Asset Allocation, Risiko-Overlay und Manager-Selektion

Buch Asset Allocation, Risiko-Overlay und Manager-Selektion

Das Diversifikationsbuch

Gabler,


Rezension

Wenn die Finanzkrise 2008/09 eines gezeigt hat, dann dass die An­lage­mod­elle, mit denen Vermögensmanager durch die relativ beschaulichen letzten Jahrzehnte schipperten, alles andere als wasserdicht sind. Wis­senschaftliche Theorien entwickeln sich weiter, alte Lehrsätze müssen über Bord gekippt werden. Dirk Söhnholz, Sascha Rieken und Dieter G. Kaiser versammeln die gewonnenen Erken­nt­nisse in ihrem Ref­erenzbuch. Oft gehen Sie dabei stark in the­o­retis­che Details, was eilige Praktiker auf der Suche nach handfesten Ratschlägen ermüden dürfte. „Was zählt, ist aufm Platz!“, werden die sich sagen und das Buch den an­a­lytis­chen Geistern überlassen, die dem Thema auf den Grund gehen wollen. BooksInShort empfiehlt das Di­ver­si­fika­tions­buch, wie es sich nennt, allen, die sich mit Vermögensver­wal­tung bereits eingehend beschäftigt haben, aber noch nicht an der Weisheit letztem Schluss angekommen sind.

Take-aways

  • Die Finanzkrise von 2008/09 hat viele etablierte An­lagekonzepte ad absurdum geführt.
  • Eigentlich un­ter­schiedliche An­lageklassen neigen in Krisen­zeiten zu gle­ichgerichtetem Verhalten.
  • Ko­r­re­la­tio­nen sind nicht unbedingt stabil; in Stresszeiten gelten andere Regeln.
  • Neben Rendite und Risiko muss eine weitere Variable mehr Beachtung finden: Liquidität.
  • Beziehen Sie Szenarien in Ihre Schätzdaten mit ein: So können Ex­tremereignisse besser berücksichtigt werden.
  • Die sorgfältige Man­ager-Se­lek­tion ist ebenso wichtig wie die Asset Allocation.
  • Die Qualität des As­set-Man­agers ist entschei­dend: Sowohl sein Anlagestil als auch seine Auswahlfähigkeiten zählen.
  • Ein Ide­al­port­fo­lio ist nicht nur di­ver­si­fiziert, sondern sys­tem­a­tisch di­ver­si­fiziert.
  • Mischen Sie liquide und semiliquide, indirekte und direkte sowie aktive und passive Investments und ergänzen Sie sie um Ab­sicherungspo­si­tio­nen (Overlays).
  • Ab­sicherungsstrate­gien helfen bei der Eingrenzung von Risiken. Die aber müssen individuell ausgetüftelt werden.
 

Zusammenfassung

Lernen aus der Krise

„Nicht alle Eier in einen Korb legen“ – so nennt es der Volksmund, wenn In­vesti­tio­nen auf viele An­lageklassen verteilt, also di­ver­si­fiziert werden sollen. Zahlreiche Ratschläge dazu berücksichtigen jedoch die praktische Umsetzung zu wenig. Gerade die Finanzkrise von 2008/09 hat gezeigt, dass so genannte „moderne An­lagekonzepte“ in Krisen­zeiten gern mal versagen. So kam es, dass selbst die Superstars unter den Vermögensver­wal­tern – etwa die US-Uni­ver­sitäten Harvard und Yale – am Ende des Jahres 2009 mit stattlichen Verlusten dastanden. Als Folge davon werden neue Eigenkap­i­ta­lan­forderun­gen und re­strik­ti­vere Risiko­tol­er­anzen gefordert. Investoren müssen sich auf eine Zeit versteckter Risiken und größerer Volatilitäten (Kurss­chwankun­gen) gefasst machen. Doch was tun, wenn in Krisen­zeiten die Mark­trisiken praktisch alle miteinander korrelieren und damit jede Risikostreu­ung so gut wie unmöglich erscheint? Flexiblere Ansätze sind gefragt, wie sie im Bereich der al­ter­na­tiven Investments zu finden sind und von Hedgefonds gepflegt werden: Optionen, Futures, Leerverkäufe.

Was haben Finanzmärkte und Karl Popper gemein?

Die Idee der Risikostreu­ung von Kap­i­ta­lan­la­gen ist alles andere als neu. Zugeschrieben wird sie Harry Markowitz und seiner Port­fo­lio­the­o­rie aus dem Jahr 1952. Mit schönen Modellen auf der Basis von Ver­gan­gen­heits­daten ließ sich seither alles und jedes überzeugend erklären – bis die Jahre 2008 und 2009 einen Strich durch die Rechnung der Port­fo­lioman­ager machten. Der Di­ver­si­fika­tion­s­gedanke ist damit natürlich nicht vom Tisch, aber einige bis dahin als unumstößlich geltende Be­haup­tun­gen gehören auf den Prüfstand. Philosophisch betrachtet folgt die Fi­nanz­mark­t­the­o­rie dem kritischen Ra­tio­nal­is­mus von Karl Popper: Mit einer bestehenden Theorie konforme Beobach­tun­gen können diese nur bestätigen, keinesfalls aber beweisen; ein einziger nicht konformer Fall kann sie dagegen zum Einsturz bringen.

Grund­la­gen­be­griffe

Zu den wichtigsten Fachtermini im Vermögens­man­age­ment zählen die folgenden:

  • Asset Allocation/Di­ver­si­fika­tion: Die Aufteilung eines Anlagevermögens auf ver­schiedene An­lageklassen (As­set-Klassen), wie z. B. Aktien, Anleihen, Rohstoffe, Immobilien, Hedgefonds, Private Equity usw.
  • Korrelation: Das Verhältnis zwischen zwei An­lageklassen wird in der Regel mit einem Ko­r­re­la­tion­sko­ef­fizien­ten bestimmt. Dieser äußert sich etwa folgendermaßen: Aktienmärkte fallen um x %, wenn sich die Rohstoffmärkte um y % verändern.
  • Benchmark: Eine Benchmark ist in diesem Zusam­men­hang ein Ver­gle­ichsin­dex, an dem der An­lageer­folg gemessen wird, z. B. der Dax, SWI usw.
  • Alpha: Das Alpha bezeichnet die Über- oder Un­ter­per­for­mance innerhalb einer An­lageklasse. Ein Vermögensmanager, der 15 % Rendite pro Jahr macht, während seine Benchmark nur 10 % schafft, hat ein Alpha von 1,5.
  • Beta: Das Beta misst das Marktrisiko einer An­lageklasse. So bedeutet ein Beta von 0,5 zum Dax, dass sich die An­lageklasse zu 50 % an die Bewegungen des Dax hält.
  • Strate­gis­che Asset Allocation (SAA): Damit wird eine langfristige (mehrjährige) Ausrichtung eines Portfolios bezeichnet. Ziele können Risiko­min­imierung, Ren­ditemax­imierung oder eine Mischung aus beidem sein.
  • Taktische Asset Allocation (TAA): Hier geht es um kurz- bis mit­tel­fristige Taktiken, um die Nutzung von Mark­t­gele­gen­heiten zur Schaffung von Zusatzren­diten. Die TAA sollte die Grundsätze der SAA unterstützen.

Alle im selben (sinkenden) Boot?

Das Problem mit der Di­ver­si­fika­tion alter Schule ist, dass An­lageklassen in besonders kritischen Zeiten zu einem unerwartet gle­ichgerichteten Verhalten neigen. Die Finanzkrise bot dafür hinreichend Il­lus­tra­tions­ma­te­r­ial. Ko­r­re­la­tio­nen dürfen nicht als stabil betrachtet werden: In Stresszeiten gelten andere Regeln. Bei zahlreichen Konzepten des Vermögens­man­age­ments wurden Erken­nt­nisse aus der Behavioral Finance (die den „Faktor Mensch“ und sein nicht immer rationales Verhalten in die Theorie einschließt) nicht oder zu wenig berücksichtigt.

„Die alte Normalität wird es nicht mehr geben!“

Inzwischen ist deutlich geworden, dass Fragen nach der Liq­ui­dier­barkeit von Vermögenswerten innerhalb eines vorgegebe­nen Zeitraums (Liquiditätsrisiko) einen weitaus höheren Stellenwert haben sollten, als man ihnen bislang beigemessen hat. Ins­beson­dere Pen­sions­fonds, In­sti­tu­tio­nen oder Vermögensmanager sollten damit rechnen, im Hinblick auf die Deckung kurzfristiger Auszahlungsnach­fra­gen plötzlich liquide sein zu müssen – auch wenn das womöglich bedeutet, bestimmte Vermögen­spo­si­tio­nen auf den Markt zu werfen, die man ursprünglich nicht verkaufen wollte. Mit solchen „un­frei­willi­gen“ Veräußerungen erklärt sich die teilweise nicht rationale Korrelation ver­schiedener An­lageklassen im Zuge der Finanzkrise.

„Investoren litten darunter, dass sie Di­ver­si­fika­tion schon für Risiko­man­age­ment gehalten haben.“

Viele Maßnahmen der taktischen Asset Allocation hängen maßgeblich von den Fähigkeiten des jeweiligen Vermögens­man­agers ab. Ein Hedge­fonds-Man­ager, der sich nicht an bestimmte Benchmarks halten muss, genießt relativ große Freiheit. Er wird in der Regel nicht eine mark­t­basierende Strategie oder eine „Beta-Strate­gie“ verfolgen, sondern vielmehr seine Fähigkeiten für eine auf Know-how beruhende „Al­pha-Strate­gie“ nutzen. Entschei­dend für die Rendite ist dann nicht die Entwicklung an den Finanzmärkten, sondern das Können des Fonds­man­agers.

Verbesserte Port­fo­lio­the­o­rie

Ein Portfolio, d. h. eine Mischung aus An­lageklassen, gilt als effizient, wenn es kein anderes Portfolio gibt, das bei gleicher Risiko­tol­er­anz eine höhere Rendite verspricht. So weit die Markowitz-The­o­rie. Das Problem ist nur: Sie setzt Annahmen voraus, die speziell nach 2008/09 niemand mehr als statthaft ansehen würde. Nämlich, dass Renditen einer Nor­malverteilung folgen (Gauß’sche Glock­enkurve) und die Ko­r­re­la­tio­nen der An­lageklassen bekannt und stabil sind. Diese Parameter, die man notge­drun­gen den Ver­gan­gen­heits­daten entnimmt, sind aber nichts weiter als Schätzwerte. Ihre Genauigkeit leidet stark, wenn die Dinge schlecht laufen. Und genau das tun sie zuweilen.

„Investoren sollten offen und bereit sein, oft wiederholte, inhaltlich aber nicht korrekte Aussagen wie ‚illiquide Anlagen sind risikoreich‘ oder ‚Hedge­fonds-In­vest­ments sind heutzutage nicht mehr attraktiv‘ zu hin­ter­fra­gen.“

Eine in­ter­es­sante, neuere Erweiterung der Port­fo­lio­the­o­rie sieht deshalb vor, szenar­i­obasierte Daten in die Schätzergeb­nisse mit einfließen zu lassen. So werden zusätzlich extreme Ereignisse in die Rendite- und Risikoschätzungen mit einbezogen. Das Portfolio hat also auch einem Ex­trem­stresstest standzuhal­ten, während unter der „alten“ Port­fo­lio­the­o­rie die Jahre 2008/09 als be­dauer­liche Ausreißer abgetan worden wären. Überlegenswert ist auch der Ansatz, das so genannte Zwei-Fonds-The­o­rem (man mischt ein risikobe­haftetes Mark­t­port­fo­lio mit einer risikolosen Anlage) um eine dritte Variable zu erweitern: um die Liquidität bzw. die gefürchtete Illiquidität. Einem liquiden, möglichst risikofreien Portfolio steht dann ein sehr illiquides Portfolio mit viel Ren­ditepoten­zial gegenüber.

Ein Portfolio aufbauen

In der Praxis zu kurz kommt gemeinhin auch die Frage der Pfadabhängigkeit der In­vesti­tio­nen. In welcher Reihenfolge soll ein As­set-Man­ager die An­lageklassen berücksichtigen? Nicht jeder startet mit vollständiger Liquidität, sondern vielleicht mit einem ver­meintlich optimierten („pseudoop­ti­mierten“) Be­stand­sport­fo­lio oder einer naiven Allokation (Gle­ichgewich­tung). Häufigster Aus­gangspunkt ist ein „Optimized Basic 3“-Portfolio aus Kasse, Aktien und Anleihen. Anschließend wird jeweils eine weitere An­lageklasse hinzugefügt und so di­ver­si­fiziert. Möglich ist auch ein Be­stand­sauf­bau von null an (Zero-based Tactical Asset Allocation, kurz: ZebTAA): Hierbei beginnt der Manager mit 100 % Kasse und fügt dann je nach Attraktivität Anleihen und Aktien (und/oder weitere As­set-Klassen) hinzu. Der Erfolg dieser Strategie hängt stark vom ziel­gerichteten „Picking“ der jeweils aus­sicht­sre­ich­sten An­lageklasse ab und eben auch von der Reihenfolge. Die Anfälligkeit gegen extreme Ereignisse kann dabei auch eine noch so hohe Prog­nose­qualität nicht gänzlich kom­pen­sieren.

Was macht einen guten As­set-Man­ager aus?

Egal ob es um internes As­set-Man­age­ment geht (der Manager ist Angestell­ter und verwaltet In­ve­storen­gelder) oder um externes (Einzelper­so­nen oder ganze Teams arbeiten in Eigenregie): Auf die Qualität des Vermögens­man­agers kommt es maßgeblich an. Die Rendite kann von den Di­ver­si­fika­tionsfähigkeiten eines Managers und von der Auswahl besserer Wertanlagen innerhalb einer bestimmten An­lageklasse abhängen. Beachten Sie bei der Auswahl des Managers die folgenden vier Ps:

  • People: Der Manager sollte mit seinem technischen Können, mit seiner Erfahrung und ide­al­er­weise mit seiner „Genialität“ überzeugen.
  • Process and Philosophy: Die An­lages­trate­gie sollte überzeugen und gelebt werden – und nicht bloß auf dem Papier existieren.
  • Performance: Wie hat der Manager bzw. sein Fonds im Vergleich zu anderen abgeschnit­ten? Passen Sie auf, wenn Ihnen so genannte Pro-forma-Wer­ten­twick­lun­gen präsentiert werden, die auf Rück­berech­nun­gen beruhen.
  • Partnership Details: Die ju­ris­tis­chen Aspekte sollten auch nicht vergessen werden, z. B. mögliche In­ter­essenkon­flikte, Kündi­gungsklauseln usw.
„Es existiert keine attraktive Alternative zu einer breiten Di­ver­si­fika­tion der An­lageklassen über längere Zeiträume.“

Nur ganz wenige Manager übertreffen ihre Benchmark Jahr für Jahr. Oft wird vergessen, dass die Ergebnisse von dauerhaften Out­per­formern in erster Linie von den Mark­t­seg­menten bestimmt werden, in denen sie aktiv sind – u. U. kann ein As­set-Man­ager gar nichts für eine her­aus­ra­gende Kursen­twick­lung, z. B. wenn in einem Jahr zufällig Aktien kleinerer Unternehmen, in die er investiert hat, besonders gefragt waren. Die sorgfältige Man­ager-Se­lek­tion ist also ebenso wichtig wie die As­set-Al­lo­ca­tion, mit der sich die Manager dann beschäftigen.

Risiko-Over­lay

Sys­tem­a­tis­che Mark­trisiken – also z. B. solche, die mit Aktien generell verbunden sind, im Gegensatz etwa zu Staat­san­lei­hen – lassen sich mit Ab­sicherungsstrate­gien eindämmen. Zahlreiche dieser ver­meintlichen „Ver­sicherun­gen“ haben sich im Zuge der Krise jedoch als nicht zufrieden­stel­lend erwiesen. Von Overlay spricht man, wenn ein (evtl. nur temporär) nicht mehr erwünschtes Investment nicht verkauft wird, sondern dessen Kursen­twick­lung durch den Einsatz von Derivaten abgesichert wird. Empfehlenswert sind getrennte Risiko-Bud­gets pro An­lageklasse.

Das ideale Portfolio

Wie sieht denn nun ein di­ver­si­fiziertes Ide­al­port­fo­lio für einen hy­po­thetis­chen Investor aus, wenn dieser all die neuen Erken­nt­nisse berücksichtigt? Achten Sie darauf, dass sowohl liquide als auch semiliquide Investments vertreten sind (auch illiquide sind erlaubt, sofern sie tolerierbar sind), ebenso indirekte und direkte Investments, Ab­sicherungspo­si­tio­nen (Overlays für diejenigen Anlagen, bei denen es sinnvoll erscheint), aktive und passive (einen Index nach­bildende) Investments und solche, deren Kauf- bzw. Verkauf­sentschei­dun­gen entweder automatisch oder nach Prüfung durch den As­set-Man­ager erfolgen. Die Antwort auf die Probleme während und nach der Finanzkrise lautet also nicht, dass Di­ver­si­fika­tion nichts bringt – im Gegenteil, es ist diese Art sys­tem­a­tis­cher Di­ver­si­fika­tion, an der es bislang mangelte.

Über die Autoren

Dirk Söhnholz ist Partner bei Feri Finance und Geschäftsführer der Feri In­sti­tu­tional Advisors. Sascha Rieken leitet den Bereich Quan­ti­ta­tive Asset Allocation bei Feri Finance. Dieter G. Kaiser ist Director Investment Management bei Feri In­sti­tu­tional Advisors.