Mit Compliance Wirtschaftskriminalität vermeiden

Buch Mit Compliance Wirtschaftskriminalität vermeiden

Risikoprävention, Früherkennung, Fallbeispiele

Schäffer-Poeschel,


Rezension

Kleine Geschenke erhalten die Fre­und­schaft, große Geschenke sorgen für Aufträge. So war das früher. Die Zeiten haben sich geändert: Gehen Unternehmen heute lax mit Recht und Gesetz um, drohen ihnen Prozesse, die dem Image und dem Geschäft schaden. Die Botschaft ist angekommen: Mit verbindlichen Com­pli­ance-Regeln geben Unternehmen geset­zeskon­formes und ethisch vor­bildliches Verhalten vor. Der Sammelband Mit Compliance Wirtschaft­skrim­i­nalität vermeiden führt das Fachwort zwar im Titel, in­ter­essiert sich aber weniger für das Thema an sich als dafür, wie man Wirtschaft­skrim­inellen auf die Spur kommt. Die fünf Autoren, überwiegend Juristen, referieren die Geset­zes­lage und erläutern sie an Fall­beispie­len. Dem Geflecht wider­stre­i­t­en­der Interessen – „Wir müssen doch Geschäfte machen dürfen!“ – halten sie sich allerdings fern. BooksInShort empfiehlt das Buch Managern, die sich und ihr Unternehmen gegen kriminelles Verhalten wappnen wollen.

Take-aways

  • Die Kriminalität in Unternehmen nimmt bezüglich Fällen und Schadenhöhe massiv zu.
  • Unternehmen müssen nicht nur Gericht­sprozesse und Umsatzeinbußen befürchten, sondern auch einen Verlust an Renommee.
  • Damit wächst das Bewusstsein für die Notwendigkeit, kriminelles Verhalten zu verhindern – durch Compliance.
  • Compliance steht für das Befolgen von Recht und Gesetz und darüber hinaus für das Einhalten sozialer und ethischer Normen.
  • Gießen Sie das Selbstverständnis der Firma in verbindliche Com­pli­ance-Richtlin­ien.
  • Schulen Sie die Mitarbeiter, damit sie die Richtlinien kennen und verin­ner­lichen.
  • Unternehmen brauchen eine eigene Abteilung, wo mögliches Fehlver­hal­ten aufgenommen, überprüft und im Bedarfsfall sank­tion­iert wird.
  • Mindestens ebenso wichtig wie das Sank­tion­ieren ist die Prävention.
  • Dazu muss Compliance mögliche Risiken erkennen, analysieren und beobachten.
  • Die häufigsten Vergehen sind Betrug, Untreue und In­sol­ven­zde­likte sowie Korruption und Steuer­hin­terziehung.
 

Zusammenfassung

Mehr als das Selbstverständliche

Recht und Gesetz zu achten und bei Verstößen aktiv zu werden – vielen Managern würde das als Auf­gaben­feld für Compliance ausreichen. Hinzu kommt mitunter der Aufruf, moralische und ethische Werte großzuschreiben. Gesetze einzuhalten ist eh eine Selbstverständlichkeit, und Gutes zu tun lohnt sich für Unternehmen ebenfalls häufig – schon aus Imagegründen. Wer so denkt, macht es sich zu leicht.

„Compliance mahnt zum Handeln in Übere­in­stim­mung mit den geltenden Vorschriften.“

Die einschlägigen Paragrafen zu beachten sollte in der Tat eine Selbstverständlichkeit sein. Wie es um das Selbstverständnis eines Un­ternehmens steht, zeigt sich aber in den selbst auferlegten Vorgaben. Diese Ver­hal­tens­stan­dards werden in der Corporate Governance präzise festgelegt. Hier zeigen sich in Wort (die Corporate Governance wird meist schriftlich fest­ge­hal­ten) und Tat, wie es das Unternehmen hält mit dem geset­zeskon­for­men Verhalten. Denn nur wenn das Bewusstsein dafür gefördert und geschult wird, kann eine Haup­tauf­gabe von Compliance – die Prävention von Geset­zesverstößen – tatsächlich angegangen werden.

„Das Bewusstsein für Regelverstöße hat sich deutlich verstärkt.“

Solange Unternehmen diese Aufgabe nicht ernst nehmen, wird öffentlich weiterhin die „fehlende Compliance“ gegeißelt – nämlich wenn im Ernstfall interne Kon­trollmech­a­nis­men nicht greifen oder nicht einmal vorhanden sind.

Die Funktionen von Compliance im Unternehmen

Das scheinbar Selbstverständliche ist eben doch nicht immer selbstverständlich. Deshalb sind Unternehmen gefordert, ihre ethischen Grundsätze zu formulieren und verbindlich festzulegen. Es macht einen Unterschied, ob ein re­spek­tvoller Umgang oder faire Ko­op­er­a­tio­nen unter „versteht sich von selbst“ verbucht werden oder für alle Mitarbeiter nachlesbar in der Fir­men­philoso­phie, in Leitlinien oder Com­pli­ance-Codes fest­ge­hal­ten sind. Die goldene Regel, andere so zu behandeln, wie man selbst behandelt werden möchte, kann in viele Richtungen weit­er­en­twick­elt werden, etwa im Bereich von Gerechtigkeit und Solidarität mit den Themen Integrität, Verzicht auf Korruption, soziale Sicherheit.

„Unternehmen müssen sich der Gefahren bewusst sein, um den Kampf gegen Korruption, Bestechung, Betrug oder ,schwarze Kassen‘ aktiv aufnehmen zu können.“

Er­fol­gre­iche Compliance übernimmt im Unternehmen fünf Funktionen:

  1. Marketing: Die Reputation wird gefördert, das Vertrauen ins Unternehmen wächst.
  2. Schutz: Bewussten und unbewussten Regelverstößen der Mitarbeiter wird vorgebeugt.
  3. Beratung: Compliance liefert Antworten in Zweifelsfällen.
  4. Geschäfts­beziehun­gen: Die Vorschriften werden korrekt eingehalten.
  5. Überwachung: Mögliche Risiken werden analysiert.
„Überzeugende Compliance ist auch ein Qualitätsmerkmal für jedes Unternehmen.“

Werden diese Ansätze umgesetzt und gelebt, wirken sie positiv auf das Unternehmen. Integres Verhalten stärkt das Vertrauen von Kunden und Geschäftspartnern und verbessert so das Image. Auch nach innen wirkt die Compliance, indem sie Regelverstöße vermeiden hilft. Das sen­si­bil­isiert die Mitarbeiter für Risiken und wendet damit Schaden vom Unternehmen ab. Nur wenn die Risiken bekannt sind und permanent analysiert werden, kann vorgebeugt werden – dafür braucht jedes Unternehmen Mitarbeiter, die sich speziell um diese Aufgaben kümmern.

„Compliance nach innen und nach außen prägt das be­trieb­swirtschaftliche und gesellschaftliche Ve­r­ant­wor­tungs­be­wusst­sein von Unternehmen.“

Und wenn da etwas läuft, was nicht koscher wirkt? Nicht weggucken, das ist entschei­dend. Dazu braucht es Mut – und Unterstützung von oben. Niemand will sich als Denunziant beschimpfen lassen, nur weil man auf Missstände oder Fehlver­hal­ten aufmerksam macht. Viele Unternehmen haben das erkannt und ermöglichen „Tippgebern“ (so genannten Whistle­blow­ern), Hinweise anonym weit­erzugeben. Wenn die beim Compliance Officer an­ge­siedel­ten Mitarbeiter solchen Tipps schnell nachgehen und die Ergebnisse ihrer Kontrollen und Nachprüfungen publik machen, wird allen Mi­tar­beit­ern deutlich, dass Fehlver­hal­ten sank­tion­iert wird.

Tätertypen

Unternehmen wollen überleben, Manager wollen ihre Ziele erreichen. Wenn das auf dem legalen Weg funk­tion­iert – super. Wenn nicht, dann eben anders … Dieses Denken ist durchaus verbreitet: Die Anzahl von Verfahren zur Wirtschaft­skrim­i­nalität steigt deutlich an. Mehr als die Hälfte der Unternehmen gibt zu, von kriminellen Handlungen betroffen gewesen zu sein. Dabei nimmt die Höhe der Schäden zu. Die Bi­lanz­ma­nip­u­la­tio­nen bei Parmalat in Italien sollen 23 Milliarden Euro Schaden verursacht haben, Worldcom in den USA soll durch In­sol­ven­zde­likte gar auf eine Schaden­summe von 107 Milliarden Dollar gekommen sein. Von den fragwürdigen Transak­tio­nen der Banken ganz zu schweigen.

„Damit ein Ver­hal­tenskodex zur gelebten Un­ternehmen­skul­tur wird, bedarf es intensiver und regelmäßiger überzeu­gen­der Schulung.“

So vielfältig die kriminellen Akte sind, so un­ter­schiedlich sind die Motive der handelnden Personen. Gleichwohl können zwei Gruppen un­ter­schieden werden: Coup- und Visionstäter. Während die Couptäter häufig den einen entschei­den­den Schlag wagen, um sich selbst zu bereichern, fühlen sich die Visionstäter zu Großem berufen: Es sind oft Manager, die das Unternehmen (und auch sich selbst) nach vorn bringen wollen, koste es, was es wolle. Etwaige Widerstände werden erst mit Tricks, später mit kriminellem Handeln bekämpft. Da summiert sich einiges, zum Schaden für das betroffene Unternehmen und die Volk­swirtschaft.

„Krisen begünstigen Wirtschaft­skrim­i­nalität.“

Auch die begangenen Straftaten lassen sich überwiegend in zwei Gruppen einteilen: zum einen in den Bereich Betrug und Untreue, zum anderen in In­sol­ven­zde­likte wie Bankrott oder Gläubiger- und Schuld­ner­begünstigung. Dazu kommen Ko­r­rup­tions- und Steuerde­likte.

Von Betrug bis In­sol­ven­zver­schlep­pung

Beim Betrug wird, juristisch gesprochen, ein Vermögensschaden durch eine un­berechtigte Vermögensverfügung erwirkt. Der Geschädigte wird durch aktives Tun getäuscht, mit der Absicht, dass der Schädigende sich oder Dritte bereichert. Als Betrug gilt es daher bereits, wenn ein Unternehmer sich Waren auf Kredit liefern lässt, obwohl er nicht mehr liquide ist. Der Lieferant wird getäuscht, denn hätte er von der fi­nanziellen Notlage gewusst, hätte er nur gegen Vorkasse geliefert. So läuft er Gefahr, dass seine Rechnungen nicht mehr bezahlt werden. Be­trieb­swirtschaftlich mag das Vorgehen des Un­ternehmens verständlich sein, juristisch ist es Betrug.

„Je größer das Unternehmen, desto schwieriger gestaltet sich die Straftaten­pro­phy­laxe.“

Wenn der Täter ein angestell­ter Manager ist, kommt der Tatbestand der Untreue ins Spiel. Wer treuhänderisch über fremdes Vermögen verfügt und dieser Pflicht nicht nachkommt, macht sich entweder des Missbrauchs oder des Treuebruchs schuldig. Den Un­treue-Para­grafen nutzen Staatsanwälte gern, aber auch in diesen Fällen muss ein Vermögensschaden entstanden sein und der Täter muss vorsätzlich gehandelt haben. Werden „schwarze Kassen“ gefunden, ist das Urteil des Bun­des­gericht­shofs eindeutig: Untreue.

„Der Straftatbe­stand der Untreue hat sich jüngst zu einer Art Al­lzweck­waffe der Strafjustiz entwickelt.“

Um die Pleite abzuwehren, greifen viele Unternehmer zu rechtlich heiklen Mitteln. Nicht nur, dass Geschäftspartner über die prekäre Lage im Unklaren gelassen werden – ist die Insolvenz absehbar, werden mitunter Werte für die persönliche Al­tersvor­sorge verschoben, zulasten der In­sol­venz­masse und damit der Gläubiger. Oder es kommt zu Scheingeschäften, um eine Aktivität und Liquidität zu demon­stri­eren, die nicht mehr gegeben ist.

„Bei etwa 90 % der Er­mit­tlungsver­fahren, die durch Fir­men­zusam­menbrüche ausgelöst werden, sind Buchführungsmängel festzustellen.“

Damit solche Geschäfte nicht auffliegen, müssen die Bücher frisiert werden. So wird fast automatisch gegen Buchführungspflichten verstoßen. Diese Tatbestände werden juristisch unter dem Stichwort „Bankrott“ zusam­menge­fasst. Sind die Schäden gravierend, liegt ein besonders schwerer Fall von Bankrott vor, der ein höheres Strafmaß nach sich zieht.

„Ursprünglich war korruptes Verhalten allein im Bereich des öffentlichen Dienstes umfassend strafbar.“

So können, wenn Unternehmer bzw. Manager die Pleite der Firma verhindern wollen, bei einem einzigen Fall eine Menge juristische Verstöße zusam­menkom­men. Der Gesetzgeber verlangt nämlich, dass die anstehende Insolvenz gemeldet wird, sobald das Unternehmen zahlungsunfähig ist. Drei Wochen Zeit haben die Geschäftsführer, sich aus der Klemme zu ziehen, danach muss Insolvenz beantragt werden, sonst machen sie sich der In­sol­ven­zver­schlep­pung schuldig. Darüber hinaus führt auch Überschul­dung grundsätzlich zur Insolvenz.

Korruption und kreative Buchführung

Bestechung und Bestech­lichkeit galten in der Pri­vatwirtschaft lange als harmloses Kava­liers­de­likt. Das hat der Gesetzgeber erst 1997 verändert. Entsprechend langsam ist das Bewusstsein in den Unternehmen zu der Frage gewachsen, was Recht und was Unrecht ist. Diesen Prozess beschle­u­ni­gen Com­pli­ance-Regeln, die präzise festlegen, was erlaubt ist und was nicht.

„Die Geschäftsleitung im Ganzen trägt die Ve­r­ant­wor­tung für das Com­pli­ance-Man­age­ment.“

Das gilt beispiel­sweise für die Frage, ob Geschenke weiterhin erlaubt sind. Die Antwort des Geset­zge­bers lautet: Ja, solange sie nicht dazu führen, dass der Schenker bevorzugt wird oder es zu einem Schaden für das Unternehmen kommt. Dann würde nämlich aus dem Geschenk Bestechung und aus dem Annehmen des Geschenks Bestech­lichkeit. Beides ist strafbar.

Ebenfalls als Kava­liers­de­likt gilt in vielen Unternehmen das Ausreizen der Möglichkeiten kreativer Buchführung. Werden dabei die Grenzen des Legalen überschrit­ten, hinterzieht das Unternehmen Steuern. Zur Steuer­hin­terziehung kommt es, wenn Angaben bewusst unrichtig oder unvollständig sind oder wenn wichtige In­for­ma­tio­nen ver­schwiegen wird. Zahlt das Unternehmen dadurch weniger Steuern oder nutzt es anderweitig Steuer­vorteile, macht es sich strafbar.

Präventives Handeln

Kein Unternehmen der Welt ist davor gefeit, Mitarbeiter mit krimineller Energie zu beschäftigen. Darüber hinaus herrscht aber in manchen Firmen eine Un­ternehmen­skul­tur, die einen laxen Umsatz mit den Buchstaben des Gesetzes zumindest toleriert. Gerade global tätige Konzerne stehen vor dem Problem, dass in vielen Gegenden der Welt „kleine Geschenke die Fre­und­schaft erhalten“ – wer nicht mitspielt, kommt nicht an Aufträge. Das ist ein reales Dilemma.

Der Gesetzgeber hat Bestechung und Bestech­lichkeit in der Pri­vatwirtschaft bis Ende des 20. Jahrhun­derts kaum geahndet. Diese Ära ist endgültig vorbei. Kriminelles oder auch nur ethisch anrüchiges Verhalten von Unternehmen ist sozial geächtet und kann zu Imageschäden und in der Folge zu wirtschaftlichen Einbußen führen. Deshalb kann und darf eine Com­pli­ance-Abteilung nicht nur ein Feigenblatt sein, das primär gute Absichten doku­men­tiert. Wer zeigen will, dass Compliance im Unternehmen ernst genommen wird, muss die Abteilung mit genügend Mi­tar­beit­ern ausstatten und sie or­gan­isatorisch nah an die Geschäftsleitung rücken.

Größere Unternehmen brauchen die Funktion eines CCO, eines Chief Compliance Officers, der direkt unter dem Vorstand angesiedelt ist. Das sig­nal­isiert fir­menin­tern die Wertigkeit der neuen Stabsstelle und sorgt für einen häufigen Austausch mit der Geschäftsleitung, sodass im Krisenfall schnell reagiert werden kann. Der CCO braucht genügend Mitarbeiter, um seine ver­schiedenar­ti­gen Aufgaben wahrnehmen zu können:

  • Betrieb einer Com­pli­ance-Geschäftsstelle, Sank­tion­ierung von Fehlver­hal­ten, Un­ter­suchung von Verdachtsfällen, Annahme von Hinweisen,
  • Reporting,
  • Schulungen und Trainings für die Mitarbeiter des Un­ternehmens,
  • globale Ko­or­di­na­tion der Com­pli­ance-Maßnahmen für alle Un­ternehmenstöchter,
  • Ko­or­di­na­tion aller Com­pli­ance-Beauf­tragten.

Kleinere Unternehmen können sich mit kleineren Stab­sstellen zufriedengeben, die Aufgaben jedoch müssen auf alle Fälle abgedeckt werden. Hier sollte ein Mitglied der Geschäftsleitung die Funktion des CCO mit übernehmen. In dieser Dop­pel­funk­tion wird allerdings ein – or­gan­isatorisch kaum lösbares – Problem deutlich: Wer kon­trol­liert eigentlich den Vorstand?

Über die Autoren

Michael Harz beschäftigt sich als geschäftsführender Gesellschafter des Un­ternehmens MHP Michael Harz ProJure mit Wirtschafts- und Com­put­er­foren­sik. Die Ober­staat­sanwälte Raimund Weyand und Daniel Noa sind in Saarbrücken bzw. Stuttgart tätig. Julius Reiter ist Fachanwalt für Bank- und Kap­i­tal­mark­trecht in der Kanzlei Baum Reiter & Collegen in Düsseldorf und un­ter­richtet Bank- und IT-Recht an der FOM Hochschule für Oekonomie & Management, wo auch Olaf Methner, Fachanwalt für Bank- und Kap­i­tal­mark­trecht, lehrt.