P2P Kredite

Buch P2P Kredite

Marktplätze für Privatkredite im Internet

Books on Demand,


Rezension

Die Idee, sich gegenseitig zu helfen, ist natürlich nicht neu; die Weiten des Internets ermöglichen es aber, dass heute sogar Pri­vat­per­so­nen finanzielle Unterstützung bei anderen Pri­vat­per­so­nen finden, obwohl sie sich überhaupt nicht kennen. Natürlich geht es nicht um Riesen­sum­men, denn das Kred­i­taus­fall­risiko trägt der Geldgeber. Autor Fabian Blaesi beschreibt sehr gut die ver­schiede­nen regionalen Modelle der bekannten So­cial-Lend­ing-Plat­tfor­men. Wenn man sich in Erinnerung ruft, dass das Geschäftsmodell eigentlich recht simpel ist und die Kernfrage stets darauf hinausläuft, wie man einer unbekannten Person vertrauen kann, die einmalig und per Selb­stauskunft Daten zur Verfügung stellt, so ist es erstaunlich, dass dafür ein über 200 Seiten starkes Buch vonnöten ist. Blaesi dreht sich denn auch bei den Schlüssel­be­grif­fen „Reputation“ und „Kred­it­ge­ber­schutz“ ständig um die eigene Achse. Nichts­destotrotz, eines der ersten Bücher zum Thema – ein Muss für Kred­it­nehmer und -geber, meint BooksInShort.

Take-aways

  • Social Lending, die private Kred­itver­gabe, ist eine innovative Community-Möglichkeit im Internet.
  • Der Kred­it­suchende definiert einen maximalen Zinssatz, Kreditgeber können diesen dann unterbieten.
  • Dabei müssen die Kreditgeber auf Basis knapper In­for­ma­tio­nen über die Vertrauenswürdigkeit des Antrag­stellers entscheiden.
  • Der Kred­it­nehmer muss zwar sensible Daten beibringen, dies jedoch nur mittels Selb­stauskunft.
  • Statt eines Beraters wird die Com­mu­nity-Mei­n­ung konsultiert (Ratings, Rankings).
  • Die Risikoverteilung beim Social Lending ist asym­metrisch: Die Un­sicher­heiten liegen fast ausschließlich beim Kreditgeber.
  • Ein Problem ist, dass jeder Kred­it­suchende in aller Regel nur ein einziges Mal ein Kred­it­ge­such stellt – es gibt keine „Erfahrung“ mit ihm.
  • Der Rep­u­ta­tion­s­miss­brauch eines obskuren Leis­tungsempfängers kann auch auf den Plat­tfor­man­bi­eter ausstrahlen.
  • Das Design der Website kann ein entschei­den­des Kriterium bei der Vermittlung von Glaubwürdigkeit sein.
  • So­cial-Lend­ing-An­bi­eter un­ter­schei­den sich stark. Einige bieten einen Aus­gle­ich­spool oder Ver­sicherungss­chutz für Kreditausfälle.
 

Zusammenfassung

Man kennt sich (nicht), man hilft sich

Welcher Kunde mag heute sein Geld Banken anvertrauen, die übertriebene Risiken eingehen und später nur dank Staatshilfe überleben? Am 15. September 2007 kam es in England zum ersten „Bank-Run“ (einem massiven, kurzfristi­gen Abzug von Kun­den­geldern) seit mehr als einem Jahrhundert – die Bank Northern Rock geriet in die Krise und musste von der britischen Notenbank gerettet werden. Gerade die En­twick­lun­gen der jüngsten Ver­gan­gen­heit haben gezeigt, dass Finanzgeschäfte jenseits der herkömmlichen Bankentätigkeit an Bedeutung gewinnen. So helfen bei so genannten Peer-to-Peer-Geschäften natürliche Personen mit einem Liquiditätsüberschuss anderen, die auf der Suche nach einem Kredit sind. Die steigende Nutzerzahl des Social Lending bekommt Vorschub durch die neuen Möglichkeiten des Internets: Zwar gab es in der Geschichte schon immer Transfers nach dem Motto „Man kennt sich, man hilft sich“. Auf die neuen Kom­mu­nika­tions­for­men des Web 2.0 umgemünzt müsste es eher heißen: Man kennt sich nicht, aber das macht nichts.

„Grup­pen­zugehörigkeit kann helfen, einen Kredit zu bekommen, da beispiel­sweise ein Au­tolieb­haber eher bereit sein wird, ein Old­timer-Restau­ra­tionspro­jekt zu finanzieren als ein sonstiges Projekt.“

Der eigentlich uralte Com­mu­nity-Gedanke wurde im letzten Jahrhundert durch das Aufkommen staatlicher Hil­f­spro­gramme verdrängt. Die kollektive Selbsthilfe als Or­gan­i­sa­tions­form überlebte trotzdem, wenn auch nur im Schatten. Erst das Internet in­sti­tu­tion­al­isierte das Social Lending. Es funk­tion­iert sehr einfach: Kred­it­nehmer und -geber reg­istri­eren sich auf einer der verfügbaren Plattformen, die Angaben zu einem Kred­it­ge­such werden validiert (etwa durch Vorlage bestimmter Dokumente des Kred­it­suchen­den), und fertig ist das Prozedere. Fortan geht es nur noch darum, im Rahmen einer Art Auktion die Kred­itzin­sen zwischen Kred­it­ge­bern und -nehmern auszu­pen­deln. In sozialen Netzwerken kennen sich die Beteiligten häufig aus dem realen Leben – bei in­ter­essen­basierten Communitys werden sie erst durch die Mit­glied­schaft miteinander bekannt. Und selbst das bleibt in aller Regel rein virtuell.

Der P2P-Kred­it­prozess

Dass ein solcher Peer-to-Peer-Ser­vice verfügbar ist, heißt nicht automatisch, dass Kunden ihn auch nutzen. Nicht zuletzt fehlt die persönliche Beratung komplett: Der Kreditgeber muss über die Vertrauenswürdigkeit des Antrag­stellers auf Basis der wenigen vorhandenen In­for­ma­tio­nen – die der Kred­it­suchende selbst geliefert hat – entscheiden. Ein rational handelnder Anleger auf der Suche nach einer höheren Rendite gegenüber den spärlichen Spar­buchzin­sen sollte genau abwägen, ob dieser Weg auch das höhere Risiko Wert ist. Hier hilft ihm die Community: Mitglieder leihen sich nicht nur gegenseitig Geld, sondern versorgen sich auch mit In­for­ma­tio­nen – der persönliche Berater wird quasi ersetzt durch die Com­mu­nity-Mei­n­ung. Dubiose Kred­it­suchende erhalten kaum eine zweite Chance. Man un­ter­schei­det die folgenden vier Phasen:

  1. In­for­ma­tion­sphase: Anleger vergleichen die vor­liegen­den Kred­it­ge­suche auf Basis der gebotenen Zinssätze, Bonitätsklassen usw.; Leis­tungs­bezieher informieren sich ihrerseits über die Bedingungen, Angebote und Leis­tungsan­bi­eter.
  2. Vere­in­barungsphase: Bei den meisten So­cial-Lend­ing-Plat­tfor­men wird der Zinssatz im Zuge einer umgekehrten Auktion versteigert: Der Kred­it­suchende definiert einen maximalen Zinssatz, Kred­it­gebende können diesen dann unterbieten. Die Vergabe ist bindend, die beiden Parteien nehmen anschließend Kontakt auf.
  3. Ab­wick­lungsphase: Leistung und Gegen­leis­tung werden erbracht, in diesem Fall die Überweisung der Dar­lehenssumme sowie später die Amor­ti­sa­tion und die Zin­szahlun­gen.
  4. Af­ter-Sales-Phase: Diese Phase beinhaltet meist Routinen zur Kon­flik­t­be­he­bung und nötigenfalls – bei Ausfällen – auch zu Entschädi­gungszahlun­gen aus einem Aus­gle­ich­spool.

Marktübersicht

Seit der Gründung im Jahr 2007 ist Smava in Deutschland Marktführer und hat seither Kredite von rund 15 Millionen Euro (Stand Herbst 2009) vermittelt. Smava arbeitet mit einem Aus­gle­ich­spool, in den prozentuale Risikoauf­schläge je nach Risikok­lasse der Kredite einfließen. So wird verhindert, dass einzelne Kred­it­gebende einen To­talver­lust ihres einge­set­zten Kapitals erleiden. Abhängig von der Bonität des Leis­tungsnehmers und der Laufzeit des Kredits variiert der Risikozuschlag zwischen 0,4 und 9 %.

„Ein Kritikpunkt sind die fehlenden In­for­ma­tio­nen bezüglich der zu erwartenden Renditen sowie der Aus­fall­raten der jeweiligen Bonitätsklassen. Ohne diese grundle­gen­den Daten ähnelt die Kred­itver­gabe mehr einem Glücksspiel denn einer seriösen Investition.“

Zopa gilt als Pionier des Social Lending. Die Plattform ging 2005 in Großbritannien online. Anders als bei Smava verteilen sich In­vesti­tio­nen automatisch über ver­schiedene Kred­it­nehmer – der Anleger muss die Gesuche also nicht selbstständig prüfen. Der Kreditgeber legt lediglich Betrag, geforderte Rendite und Risikok­lasse fest; der Kred­it­suchende tut es umgekehrt. Anschließend bildet sich eine potenzielle Schnittmenge.

„Com­mu­nity-Un­terstützung ist ein zentraler Aspekt von So­cial-Lend­ing-Plat­tfor­men.“

Noch weiter entwickelt ist Social Lending in den USA: Virginmoney und Prosper haben schon Darlehen im Umfang von mehr als einer halben Milliarde US-Dollar vermittelt. Darüber hinaus existieren ziel­grup­pen­spez­i­fis­che Modelle beispiel­sweise für Stu­den­tenkred­ite (GreenNote, Fynanz), Fir­menin­vesti­tio­nen (Valuna) oder Mikrokred­ite, die sich Fi­nanzierun­gen in En­twick­lungsländern widmen (DhanaX, Microplace, MyC4, Kiva).

Risiken und Neben­wirkun­gen

Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser – heißt es. Wie aber sich und sein Geld bei Social Lending schützen? Eine rechtliche Basis ist nur dann zuverlässig, wenn sie bei Vertragsbrüchen gesetzlich verankert und durch­set­zbar und auch ökonomisch sinnvoll ist. Der Kreditgeber ist auf So­cial-Lend­ing-Plat­tfor­men mehreren Risiken ausgesetzt:

  • Op­por­tunis­mus: Der Ver­tragspart­ner kann das Abkommen einseitig zu seinen Gunsten auslegen und in Kauf nehmen, dass der Gegenpartei (dem Investor) Mehrkosten entstehen.
  • Begrenzte Rationalität: Der Ver­tragspart­ner kann den Erfolg einer Transaktion durch un­vorherge­se­hene (da nicht rationale) Handlungen gefährden.
  • Un­sicher­heit: Der Plat­tfor­man­bi­eter kann Konkurs machen und seine Di­en­stleis­tun­gen einstellen – vor allem dem Kreditgeber wäre dadurch geschadet.
„Für eine funk­tion­ierende Zusam­me­nar­beit ist Vertrauen die Basis. Andernfalls beginnt man Sicher­heitsvorkehrun­gen aufzubauen, um sich vor op­por­tunis­tis­chem Verhalten zu schützen.“

Die beteiligten Akteure haben bei ihren Entschei­dun­gen nicht nur die aktuelle, sondern auch mögliche zukünftige In­ter­ak­tio­nen zu berücksichtigen. Langfristige Nutzenop­ti­mierung statt kurzfristiger Vorteil­snahme heißt die Devise. Das ändert jedoch nichts daran, dass die Risikoverteilung beim Social Lending streng asym­metrisch ist: Der Kred­it­nehmer trägt praktisch keinerlei Risiken, ins­beson­dere nicht gegenüber dem Kreditgeber. Die Plattform wiederum befindet sich ihm gegenüber im In­for­ma­tionsvorteil, schließlich muss der Kred­it­suchende eine Reihe sensibler Daten übermitteln. Weitaus größeren Risiken setzt sich der Kreditgeber aus: gegenüber dem Leis­tungsempfänger, der Plattform (Daten­miss­brauch, Sys­tem­risiko) und in geringerem Umfang auch gegenüber dem Markt (Zinsrisiko).

Die Optik macht’s

Einem in­ter­essierten Investor die Sorge vor diesen Risiken zu nehmen, darin liegt eine der Haup­tauf­gaben der So­cial-Lend­ing-Plat­tform. Größte Pluspunkte sind deshalb Glaubwürdigkeit und Reputation. Einer Studie zufolge kann allein schon das optische Design einer Website ein entschei­den­des Kriterium bei der Vermittlung von Glaubwürdigkeit sein, speziell bei Fi­nanz­di­en­stleis­tern. Die Gestaltung der „Verpackung“ bietet eine der wenigen Möglichkeiten, Rückschlüsse auf den Inhalt zu ziehen. Anders als physische Fi­nanz­di­en­stleis­ter haben So­cial-Lend­ing-Plat­tfor­men auch gar keine andere Möglichkeit, als Qualität, Reputation und Glaubwürdigkeit über die Gestaltung ihrer Website zu sig­nal­isieren.

„Akteure berücksichtigen auch eventuelle zukünftige In­ter­ak­tio­nen und orientieren sich somit stärker an einer langfristi­gen Nutzenop­ti­mierung als an kurzfristig gerichteten Handlungen.“

Nutzer scheint auch zu in­ter­essieren, was die Motive des Plat­tfor­man­bi­eters sind, beispiel­sweise ob diese ethisch korrekt sind oder ob es sich gar um eine gemeinnützige Or­gan­i­sa­tion handelt. Reputation als Vertrauen bildendes Element ist nicht nur für die Plattform wichtig. Beim Social Lending strahlt der Rep­u­ta­tion­s­miss­brauch eines obskuren Leis­tungsempfängers letztlich auch auf den Plat­tfor­man­bi­eter aus.

„Grundsätzlich besteht das Problem, dass die zu vertrauende Person – der Kred­it­nehmer – häufig nur einmal ein Kred­it­ge­such stellt.“

Als Hemmnis hat sich die Angst vor Daten­miss­brauch her­aus­gestellt. Bei Fi­nanz­di­en­stleis­tern werden besonders sensible Daten benötigt und vorgehalten. Ausspähversuche etwa mittels „Phishing“ werden immer häufiger. Anonymisierung und Pseudonymität sollen ver­trauliche In­for­ma­tio­nen schützen. Beim Social Lending jedoch ist das prob­lema­tisch: Während der Geldnehmer verständlicher­weise so wenig wie möglich über sich preisgeben möchte, stellt sich die Situation aus Sicht des Geldgebers genau umgekehrt dar.

Reputation: ein kostbares Gut

Das Ansehen einer Person oder Or­gan­i­sa­tion ist die Summe vergangenen Verhaltens und zukünftiger Ambitionen und kann im Fall einer In­for­ma­tion­sasym­me­trie helfen, das zukünftige Verhalten abzuschätzen. Reputation muss langwierig aufgebaut werden, kann aber rasch ruiniert werden. Es gibt mehrere Möglichkeiten der Bewertung:

  • Kon­sumenten­rat­ing: Konsumenten begutachten Produkte und Di­en­stleis­tun­gen und bewerten diese (z. B. Amazon, eBay).
  • Ex­perten­rat­ing: Hierbei bewerten Experten die Qualität, nicht jedermann hat Zugang.
  • Informelle Reputation: Eine Person verleiht einer anderen Reputation, quasi als eine Art Bürge. Eine schlechte Wahl hätte auch Auswirkun­gen auf den Bürgenden.
  • Reputation durch Markennamen: Hersteller bürgen mit ihrem Namen für die Qualität. Markennamen sind daher rechtlich geschützt.
„Aufgrund der Anonymität des Kred­it­nehmers gegenüber dem Anleger hat dieser nur eine beschränkte Möglichkeit zur Sank­tion­ierung.“

Rep­u­ta­tion­sauf­bau kann quantitativ oder qualitativ erfolgen:

  • Ranking: Rang­folgesys­teme basieren auf quan­ti­ta­tiven Maßeinheiten über das An­wen­derver­hal­ten. Diese Art des Rep­u­ta­tion­sauf­baus ist sehr zielo­ri­en­tiert und führt dazu, dass Nutzer viele Beiträge (un­ter­schiedlicher Qualität) liefern, um einen hohen Rankingwert zu erhalten.
  • Rating: Diese Form wird häufig mit der Begründung des jeweiligen Urteils verknüpft. Die Güte und nicht die Menge gibt den Ausschlag. Das wohl bekannteste Rat­ingsys­tem dieser Art bietet die Auk­tion­splat­tform eBay. Das eBay-System ist allerdings darauf angelegt, Anwender von der Abgabe einer negativen Bewertung abzuhalten, was seinen Aussagewert schmälert.

Unlösbare Auf­gaben­stel­lung

Ein grundsätzliches Problem beim Social Lending bleibt der Umstand, dass der Antrag­steller, dem man vertrauen sollte, in aller Regel nur ein einziges Mal ein Kred­it­ge­such stellt. Kommt es zu einem rep­u­ta­tion­ss­chmälernden „Zwis­chen­fall“, kann sich der Leis­tungsempfänger beim nächsten Mal ohne Weiteres bei einer anderen Plattform reg­istri­eren. Der Kreditgeber sollte durch Risikostreu­ung und -übertragung geschützt werden. Dazu zählen z. B. Ver­sicherungs­di­en­stleis­tun­gen oder plat­tform­spez­i­fis­che Aus­gle­ichs­fonds (wie etwa bei Smava). Anleger müssen mit den bere­it­gestell­ten In­for­ma­tio­nen so gut es geht auskommen und sich auf die Sank­tion­ierungsmaßnahmen durch den Plat­tfor­man­bi­eter verlassen. Welches Modell diese Schutzmech­a­nis­men am glaubwürdigsten umsetzt, wird die Zukunft zeigen.

Über den Autor

Fabian Blaesi ist Berater und Auditor für Ver­sicherun­gen bei einer renom­mierten globalen Wirtschaft­sprüfung­sun­ternehmung. Zuvor arbeitete der studierte Wirtschaftsin­for­matiker im Bereich Custody, Zahlungsverkehr & CLS bei einer Schweizer Großbank.