Kreativ trotz Krawatte

Buch Kreativ trotz Krawatte

Vom Manager zum Katalysator – Wie Sie eine Innovationskultur aufbauen

BusinessVillage,


Rezension

Kreativ trotz Krawatte bietet einen auf­schlussre­ichen Einblick in die In­no­va­tion­swelt führender Unternehmen. Man merkt, dass Autor Jens-Uwe Meyer praktische Erfahrung mit dem Thema hat: Er ist Kreativitätsberater großer Firmen. Für neue Ideen und fort­laufende In­no­va­tio­nen zu sorgen, gehört zu den wichtigsten Man­age­men­tauf­gaben, sagt er, nicht nur bei den Produkten und Di­en­stleis­tun­gen, sondern auch bei den internen Abläufen und Prozessen. Natürlich kommen bahn­brechende Ideen nicht auf Knopfdruck, aber Meyer zeigt, dass sie praktisch von selbst zu sprießen beginnen, wenn ein kreativitäts­fre­undliches Ar­beit­sklima herrscht. Das Buch bietet dazu eine Fülle von Tipps – direkte, handfeste, und indirekte in Form von Beispielen. Die betont lockere Art, wie sie geordnet (oder eben gerade ungeordnet) sind, mag bisweilen verwirren, aber sie regt auch an: Man hüpft vom einen Thema zum anderen und wird so quasi gezwungen, gedankliche Brücken zu schlagen. BooksInShort empfiehlt das Buch allen Managern, die bei sich selbst und bei ihren Mi­tar­beit­ern ein Kreativitätsdefizit di­ag­nos­tizieren – und es beheben wollen.

Take-aways

  • Kreativität wird zunehmend zum un­ternehmerischen Wet­tbe­werb­svorteil.
  • Nicht graduelle Verbesserun­gen sind gefragt, sondern radikale In­no­va­tio­nen.
  • Echte In­no­va­tio­nen verändern Kundenbedürfnisse oder wecken neue.
  • Gehen Sie Kun­den­prob­le­men auf den Grund – hier liegt Potenzial für In­no­va­tio­nen.
  • Eine kreative Kultur pflegen heißt Risikobere­itschaft und Ex­per­i­men­tier­freude erzeugen.
  • Menschen, die kreativ sein sollen, brauchen Zeit und Freiraum zum Nachdenken.
  • Kreative Teams dürfen nicht zu groß sein.
  • Betrauen Sie „kreativ un­zufriedene“ Mitarbeiter mit der Ideensuche – Leute, die Probleme als Chancen wahrnehmen.
  • Ein wichtiges Instrument ist das Denken in Analogien, das un­kon­ven­tionelle Vernetzen von Wissen aus vielen Bereichen.
  • Kreativität kann nicht nur die Pro­duk­ten­twick­lung, sondern auch un­ternehmensin­terne Prozesse effektiv und kostengünstig machen.
 

Zusammenfassung

Die Macht der Kreativität

Für die Unternehmen der Zukunft wird Kreativität ein entschei­den­der Er­fol­gs­fak­tor sein. Schon heute haben viele Top­un­ternehmen ihre Stellung einer überdurch­schnit­tlichen In­no­va­tion­skraft zu verdanken. Dieser Trend wird noch zunehmen.

Auch wenn Sie sich dieser Zusammenhänge bewusst sind, wissen Sie sicher aus Erfahrung, dass man Ideen nicht auf Befehl produzieren kann. Als Manager haben Sie aber durchaus die Möglichkeit, Rah­menbe­din­gun­gen zu schaffen, die es Ihren Mi­tar­beit­ern erleichtern, kreativ zu sein und Ideen zu entwickeln. Gle­ichzeitig gilt es, Prozesse, die die Ideen­find­ung behindern, möglichst einzuschränken. Denkprozesse funk­tion­ieren anders als Pro­duk­tion­sprozesse und benötigen ihr eigenes Umfeld.

Sie brauchen eine In­no­va­tion­skul­tur

Unternehmen wie Google, Disney, Microsoft oder auch der indische Autobauer Tata sind in mancherlei Hinsicht grund­ver­schieden. Sie haben aber zwei Dinge gemeinsam: Sie fördern mit aller Konsequenz eine In­no­va­tion­skul­tur – und damit sind sie außergewöhnlich erfolgreich.

„Die weltweit in­no­v­a­tivsten Unternehmen haben Kreativität tief in ihrer DNA verankert.“

Oft wird die Aufgabe des In­no­va­tion­s­man­age­ments missver­standen. Die Methoden und Prozesse anderer Unternehmen lassen sich leicht kopieren. Was aber nicht kopiert werden kann und von entschei­den­dem Einfluss auf die Kreativität in Ihrem Unternehmen ist, ist eine einzi­gar­tige, kreativitätsfördernde Kultur.

„Ein Team, von dem nur das Mögliche verlangt wird, wird selten das Unmögliche schaffen.“

Ein weiteres Missverständnis besteht darin, dass es bei der Kreativität darum gehen soll, eine wohlige Ar­beit­sumge­bung für die Mitarbeiter zu schaffen. Was Sie ändern müssen, sind jedoch die Ar­beitsstruk­turen und Führungsphiloso­phien, nicht die Innenein­rich­tung. Um eine kreativitäts­fre­undliche Atmosphäre zu schaffen, brauchen Sie nicht gleich alles in Ihrem Unternehmen zu verändern. Die koreanische Fir­men­zen­trale von Samsung wird weiterhin im tra­di­tionellen Stil geführt. Gle­ichzeitig unterhält das Unternehmen aber in­ter­na­tional verteilte De­signzen­tren, in denen ganz andere, kreativ stim­ulierende Ar­beits­be­din­gun­gen herrschen. Ähnlich Nokia: Das Unternehmen hat vier Forschungszen­tren mit vier un­ter­schiedlichen Un­ternehmen­skul­turen.

„Nicht regieren, sondern inspirieren. Nicht anordnen, sondern befähigen. Kon­struk­tive Au­seinan­der­set­zun­gen nicht verhindern, sondern ermutigen. Und Mitarbeiter zu neuen Ideen, In­no­va­tio­nen und Spaß animieren.“

Sie können also durchaus parallel zu kon­ser­v­a­tiv­eren Un­ternehmen­steilen kreativitätsfördernde Strukturen einrichten. Sie brauchen nicht alle bewährten Prozesse im Unternehmen umzukrem­peln. Es genügt oft, wenn Sie neben den üblichen Strukturen einen Bereich schaffen, in dem sich einige Ihrer Mitarbeiter unter kreativitätsfördernden Bedingungen mit neuen Ideen befassen können.

Die fünf Ebenen einer kreativen Kultur

Kreativität kann Ihrem Unternehmen entschei­dende Wet­tbe­werb­svorteile verschaffen. Es reicht aber nicht aus, die Zuständigkeit für Kreativität allein an eine Abteilung oder gar nur einen Mitarbeiter zu delegieren. Damit Kreativität im Unternehmen zur Realität wird, muss sie fest in der gesamten Kultur Ihres Un­ternehmens verankert werden. Setzen Sie bei den folgenden Punkten an:

  1. Kom­pro­miss­lose Innovation: Eine kreative Kultur lebt nicht von kleinen, graduellen Veränderungen. Sie braucht radikale In­no­va­tio­nen, die teilweise sogar über die eigentlichen Un­ternehmen­sziele hinausgehen und ganze Branchen sowie das Leben der Kunden verändern können. In­no­va­tio­nen sollen ständig vo­r­angetrieben werden – unabhängig von der wirtschaftlichen Lage oder den gerade herrschen­den äußeren Rah­menbe­din­gun­gen. Apple, Google oder Research in Motion sind Unternehmen, die diese Kriterien erfüllen, aber auch Au­to­her­steller Fiat gehört dazu.
  2. Magische Werte: „Glaube daran, dass du die Welt verändern kannst“ – das ist einer der Un­ternehmensgrundsätze von Hewlett-Packard. Solche Werte werden im Unternehmen ständig wiederholt und entfalten dadurch eine un­ter­schwellige Wirkung. Ein Motto von Virgin lautet: „Pionier sein, nicht dem Pionier folgen.“ Solche Visionen wecken Träume und tief sitzende Wünsche von Mi­tar­beit­ern – Vo­raus­set­zung ist allerdings, dass sie einzigartig und authentisch sind.
  3. Das Prinzip Denkfabrik: Wichtig ist, aus der Tretmühle mit ihren vorge­fer­tigten Abläufen auszubrechen und kreative Denk- und Ar­beitsstruk­turen zu schaffen. Um kreativ denken zu können, brauchen Menschen Zeit und Freiheit. Oft ist dafür ein neues Verständnis von Hierarchie nötig. Bei Microsoft herrscht, auch in Deutschland, ein lockerer Dresscode, und man duzt sich auf allen Ebenen. Vor der Entwicklung von Windows 7 wurde die Hälfte der Hi­er­ar­chieebe­nen abgeschafft.
  4. Kreative Dream-Teams: Dream-Teams sind kleine, bereichsübergreifende Teams mit Mitgliedern un­ter­schiedlichen Hin­ter­grunds und einer Vielfalt an Per­spek­tiven. Bei Amazon gilt das Motto: „Wenn du ein Team mit zwei Pizzas nicht satt bekommst, ist es zu groß.“ Bei der Entwicklung der er­fol­gre­ichen Spielkon­sole Wii trat Nintendo absichtlich nicht gegen Sony oder Microsoft an, sondern setzte sich das Ziel, Kunden zu gewinnen, die eigentlich kein Interesse an Videospie­len haben. Es wurden knapp 20 Teams mit jeweils drei Mi­tar­beit­ern geschaffen, die neue Pe­riph­eriegeräte für bestehende Spiele entwickeln sollten. Das Resultat waren einige bahn­brechende Entwürfe.
  5. Schaffung einer Risiko- und Ex­per­i­men­tierkul­tur: Die Möglichkeit des Scheiterns gehört zu jedem kreativen En­twick­lung­sprozess. Echte In­no­va­tio­nen verändern Kundenbedürfnisse oder wecken sie überhaupt erst. Dabei wird notwendi­ger­weise Neuland betreten. Mike Lazaridis, einer der Gründer von Research in Motion, vertritt die „Neun-von-zehn-Regel“: Er erwartet, dass nur eine von zehn Ideen – z. B. für eine neue Funktion oder Anwendung – funk­tion­iert, und oft ergibt sich diese funk­tion­ierende Idee gerade aus den Erfahrungen, die mit den anderen neun gemacht worden sind.

Machen Sie es wie Edison

Thomas Edison wurde vor allem mit seiner Erfindung der Glühbirne weltbekannt. Er verließ sich nicht auf gele­gentliche Geis­tes­blitze, sondern richtete sich beim Erfinden nach einem System. Dieses folgte sechs Schritten (deren An­fangs­buch­staben seinen Namen ergeben):

  1. Er­fol­gschan­cen erkennen: Er­fol­gre­iche In­no­va­tio­nen sind meistens geniale Problemlösungen. Der Schlüssel dazu ist Prob­lem­sen­si­tivität. Es ist eine Sache, Symptome zu erkennen, z. B. aufgrund von Kun­denbeschw­er­den. Eine andere ist es, das zugrunde liegende Problem zu iden­ti­fizieren. Erst wenn Ihnen das gelingt, sehen Sie, wo das Potenzial für In­no­va­tio­nen liegt. Übertragen Sie das Finden solcher Potenziale den „kreativ Un­zufriede­nen“ – den Mi­tar­beit­ern, die in Problemen die Chance zu Verbesserun­gen sehen.
  2. Denkau­to­bahn verlassen: Wenn es um neue Ideen geht, ist es fatal, nur in den Kategorien Falsch und Richtig zu denken. Stattdessen geht es darum, ungewöhnliche Fragestel­lun­gen aufzuwerfen. Sie brauchen die Fähigkeit, mit Mehrdeutigkeit umgehen zu können. Nur so werden Sie neben den anscheinend of­fen­sichtlichen auch alternative Lösungswege erkennen, die nicht selten besser sind.
  3. In­spi­ra­tio­nen suchen: Haben Sie Mitarbeiter in Ihrem Team, die regelmäßig alle möglichen Ideen aufsaugen und dann in der Lage sind, diese auch in einem anderen Zusam­men­hang einzusetzen? Thomas Edison war ein solcher Mensch. Er war offen für Ideen aus dem Bergbau, der Chemie, der Biologie oder der Elek­trotech­nik. Und er war in der Lage, sie auf ungewöhnliche Weise in anderen Bereichen einzusetzen. Die zugrunde liegende Fähigkeit ist das Denken in Analogien, das un­kon­ven­tionelle Vernetzen von Wissen aus vielen Bereichen.
  4. Spannung erzeugen: Edison setzte auch „kalei­doskopis­ches Denken“ ein, d. h. er verband neue Fragestel­lun­gen mit neuen In­spi­ra­tio­nen, um so zu neuen Ideen zu kommen. Eine große Anzahl von Ideen führt zu einer Art Ideendruck, was die Chance für einen genialen Geis­tes­blitz erhöht. Der Übergang von un­ter­schiedlichen In­spi­ra­tio­nen zu einer konkreten Idee ist vor allem Menschen möglich, die eine „niedrige assoziative Barriere“ haben, die also leicht von einem Gedanken zum nächsten springen können.
  5. Ordnen und Optimieren: Wenn Edison an eine Idee glaubte, war er bereit, ihre Umsetzung mit endloser Geduld zu verfolgen. Bei der Erfindung der Glühbirne führte er 9000 Versuche durch, beim Akku ungefähr 20 000. Auf dieser Stufe des Optimierens braucht es einen typischen Tüftler mit extrem hoher Frus­tra­tionstol­er­anz.
  6. Nutzen maximieren: Schon lange vor Edison gab es Entwürfe für Glühbirnen von anderen Erfindern; gle­ichzeitig mit ihm arbeiteten etwa 20 Forscherteams an der Idee. Was Edisons Erfindung ausze­ich­nete, war sein Blick für das Ganze. Er wusste, dass der Einsatz einer Glühbirne ein Gesamt­sys­tem aus elek­trischen Leitungen und Generatoren sowie Stromzählern und Sicherungen erforderte. Und natürlich mussten auch Glühbir­nen­fab­riken gebaut werden. Die Fähigkeit, in großen Zusammenhängen zu denken, wird als sys­temis­ches und vernetztes Denken bezeichnet. Visionäre Manager wie Steve Jobs haben sie.
„Das, was Sie operativ stark gemacht hat, macht Sie kreativ schwach.“

Auch wenn Edison alle sechs Punkte abdeckte, hatte er seine besonderen Stärken: Während er sich auf die Entwicklung neuer Ideen konzen­tri­erte, überließ er das Tüfteln, d. h. das Optimieren durch endlose Experimente, meistens seinen Mi­tar­beit­ern. Achten Sie in Ihrem Unternehmen darauf, dass die Gesamtheit eines Teams stets allen sechs Aspekten gerecht wird.

Der Nutzen der Kreativität

Es ist of­fen­sichtlich, dass In­no­va­tio­nen für Unternehmen, die im kreativen Wettbewerb stehen, wichtig sind. Betroffen ist aber nicht nur die Pro­duk­ten­twick­lung. Auch die Einführung innovativer interner Prozesse kann Wet­tbe­werb­svorteile schaffen. Ein Buchhalter mit neuen Ideen kann dabei helfen, die Prozesse zu ver­schlanken und den Ver­wal­tungsaufwand zu senken. Kreativität in der Per­son­al­abteilung kann dazu führen, dass neue, effektive und kostengünstige Kom­mu­nika­tion­swege zur Gewinnung von qual­i­fizierten Mi­tar­beit­ern gefunden werden – oder effektive und kostengünstige Weit­er­bil­dungsmeth­o­den. Selbst im Auf­sicht­srat ist Kreativität wertvoll, vor allem wenn Ihr Unternehmen gerade vor großen Her­aus­forderun­gen steht.

„Kreativität ist nicht das Ziel, sondern der Weg dahin.“

Behalten Sie immer im Gedächtnis, dass Kreativität nie Selbstzweck ist. Sie ist der Weg, ehrgeizige Ziele zu erreichen. Leiten Sie die Kreativität Ihrer Mitarbeiter in die richtigen Bahnen. Schaffen Sie eine Kultur, in der sie mit Mut und Begeis­terung diese hohen Ziele anstreben können.

Über den Autor

Jens-Uwe Meyer lehrt Corporate Creativity an der Han­delshochschule Leipzig. Er berät mehrere DAX-30-Un­ternehmen und in­ter­na­tionale Konzerne zu strate­gis­cher Idee­nen­twick­lung. Der ehemalige Polizeikom­mis­sar und ProSieben-Stu­di­oleiter ist auch Autor des Buches Das Edi­son-Prinzip.