Die Arbeit der Zukunft
Die drohende Klimakatastrophe kann nur noch abgewendet werden, wenn die globale Durchschnittstemperatur nicht um mehr als 2 Grad Celsius steigt. Damit dieses Ziel erreicht wird, müssen die Emissionen von Kohlendioxid, Methan und Lachgas bis 2050 um 50–85 Prozent im Vergleich zu den Emissionswerten von 2000 sinken. Allein in Deutschland ist allerdings das Exportvolumen seither um 60 Prozent gestiegen. Vor allem in den Schwellen- und Entwicklungsländern wächst die Bevölkerung weiterhin rasant, auf voraussichtlich 9 Milliarden Erdenbewohner bis Ende des Jahrhunderts. Sie alle haben ein nachvollziehbares Bedürfnis nach Wohlstand. In den Industrieländern werden Nachwuchskräftemangel und demografischer Wandel die Menschen zwingen, so lange wie möglich erwerbstätig zu bleiben, vor allem im Wissens- und Kreativsektor. All das verlangt nach radikal neuen Ideen und Antworten auf die Frage, wie die Büroarbeit der Zukunft aussehen soll – denn im Wissenszeitalter verdrängt die Büroarbeit immer mehr andere Tätigkeiten. Quantitative Berechnungen von Wirtschaftlichkeit müssen um qualitative Nachhaltigkeitsaspekte erweitert werden:
- Ökologische Aspekte: Wie gehen wir mit unserer Umwelt so um, dass sie nachfolgenden Generationen erhalten bleibt?
- Ökonomische Aspekte: Wie können wir eine dauerhaft tragfähige ökonomische Grundlage für die Bedürfnisse der Menschheit schaffen? Und wie die Rendite des eigenen Unternehmens gleichzeitig steigern?
- Soziokulturelle Aspekte: Wie können wir Arbeitskomfort und Gesundheit der Mitarbeiter verbessern, alle sozialen Kräfte in Entscheidungsprozesse einbeziehen und eine lebenswerte Gesellschaft schaffen?
Intelligente Gebäude
Der Gebäudesektor verschlingt gegenwärtig 30–40 % der weltweiten Energieressourcen, 15–20 % der Wasserressourcen und 40–50 % der Rohmaterialien. Die Herausforderung besteht darin, diesen Verbrauch drastisch zu reduzieren, ohne dabei den Komfort der Menschen einzuschränken. Gerade im auf Zahlen fixierten Facility-Management kann man mit langfristigen ökonomischen Vorteilen argumentieren: So genannte Green Buildings sind produktiver, behalten länger ihren Wert und zeichnen sich durch niedrigere Versicherungs- und Lebenszykluskosten aus. In der Regel übersteigen die Nutzungskosten die Investitionskosten eines Gebäudes bereits nach sieben bis zehn Jahren.
„Die Arbeitswelt befindet sich in einem Wandel, der von Mobilität, Wissensarbeit und Netzwerken geprägt ist.“
Das Umdenken beginnt bei der Gebäudehülle: Gute Wärmedämmung und mechanische Lüftungsanlagen mit Wärmetauschern steigern die Energieeffizienz, indem sie helfen, den Verlust von Lüftungswärme auszugleichen. Bei der passiven Solarenergienutzung wird das Gebäude selbst zur Wärmegewinnung genutzt, während ein guter Sonnenschutz die Überhitzung in den heißen Sommermonaten verhindert. In die Gebäudehülle integrierte Fotovoltaik ermöglicht es, Sonnenenergie direkt in Heiz- oder Kühlenergie umzuwandeln. Flexible Klimaanlagen nutzen jahres- und tageszeitliche Temperaturschwankungen, z. B. indem Lüftungsklappen während des Sommers nachts geöffnet werden und so die Auskühlung beschleunigt wird. Intelligente Tageslichtsysteme schließlich können das Tageslicht im Hinblick auf Lichteinfall und Energieeffizienz optimieren.
Licht und Raumklima
Die Beleuchtung von Gebäuden macht 15–40 % des Gesamtenergieverbrauchs aus; ein Anteil, der sich um ein Viertel reduzieren lässt. Allerdings sind hier nicht nur quantitative, sondern auch qualitative Aspekte zu beachten: Die Lichtausschüttung wirkt sich auf den Melatoninhaushalt des Menschen aus. Je nach Stärke und Farbe macht Licht uns schläfrig oder munter – ein Effekt, den Sie sich zunutze machen können. Es gibt z. B. Jalousien, die sich dem Tageslicht so anpassen, dass an hellen Sommertagen keine weitere künstliche Beleuchtung nötig ist. Präsenzabhängige Beleuchtungsanlagen lassen das Licht ausgehen, sobald niemand mehr im Raum ist. Moderne Lichtmanagementsysteme passen die Beleuchtung den unterschiedlichen Tageszeiten und Bedarfsmomenten an. Die Automatisierung darf jedoch nicht so weit gehen, dass der Nutzer das Gefühl hat, ihr ausgeliefert zu sein. Ein Mindestmaß an individuellen Steuerungsmöglichkeiten sollten Sie behalten.
„Bei der Planung, beim Bau und beim Betrieb nachhaltiger Gebäude geht es insbesondere darum, die Verschwendung von Energie, Material, Geld und Zeit zu minimieren.“
Das Gleiche gilt fürs Raumklima: Einerseits ist es für unser Wohlgefühl entscheidend, dass wir Raumtemperatur und Frischluftzufuhr bis zu einem gewissen Grad selbst in der Hand haben. Andererseits ist Lüftung viel mehr als die bloße Zufuhr von Außenluft. Es geht darum, möglichst saubere und gesunde Luft im Raum zu wahren, d. h. sie muss je nach Bedarf gefiltert, erwärmt, gekühlt, befeuchtet, entfeuchtet oder gereinigt werden. Die Zukunft gehört Systemen, die mit niedrigem Energieaufwand ein behagliches Raumklima schaffen, und das bei einer maximalen Tageslichtzufuhr. Qualitativ hochwertige Bauqualität zu erschwinglichen Preisen wird aber nur möglich, wenn Multifunktionsfassaden mit den entsprechenden Steuerungssystemen zunehmend standardisiert und vorgefertigt werden.
Smart Materials und Open Office
Wissenschaftler haben durch Biomimikry (Nachahmung der Natur) einen formaldehydfreien Klebstoff entwickelt, nach dem Vorbild des Haftstoffs von Muscheln. Thermochrome und thermotrope Gläser verändern ihre Farbe bzw. Lichtdurchlässigkeit in Abhängigkeit zur Außentemperatur und schützen so im Sommer vor Überhitzung. Intelligente Dampfbremsen absorbieren umso mehr Umgebungsfeuchtigkeit, je mehr im Raum vorhanden ist. Dies sind nur drei Beispiele von Smart Materials, die die Belastungen für den Menschen und seine Umwelt senken und sich den Veränderungen in der Umgebung anpassen. Die Fortschritte auf diesem Feld sind gewaltig. So gibt es mittlerweile selbstheilende Kunststoffe, bei denen das Sonnenlicht Kratzer und Risse verschwinden lässt; Textilien, die sich temperaturabhängig zusammenziehen oder ausdehnen; oder Biokunststoffe, die auf der Basis nachwachsender Rohstoffe hergestellt werden und biologisch abbaubar sind.
„Wahrscheinlich liegt auch künftig der einzig mögliche Lösungsansatz für die Bedürfnisse rein kostenorientierter Kunden in der konsequenten Standardisierung von Gebäuden.“
Viele dieser neuen Materialien lassen sich auch in die Büroausstattung integrieren. Ökologische Verträglichkeit und Recyclingmöglichkeiten von Büromöbeln werden bei Neuanschaffungen immer wichtiger. Noch entscheidender sind aber die Fragen, ob man einen Artikel überhaupt braucht und welche Lebensdauer er haben wird. Denn selbst das grünste Produkt ist nichts weiter als eine Belastung für die Umwelt, wenn es ungenutzt herumsteht. Genauso ist es mit dem Arbeitsplatz selbst: Das Modell vom eigenen Büro für jeden Mitarbeiter hat ausgedient. Stattdessen werden Arbeitsplätze heute vermehrt in einem offenen Raum angeordnet, mit speziellen Kommunikations- und Rückzugsmöglichkeiten, die allen zugänglich sind. Wenn Mitarbeiter häufiger unterwegs sind oder vom Heimarbeitsplatz aus arbeiten, werden ihre Büroplätze von Kollegen belegt. Ziel ist es, im so genannten „nonterritorialen“ Open Office den vorhandenen Platz so effizient wie möglich zu nutzen.
Green IT
Deutsche Rechenzentren verbrauchen im Jahr 10 Milliarden Kilowattstunden Strom – so viel, wie vier mittlere Kohlekraftwerke produzieren. Der Energiebedarf hat sich in den vergangenen sieben Jahren nahezu verdoppelt und die Kosten sind wegen steigender Strompreise explodiert. Es versteht sich von selbst, dass die Informationstechnologie grüner werden muss. Green IT wirkt auf drei Ebenen:
- Abfall, gefährliche Substanzen und Energieverbrauch im Produktlebenszyklus werden reduziert.
- Der Energieverbrauch bei der Nutzung von IT wird gesenkt: Heutige Rechenzentren können im Vergleich zu 2005 bereits um bis zu 80 % effizienter arbeiten. Neue Mikroprozessoren werden immer kleiner, kostengünstiger und energieeffizienter. Innovative Softwarelösungen wie der kontrollierte Stand-by-Modus aller PCs erleichtern Nutzern das Energiesparen.
- Der Energieverbrauch in anderen Sektoren wird durch die Nutzung von IT reduziert: 2 % des weltweiten Energieverbrauchs gehen auf IT zurück. Schätzungen zufolge könnte der Einsatz von 3 % mehr IT-Energie 15 % des Gesamtverbrauchs eliminieren. Fuhrunternehmen könnten etwa per IT ihre Flotte koordinieren und Routen effizienter planen.
„Die Veränderungen in Gesellschaft und Arbeitswelt sind nicht aufzuhalten – Unternehmen, die nicht mit der Zeit gehen, müssen mit der Zeit gehen.“
Moderne Wissensarbeiter gehen anders vor als noch vor zehn Jahren. Der standardmäßige Desktop-Computer ist vielerorts dem Laptop gewichen, Menschen sind zunehmend außerhalb ihrer Büros tätig, arbeiten vom Home-Office aus, tun sich in Netzwerken und Teams zusammen und bewegen sich in virtuellen Arbeitsumgebungen. Beim so genannten Cloud-Computing findet das, was Sie zuvor auf dem eigenen Rechner oder einem zentralen Server getan haben, im Internet statt. Moderne Telepräsenzsysteme schaffen im Gegensatz zu herkömmlichen Videokonferenzen eine Atmosphäre, die sich kaum noch von einem Präsenzmeeting unterscheidet: Sie können direkten Augenkontakt mit Gesprächspartnern aufnehmen, hören deren Stimmen aus unterschiedlichen Richtungen und bewegen sich in einer einheitlichen Konferenzumgebung. Der Traum von der Abschaffung fast aller Geschäftsreisen rückt damit ein Stück näher. Die Einsatzmöglichkeiten von Collaboration-Technologien gehen noch viel weiter. In der Gemeinde Almere bei Amsterdam wurde ein Smart-Work-Center gegründet, in dem hoch vernetzte Arbeitsplätze mit Angeboten wie Kinderbetreuung verbunden werden. Gleichzeitig wird dadurch der umweltbelastende Berufsverkehr in die Stadt eingedämmt.
Nachhaltige Arbeitsmoral
Knapp ein Drittel aller Arbeitnehmer leidet unter Stresssymptomen und Rückenschmerzen. Diese Zahlen sind auch wirtschaftlich gesehen eine Katastrophe, denn nur wer kreativ, motiviert und zufrieden ist, erbringt Spitzenleistungen. Die Identifikation der Mitarbeiter mit dem Unternehmen ist die Grundlage für Innovation, Produktivität und Qualität; deshalb investieren erfolgreiche Unternehmen in die Gesundheit und die Fähigkeiten ihrer Mitarbeiter. Investitionen in Humankapital betreffen die folgenden Bereiche:
- Arbeitsumgebung: Licht, Raumklima und Mobiliar passen sich den Bedürfnissen der Mitarbeiter an. Es gibt Frei- und Bewegungsräume, Ruhe- und Trainingszonen. Gesunde Ernährung wird gefördert, z. B. durch das Angebot im Betriebsrestaurant.
- Familienfreundlichkeit: Flexible Arbeitszeitmodelle, Heimarbeit und Kinderbetreuung sind immer häufiger. Außerdem steht die aktive Wiedereingliederung von Mitarbeitern nach einer familienbedingten Auszeit ganz oben auf der Prioritätenliste.
- Betriebliches Gesundheitsmanagement: Beispiele hierfür sind regelmäßige medizinische Check-ups, Fitnessangebote und Initiativen wie ein „Health Day“, der von Psychologen und Sportwissenschaftlern geleitet wird.
„Jedes Projekt, das positive ökologische und soziale Ergebnisse hervorbringt, muss auch ökonomisch positive Effekte haben.“
Sozial und ökologisch nachhaltige Verhaltensweisen sind eng miteinander verknüpft. Lassen Sie Ihre Mitarbeiter am Wandel teilhaben. Sie sollen eigene Ideen und Konzepte für nachhaltige Prozesse und Produkte umsetzen: Geräte ausschalten, Papier beidseitig bedrucken, Treppen steigen statt den Aufzug nehmen, mit dem Rad und öffentlichen Verkehrsmitteln ins Büro fahren oder sich an Carsharing-Initiativen beteiligen. Eine weitere Möglichkeit ist die Kompensation: Individuen, Unternehmen oder Organisationen berechnen die durch sie verursachten Emissionen und kompensieren sie durch die Förderung von Projekten, die klimaschädliche Emissionen verhindern, reduzieren oder absorbieren.