Emotional verkaufen
Kunden wollen nie nur ein Produkt oder eine Leistung kaufen, sondern immer auch die damit verbundenen Emotionen. Je positiver die sind, je mehr gute Gefühle wie Liebe, Leidenschaft, Spaß oder Freiheit der Kunde spürt, desto höher ist die Kaufwahrscheinlichkeit. Emotion Selling bedeutet, alle Berührungspunkte des Kunden mit dem Unternehmen – von der Produktentwicklung bis hin zum Marketing und Vertrieb – so zu gestalten, dass sie bei ihm ein maximal positives Gefühl auslösen. Im Mittelpunkt steht dabei eine überzeugende Kommunikationsstrategie, die auf einen positiven, lösungsorientierten und motivierenden Dialog mit dem Kunden ausgerichtet ist. Das ist einfacher gesagt als getan, weil positive Äußerungen nicht immer unseren erlernten Kommunikationsmustern entsprechen. Wir sind es gewohnt, negative Aspekte ausführlich zu diskutieren, während wir dagegen positive wenig betonen. Wir halten detaillierte Kritik für konstruktiv und hilfreich und glauben, dass ausführliche Problemgespräche der Königsweg zu erfolgreichen Beziehungen sind.
Jedes Wort zählt
Wenn wir mit jemandem sprechen, löst jedes einzelne Wort hochkomplexe Prozesse aus: Man kann anhand spezieller Tests zeigen, dass negativ geladene Begriffe eine messbare Stressreaktion erzeugen, positive Worte dagegen Glücksgefühle. Die Magnetresonanztomografie zeigt, wie verschiedene Wörter unterschiedliche Zentren im Gehirn aktivieren. Manche dieser Reaktionen bleiben unter der Wahrnehmungsschwelle – der Betroffene ist sich nicht darüber bewusst, wie er reagiert –, andere äußern sich offensichtlich in der Körpersprache. Das Hirn hat zu jedem Begriff unzählige Erinnerungen, Assoziationen und Verknüpfungen gespeichert, die mit einer unglaublichen Geschwindigkeit aktiviert werden; man spricht hier vom „Neuro-Google“. Hört der Kunde beispielsweise: „Sie werden mit diesem Produkt kein Problem haben“, reagiert er stark auf das Wort „Problem“, während er die eigentlich positive Grundaussage des Satzes kaum wahrnimmt. Dazu kommt: Jeder Mensch reagiert etwa dreimal intensiver auf Negatives als auf Positives. Negative Signale brauchen eine erheblich geringere Reizstärke als positive, um überhaupt bis zum Gehirn durchzukommen. Insgesamt kann man sagen, dass sich der Mensch gemäß der 90/10-Regel verhält: Hat ein Gespräch einen Negativanteil von 10 %, reagiert der Mensch darauf mit 90 % seiner Aufmerksamkeit. Schließlich bleibt Negatives auch besonders gut im Gedächtnis haften, selbst kurze Negativemotionen werden langfristig gespeichert. Der Grund dafür sind urzeitliche Instinkte, die uns vor Gefahren schützen sollen und uns deshalb für Negatives sensibilisieren.
Emotionswerte
Jedes Wort hat einen individuellen Emotionswert, den man durch Befragungen ermitteln kann. Er liegt zwischen den Maximalwerten –100 (beispielsweise „grauenhaft“) und +100 (beispielsweise „Liebe“). Neutrale Wörter wie „der, die, das“ haben einen Emotionswert von null. Darauf aufbauend, kann man auch für jedes Gespräch einen Emotionswert berechnen. Die Formulierung „kein Risiko“ hat einen negativen Punktwert, „Sicherheit“ dagegen einen positiven. Außerdem kann man die Emotionsdichte (den „Emotionsscore“) eines Satzes berechnen. Das ist der gewichtete Durchschnittswert pro Wort, wobei negative Wörter mit dem Faktor 3 multipliziert werden. Der bekannte Slogan: „Wir hassen teuer“, erhält beispielsweise insgesamt einen Wert von –460: „Wir“ (+20) plus „hassen“ (–100 * 3) plus teuer (–60 * 3). Ein so negativer Wert garantiert zwar hohe Aufmerksamkeit, aber er trägt nicht zur Kundenbindung bei. Auch das beliebte gemeinsame Meckern verbindet in Wirklichkeit nur kurzfristig. Grundsätzlich gilt: Positive Emotionen verbinden, negative Emotionen trennen. Eine Beziehung, die auf negativen Emotionen aufbaut, wird deshalb langfristig immer schlechter.
Lösungen statt Probleme
Leider sind nach wie vor die meisten Verkaufsgespräche Problemgespräche – mit allen negativen Konsequenzen für die Emotionswelt des Kunden. Effektiver wären Lösungsvorschläge. Verzichten Sie deshalb auf ausführliche Problemanalysen, entwickeln Sie stattdessen im Kopf eine Lösung und kommunizieren Sie nur diese: 20 % Problem- gegenüber 80 % Lösungskommunikation sind schon ein sehr guter Wert, Profis schaffen sogar 10 zu 90 %. Sie fragen, lassen den Kunden ausreden und hören aktiv zu. Diese Wertschätzung macht den Kunden glücklich und liefert in Zeiten austauschbarer Produkte das entscheidende Quäntchen Emotion, das einen Kauf auslösen kann.
Die vier „Könige“
Wer verkaufen will, muss das Gehirn des Kunden erreichen, und zwar auf positive Weise. Trotz aller individuellen Unterschiede kann man dabei vier Emotionstypen identifizieren, die unser Denken bestimmen, die vier „Könige“:
- König 1: das Gefühl von Ohnmacht und Fremdbestimmung,
- König 2: das Gefühl von Minderwertigkeit, Geringschätzung und Abwertung,
- König 3: das „Mastergefühl“, das Gefühl von Freiheit und Selbstbestimmung,
und - König 4: das Wertgefühl, also das Gefühl, einen hohen Status zu haben, wertvoll und wichtig zu sein.
„Menschen sind überwiegend Negativwesen und Negativkommunikatoren.“
Im Dialog liefern sich diese Könige ein Nullsummenspiel: Das Mastergefühl des einen Gesprächspartners entspricht dem Ohnmachtsgefühl des anderen, das Wertgefühl des einen dem Minderwertigkeitsgefühl des anderen. Der Verkäufer muss also zunächst auf sein gutes Gefühl verzichten, damit der Kunde positive Emotionen spüren kann. Erst für den Emotion-Selling-Profi sieht die Sache anders aus: Der Verkäufer verliert sein schlechtes Gefühl, weil er merkt, wie er durch Zurückhaltung den Kunden steuert. Aus dem Nullsummenspiel ist eine Win-win-Situation geworden.
„Jedes negative Wort, jedes negative Argument führt zu einer Abbuchung auf dem Sympathiekonto des anderen.“
Während des gesamten Verkaufsgesprächs zieht der Kunde innerlich Bilanz. Nur wenn das Ergebnis positiv ausfällt, lohnt sich die Geschäftsbeziehung für ihn, nur dann wird er kaufen. Bewusst oder unbewusst macht er eine Kosten-Nutzen-Rechnung auf folgenden Konten:
- Assoziationskonto: Waren die Assoziationen (Neuro-Google) insgesamt positiv oder negativ?
- Nutzenkonto: Welche Vorteile habe ich, inwieweit ist der kommunizierte Nutzen für mich persönlich relevant?
- Ohnmachtskonto (König 1): Wie oft wurde ich dominiert, habe ich mich ohnmächtig gefühlt?
- Abwertungskonto (König 2): Wie oft wurde ich abgewertet, nicht gefragt, respektlos behandelt?
- Mastergefühl-Konto (König 3): Wie stark konnte ich das Gespräch steuern? Wie intensiv wurde ich nach meinen Wünschen gefragt?
- Wertgefühlkonto (König 4): Wie viel Respekt, Akzeptanz und Wertschätzung habe ich erfahren? Wie viel Anerkennung habe ich bekommen?
Gute Verkaufsgespräche führen
Ein wichtiger Faktor erfolgreicher Verkaufsgespräche ist die Körpersprache. Weil unsere körperlichen Reaktionen weitgehend unbewusst sind, kann man sie nicht aktiv steuern. Kunden merken sofort, wenn der Verkäufer nicht mehr authentisch ist. Man kann allerdings an seiner Einstellung zum Kunden arbeiten – ist die positiv, stellt sich die überzeugende Körpersprache ganz von allein ein.
„Menschen kalkulieren im Kopf ständig, ob sich der Kontakt mit dem anderen lohnt.“
Wie hoch das Abschluss-Potenzial von Verkaufsgesprächen ist, lässt sich leicht mithilfe des sogenannten Selling Attractiveness Index (SAI) messen, und zwar anhand der folgenden sechs Dimensionen:
- Dimension 1: negative vs. positive Kommunikation. Erfolgreiche Verkäufer wählen positiv besetzte Wörter. Erkennt der Verkäufer ein Problem, diskutiert er es nicht, sondern analysiert es im Kopf („Loop“), um dem Kunden dann nur die Lösungen zu präsentieren.
- Dimension 2: Monolog vs. Dialog. Wer den Kunden einbindet, nimmt ihn für sich ein: Redezeit bewirkt ein hohes Master- und Wertgefühl. Je mehr der Kunde selbst spricht (ideal sind mindestens 50 Prozent Anteil am Gespräch), desto zufriedener sind die beiden entsprechenden Könige im Kundenhirn. Das gilt auch und gerade, wenn der Kunde wenig Zeit hat. In diesem Fall bewirken wenige kundenspezifische Nutzenargumente mehr als der Versuch, möglichst viel Information ins Gespräch zu stopfen. Holen Sie die Meinung des Kunden über offene W-Fragen ein („Was ist Ihnen besonders wichtig?“). Monologe sollten Sie selten halten: nur dann, wenn Sie damit spezifische Produktinfos vermitteln können.
- Dimension 3: problemzentrierte vs. lösungszentrierte Kommunikation. Analysieren Sie nicht Probleme, sondern präsentieren Sie Lösungen. Statt: „Unser Budget ist zu gering, damit können wir die Maßnahmen nicht durchführen“, sagen Sie besser: „Wenn wir das Budget um 20 % erhöhen, können wir die Maßnahmen wie geplant durchführen.“
- Dimension 4: egozentrierte vs. kundenzentrierte Kommunikation. Wer Kunden ernst nimmt, respektvoll behandelt, aktiv zuhört, höflich und freundlich ist, erreicht mehr als jemand, der den Kunden nur ausfragt, um seine eigenen Ziele besser durchzusetzen, oder jemand, der den Kunden durch Manipulationen, Suggestionen und Unterstellungen bedrängt.
- Dimension 5: Suggestion vs. Fragen. Wer dem Kunden Dinge ungefragt unterstellt („Das wird Ihnen bestimmt gefallen“) löst Gefühle von Abwertung und Ohnmacht aus. Offene Fragen und aktives Zuhören dagegen stärken das Master- und Wertgefühl des Kunden. Fragen Sie deshalb kundenzentriert, d. h. benutzen Sie positiv formulierte, offene W-Fragen („Worauf legen Sie besonderen Wert?“) und vermeiden Sie egozentrierte Fragen, die nur Ihnen, aber nicht dem Kunden nützen („Wie hoch ist Ihr Budget?“).
- Dimension 6: wertschätzende Pausen. Angemessene, wertschätzende Pausen sind schwierig auszuhalten, aber wichtig. Sie geben dem Kunden Zeit zum Nachdenken. Reden ohne Punkt und Komma reduziert das Wohlbefinden des Gegenübers.
Die Phasen des Verkaufsgesprächs
Die sechs Dimensionen sind für alle Phasen eines Verkaufsgesprächs wichtig: Eröffnung, Bedarfsermittlung, Information, Nutzenargumentation, Einwandbehandlung und Abschluss. Vermeiden Sie in der Eröffnung Negatives (schlechtes Wetter), Positives sorgt für eine bessere Stimmung. Die Bedarfsermittlung fällt oft zu kurz aus. Nur mit ausführlichen W-Fragen erreichen Sie, dass das weitere Gespräch nicht an den eigentlichen Bedürfnissen des Kunden vorbeigeht. Bevor Sie Informationen präsentieren, sollten Sie die Zustimmung des Kunden einholen (das erhöht sein Master- und Wertgefühl). Konzentrieren Sie sich inhaltlich auf die Zielvorgaben des Kunden. Obwohl sich Monologe in dieser Phase nicht vollständig vermeiden lassen, sollten Sie den Kunden durch Rückfragen („Wie sehen Sie das?“) immer wieder einbinden. Präsentieren Sie den Produktnutzen kundenzentriert. Ein hoher emotionaler Nutzen ist wirkungsvoller als ein reiner Sachnutzen. Sehen Sie Einwände des Kunden nicht als Nörgelei, sondern als Signal dafür, dass Klärungsbedarf besteht. Führen Sie dann den Kunden zum Abschluss – freundlich, aber verbindlich.