An­forderun­gen erarbeiten Sie Be­w­er­tungsskalen, die von den Beurteilern der Kandidaten ausgefüllt werden.
  • Für die Durchführung einer Poten­zial­analyse eignen sich As­sess­ment-Cen­ter, Man­age­ment-Au­dits oder eine Kombination ver­schiedener Verfahren.
  • In einem As­sess­ment-Cen­ter müssen die Teilnehmer Aufgaben lösen, die sich an den An­forderun­gen der zu besetzenden Stelle orientieren.
  • Ein Man­age­ment-Au­dit ist ein teil­struk­turi­ertes Interview und eignet sich vor allem für Führungskräfte im höheren Management.
  • Mit geeigneten Fragebögen kann man Mitarbeiter relativ sicher einschätzen.
  • Auch Out­door­train­ings liefern Hinweise auf das Potenzial der Mitarbeiter.
  • Die weniger er­fol­gre­ichen Teilnehmer dürfen nicht zu Verlierern abgestem­pelt werden. Das würde sie nur frustrieren.
 

Zusammenfassung

Auf der Suche nach Leistungsträgern

Deutschland schrumpft und altert. In den nächsten 50 Jahren wird die Zahl der erwerbsfähigen Personen um beinahe 30 % sinken. Damit nimmt auch die Zahl der qual­i­fizierten Bewerber und der Leistungsträger in den Unternehmen ab. Das könnte für die Wirtschaft zu einem Problem werden, denn gute Mitarbeiter sind ein Er­fol­gs­fak­tor. Umso wichtiger wird es, passende Bewerber unter allen Kandidaten her­auszu­fil­tern und das Potenzial der vorhandenen Mitarbeiter zu erkennen und zu fördern. Poten­zial­analy­sen helfen dabei, Persönlichkeit und Fähigkeiten von Bewerbern und Mi­tar­beit­ern zu erkennen und gezielt zu fördern. Der Begriff „Potenzial“ bezeichnet hier die Fähigkeiten, die der Mitarbeiter zwar besitzt, aber noch nicht optimal einsetzen kann.

Die ersten Schritte

Vor der eigentlichen Analyse sollten Sie festlegen, was Sie genau erreichen wollen. Ein mögliches Ziel kann z. B. sein, dass die Teilnehmer konkrete Angaben zu in­di­vidu­ellen En­twick­lungsmöglichkeiten erhalten. Daran orientieren sich die weiteren Schritte. Stellen Sie auf alle Fälle zuerst sicher, dass das Management hinter der Maßnahme steht, ehe Sie die Details planen. Sonst werden Sie mit der Poten­zial­analyse wenig erreichen. Das gilt auch für die Neube­set­zung von Stellen – gerade Führungspo­si­tio­nen werden noch allzu oft nicht aufgrund von Fähigkeiten, sondern nach rein operativen Gesicht­spunk­ten („Wer kann gut mit wem?“) besetzt. Wenn Sie für die Besetzung einer Stelle erst aufwändige Analysen durchführen, nur damit dann doch der Wun­schkan­di­dat des Managements den Job bekommt, ist das für die Motivation der übrigen Teilnehmer nicht gerade förderlich.

Grundle­gende Fragen

Dann sind einige grundle­gende Fragen zu klären. Gab es im Unternehmen schon Un­ter­suchun­gen dieser Art, und wie wurden sie aufgenommen? Wenn die Mitarbeiter mit Poten­zial­analy­sen schlechte Erfahrungen gemacht haben, werden sie möglicher­weise abblocken. Hat die Per­son­al­abteilung aus­re­ichende Ressourcen, um die Analyse selbst durchzuführen? Wie soll die Maßnahme den Mi­tar­beit­ern kom­mu­niziert werden? Stellen Sie unbedingt schon im Vorfeld klar, welche Kon­se­quen­zen die Poten­zial­analyse haben kann. Geht es nur um Per­son­alen­twick­lung, oder werden Mitarbeiter aufgrund der Ergebnisse evtl. befördert oder gar zurückgestuft? Wer soll an der Maßnahme teilnehmen? Welche Eigen­schaften möchten Sie bei den Kandidaten messen, worauf kommt es an? Welche Verfahren kommen auf die Mitarbeiter zu – ein Man­age­ment-Au­dit, ein As­sess­ment-Cen­ter oder eine Kombination ver­schiedener Methoden? Wer nimmt die Beobachter­rolle ein? Welche Rückmeldung erhalten die Teilnehmer? Wie werden die Ergebnisse fest­ge­hal­ten? Werden sie auch in die Per­son­alakte aufgenommen?

Eine An­forderungs­analyse erstellen

Vor der Poten­zial­analyse steht die An­forderungs­analyse: Welche An­forderun­gen muss ein Mitarbeiter in einer bestimmten Position erfüllen? Vielleicht gibt es in Ihrem Unternehmen ein Kom­pe­tenz­mod­ell oder Führungs­grundsätze. Daraus lassen sich An­forderun­gen ableiten. Zur Not können Sie zu diesem Zweck auch Stel­lenbeschrei­bun­gen heranziehen. Oder Sie leiten die An­forderun­gen aus der konkreten Tätigkeit ab. Wichtig ist, drei bis fünf Po­si­tion­sziele zu definieren: Was genau soll mit der Besetzung der Stelle erreicht werden? Auf dieser Grundlage bestimmen Sie die Aufgaben des Stel­len­in­hab­ers. Diese wiederum geben darüber Auskunft, welche Fähigkeiten der Mitarbeiter mitbringen muss. Gehen Sie gründlich vor. Beschreiben Sie die Fähigkeiten so konkret wie möglich. „Kom­mu­nika­tionsfähigkeit“ z. B. ist zu schwammig. Was genau ist damit gemeint? Muss der Mitarbeiter gut zuhören oder andere überzeugen können? Erstellen Sie Be­w­er­tungsskalen, die bei der Beobachtung der Kandidaten ausgefüllt werden. Definieren Sie genau, was eine bestimmte Bewertung bedeutet. Gewichten Sie die un­ter­schiedlichen An­forderun­gen, damit Sie sich nicht in ir­rel­e­van­ten Details verlieren.

Die praktische Ausführung

Welche Methoden Sie bei der Poten­zial­analyse einsetzen, müssen Sie, Ihre Ziele immer im Blick, selbst entscheiden. Die Kombination ver­schiedener Verfahren sorgt für bessere Ergebnisse, weil sie mögliche Fehler einer einzelnen Methode ausgleicht. Bei der Auswahl der Teilnehmer empfiehlt sich ein sorgfältiges, mehrstu­figes Verfahren, damit auch wirklich die poten­ziellen Leistungsträger erfasst werden. Wenn ungeeignete Mitarbeiter teilnehmen, die an den gestellten Aufgaben scheitern, ist Frustration vor­pro­gram­miert. Wählen Sie zur Beurteilung nicht den direkten Vorge­set­zten, sondern lieber jemanden, der in der Hierarchie etwas höher steht. Damit das Verfahren fair ist, müssen die Beobachter intensiv geschult werden. Machen Sie sich klar, dass es den idealen Mitarbeiter nicht gibt. Sie müssen immer Abstriche machen. Denken Sie daran: Fachliche Defizite lassen sich ausgleichen, die Persönlichkeit eines Menschen jedoch können Sie nicht ändern. Wenn Sie sich also für einen Bewerber entscheiden, sollte zumindest seine Persönlichkeit den An­forderun­gen entsprechen; alles andere kann er trainieren.

Fast wie im richtigen Leben: As­sess­ment-Cen­ter

As­sess­ment-Cen­ter sind beliebt, denn dabei müssen sich die Teilnehmer in realitätsnahen Situationen beweisen. Die Aufgaben sollten etwas mit den An­forderun­gen der tatsächlichen Position zu tun haben. As­sess­ment-Cen­ter werden meist in Gruppen durchgeführt, sind aber auch für Einzelper­so­nen möglich. Sie eignen sich vor allem, um soziale und kom­mu­nika­tive Fähigkeiten zu testen, also für Stellen mit Kun­denkon­takt oder für Führungspo­si­tio­nen. Mehrere Teams aus jeweils zwei Beobachtern beurteilen die Teilnehmer. Dabei sollte jeder Beobachter jeden Teilnehmer wenigstens einmal in Aktion erleben. Bei der Planung des As­sess­ment-Cen­ters orientieren Sie sich an der Auf­gaben­analyse: Was muss der Bewerber können und in welchen Situationen lässt sich das am besten erkennen? Testen Sie jede Fähigkeit mit mindestens zwei Aufgaben. Das können Fallstudien, Präsentationen, simulierte Gespräche oder Grup­pendiskus­sio­nen sein. Wenn Sie ein As­sess­ment-Cen­ter zur Förderung eigener Nachwuchsführungskräfte ve­r­anstal­ten, geben Sie schon während der Ve­r­anstal­tung ausführlich Feedback, damit die Teilnehmer ihr Verhalten direkt optimieren können.

Weitere Möglichkeiten zur Poten­zial­analyse

Es gibt auch Al­ter­na­tiven zum klassischen As­sess­ment-Cen­ter. So führte ein Unternehmen einen Workshop mit Übungen im Freien durch. Die Teilnehmer sollten für einen fiktiven Anbieter von Aben­teuer­reisen das Marketing erarbeiten, Verkauf­s­ge­spräche führen, das Unternehmen präsentieren und anschließend eine Reihe von Out­doorauf­gaben meistern. Feedback gab es nicht nur von Beobachtern, sondern auch von Kollegen. Außerdem wurden Videoaufze­ich­nun­gen gemacht und mit den Teilnehmern anschließend besprochen. Bei Outdoorübungen kann man sich relativ sicher sein, dass die Teilnehmer sich authentisch verhalten. Eine weitere Variante eines As­sess­ment-Cen­ters sind Führungs­plan­spiele. Hier arbeiten die Teilnehmer in Gruppen zusammen, einer übernimmt jeweils die Führungsrolle. Gemeinsam müssen sie Szenarien aus dem Un­ternehmen­sall­tag bewältigen. Anschließend erhalten die poten­ziellen Führungskräfte ein Feedback.

Für Chefs: Ein Man­age­ment-Au­dit

Vor allem für das obere Management bieten sich zur Poten­zial­analyse Man­age­ment-Au­dits an. Das sind Tiefen­in­ter­views, manchmal ergänzt um andere Maßnahmen wie Gesprächssim­u­la­tio­nen oder Fallstudien. Eine Führungskraft wird von einem Team aus externen Beratern interviewt – extern deshalb, weil es auf diesen Hi­er­ar­chi­estufen in der Regel nicht genug Vorgesetzte gibt, die als Interviewer fungieren könnten. Das Man­age­ment-Au­dit ist ein teil­struk­turi­ertes Interview. Halten Sie in einem In­ter­viewleit­faden zuvor die anzus­prechen­den Themen fest. Im direkten Gespräch können dann einzelne Punkte vertieft werden. Die Themen orientieren sich an den An­forderun­gen an die Position. Der Interviewer erhält einen Beurteilungs­bo­gen mit Be­w­er­tungsskalen, in denen er die Ergebnisse festhält. Ein Man­age­ment-Au­dit dauert mit Feedback und ggf. weiteren Aufgaben etwa drei bis sechs Stunden pro Teilnehmer. In einem Ergeb­nis­pro­fil können Sie die erreichten Werte des Kandidaten grafisch darstellen und mit einem Soll-Profil vergleichen. Eine andere Möglichkeit ist ein ausführlicher Ergeb­nis­bericht, der die Stärken und Schwächen des Kandidaten anführt und Empfehlun­gen zu dessen weiterer Entwicklung gibt.

Die Persönlichkeit testen

Wenn am Ar­beit­splatz Konflikte entstehen, liegt das meist nicht an der mangelnden Kompetenz der Mitarbeiter, sondern eher daran, dass jemand mit seiner Persönlichkeit nicht ins Team bzw. zu einer Aufgabe passt. Daher macht es Sinn, vor einer Stel­lenbe­set­zung auch die Persönlichkeit eines Mi­tar­beit­ers zu testen. Dafür können Sie aus zahllosen Tests auswählen. Wichtig: Achten Sie darauf, dass der Test wis­senschaftlichen Gütekriterien standhält. Ein bewährter Test ist das Reiss-Pro­fil. Steven Reiss, ein amerikanis­cher Mo­ti­va­tion­spsy­chologe, stellte eine Liste mit 16 Mo­ti­va­tio­nen zusammen, die die Menschen antreiben – von Macht über Idealismus bis Schönheit. Bei jedem Menschen sind diese Mo­ti­va­tio­nen anders ausgeprägt. Wer eine Aufgabe erfüllen muss, die seiner Motivation entspricht, wird das gerne und mit wenig Anstrengung tun. Bei einer Aufgabe, für die er wenig Motivation aufbringt, verbraucht er dagegen viel Kraft und wird langfristig unzufrieden. Wenn Sie z. B. einem Mitarbeiter mit stark ausgeprägtem Ord­nungssinn einen kreativen Job zuweisen, wird er bald an dieser Aufgabe verzweifeln – ebenso wie ein kreativer Mensch, der plötzlich Zahlenkolon­nen prüfen soll. Im Rahmen der Poten­zial­analyse erstellen Sie für eine Position ein Soll-Profil und gleichen es dann mit dem Ist-Profil des Bewerbers ab. Wichtig zu wissen: Das Reiss-Pro­fil sagt nur etwas über die Motivation eines Menschen aus, aber nichts darüber, was er tatsächlich kann.

Andere Wege

Wenn Sie in Ihrem Unternehmen keine ausführliche Poten­zial­analyse durchführen können, gibt es trotzdem Möglichkeiten, zu dif­feren­zierten Aussagen über das Potenzial von Mi­tar­beit­ern zu kommen. Nutzen Sie die Be­w­er­tungsin­stru­mente, die es in Ihrem Unternehmen bereits gibt, etwa Mi­tar­beit­erge­spräche. Vielleicht können Sie sie noch etwas mod­i­fizieren, um brauchbare Daten zu erhalten. Wichtig ist, dass alle Führungskräfte die Beurteilungsin­stru­mente richtig nutzen können. Wenn z. B. Mitarbeiter in den Gesprächen durchweg positiv beurteilt werden, damit es bloß nicht zu Konflikten kommt, können Sie mit den Daten wenig anfangen. Hier gilt es zu verdeut­lichen, dass nur eine dif­feren­zierte Bewertung dem Unternehmen nützt.

Die Ver­lier­er­seite

Auch bei der Poten­zial­analyse gibt es Gewinner und Verlierer: Einige Mitarbeiter des Un­ternehmens qual­i­fizieren sich als zukünftige Leistungsträger, bei anderen wird deutlich, dass sie die Vo­raus­set­zun­gen nicht erfüllen. Das kann für die Betroffenen aus­ge­sprochen enttäuschend sein. Was können Sie tun, um die weniger er­fol­gre­ichen Teilnehmer nicht allzu sehr zu frustrieren? Gestalten Sie die Poten­zial­analyse nach Möglichkeit so, dass für die Teilnehmer der Erken­nt­nis­gewinn im Vordergrund steht. Wer nach drei Tagen As­sess­ment-Cen­ter das Gefühl hat, für sich persönlich etwas mitzunehmen, wird es in jedem Fall positiv bewerten, unabhängig vom Ergebnis. Bemühen Sie sich darum, dass der Ablauf für die Teilnehmer möglichst angenehm ist. Zusätzlicher Druck hat keinen Einfluss auf das Ergebnis einer Poten­zial­analyse, wohl aber auf die Akzeptanz. Wichtig ist, dass die Ergebnisse ausführlich mit dem Teilnehmer besprochen werden. Auch wenn im Moment keine weiteren Karrieresprünge für einen Mitarbeiter anstehen, kann er vielleicht dennoch gefördert werden. Bieten Sie an, das Audit in ca. zwei Jahren zu wiederholen. Achten Sie darauf, wie Sie die Ergebnisse kom­mu­nizieren – verwenden Sie positive oder neutrale For­mulierun­gen.

Über die Autoren

Uta Rohrschnei­der war nach einem Studium der Psychologie im Bereich Human Resources tätig, zuletzt als Leiterin Per­son­alen­twick­lung in einem mittelständischen Unternehmen. Seit 1997 ist sie Geschäftsführerin der grow.​up. Man­age­ment­ber­atung. Sarah Friedrichs hat Psychologie studiert und arbeitet als Man­age­ment­ber­a­terin und Trainerin bei grow.​up. Michael Lorenz ist Psychologe und war viele Jahre in einer Per­son­al­ber­atung tätig. Seit 2001 ist er Geschäftsführer von grow.​up. Außerdem ist er Lehrbeauf­tragter an der Steinbeis Hochschule Berlin.