Die Macht des Bauchgefühls
Trading ist vergleichbar mit einer Partie Poolbillard. Je mehr man über jeden einzelnen Stoß nachdenkt, desto schlechter spielt man letztlich. Übertriebenes Nachdenken kann schaden. Insofern ist es am besten, auf sein Bauchgefühl zu hören und den Stoß zügig auszuführen. Ähnlich wie erfolgreiche Billardspieler agieren auch die besten Trader unserer Zeit. Von George Soros ist bekannt, dass er auf seine Intuition hört. So schrieb er in seiner Autobiografie, er achte auf seine „animalischen Instinkte“. Dank seiner Intuition weiß Soros beispielsweise, wenn der Markt vor einer Korrektur steht.
„Bewusste Entscheidungen stehen einer Spitzenperformance zwangsläufig im Weg.“
Untersuchungen der Psychologie und Neurologie haben gezeigt, dass unser Bauchgefühl ein starkes Werkzeug zur Entscheidungsfindung ist. Unser Gehirn verarbeitet Tausende Informationen und Erfahrungen in Sekundenschnelle. Die Verarbeitung dieser Informationen findet in der rechten Gehirnhälfte statt – sie erzeugt das so genannte Bauchgefühl. Das Besondere daran ist, dass wir die Gründe, warum wir so und nicht anders entschieden haben, nicht benennen können. Worauf ist das zurückzuführen? Wir verarbeiten eine Vielzahl von Erfahrungen, die uns nicht bewusst sind. Manche unserer Annahmen beruhen aber genau auf diesen verborgenen Erfahrungsschätzen. Im Gegensatz dazu dient die linke Gehirnhälfte der Analyse, der Ordnung und dem linearen Denken. Hier ordnen wir die Welt in Strukturen und schaffen ein klares, logisches System. Wir legen Kategorien an, bilden Theorien und bringen alles, was wir erlebt haben, in geordnete Bahnen und in eine Reihenfolge. Leider geraten rechte und linke Gehirnhälfte, intuitives und analytisches Denken nicht selten miteinander in Konflikt.
„Das Beste am Bauchgefühl ist, dass es uns Zeitverschwendung mit der falschen Methode erspart und unseren bewussten, rationalen Verstand auf das wirklich Wichtige konzentriert.“
Beim Großen Preis von Monaco, einem der berühmtesten Autorennen der Welt, vertraute der Argentinier Juan Manuel Fangio im Jahr 1950 auf seine Intuition: Als er aus dem Tunnel ans Tageslicht fuhr, bremste er, statt zu beschleunigen, und warnte die nachfolgenden Autos mit seiner Hand. So vermied er einen Auffahrunfall. Vor ihm waren in einer nicht einsehbaren Kurve acht Fahrzeuge ineinandergefahren. Wie hatte er das ahnen können? Anhand der aufgeregten Gesichter der Zuschauer, die in Richtung des Unfalls blickten statt auf seinen Rennwagen. Der Fall zeigt, dass Intuition durchaus rational sein kann. Sie ist alles andere als eine primitive Form der Entscheidungsfindung. Das Gute an der Intuition ist, dass sie blitzschnell eine Entscheidung liefert – ideal für hektische Märkte, wenn man keine Zeit hat, die Lage zu analysieren.
Rechte und linke Gehirnhälfte beim Traden
Forscher aus der Computerwissenschaft bildeten in den 70er und 80er Jahren das Gehirn mit simulierten Nervenzellen nach. Mittels eines Softwareprogramms schufen sie künstliche neuronale Netze. Diese funktionierten wie unsere rechte Gehirnhälfte: Sie kamen zwar zu schnellen Entscheidungen, niemand wusste jedoch, worauf diese basierten. Beim Menschen hängen Entscheidungen von der Persönlichkeit ab. Der Psychologe und Psychiater Carl Gustav Jung untersuchte deshalb die Persönlichkeiten von Menschen. Er teilte die Individuen nach ihren Gedanken und Gefühlen ein. Im Kern unterschied er die Probanden danach, wie sie die rechte und die linke Gehirnhälfte nutzten.
„Das Wissen, dass der Kurs ein psychologisches Phänomen ist, ist entscheidend für das Verständnis der Marktstruktur.“
Die größte Gruppe der Trader bilden die Systemtrader, die ausschließlich mit der linken Gehirnhälfte arbeiten. Ihre Entscheidungen basieren auf bestimmten Regeln, sie wissen also genau, warum sie ihre Trades durchführen. Für extrem kurzfristiges Trading braucht man jedoch die rechte Gehirnhälfte, denn für umfangreiche Analysen ist keine Zeit. Swingtrader wiederum, die Engagements für ein paar Tage oder Wochen eingehen, setzen das gesamte Gehirn ein.
Fluch und Segen der Intuition
Viele große Entdeckungen basieren auf der Intuition, beispielsweise der Impfstoff gegen Polio (Kinderlähmung). Jonas Salk entwickelte ihn in den 1950er Jahren aus abgestorbenen Viren. Die renommiertesten Forscher arbeiteten damals nur mit aktiven Virenstämmen. Salk hörte jedoch auf sein Bauchgefühl und kam auf die Idee mit den deaktivierten Viren.
„Einer der nach meiner Beobachtung verbreitetsten Fehler bei Tradern ist der, dass sie jeden möglichen Trade durchführen wollen.“
Das Gute am Bauchgefühl ist, dass es Ihnen jede Menge Zeit spart, da Sie Wege, die keinen Erfolg versprechen, gar nicht erst einschlagen. Um auf Ihr Bauchgefühl hören zu können, müssen Sie jedoch einiges erlebt haben, denn es speist sich aus Erfahrungen. Als Trader müssen Sie sich davor hüten, statt auf Ihre Erfahrung zu sehr auf aktuelle Nachrichten zu hören. An der Börse werden täglich Meldungen produziert, die kaum einen Wert haben. Solche Nachrichten werden lediglich lanciert, um die Zeitungen und die TV-Sendungen zu füllen. Ignorieren Sie sie. Als guter Trader müssen Sie sich auf die wirklich wichtigen Aspekte konzentrieren und nicht auf das belanglose Kurzfutter, das Ihnen jeden Tag aufgetischt wird. Auch sollten Sie nicht blindlings auf Gurus hören, schalten Sie lieber Ihr eigenes Gehirn ein. Trader, die überwiegend mit der rechten Gehirnhälfte arbeiten, haben den Vorteil, dass sie kreativ sind und viele neue Ideen entwickeln. Ein strukturierter Trader würde solche Ideen vielleicht gar nicht umsetzen, weil er keinen vernünftigen Grund dafür sähe. Kreativität kann Fluch und Segen zugleich sein: ein Segen, weil man früh gewisse Trends erkennt, die andere nicht sehen; ein Fluch, weil unerfahrene Kreative oft von falschen Annahmen ausgehen und dann mit ihren Tradingwetten Verluste einfahren.
Gute und schlechte Trader
An der Börse lässt sich sehr viel Geld verdienen, weil die Menschen am liebsten in Gruppen agieren. Es ist ein natürliches Bedürfnis, gleichgerichtet mit anderen zu handeln, und das wird sich niemals ändern. Insofern sollten Sie sich mit Massenphänomenen beschäftigen, die auf immer gleichen Mustern beruhen. Außerdem müssen Sie sich klarmachen, dass die meisten Trader Geld verlieren. Daraus wiederum lässt sich ableiten, dass man anders als die Masse der Trader handeln muss. Wollen Sie der Herde nicht folgen, haben Sie zwei Möglichkeiten: Sie bleiben ihr fern, agieren also passiv, oder Sie stemmen sich ihr entgegen. Der Irrglaube, dass das, was die Masse macht, gefahrlos sein muss, ist weit verbreitet. Aus unserem sozialen Umfeld nehmen wir ständig Anregungen auf und folgen diesen. Dies wird als Mitläufereffekt bezeichnet – ein gefährliches Phänomen, führt es doch zu Spekulationsblasen, die später wiederum panikartige Verkaufswellen zur Folge haben.
„Wenn Ihnen Ihre Intuition bezüglich einer bestimmten Handlung oder einer persönlichen Beziehung Warnsignale aufzeigt, dann rate ich Ihnen dringend, diese Anzeichen nicht zu ignorieren.“
Noch etwas müssen Sie ablegen, nämlich die Angst. Wer als Trader stets Risiken vermeiden will, wird nicht erfolgreich sein. Erfolgreiche Trader gehen bewusst Risiken ein, sie sehen sie als Chancen. Allein die Tatsache, dass ein Trade Ihnen aufgrund der Risiken schwerfällt, spricht dafür, dass viele andere das gleiche Problem haben und den Trade nicht ausführen werden – und dass Sie also möglicherweise zu den wenigen Gewinnern zählen könnten.
„Ihr Verstand und Ihr Instinkt müssen sich auf halbem Weg treffen und einander unterstützen, wenn Sie eine optimale Leistung erreichen wollen.“
Was machen erfolglose Trader falsch? Einerseits steigen sie zu spät ein, wenn sich Chancen bieten. Andererseits verlassen sie einen Trade zu langsam, wenn sich die Chancen verflüchtigt haben. Gute Trader steigen ein, bevor sich ein klarer Trend abzeichnet. Man muss auch akzeptieren, dass man ab und zu danebenliegt. Die Kunst ist es, Verluste frühzeitig zu realisieren und nicht so lange zu warten, bis sich der Verlust zu einer großen Summe ausgewachsen hat. Exzellente Trader sind entscheidungsfreudig. Sie führen ihre Trades zügig aus und haben eine starke Überzeugung. Der Masse der Trader fällt genau das schwer.
Die Struktur der Märkte
Es ist wichtig, über die Struktur der Märkte Bescheid zu wissen. Gute Trader beobachten den gesamten Markt und richten ihre einzelnen Transaktionen darauf aus. Sie entdecken Kursmuster und nutzen diese Kenntnisse zu ihrem Vorteil. Kurse spiegeln eine psychologische Grundstimmung wider. Zu dramatischen Kursstürzen kommt es z. B., wenn Anleger panikartig aussteigen. Bei einer solchen Massenflucht lohnt es sich, einfach abzuwarten, bis sich der Staub gelegt und der Kurs sich aufgefangen hat, um dann einzusteigen. Grundsätzlich gibt es zwei Stimmungsbilder: die Marktträgheit und das Momentum. Beim Momentum jagt der Kurs machtvoll in eine Richtung, angetrieben von einer Kettenreaktion. Diese Treibjagd endet wie bei einem Buschfeuer, wenn das Brennholz ausgeht. Alles dreht sich an den Märkten um Zyklen: Die Dinge kommen und gehen. Die Kurse bewegen sich so lange in eine bestimmte Richtung, bis sie eine Pause einlegen, um danach in die andere Richtung zu drehen. Je nachdem haben die Optimisten oder die Pessimisten die Oberhand.
„Setzen Sie nicht zu viel ein – dann leiden Sie nicht so sehr, wenn sich eine Entscheidung als falsch erweist.“
Unterstützungs- und Widerstandslinien in Kurscharts sind sehr wichtig für den Trader. Solche Linien zeichnen sich ab, wenn ein bestimmter Kurs für mehrere Tage nicht über- oder unterboten wird. Nach oben hin bildet sich der Widerstand aus, der den Kurs nicht ausbrechen lässt, und nach unten hin begrenzt die Unterstützung den weiteren Kursverfall. Es scheint, als ob der Kurs stets an diesen Linien abprallt. Ein anderes Kursmuster ist der vertikale Anstieg: Wenn der Kurs für mehrere Tage kerzengerade anzieht, ist Vorsicht geboten, denn solche emotionalen Kursexplosionen enden immer mit einem Rückfall.
Geschick beim Trading
Die Trendfolgemethode eignet sich für die meisten Trader nicht, weil sie zu wenig Geld haben und weil sie Rückschläge emotional nicht verkraften. Für den Großteil der Trader ist das Swingtrading ideal, das jeweils einen Horizont von ein paar Tagen hat. Hierbei bleibt genug Zeit für andere Dinge wie Job und Hobbys. Daytrading dagegen ist zu zeitintensiv, es ist im Grunde ein Vollzeitjob. Gute Trader wissen, dass Kurse nicht rational entstehen, sondern von den Gefühlen der Menschen bestimmt werden. Die daraus folgenden unkorrekten Preisbildungen können Sie zu Ihrem Vorteil nutzen, wenn Sie diese psychologischen Marktphänomene studieren. Wenn Kurse in die Höhe schnellen, können Sie auf eine Rückkehr wetten. Vorsicht: Unter Tradern besteht die falsche Annahme, je mehr Trades man durchführe, desto besser. Weniger ist manchmal mehr! Machen Sie wenige, aber dafür richtig gute Trades. Ein ideales Modell ist die Rebound-Swing-Methode. Die Kernidee ist, an der Unterstützungslinie, also bei einem tiefen Kurs, einzusteigen und dann abzuwarten, bis der Kurs nach oben – bis zur Widerstandslinie – ausbricht. Grundvoraussetzung ist: Der Kurschart hat eine starke Widerstands- bzw. Unterstützungszone. Es muss eine deutliche Differenz zwischen beiden Linien bestehen, damit sich der Trade lohnt.
Vier Grundregeln fürs Trading
Sie müssen beim Trading ständig die Risiken im Auge behalten, insofern sollten Sie nicht zu viel aufs Spiel setzen. Die Hebelwirkung ist unbedingt zu begrenzen, damit Sie im schlimmsten Fall nicht alles verlieren. Außerdem ist es wichtig, die Strategie so einfach wie möglich zu halten. Wenn Sie anfangen, sind vier Grundregeln zu befolgen:
- Untersuchen Sie das Marktumfeld daraufhin, ob der Zeitpunkt gut für Long- oder Shortpositionen ist.
- Die Aktien müssen in dieses Umfeld passen. Ideal sind natürlich sehr liquide Wertpapiere, mit denen Sie Kauf- und Leerverkaufspositionen aufbauen können.
- Legen Sie im Vorfeld bestimmte Kurspunkte fest, bei denen Sie in Aktion treten.
- Bereiten Sie Ihre Aufträge vor, um schnell agieren zu können, wenn es so weit ist.