Organisationskultur

Buch Organisationskultur

The Ed Schein Corporate Culture Survival Guide

EHP,
Auch erhältlich auf: Englisch


Rezension

Mit Or­gan­i­sa­tion­skul­tur bietet Edgar H. Schein einen her­vor­ra­gen­den Überblick über die Wirkungen, die die Un­ternehmen­skul­tur auf Wohl und Wehe jeder Firma hat. Sie überlagert alle anderen Ein­flussfak­toren. Das Buch ist relativ kurz gehalten, enthält aber eine Fülle wichtiger Erken­nt­nisse. Anhand zahlreicher spannender Fall­beispiele legt Schein überzeugend dar, dass es praktisch unmöglich ist, alle Aspekte einer Kultur zu erfassen. Man spürt beim Lesen, dass der Autor sich jahrzehn­te­lang nicht nur als Wis­senschaftler, sondern auch als Berater am Thema Un­ternehmen­skul­tur abgear­beitet hat. Schein vermittelt zudem die zugrunde liegenden psy­chol­o­gis­chen Aspekte glaubwürdig und bietet einen tiefen Einblick in die oft unbewussten Prozesse, die für die Überwindung un­ternehmen­skul­tureller Probleme relevant sind. Die gele­gentlichen Wieder­hol­un­gen und Überschnei­dun­gen stören kaum, da sie Sachver­halte von un­ter­schiedlichen Seiten beleuchten. BooksInShort empfiehlt diesen Klassiker der Or­gan­i­sa­tions­ber­atung allen, die mit Veränderung­sprozessen in Unternehmen zu tun haben oder die endlich etwas Handfestes über die Auswirkun­gen der Un­ternehmen­skul­tur auf den Geschäftserfolg erfahren möchten.

Take-aways

  • Die Or­gan­i­sa­tion­skul­tur ist der stabilste Aspekt eines Un­ternehmens, sie stiftet Sinn und Iden­ti­fika­tion.
  • Die Kultur besteht aus sichtbaren Elementen und tief liegenden, unaus­ge­sproch­enen Annahmen.
  • Kultur prägt jedes Unternehmen in unbewussten Tiefen genauso wie in der Breite, z. B. in der öffentlichen Darstellung.
  • Solange ein Unternehmen erfolgreich ist, ist es nicht nötig, die Kultur zu ändern, und das wäre auch kaum möglich.
  • Bei der Analyse der Un­ternehmen­skul­tur sollte der Fokus auf den dys­funk­tionalen Elementen liegen.
  • Dys­funk­tion­alitäten können oft behoben werden, indem man die gewünschten Elemente einer Kultur stärkt.
  • Fragebögen sind für die Erhebung der Un­ternehmen­skul­tur ungeeignet. Stattdessen sollten Einzel- und Grup­penge­spräche stattfinden.
  • Subkulturen können Probleme verursachen, aber manchmal auch zur Lösung beitragen.
  • Bei notwendigen Trans­for­ma­tio­nen gilt es vor allem, die Lernangst zu überwinden.
  • Junge Unternehmen haben in der Regel eine andere Art von Kultur als reifere.
 

Zusammenfassung

Die Macht der Kultur im Unternehmen

Worin un­ter­schei­det sich Ihr Unternehmen von anderen? Die Wahrschein­lichkeit ist hoch, dass Sie beim Beantworten dieser Frage Ihre Strategien, Werte und Visionen anführen. Weniger ins Bewusstsein gerückt wird dagegen oft die Erkenntnis, dass es die Kultur ist, die jedes Unternehmen, auch Ihres, ganz entschei­dend prägt. Die meist unbewussten kulturellen Kräfte bestimmen, wie in einem Betrieb gedacht und entschieden wird. Sie prägen die Strategien und das Verhalten Ihres Un­ternehmens in entschei­den­der Weise. Solange Ihr Unternehmen erfolgreich ist, ist das weiter kein Problem. Kritisch wird die Situation erst dann, wenn sich die Kultur zum Er­fol­gshin­der­nis entwickelt.

Die Ausprägungen der Un­ternehmen­skul­tur

Die Un­ternehmen­skul­tur wirkt im Hintergrund, sozusagen im Verborgenen. Sie hat aber Auswirkun­gen auf un­ter­schiedlichen Ebenen:

  • Für den außenstehenden Betrachter werden zuerst die Strukturen und Prozesse, die für Ihr Unternehmen charak­ter­is­tisch sind, deutlich. Man sieht etwa, dass die Mitarbeiter sich informell kleiden und alle Türen offen stehen oder aber dass korrekt gekleidete Menschen auf langen Gängen mit gedämpfter Stimme sprechen. Meist lässt sich kaum erkennen, was zu diesen so genannten Artefakten geführt hat. Das Wesen der ihnen zugrunde liegenden Kultur ist nur schwer zu entschlüsseln.
  • Die nächste Ebene besteht aus den öffentlich propagierten Werten. Diese äußern sich in Ihren Strategien, Zielen und Philoso­phien.
  • Die unaus­ge­sproch­enen Annahmen sind die eigentliche Quelle hinter diesen sichtbaren Dingen. Die Kultur, die sich über Jahre entwickelt hat, bestimmt die Überzeu­gun­gen, Werte und Gefühle, die Manager und Mitarbeiter in Form von Strukturen und Prozessen umsetzen.

Das Wesen der Un­ternehmen­skul­tur

Die Kultur ist ein komplexes, aber reales Phänomen im Unternehmen, das sich nur mithilfe einer sorgfältigen Analyse verstehen lässt. Was Sie über Ihre Kultur wissen müssen:

  1. Kultur ist tief: Die Kultur prägt Ihr Unternehmen bis in die tiefsten Schichten und ihr Einfluss reicht bis ins Unbewusste. Sie können die Un­ternehmen­skul­tur nicht verstehen, wenn Sie nur die sichtbaren Phänomene berücksichtigen. Die Kultur hat eine solch starke Auswirkung, weil sie allen Aktionen Ihres Un­ternehmens Bedeutung und Berechen­barkeit verleiht und un­ter­schwellig für den bisherigen Markterfolg entschei­dend war.
  2. Kultur ist breit: Im Lauf der Zeit wurden die kulturellen Annahmen auf alle Beziehungen nach innen und außen ausgedehnt. Sie bestimmen das Verhalten gegenüber den Kunden und dem Chef. Sie legen auch fest, was im Unternehmen als unan­tast­barer Wert gilt. Weil die Kultur in Ihrem Unternehmen so al­lum­fassend wirkt, sollten Sie sie stets im Hinblick auf bestimmte Fragestel­lun­gen und Probleme zu entschlüsseln versuchen. Vor allem dort, wo es Probleme gibt, ist es notwendig, die Kultur zu verstehen.
  3. Kultur ist stabil: Ihre Kultur ist der stabilste Aspekt Ihres Un­ternehmens. Ihre Mitarbeiter wollen keine Veränderung der Kultur, weil diese ihnen Sinn und Halt bietet. Jeder Veränderungsver­such löst zuerst einmal Ängste und Widerstand aus.
„Die Kultur eines Un­ternehmens ist wichtig, weil Entschei­dun­gen, die in Unkenntnis der kulturellen Mechanismen getroffen werden, unerwartete und un­willkommene Folgen haben können.“

Eine Or­gan­i­sa­tion­skul­tur wird durch den Erfolg des Un­ternehmens verankert. Die Mitarbeiter sehen sie unbewusst als Schlüssel für das Überleben der Firma. Jedes Unternehmen hat seine eigene Kultur. Deshalb ist es verständlich, dass er­fol­gre­iche Unternehmen nicht von ihrer Kultur abweichen wollen.

Kultur schließt aus und ein

Ihre Kultur führt zu einer gemeinsamen Sprache und zu ein­heitlichen Konzepten. Damit setzt sie auch Grenzen: Wer gehört noch zu uns und ist Teil unserer Familie? Und wer steht schon außerhalb unserer Kultur? Die Kultur schafft einen Kreis von Eingewei­hten, die die tieferen Geheimnisse kennen. Sie bestimmt auch die Art der Beziehungen zwischen den Mitgliedern des Un­ternehmens. Dazu gehören der Umgang mit Autorität, die Offenheit un­tere­inan­der und auch die Frage, inwiefern private An­gele­gen­heiten ins Unternehmen eingebracht werden. Ein extremes Beispiel: Ein Angestell­ter ging, nachdem seine Frau sich das Leben genommen hatte, zur Arbeit, als wäre nichts geschehen. Seine Kollegen erfuhren erst sechs Monate später von der Tragödie. Je nach Kultur sehen auch Belohnungen anders aus und definiert sich Status un­ter­schiedlich.

„Die gemeinsam erlernten Werte, Überzeu­gun­gen und Annahmen, die für selbstverständlich gehalten werden, wenn das Unternehmen weiterhin erfolgreich ist, sind die Essenz der Un­ternehmen­skul­tur.“

Die Kulturen, in denen wir uns beruflich und privat bewegen, prägen unser gesamtes Weltbild. Sie bestimmen, wie wir die Realität sehen und nach welchen Prinzipien wir handeln, etwa ob wir vorwiegend in­di­vid­u­al­is­tisch oder eher gemein­schaftlich vorgehen. Sie bestimmen, wie wir die Zeit sehen, ob Pünktlichkeit großgeschrieben wird oder nicht. Sie prägen auch unseren Umgang mit dem Raum, haben eine Auswirkung darauf, ob wir eine offene Büroar­chitek­tur mögen oder die Dinge lieber hinter ver­schlosse­nen Türen regeln. Alle Änderungen Ihrer Kultur müssen sie äußerst vorsichtig angehen, wenn Sie unangenehme Folgen vermeiden wollen. Meistens beinhaltet eine Kultur bestimmte Aspekte, die für Ihre Ziele hilfreich sind, und andere, die sich hinderlich auswirken. Darüber müssen Sie im Vorfeld Klarheit gewinnen.

Wie können Sie die Kultur Ihres Un­ternehmens erheben?

Zuerst müssen Sie sich über Ihre Zielset­zun­gen im Klaren sein. Geht es darum, Kul­turele­mente, die dys­funk­tional geworden sind, gezielt zu verändern? Ergeben sich besondere strate­gis­che Fragen aufgrund von Fusionen, Zukäufen oder Joint Ventures? Egal was der Anlass ist: Verwenden Sie für eine Erhebung nicht Fragebögen, denn die sind in keinem Fall effektiv. Denn jedes Unternehmen hat seine eigene Kultur, und Sie wissen am Anfang noch gar nicht, welche Fragen Sie stellen müssen, um sie zu ergründen. Kultur ist zudem immer ein Gruppenphänomen. Meist werden erst in der Interaktion un­ter­schiedlicher Grup­pen­mit­glieder die Bereiche iden­ti­fiziert, die Probleme verursachen. Besonders wichtig ist die Beobachtung, mit welcher emotionalen Intensität die Einzelnen reagieren. Zur Ergründung der wahren Un­ternehmen­skul­tur sind also Einzelgespräche und Fokus­grup­pen wesentlich besser geeignet als Fragebögen, vor allem wenn sie von einem erfahrenen Moderator durchgeführt werden. Binnen eines halben Tages lassen sich damit sinnvolle Einblicke gewinnen. Bestimmte Sichtweisen sind so zementiert, dass sie nur schwer veränderbar sind. Das trifft nicht nur auf das Unternehmen selbst zu, sondern auch auf die in Ihrem Unternehmen tätigen Beruf­s­grup­pen wie Ingenieure und Mar­ket­ing­fach­leute, die oft Subkulturen bilden. In manchen Fällen ist es wichtig, auch diese Subkulturen zu analysieren.

„Denken Sie daran, dass es keine richtigen Antworten gibt. Kulturen sind verschieden, und jede Kultur kann unter bestimmten Umständen gut funk­tion­ieren, in anderen Situationen dagegen gar nicht.“

Die Diagnose Ihrer Kultur sollte immer von einem Problem oder einer spez­i­fis­chen Fragestel­lung ausgehen. Formulieren Sie so klar wie möglich, welche konkrete Leis­tungsverbesserung das Ziel der Kul­tur­ar­beit ist. Durch den Er­he­bung­sprozess sollen die Stärken und Schwächen Ihrer Un­ternehmen­skul­tur im Hinblick auf Ihre Ziele aufgedeckt werden. Anschließend ist es viel leichter, die Stärken zu nutzen, als zu versuchen, die Schwächen durch Veränderungen zu überwinden.

Un­ternehmen­skul­tur in der Praxis

In jungen, er­fol­gre­ichen Unternehmen dominieren die Werte der Gründer. Wenn Sie die Kultur eines solchen Un­ternehmens steuern wollen, dann geschieht das am besten, indem Sie die Einsicht fördern, dass bestimmte Kul­turele­mente sich allmählich dys­funk­tional auswirken. Hilfreich ist dabei, wenn Sie sich der Unterstützung von Mi­tar­beit­ern versichern, die einerseits in der bestehenden Kultur verankert sind, an­der­er­seits aber auch Annahmen vertreten, die zur äußeren Realität passen. Bei etablierten Unternehmen mit ver­fes­tigten Kul­turele­menten ist oft ein Trans­for­ma­tion­sprozess er­forder­lich. Meist entsteht die Bere­itschaft dazu, wenn of­fen­sichtlich wird, dass die Zukunft des Un­ternehmens auf dem Spiel steht. Im Vordergrund des Trans­for­ma­tion­sprozesses steht der Versuch, neue Konzepte zu erlernen und alte umzudefinieren, indem man ihnen einen neuen Sinn gibt. Abschließend müssen dann diese neuen oder umgedeuteten Kul­tur­aspekte in den Un­ternehmen­sall­tag integriert werden.

„Die Stärke und Tiefe einer Un­ternehmen­skul­tur spiegelt erstens die Stärke und Klarheit des Un­ternehmensgründers, zweitens die Menge und Intensität der gemeinsamen Erfahrungen der Mitarbeiter und drittens den Un­ternehmenser­folg.“

Ein wesentlicher Widerstand, der dem Trans­for­ma­tion­sprozess ent­ge­gen­steht, ist die Lernangst der Beteiligten. Sie fürchten sich davor, vorübergehend inkompetent zu wirken, weil sie die neuen Wege noch nicht kennen. Da die alte Kultur sinns­tif­tend wirkte, besteht zudem die Angst vor einem Identitätsverlust. Deshalb gelten zwei Prinzipien für die Trans­for­ma­tion:

  1. Sie funk­tion­iert nur, wenn die Überleben­sangst oder Schuldgefühle etwa aufgrund von Skandalen die Lernangst überwiegen.
  2. Es geht nicht darum, die Überleben­sangst zu steigern, sondern die Lernangst zu überwinden. Dafür muss psy­chol­o­gis­che Sicherheit geschaffen werden, etwa durch eine glaubwürdige neue Vision und ausreichend Training und Unterstützung.
„Die Kultur eines gegebenen Un­ternehmens ist ,richtig‘, solange das Unternehmen mit seiner primären Aufgabe Erfolg hat. Hat das Unternehmen keinen Erfolg mehr, heißt das, Elemente der Kultur sind dys­funk­tional geworden und müssen sich verändern.“

Zur Durchführung von Trans­for­ma­tio­nen haben sich temporäre parallele Lernsysteme als nützlich erwiesen. Hier können neue Annahmen erlernt und ihr er­fol­gre­icher Einsatz erprobt werden, ohne dass die ursprüngliche Kultur bereits in ihren Grundfesten erschüttert wird. Diesen Prozess sollte ein Veränderung­steam aus Führungskräften und Schlüsselmi­tar­beit­ern steuern.

Die Beson­der­heiten reifer Unternehmen

Irgendwann entwickelt sich ein Unternehmen in der Regel so, dass es nicht mehr von den Gründern, sondern von einem Man­age­ment­team geführt wird. Die Un­ternehmensführung schafft dann nicht mehr die Kultur, sondern umgekehrt: Die Kultur bringt eine bestimmte Art der Leitung hervor. Diese verfällt leicht in bestimmte, feste Routinen, die nur schwer zu durch­brechen sind. Ein solcher Durchbruch kann mithilfe eines genau geplanten Kul­tur­wan­del­prozesses gelingen. Wenn das nicht ausreicht, sind drastis­chere Methoden er­forder­lich. Ein geeigneter Weg ist es oft, sich einen CEO von außen zu holen, der von den kulturellen Einflüssen und Annahmen der Ver­gan­gen­heit befreit ist und neue Denkansätze einbringt. Gele­gentlich kann es auch helfen, einen Manager aus einer Subkultur des Un­ternehmens für diese Aufgabe einzusetzen.

Mergers and Ac­qui­si­tions und Joint Ventures

Bei Un­ternehmen­szusam­men­schlüssen und -ko­op­er­a­tio­nen treffen immer un­ter­schiedliche Kulturen aufeinander. Es ist notwendig, die entsprechend anders gestalteten kulturellen Annahmen zu entschlüsseln und anschließend einen intensiven Dialog zwischen den un­ter­schiedlichen Gruppen zu fördern. Nur so kann die Zusam­me­nar­beit erfolgreich sein.
Die Beschäftigung mit der Un­ternehmen­skul­tur ist keine leichte Arbeit. Sie kann aber sehr lohnenswert sein, weil dadurch wesentliche Aspekte des Un­ternehmens erhellt werden und dessen Zukunft gezielter gesteuert werden kann.

Über den Autor

Edgar H. Schein war Professor der Sloan School of Management am Mass­a­chu­setts Institute of Technology (MIT), wo er heute noch als Senior Lecturer arbeitet. Er gilt als einer der Mitbegründer der Or­gan­i­sa­tion­spsy­cholo­gie und der Or­gan­i­sa­tion­sen­twick­lung und hat Großkonzerne und Regierungen auf der ganzen Welt beraten. Schein ist auch Autor der Bücher Führung und Veränderungs­man­age­ment und Prozess­ber­atung für die Or­gan­i­sa­tion der Zukunft.