Der strategische Faktor Personal im Einkauf

Buch Der strategische Faktor Personal im Einkauf

Warum manche Einkaufsorganisationen erfolgreich sind – andere aber nicht

Wiley-VCH,


Rezension

Arme Einkäufer! Die Diskrepanz zwischen ihrer tatsächlichen Wichtigkeit und ihrem Image ist viel zu groß. Dies beklagen Gerd Kerkhoff und Stephan Penning in ihrem Buch. Mithilfe der Studie „Per­son­al­barom­e­ter Einkauf 2010“ haben sie die entschei­den­den Er­fol­gs­fak­toren von Unternehmen bei der Per­son­alen­twick­lung im Einkauf ausfindig gemacht. In der Folge zeigen sie, wie man mittels Tal­ent­man­age­ment die richtigen Leute findet und sie im Unternehmen hält – eine Anstrengung, die sich vor allem im ve­r­ar­bei­t­en­den Gewerbe lohnt: Schließlich hat der Einkauf dort einen besonders großen Einfluss auf die Gesamtkosten. An einigen Stellen übertreiben es die Autoren allerdings mit Con­sult­ing­phrasen, die nicht viel Konkretes vermitteln. Außerdem hat man zuweilen den Eindruck, einen Verkauf­skat­a­log mit den In­stru­menten der beteiligten Con­sult­ing­fir­men zu lesen. Trotzdem: Das Thema verdient definitiv Aufmerk­samkeit. BooksInShort empfiehlt das Buch Mi­tar­beit­ern der Per­son­al­abteilung, die mit dem Tal­ent­man­age­ment für den Einkauf betraut sind.

Take-aways

  • Der Fachkräftemangel ist auch im Einkauf deutlich zu spüren.
  • Die Einkauf­s­abteilung ist für viele er­stk­las­sige Bewerber unattraktiv.
  • Der Einkauf ist ein wichtiger Un­ternehmens­bere­ich, da die Ma­te­ri­alkosten bis zu 70 % des Umsatzes ausmachen können.
  • Die Schlüssel­po­si­tio­nen im Einkauf müssen daher gut besetzt werden – durch strate­gis­ches Tal­ent­man­age­ment.
  • Ein Kom­pe­ten­zpro­fil hilft dabei, die An­forderun­gen an die Einkäufer zu definieren.
  • Lern­bere­itschaft und Leis­tungsmo­ti­va­tion sind Top­kri­te­rien für Einkäufer.
  • Erheben Sie regelmäßig das Potenzial Ihrer Einkäufer für zukünftige Her­aus­forderun­gen.
  • Wenn Sie Defizite finden, müssen Sie passende Qual­i­fizierungsmaßnahmen ergreifen.
  • Fortbildung sollte strategie-, praxis-, bedarfs-, umsetzungs- und trans­fer­or­i­en­tiert sein.
  • Unternehmen müssen Per­sonal­mar­ket­ing sys­tem­a­tisch betreiben und Talente aufspüren.
 

Zusammenfassung

Per­son­al­barom­e­ter Einkauf

Der Einkauf wird sehr oft unterschätzt. In vielen Betrieben machen die Ma­te­ri­alkosten 50–70 Prozent des Umsatzes aus – Einkäufer haben darum Schlüssel­po­si­tio­nen inne. Die Unternehmen tun gut daran, ihre Einkäufer sys­tem­a­tisch zu qual­i­fizieren, deren Kompetenzen zu bewerten und wenn nötig neue Talente zu rekrutieren.

„Für den Un­ternehmenser­folg ist Tal­ent­man­age­ment von höchster Bedeutung.“

Worauf es bei der Per­son­alen­twick­lung im Bereich Einkauf wirklich ankommt, zeigt die Studie „Per­son­al­barom­e­ter Einkauf 2010“. Im Rahmen dieser Studie wurden über 500 Geschäftsführer und Führungskräfte im Einkauf befragt. 61 Prozent der Befragten kamen aus kleinen und mittleren Unternehmen mit weniger als 2000 Mi­tar­beit­ern. Alle wichtigen Branchen, unter anderem Industriegüter, Nahrungsmit­tel, Automobile und Transport, Handel, Telekom­mu­nika­tion und Energie, waren vertreten. Die Unternehmen wurden auf der Basis ihrer Jahresüberschüsse von 2009 und einer Selb­stein­schätzung in er­fol­gre­iche, durch­schnit­tlich er­fol­gre­iche und weniger er­fol­gre­iche Betriebe unterteilt. Das Ziel dabei war, her­auszufinden, welche Faktoren für die Gewin­nerun­ternehmen besonders wichtig sind.

Tal­ent­man­age­ment und Kom­pe­ten­zpro­fil für den Einkauf

Um die richtigen Mitarbeiter in den Einkauf zu holen, ihre Fähigkeiten zu entwickeln und sie bestmöglich zu fördern, müssen Unternehmen zunächst festlegen, welche Kompetenzen der moderne Einkäufer haben muss, um in seiner Position erfolgreich zu sein. Jedes An­forderung­spro­fil besteht aus drei Elementen:

  1. Können (Selb­st­man­age­ment, Problemlösefähigkeit, kom­mu­nika­tive Kompetenz, Führungs- und Meth­o­d­enkom­pe­tenz),
  2. Wissen (Fachken­nt­nisse, Erfahrungen, Qual­i­fika­tio­nen) und
  3. Wollen (Motivation, Be­last­barkeit, Werte, Ein­stel­lun­gen).
„Einkäufer werden zunehmend zu Kom­mu­nika­toren zwischen den Kundenwünschen und den Möglichkeiten, die eine vernetzte, globale Beschaf­fungswelt bietet.“

Im Unterschied zu den Kompetenzen versteht man unter dem Potenzial eines Menschen die in ihm schlum­mernde Befähigung, eine höhere Position auszufüllen und mit neuen An­forderun­gen umgehen zu können. Strate­gis­ches Per­sonal­man­age­ment muss dieses Potenzial erfassen, wenn es darum geht, die passenden Mitarbeiter für Stellen zu finden, deren Inhalte sich zukünftig ändern. Zu den wichtigsten Poten­zial­fak­toren im Einkauf gehören gemäß der Studie „Per­son­al­barom­e­ter Einkauf 2010“ Lern­bere­itschaft, Leis­tungsmo­ti­va­tion, un­ternehmerisches Denken und Konfliktfähigkeit. Vor allem die ersten beiden Eigen­schaften entscheiden darüber, ob ein Mitarbeiter an seinen Zielen dranbleibt und ehrgeizig seine Aufgaben erfüllt.

Kom­pe­tenz­bi­lanz und Mi­tar­beit­er­beurteilung

In der Einschätzung von Einkäufer­kom­pe­ten­zen zeigt die Per­son­al­studie bei er­fol­gre­ichen und weniger er­fol­gre­ichen Unternehmen einen deutlichen Unterschied. Die er­fol­gre­ichen Unternehmen schneiden vor allem in den Bereichen Risiko­man­age­ment, Beschaf­fungscon­trol­ling, Global Sourcing und Ver­sorgungs­man­age­ment deutlich besser ab.

„Weit­er­bil­dung hat eine große Hebel­wirkung auf die Gesamtwirtschaft.“

Wenn ein Unternehmen bestimmte strate­gis­che Kompetenzen für die Einkauf­s­abteilung ermittelt hat, wenn es also Einkäufer benötigt, die sofort oder zukünftig bestimmte Aufgaben erfüllen sollen, muss zunächst der Status quo bestimmt werden. Konkret: Welche Kompetenzen sind beim vorhandenen Einkauf­sper­sonal vorhanden und inwiefern decken sich diese mit den An­forderun­gen der Zukunft. Bestehen Defizite, müssen entsprechende Maßnahmen für die Per­son­alen­twick­lung abgeleitet werden.

„Unternehmen sollten konsequent Employer Branding in Bezug auf Einkauf­stal­ente betreiben.“

Ein Instrument der Be­stand­sauf­nahme ist der Einkäufer-Poten­zial-In­dex-Check (EPI-Check). Im Rahmen dieses Tests durch­leuchten Sie Mitarbeiter mithilfe von Interviews, Ver­hand­lungs­ge­sprächen, Mi­tar­beit­erge­sprächen, Fallstudien und Feed­back­sitzun­gen hin­sichtlich ihrer Kompetenzen und ihres Potenzials. Sämtliche Bausteine des Checks orientieren sich an konkreten und un­ternehmen­srel­e­van­ten Beispielen. Im Rahmen des Bausteins „Fallstudie“ muss der Einkäufer beispiel­sweise ein fiktives Unternehmen bewerten und wird von den Prüfern hin­sichtlich seiner Fach- und Sozialkom­pe­tenz, seiner Motive und Problemlösefähigkeiten beurteilt. Danach ordnen Sie sämtliche Mitarbeiter in eine Matrix ein, die sie hin­sichtlich ihrer Performance und ihres Potenzials bewertet. Aus den ermittelten Defiziten lassen sich anschließend Qual­i­fizierungsmaßnahmen ableiten.

Weit­er­bil­dung im Einkauf

Weit­er­bil­dung trennt die Spreu vom Weizen. Das zeigt die Studie „Per­son­al­barom­e­ter Einkauf 2010“ deutlich. Alle besonders er­fol­gre­ichen Unternehmen setzten auf die Qual­i­fizierung ihres Personals. Wenn eine Kom­pe­tenz­bi­lanz im Unternehmen existiert, werden die Defizite der Mitarbeiter meist ebenfalls of­fen­sichtlich. Der nächste Schritt ist die sys­tem­a­tis­che Qual­i­fizierung. Fünf Qualitätsmerkmale sollte jede Fortbildung für den Einkauf erfüllen:

  1. Strate­gieori­en­tierung: Vor allem in kleinen und mittleren Unternehmen wird auf strate­gis­che Planung und langfristige Marktveränderungen nicht hinreichend Rücksicht genommen. Deshalb sollten Sie bei Qual­i­fizierungsmaßnahmen immer auch die mit­tel­fristi­gen Ziele für den Einkauf und die re­sul­tieren­den An­forderun­gen an Personal und Prozesse bedenken.
  2. Be­darf­sori­en­tierung: Trainings von der Stange, die nach dem Gießkan­nen­prinzip für die ganze Abteilung anberaumt werden, verfehlen immer wieder ihr Ziel. Zu vielfältig sind die Ansprüche und zu un­ter­schiedlich ist der En­twick­lungs­be­darf der Einkäufer.
  3. Prax­isori­en­tierung: Die Weit­er­bil­dung sollte die Einkäufer nicht aus dem Tagesgeschäft reißen, sondern sie, im Gegenteil, bei der täglichen Arbeit unterstützen. Beispiel­sweise können Sie über strate­gis­che Sim­u­la­tio­nen eine aktuelle Krisen­si­t­u­a­tion erörtern und Hand­lungsalter­na­tiven durch­spie­len.
  4. Um­set­zung­sori­en­tierung: Alle Maßnahmen des Per­sonal­man­age­ments müssen aufeinander abgestimmt und mit den Qual­i­fizierungsmaßnahmen in Einklang gebracht werden. Isolierte Maßnahmen sind out, ein klarer Fokus auf die Umsetzung ist in.
  5. Trans­fer­or­i­en­tierung: Gelerntes muss umgesetzt werden, damit sich Fortbildung für das Unternehmen lohnt. Die Ermittlung des Return on Investment steht bei der Qual­i­fizierung allerdings auf wackligen Füßen, denn viele Maßnahmen wirken nur indirekt und können nicht über Kennzahlen erfasst werden. Die Lernar­chitek­tur spielt deshalb eine besonders große Rolle: Nur wenn Einkäufer bei ihrer Fortbildung anhand realer Geschäftsvorfälle geschult werden und in Trans­fer­work­shops, Mi­tar­beit­erge­sprächen und Coachings Lösungen finden, gelingt die Umsetzung des Gelernten im Einkäuferalltag.

Die besten Einkauf­s­ex­perten rekrutieren

In Deutschland hat der Fachkräftemangel dazu geführt, dass im Jahr 2009 rund 60 000 In­ge­nieursstellen nicht besetzt werden konnten. Gut aus­ge­bildete Fachkräfte fehlen überall, auch im Einkauf. Die Studie zeigt, dass diejenigen Unternehmen erfolgreich sind, denen es gelingt, vakante Leitungsstellen mit akademis­chem Nachwuchs zu besetzen. Dabei gibt es jedoch mehrere Probleme: Durch die de­mografis­che Entwicklung ist die Zahl der Bewerber rückläufig. Gle­ichzeitig leidet das Berufsfeld der Einkäufer unter einem schlechten Image, was die Ausbildung für junge Menschen wenig attraktiv erscheinen lässt. Diejenigen, die sich dafür entscheiden, finden derzeit in der deutschen Hochschul­land­schaft zu wenig adäquate Aus­bil­dungsmöglichkeiten. Und in den Unternehmen selbst läuft auch nicht alles optimal. So sind die wichtigsten Kompetenzen der zukünftigen Einkäufer häufig recht unklar. Überdies findet selten ein sys­tem­a­tis­ches internes Nach­wuchs­man­age­ment statt. Jede dieser Prob­lem­stellen gehört gründlich auf den Prüfstand. Zudem gilt es, die ver­schiede­nen Instrumente des Per­sonal­mar­ket­ings für die Rekru­tierung von Fachkräften im Einkauf zu nutzen:

  • Tal­ent-Re­la­tion­ship-Man­age­ment: Kümmern Sie sich um die frühzeitige Sichtung und den Ausbau von Talenten im Unternehmen. Viele Vakanzen lassen sich bereits langfristig vorhersehen, z. B. wenn Mitarbeiter in Rente oder ins Ausland gehen. Manchmal verlässt ein wichtiger Einkäufer natürlich auch völlig ungeplant das Unternehmen. In beiden Fällen sollten Per­sonal­man­ager vorbereitet sein und auf einen Pool an möglichen Talenten zurückgreifen können, um freie Stellen oder neu geschaffene Positionen passend zu besetzen. Um Kontakt zu poten­ziellen Bewerbern herzustellen, hat sich Hochschul­mar­ket­ing bewährt: Über Vorträge, die Teilnahme an Be­wer­ber­messen, Lehraufträge oder Stipendien lässt sich frühzeitig ein Band zu poten­ziellen neuen Mi­tar­beit­ern knüpfen. Hierfür eignen sich übrigens auch Prak­tikan­ten­pro­gramme her­vor­ra­gend – sofern die Prak­tikan­ten nicht als billige Arbeitskräfte, sondern als zukünftige Mitarbeiter betrachtet werden, zu denen der Kontakt auch nach dem Ende des Praktikums aufrechter­hal­ten wird.
  • Stel­lenanzeigen in Print- und On­lineme­dien: In den letzten Jahren sind Inserate in On­lineme­dien erheblich wichtiger geworden als herkömmliche Print­anzeigen. Allerdings werden nach wie vor 20 Prozent aller Stellen in Printmedien aus­geschrieben. Stel­lenin­ser­ate sollten Sie in jedem Fall sorgfältig planen und pro­fes­sionell texten. Sie sind eine wichtige Möglichkeit des Employer Branding, also der In­sze­nierung des Un­ternehmens als möglichst attraktive Marke.
  • E-Re­cruit­ing: Mit diesem Begriff sind sämtliche Methoden gemeint, über das Internet mit poten­ziellen Bewerbern in Kontakt zu treten. Sehr empfehlenswert istzum Beispiel ein eigenes Kar­ri­ere­por­tal auf der Un­ternehmensweb­site. Über Links von Stel­lenin­ser­aten oder Empfehlun­gen auf Hochschul­messen gelangen Bewerber auf das Portal, wo sie sich dann umfassend über das Unternehmen und seine Kar­ri­erewege informieren können. Lassen Sie Mitarbeiter, Prak­tikan­ten oder Auszu­bildende zu Wort kommen, um poten­ziellen Bewerbern schon vor der Kon­tak­tauf­nahme ein Gefühl für die Un­ternehmen­skul­tur zu vermitteln. Viele große Unternehmen haben auch gute Erfahrungen mit So­cial-Me­dia-Plat­tfor­men wie Facebook oder MySpace gemacht. Ins­beson­dere junge Bewerber lassen sich sehr gut über diese Web-2.0-An­wen­dun­gen ansprechen. Allerdings birgt das Mitmachweb auch die Gefahr, dass sich negative Meinungen über das Unternehmen (als Forumseinträge, Kommentare, Face­book-Posts usw.) schnell und unaufhalt­sam verbreiten. Mit der neuen Macht der Nutzer können viele Unternehmen noch nicht so recht umgehen.
  • Mi­tar­beit­erempfehlung­spro­gramme: Der klassische Weg der Stel­lenbe­set­zung führt über persönliche Kontakte. Mi­tar­beit­erempfehlung­spro­gramme funk­tion­ieren ähnlich: Mitarbeiter werden dazu aufge­fordert, Bewerber für eine aus­geschriebene Stelle zu finden. Kommt es zu einer Einstellung, gibt es eine Prämie. Sind die Mitarbeiter motiviert und arbeiten gerne im Unternehmen, sind sie die besten Botschafter der Firma und haben eine Überzeu­gungskraft, die jede noch so ausgefeilte Per­sonal­mar­ket­ingkam­pagne schlägt.

Über die Autoren

Gerd Kerkhoff ist geschäftsführender Gesellschafter der Un­ternehmens­ber­atung Kerkhoff Consulting und Autor mehrerer Bücher. Stephan Penning ist geschäftsführender Gesellschafter der Per­son­al­ber­atung Penning Consulting.