Die Macht der Kreativität
Für die Unternehmen der Zukunft wird Kreativität ein entscheidender Erfolgsfaktor sein. Schon heute haben viele Topunternehmen ihre Stellung einer überdurchschnittlichen Innovationskraft zu verdanken. Dieser Trend wird noch zunehmen.
Auch wenn Sie sich dieser Zusammenhänge bewusst sind, wissen Sie sicher aus Erfahrung, dass man Ideen nicht auf Befehl produzieren kann. Als Manager haben Sie aber durchaus die Möglichkeit, Rahmenbedingungen zu schaffen, die es Ihren Mitarbeitern erleichtern, kreativ zu sein und Ideen zu entwickeln. Gleichzeitig gilt es, Prozesse, die die Ideenfindung behindern, möglichst einzuschränken. Denkprozesse funktionieren anders als Produktionsprozesse und benötigen ihr eigenes Umfeld.
Sie brauchen eine Innovationskultur
Unternehmen wie Google, Disney, Microsoft oder auch der indische Autobauer Tata sind in mancherlei Hinsicht grundverschieden. Sie haben aber zwei Dinge gemeinsam: Sie fördern mit aller Konsequenz eine Innovationskultur – und damit sind sie außergewöhnlich erfolgreich.
„Die weltweit innovativsten Unternehmen haben Kreativität tief in ihrer DNA verankert.“
Oft wird die Aufgabe des Innovationsmanagements missverstanden. Die Methoden und Prozesse anderer Unternehmen lassen sich leicht kopieren. Was aber nicht kopiert werden kann und von entscheidendem Einfluss auf die Kreativität in Ihrem Unternehmen ist, ist eine einzigartige, kreativitätsfördernde Kultur.
„Ein Team, von dem nur das Mögliche verlangt wird, wird selten das Unmögliche schaffen.“
Ein weiteres Missverständnis besteht darin, dass es bei der Kreativität darum gehen soll, eine wohlige Arbeitsumgebung für die Mitarbeiter zu schaffen. Was Sie ändern müssen, sind jedoch die Arbeitsstrukturen und Führungsphilosophien, nicht die Inneneinrichtung. Um eine kreativitätsfreundliche Atmosphäre zu schaffen, brauchen Sie nicht gleich alles in Ihrem Unternehmen zu verändern. Die koreanische Firmenzentrale von Samsung wird weiterhin im traditionellen Stil geführt. Gleichzeitig unterhält das Unternehmen aber international verteilte Designzentren, in denen ganz andere, kreativ stimulierende Arbeitsbedingungen herrschen. Ähnlich Nokia: Das Unternehmen hat vier Forschungszentren mit vier unterschiedlichen Unternehmenskulturen.
„Nicht regieren, sondern inspirieren. Nicht anordnen, sondern befähigen. Konstruktive Auseinandersetzungen nicht verhindern, sondern ermutigen. Und Mitarbeiter zu neuen Ideen, Innovationen und Spaß animieren.“
Sie können also durchaus parallel zu konservativeren Unternehmensteilen kreativitätsfördernde Strukturen einrichten. Sie brauchen nicht alle bewährten Prozesse im Unternehmen umzukrempeln. Es genügt oft, wenn Sie neben den üblichen Strukturen einen Bereich schaffen, in dem sich einige Ihrer Mitarbeiter unter kreativitätsfördernden Bedingungen mit neuen Ideen befassen können.
Die fünf Ebenen einer kreativen Kultur
Kreativität kann Ihrem Unternehmen entscheidende Wettbewerbsvorteile verschaffen. Es reicht aber nicht aus, die Zuständigkeit für Kreativität allein an eine Abteilung oder gar nur einen Mitarbeiter zu delegieren. Damit Kreativität im Unternehmen zur Realität wird, muss sie fest in der gesamten Kultur Ihres Unternehmens verankert werden. Setzen Sie bei den folgenden Punkten an:
- Kompromisslose Innovation: Eine kreative Kultur lebt nicht von kleinen, graduellen Veränderungen. Sie braucht radikale Innovationen, die teilweise sogar über die eigentlichen Unternehmensziele hinausgehen und ganze Branchen sowie das Leben der Kunden verändern können. Innovationen sollen ständig vorangetrieben werden – unabhängig von der wirtschaftlichen Lage oder den gerade herrschenden äußeren Rahmenbedingungen. Apple, Google oder Research in Motion sind Unternehmen, die diese Kriterien erfüllen, aber auch Autohersteller Fiat gehört dazu.
- Magische Werte: „Glaube daran, dass du die Welt verändern kannst“ – das ist einer der Unternehmensgrundsätze von Hewlett-Packard. Solche Werte werden im Unternehmen ständig wiederholt und entfalten dadurch eine unterschwellige Wirkung. Ein Motto von Virgin lautet: „Pionier sein, nicht dem Pionier folgen.“ Solche Visionen wecken Träume und tief sitzende Wünsche von Mitarbeitern – Voraussetzung ist allerdings, dass sie einzigartig und authentisch sind.
- Das Prinzip Denkfabrik: Wichtig ist, aus der Tretmühle mit ihren vorgefertigten Abläufen auszubrechen und kreative Denk- und Arbeitsstrukturen zu schaffen. Um kreativ denken zu können, brauchen Menschen Zeit und Freiheit. Oft ist dafür ein neues Verständnis von Hierarchie nötig. Bei Microsoft herrscht, auch in Deutschland, ein lockerer Dresscode, und man duzt sich auf allen Ebenen. Vor der Entwicklung von Windows 7 wurde die Hälfte der Hierarchieebenen abgeschafft.
- Kreative Dream-Teams: Dream-Teams sind kleine, bereichsübergreifende Teams mit Mitgliedern unterschiedlichen Hintergrunds und einer Vielfalt an Perspektiven. Bei Amazon gilt das Motto: „Wenn du ein Team mit zwei Pizzas nicht satt bekommst, ist es zu groß.“ Bei der Entwicklung der erfolgreichen Spielkonsole Wii trat Nintendo absichtlich nicht gegen Sony oder Microsoft an, sondern setzte sich das Ziel, Kunden zu gewinnen, die eigentlich kein Interesse an Videospielen haben. Es wurden knapp 20 Teams mit jeweils drei Mitarbeitern geschaffen, die neue Peripheriegeräte für bestehende Spiele entwickeln sollten. Das Resultat waren einige bahnbrechende Entwürfe.
- Schaffung einer Risiko- und Experimentierkultur: Die Möglichkeit des Scheiterns gehört zu jedem kreativen Entwicklungsprozess. Echte Innovationen verändern Kundenbedürfnisse oder wecken sie überhaupt erst. Dabei wird notwendigerweise Neuland betreten. Mike Lazaridis, einer der Gründer von Research in Motion, vertritt die „Neun-von-zehn-Regel“: Er erwartet, dass nur eine von zehn Ideen – z. B. für eine neue Funktion oder Anwendung – funktioniert, und oft ergibt sich diese funktionierende Idee gerade aus den Erfahrungen, die mit den anderen neun gemacht worden sind.
Machen Sie es wie Edison
Thomas Edison wurde vor allem mit seiner Erfindung der Glühbirne weltbekannt. Er verließ sich nicht auf gelegentliche Geistesblitze, sondern richtete sich beim Erfinden nach einem System. Dieses folgte sechs Schritten (deren Anfangsbuchstaben seinen Namen ergeben):
- Erfolgschancen erkennen: Erfolgreiche Innovationen sind meistens geniale Problemlösungen. Der Schlüssel dazu ist Problemsensitivität. Es ist eine Sache, Symptome zu erkennen, z. B. aufgrund von Kundenbeschwerden. Eine andere ist es, das zugrunde liegende Problem zu identifizieren. Erst wenn Ihnen das gelingt, sehen Sie, wo das Potenzial für Innovationen liegt. Übertragen Sie das Finden solcher Potenziale den „kreativ Unzufriedenen“ – den Mitarbeitern, die in Problemen die Chance zu Verbesserungen sehen.
- Denkautobahn verlassen: Wenn es um neue Ideen geht, ist es fatal, nur in den Kategorien Falsch und Richtig zu denken. Stattdessen geht es darum, ungewöhnliche Fragestellungen aufzuwerfen. Sie brauchen die Fähigkeit, mit Mehrdeutigkeit umgehen zu können. Nur so werden Sie neben den anscheinend offensichtlichen auch alternative Lösungswege erkennen, die nicht selten besser sind.
- Inspirationen suchen: Haben Sie Mitarbeiter in Ihrem Team, die regelmäßig alle möglichen Ideen aufsaugen und dann in der Lage sind, diese auch in einem anderen Zusammenhang einzusetzen? Thomas Edison war ein solcher Mensch. Er war offen für Ideen aus dem Bergbau, der Chemie, der Biologie oder der Elektrotechnik. Und er war in der Lage, sie auf ungewöhnliche Weise in anderen Bereichen einzusetzen. Die zugrunde liegende Fähigkeit ist das Denken in Analogien, das unkonventionelle Vernetzen von Wissen aus vielen Bereichen.
- Spannung erzeugen: Edison setzte auch „kaleidoskopisches Denken“ ein, d. h. er verband neue Fragestellungen mit neuen Inspirationen, um so zu neuen Ideen zu kommen. Eine große Anzahl von Ideen führt zu einer Art Ideendruck, was die Chance für einen genialen Geistesblitz erhöht. Der Übergang von unterschiedlichen Inspirationen zu einer konkreten Idee ist vor allem Menschen möglich, die eine „niedrige assoziative Barriere“ haben, die also leicht von einem Gedanken zum nächsten springen können.
- Ordnen und Optimieren: Wenn Edison an eine Idee glaubte, war er bereit, ihre Umsetzung mit endloser Geduld zu verfolgen. Bei der Erfindung der Glühbirne führte er 9000 Versuche durch, beim Akku ungefähr 20 000. Auf dieser Stufe des Optimierens braucht es einen typischen Tüftler mit extrem hoher Frustrationstoleranz.
- Nutzen maximieren: Schon lange vor Edison gab es Entwürfe für Glühbirnen von anderen Erfindern; gleichzeitig mit ihm arbeiteten etwa 20 Forscherteams an der Idee. Was Edisons Erfindung auszeichnete, war sein Blick für das Ganze. Er wusste, dass der Einsatz einer Glühbirne ein Gesamtsystem aus elektrischen Leitungen und Generatoren sowie Stromzählern und Sicherungen erforderte. Und natürlich mussten auch Glühbirnenfabriken gebaut werden. Die Fähigkeit, in großen Zusammenhängen zu denken, wird als systemisches und vernetztes Denken bezeichnet. Visionäre Manager wie Steve Jobs haben sie.
„Das, was Sie operativ stark gemacht hat, macht Sie kreativ schwach.“
Auch wenn Edison alle sechs Punkte abdeckte, hatte er seine besonderen Stärken: Während er sich auf die Entwicklung neuer Ideen konzentrierte, überließ er das Tüfteln, d. h. das Optimieren durch endlose Experimente, meistens seinen Mitarbeitern. Achten Sie in Ihrem Unternehmen darauf, dass die Gesamtheit eines Teams stets allen sechs Aspekten gerecht wird.
Der Nutzen der Kreativität
Es ist offensichtlich, dass Innovationen für Unternehmen, die im kreativen Wettbewerb stehen, wichtig sind. Betroffen ist aber nicht nur die Produktentwicklung. Auch die Einführung innovativer interner Prozesse kann Wettbewerbsvorteile schaffen. Ein Buchhalter mit neuen Ideen kann dabei helfen, die Prozesse zu verschlanken und den Verwaltungsaufwand zu senken. Kreativität in der Personalabteilung kann dazu führen, dass neue, effektive und kostengünstige Kommunikationswege zur Gewinnung von qualifizierten Mitarbeitern gefunden werden – oder effektive und kostengünstige Weiterbildungsmethoden. Selbst im Aufsichtsrat ist Kreativität wertvoll, vor allem wenn Ihr Unternehmen gerade vor großen Herausforderungen steht.
„Kreativität ist nicht das Ziel, sondern der Weg dahin.“
Behalten Sie immer im Gedächtnis, dass Kreativität nie Selbstzweck ist. Sie ist der Weg, ehrgeizige Ziele zu erreichen. Leiten Sie die Kreativität Ihrer Mitarbeiter in die richtigen Bahnen. Schaffen Sie eine Kultur, in der sie mit Mut und Begeisterung diese hohen Ziele anstreben können.