Die Verschwörung des Catilina

Buch Die Verschwörung des Catilina

Rom, um 41 v. Chr.
Diese Ausgabe: Reclam,


Worum es geht

Stil­bildende Nüchternheit

Die Verschwörung des Catilina von Sallust ist ein Meilenstein der Geschichtss­chrei­bung. Das Zusam­men­wirken von psy­chol­o­gis­cher Betrachtung, gesellschaftlicher Analyse und weit­ge­hen­der his­torischer Objektivität darf als Urbild für populärwis­senschaftliche Werke moderner Historiker gelten. Im Kontrast zu seinem Zeitgenossen Cicero, dem an der drama­tis­chen Wirkung der geschlif­f­e­nen Rede lag, ist Sallusts Werk ein Muster an sprach­licher Beschei­den­heit, was einer sachlichen, aber moralischen Darstellung des Inhalts zugutekommt. Der ungeschönte, nüchterne Stil wurde zum Vorbild ganzer Gen­er­a­tio­nen his­torischer Autoren – bei allen Cicero-Fans hingegen zum Sinnbild sprach­licher Magerkost. Die sprachliche Schlichtheit macht die Lektüre aber nicht unbedingt leichter: Wo Sallust etwa die Rollen der einzelnen Verschwörer herun­ter­rat­tert, erschließen sich die Zusammenhänge dem modernen Leser nur mühsam. Dennoch ist Sallusts de­tail­lierte Schilderung der catili­nar­ischen Verschwörung ein überaus spannender his­torischer Krimi, der auch heutige Leser noch zu fesseln vermag.

Take-aways

  • Die Verschwörung des Catilina von Sallust ist die erste historische Einzel­darstel­lung in lateinis­cher Sprache.
  • Inhalt: Die römische Gesellschaft verfällt immer mehr in Dekadenz. Ex­em­plar­isch für diesen Trend steht der egozen­trische, so mutige wie skrupellose Lucius Catilina. Er setzt alle Hebel in Bewegung, um die Macht in Rom an sich zu reißen. Doch ein entschlossen handelnder Senat unter der Führung Ciceros vereitelt Catilinas Intrigen. In einer letzten Schlacht endet der Aufstand – mit Catilinas Tod.
  • Das Orig­i­nal­w­erk ist in einer knappen, präzisen, bewusst archaisch gehaltenen Sprache verfasst.
  • In der Schilderung der Ereignisse verhält sich Sallust weitgehend un­partei­isch. Selbst der Verschwörer Catilina trägt einige positive Züge.
  • Sallust verkörpert als moralischer Erzähler die Werte Roms am Ende der Republik.
  • Vorbild für Stil und Form des Buches war unter anderem der griechische Historiker Thukydides.
  • Das Buch entstand, als Sallust sich nach Caesars Tod aus der Politik zurückgezogen hatte.
  • Es kann als Versuch in­ter­pretiert werden, Caesar vom Verdacht der Mitverschwörung reinzuwaschen.
  • Seit dem Mittelalter gehört das Buch zum Schulkanon. Der schlichte, gänzlich un­ci­cero­nis­che Stil macht es zu einer ungebrochen wertvollen Lateinlektüre.
  • Zitat: „So will ich denn über die Verschwörung des Catilina so wahrheits­gemäß, wie ich kann, mit wenigen Worten berichten; denn diese Tat halte ich ins­beson­dere für denkwürdig wegen der Neuar­tigkeit des Verbrechens und der Gefahr.“
 

Zusammenfassung

Wege zum Ruhm

Das Göttliche im Menschen ist sein Geist, sein Körper ist das Tierische. Wer bleibenden Ruhm erlangen will, muss den Weg des Geistes gehen, denn Körperkraft und Schönheit sind vergänglich, der ver­wirk­lichte Gedanke aber bleibt. Menschen, die sich körperliche Vergnügungen anstelle geistiger Aufgaben zum Lebensin­halt wählen, bleiben unbedeutend. Gele­gen­heiten, sich Ruhm und Ehre zu erwerben, gibt es genug. So kann es etwa ehrenhaft sein, für das Gemeinwohl tätig zu sein, aber auch, über die Taten anderer schreibend zu berichten.

Der Ursprung Roms

Der Römer Lucius Catilina, ein Mann aus altem Adel, hat alle Anlagen, die man braucht, um ein großer Mann im Staat zu werden. Doch seine Natur ist durch und durch verdorben: Seine Klugheit äußert sich in Ver­schla­gen­heit und krimineller Energie, seine körperliche Stärke in unnatürlicher Wider­stand­skraft. Sein Lebensstil ist eine Mischung aus Gier und Ver­schwen­dung – und damit ist er in Rom nicht allein: Der Staat hat sich in ein zerfallenes Gebilde verwandelt, in dem die Neigungen eines Catilina erst gedeihen konnten. Ein Exkurs über die Entstehung und Entwicklung Roms soll dies erhellen: Vermutlich gegründet von geflüchteten Trojanern und Aboriginern, einem ortsansässigen un­zivil­isierten Volk, beherbergt das frühe Rom die un­ter­schiedlich­sten Menschen. Schnell gerät die Stadt ins Visier neidischer und habgieriger Nachbarn, doch ihre Bevölkerung erweist sich als wehrhaft. Zunächst wird Rom monarchisch regiert, da eine Monarchie zu Kriegszeiten mehr Stabilität bietet. Doch als schließlich Frieden einkehrt und sich her­ausstellt, dass Monarchie in Frieden­szeiten leicht in Willkür umschlägt, ersetzen die Römer das Königtum durch das Prinzip gewählter und wechselnder Regierungen.

„Der erst scheint mir zu leben und seines Geistes froh zu werden, der durch irgendeine Aufgabe angespannt den Ruhm einer strahlenden Tat oder eines rechten Könnens sucht.“ (S. 7)

Rom gewinnt bald etliche Bun­desgenossen und gedeiht zu ungeahnter Größe. Die Taten der Römer können sich mit denen der Athener messen, auch wenn Letztere von den Dichtern eindrücklicher geschildert werden. Die Römer tun sich eben eher durch ihre Tatkraft als durch die Beschrei­bung ihrer Taten hervor. Im Krieg herrscht unter den Männern ein Wettstreit um den größten Ruhm. Leitende Werte des römischen Volkes sind Mut und Gerechtigkeit. Besiegte Völker werden von den Römern nicht unterworfen und ausgebeutet, sondern gerecht behandelt.

Die Dekadenz der Sieger

Auf dem Höhepunkt seiner Macht, nach der Zerstörung des Feindes Karthago, ändert sich jedoch das Gemeinwesen Roms und der Charakter der Bewohner: Geld, Einfluss und Prestige treten mehr und mehr an die Stelle der alten Werte, der Schein gilt mehr als das Sein. Gerechter Ehrgeiz verwandelt sich in egoistische Habsucht, Maßlosigkeit greift um sich. Nach der gewaltsamen Machtübernahme durch Lucius Sulla, der er­fol­gre­iche Feldzüge nach Afrika angeführt hat, wird auch das römische Heer von Raffgier gepackt. Sulla überlässt seinen Soldaten auf Kosten der besiegten Völker großzügig alle Beute. Anders als frühere Feldherren erlaubt er seinen Streitkräften, Besiegte zu demütigen und auszurauben, Tempel zu schänden und in ihrer Beute zu schwelgen.

„So will ich denn über die Verschwörung des Catilina so wahrheits­gemäß, wie ich kann, mit wenigen Worten berichten; denn diese Tat halte ich ins­beson­dere für denkwürdig wegen der Neuar­tigkeit des Verbrechens und der Gefahr.“ (S. 9)

In der Folge gilt überall in Rom Reichtum mehr als Mut, eine gute Stellung mehr als ruhmvolle Taten. Es wird allgemein üblich, sich auf Kosten anderer zu bereichern. Während man Herrschaft früher als Demon­stra­tion militärischer und moralischer Überlegen­heit verstand, versteht man sie heute als Recht­fer­ti­gung, Unrecht zu begehen. Die Dekadenz trägt immer auss­chweifend­ere Züge: Ho­mo­sex­u­alität, Pros­ti­tu­tion, Schlemmerei und Müßiggang bereiten den Boden für Kriminalität. Immer mehr Römer verschulden sich oder leisten Meineide, bestechen Gerichte, stehlen und morden, um den Schulden zu entkommen und weiter ihrem maßlosen Lebenswan­del nachgehen zu können. Aus diesen Menschen rekrutiert sich der Fre­un­deskreis des Lucius Catilina. Es sind vor allem junge, formbare Römer, die Catilina um sich schart. Ihnen schenkt er großzügig alles, was sie begehren, und verpflichtet sie sich damit.

Catilinas Wesen und Streben

Lucius Catilina war schon als junger Mann dem Laster verfallen. Er unterhält sündige Verhältnisse zu Pries­terin­nen und ver­heirateten Frauen und soll den Stiefsohn seiner Gattin Orestilla ermordet haben. Doch handelt Catilina bei seinen Verbrechen nicht kaltblütig. Sein hektisches, stets wachsames Verhalten erinnert mitunter an einen Wahnsin­ni­gen. Sein ver­schwen­derischer Umgang mit gekauften und abhängig gemachten Freunden bringt ihn selbst immer mehr in Geldnöte. Schließlich glaubt sich Catilina in der Position, mithilfe von Kumpanen und enttäuschten Soldaten aus Sullas Armee die Macht in Rom an sich reißen zu können. Die äußeren Bedingungen sind günstig für einen Umsturz: Pompeius führt fern von Rom Krieg, und der Senat verfügt über kein eigenes Heer. Catilina ruft ihm gewogene Adlige, Senatoren und Ritter zusammen, um ihnen seinen Plan mitzuteilen. Es ist nicht der erste Um­sturzver­such, den Catilina unternimmt. Schon einmal wollte er gemeinsam mit einem wegen Wahlbetrugs verurteil­ten Kon­sulat­sanwärter durch einen Staatsstre­ich an die Macht kommen. Doch sein Plan, die amtierenden Konsuln vor dem Kapitol ermorden zu lassen, schlug damals durch Catilinas Ungeduld fehl. Diesmal will er sich besser vorbereiten.

„So war seine Farbe blutleer, die Augen scheußlich entstellt, hastig bald, bald schleppend sein Schritt, kurz: in Aussehen und Ausdruck saß der Wahnsinn.“ (über Catilina, S. 23)

Er hält vor einer Versammlung poten­zieller Verbündeter eine Rede, in der er das Bild einer Zweik­las­sen­ge­sellschaft entwirft: Die wenigen Herrschen­den kassierten Steuern und Abgaben und hielten alle Macht in ihren Händen, während Catilina und seine Getreuen macht- und mittellos gehalten würden. Catilina bietet den Ver­sam­melten einen Ausweg. Er verspricht ihnen Ämter und Beute sowie die Umverteilung des ganzen Besitzes zu ihren Gunsten – sobald er selbst und sein Verbündeter Gaius Antonius Konsuln geworden sind. Ein unbestätigtes, aber auch nicht widerlegtes Gerücht will wissen, dass Catilina, um die Gemein­schaft noch enger zusam­men­zuschweißen, mit den Verschwörern Wein mit Men­schen­blut darin getrunken habe. Unter den Verschwörern befindet sich unter anderem der ehemalige Senator Quintus Curius. Als Curius seiner Frau Fulvia gegenüber den geplanten Staatsstre­ich andeutet, warnt diese heimlich ihre Freunde. Der Plan wird so auch dem Senat zugetragen. Bei der Wahl der neuen Konsuln wird neben Gaius Antonius Marcus Tullius Cicero das Amt übertragen.

Züge und Gegenzüge

Catilina plant unterdessen die Machtübernahme auf mehreren Ebenen. Er rüstet mithilfe von Gaius Manlius ein Heer in Faesulae, bereitet Brand­s­tiftun­gen vor, intrigiert gegen Cicero und bewirbt sich selbst für das Folgejahr als Konsul. Mit Quintus Curius hat Cicero nun allerdings einen Spion in den Reihen der Verschwörer. So kennt er Catilinas Pläne bereits, bevor dieser sie ausführen kann. Auch vor einem Attentat auf seine eigene Person ist Cicero gewarnt und entgeht dadurch dem Anschlag. Anschließend bringt er seine Erken­nt­nisse vor den Senat. Dieser beauftragt daraufhin die Konsuln, ein Heer aufzustellen, und setzt eine Belohnung für eine offizielle Anzeige gegen die Verschwörer aus. Zudem wird ganz Rom in Alarm­bere­itschaft versetzt. Wachen pa­trouil­lieren durch die Straßen, strategisch wichtige Punkte werden besetzt. Eine Atmosphäre der Angst macht sich breit.

„Da versprach Catilina Schulden­til­gung, Enteignung der Besitzenden, Posten, Priesterämter, Plündern, alles andere noch, was der Krieg und die Willkür mit sich bringt (…)“ (S. 33)

Catilina kommt in den Senat und spielt den Un­schuldigen. Er beruft sich auf seinen guten Namen, auf seine tu­gend­haften Vorfahren, er leugnet alle An­schuldigun­gen und beleidigt Cicero. Als der Senat ihm nicht glaubt, verlässt Catilina die Versammlung unter Drohungen. Er weist seine Verbündeten in der Stadt an, alles für den Umsturz vorzu­bere­iten und weitere Verbündete zu gewinnen. Manlius versucht unterdessen, einen Senator per Brief von den lauteren Motiven der Verschwörer zu überzeugen; einen anderen Senator bittet Catilina um Schutz für seine Frau Orestilla, während er vorgibt, sich selbst in die freiwillige Verbannung begeben zu wollen. Tatsächlich wirbt er auf dem Land noch mehr Komplizen an. Doch auch das bleibt dem Senat nicht verborgen. Catilina und Manlius werden zu Staats­fein­den erklärt. Noch immer aber gibt es – trotz der Belohnung – keine offizielle Anklage aus den Reihen der Verschwörer und Sym­pa­thisan­ten um Catilina. Das niedere Volk beklagt seine Mit­tel­losigkeit und begrüßt jede Form von Umsturz; der Adel gebe vor, das Gemeinwohl zu vertreten, kümmere sich letztlich jedoch nur um die eigenen Interessen.

Die Verschwörung wird aufgedeckt

Catilinas Mitstreiter Lentulus nutzt die aufgeheizte Stimmung in Rom, um weitere Helfer zu rekrutieren. Er lässt durch einen Mittelsmann sogar Gesandte des gallischen Stammes der Allobroger aufwiegeln. Doch diese melden die Verschwörung. Cicero weist die Allobroger an, zum Schein auf Lentulus’ Angebot einzugehen. Die Allobroger verlangen also Schreiben der Aufrührer, angeblich um ihre Landsleute damit besser überzeugen zu können. Nichts ahnend stellen die Umstürzler die Dokumente tatsächlich aus. Jetzt hat Cicero die Beweise, die er braucht. Er lässt die ihm bekannten Verschwörer und den Senat in den Tempel der Concordia einbestellen und kon­fron­tiert Erstere mit den Vorwürfen. Nach anfänglichem Leugnen gestehen sie, und Lentulus, der sich schon für einen künftigen Machthaber gehalten hat, wird überführt. Alle Aufrührer werden in „freie Haft“ genommen. Das Volk ändert unterdessen seine Meinung, als es erfährt, die Aufrührer hätten in der Stadt Brände legen wollen. Auch diejenigen, die eben noch den Umsturz wollten, feiern nun Cicero für seine Leistung bei der Aufklärung. Die Lage wird nun allerdings durch allzu viele Aussagen unübersichtlich. Es werden viele Römer beschuldigt – darunter angesehene Adlige und Bürger. Die An­schuldigung gegen Gaius Julius Caesar, auch er sei in die Intrigen verstrickt, lässt sich nicht erhärten.

„Damals soll er sich sehr viele Menschen aller Art verbunden haben, auch ziemlich viele Frauen, die zunächst ihre ungeheuren Aufwen­dun­gen durch Preisgabe ihres Körpers bestritten (…)“ (über Catilina, S. 37)

Als immer mehr Details der Verschwörung aufgedeckt und immer mehr Umstürzler festgenom­men werden, trifft sich der Senat zur Beratung darüber, was mit den In­haftierten zu tun sei. Ein Kon­sulat­sanwärter für das nächste Jahr spricht sich für die Todesstrafe aus. Caesar dagegen erörtert in einer langen Rede seine Auffassung, die überführten Aufrührer seien zu enteignen und auf dem Land in Haft zu setzen. Dies entspreche dem Wesen des Staates, der aktuellen Rechtslage und der Tradition. Der Senator Cato fordert dagegen die Hinrichtung der Verschwörer, denn alles andere könnten die Feinde des Staates als Schwäche missver­ste­hen und sich zu weiteren Um­sturzver­suchen ermutigt fühlen. Der Senat lässt sich von Catos Rede überzeugen und lobt seine mannhafte Haltung, während die Za­ghaftigkeit anderer Sen­atsmit­glieder getadelt wird. Die Versammlung beschließt endlich mit großer Mehrheit die Hinrichtung der Verschwörer. Die Todesurteile gegen Lentulus und die übrigen werden vollstreckt.

Die letzte Schlacht

Unterdessen baut Catilina seine Truppen weiter aus und macht sich bereit für den Marsch auf Rom. Dabei setzt er nicht mehr auf entlaufene Sklaven, wie noch zu Beginn der Verschwörung, denn das könnte er den Bürgern, die er zu vertreten vorgibt, nicht vermitteln. Dann erreicht die Nachricht, dass Lentulus und die anderen hin­gerichtet worden seien, auch das Lager des Catilina. Das eben erst aufgestellte Heer will plötzlich nicht mehr kämpfen, Teile der Truppen zerstreuen sich. Catilina versucht, mit dem Rest seiner Truppen nach Gallien zu fliehen, doch der Weg wird ihm durch drei römische Legionen abgeschnit­ten. Auch aus der anderen Richtung nahen römische Truppen. Den letzten Ausweg versperrt ein Gebirge. Catilina sitzt in der Falle.

„Da ich einmal, umstellt von Feinden, gestürzt werden soll, werde ich meinen Brand in Trümmern ersticken.“ (Catilina, S. 47)

Die Verschwörung in Rom ist gescheitert, Unterstützung ist nicht in Sicht, der Fluchtweg ist abgeschnit­ten. Catilina sucht sein Heil in der offenen Schlacht gegen den übermächtigen Feind. Er ermutigt seine Soldaten, ihre Freiheit zu verteidigen und sich nicht in Gefan­gen­schaft zu begeben, und führt sie in den Kampf. Nach anfänglich er­fol­gre­ichem Widerstand muss das Heer der Verschwörer bald immer mehr Verluste hinnehmen. Catilina kämpft tapfer und befehligt seine Truppen klug, muss aber schließlich erkennen, dass die Schlacht verloren ist. Er stürzt sich ins dichteste Schlachtgetümmel und wird getötet. Die römischen Legionen machen keine Gefangenen. Bis auf den letzten Mann werden Catilinas Truppen niedergemacht. Auch die Flüchtenden werden ohne Gnade von den erfahrenen Soldaten, die der Senat aufgeboten hat, erschlagen. Doch die römischen Legionen müssen ebenfalls große Verluste hinnehmen. Viele der siegreichen Veteranen finden unter den er­schla­ge­nen Feinden zu ihrem großen Entsetzen ehemalige Freunde oder sogar Verwandte. Das Entsetzen über die Verluste und die Freude über den Sieg halten sich die Waage.

Zum Text

Aufbau und Stil

Die Verschwörung des Catilina ist eine historische Monografie, also eine erschöpfende Darstellung einer einzelnen geschichtlichen Episode. In 61 Abschnitten beleuchtet der Text un­ter­schiedliche Aspekte der Verschwörung des Catilina. Der Beginn, ein sogenanntes Proömium, steckt einen philosophis­chen Rahmen. Hier werden allgemeine Aussagen über die Natur des Menschen gemacht, auf deren Grundlage das Folgende beurteilt werden soll. Im Hauptteil wird der Erzählfluss häufig durch Exkurse, die Wiedergabe von Briefen und Reden sowie die Charak­ter­isierung von Figuren un­ter­brochen. Der Erzähler hält sich beim Berichten der Ereignisse weitgehend zurück. Es tritt vor allem in den Un­ter­brechun­gen auf, wenn es um Bewertungen, Einschätzungen und die Einordnung der Geschehnisse in größere Zusammenhänge geht. Dabei werden un­gesicherte Sachver­halte und Gerüchte erwähnt, aber als solche stehen gelassen, ohne über deren Richtigkeit zu urteilen. Der Stil des lateinis­chen Originals ist geprägt durch Kürze und paratak­tis­che Nebeneinan­der­stel­lung von Sätzen ohne verbindende Kon­junk­tio­nen. Dadurch und durch viele unvollständige Sätze entsteht der Eindruck eines Telegramm­stils, der weitgehend frei von schmückendem Beiwerk ist. Der Orig­inal­text enthält zudem viele Archaismen, nicht mehr gebräuchliche gram­ma­tis­che Formen des Lateinis­chen.

In­ter­pre­ta­tion­sansätze

  • Das Werk zeigt die Zer­ris­senheit der römischen Gesellschaft. Einerseits ist der Cae­sar-Ver­traute Sallust ein Gegner der kon­ser­v­a­tiven, adligen Senatsangehörigen und von deren Bun­desgenossen (darunter Cicero), an­der­er­seits vertritt er die klassischen Werte Roms, etwa den Erziehungskanon der Kon­ser­v­a­tiven, mit großer Vehemenz.
  • Sallusts negatives Geschichts­bild beruht auf dem von ihm geschilderten allgemeinen Verfall des römischen Staatswe­sens. Die Abschnitte zur his­torischen Entwicklung Roms malen das bevorste­hende Ende der Republik an die Wand. Sallust zeigt sich als Vertreter einer moralischen Geschichtss­chrei­bung.
  • Gemäß der sogenannten Ten­den­zhy­pothese verfolgt der Text den Nebenzweck, Caesar vom Verdacht reinzuwaschen, er sei in die Verschwörung des Catilina verstrickt gewesen. Sallust nutzt seine Darstellung der Ereignisse, um den guten Ruf seines einstigen Gönners zu erhalten.
  • Der Text setzt Wahrhaftigkeit gegen Redekunst. Im Vergleich zu Cicero verzichtet Sallust auf das Überwälti­gungspoten­zial üppiger Rhetorik. Stattdessen pflegt er einen schlichten, knappen Stil und begründet mit seiner betonten Sach­lichkeit einen neuen Ansatz der Geschichtss­chrei­bung.
  • Die Schilderung der Ereignisse ist weitgehend un­partei­isch. Selbst der Verschwörer Catilina trägt einige positive Züge. Und obwohl Sallust während seiner politischen Laufbahn ein erbitterter Gegner Ciceros war, lobt er dessen Rolle im Catilina-Kon­flikt ausdrücklich.
  • Sallusts Verwendung ar­chaisieren­der gram­ma­tis­cher Formen des Lateinis­chen in Anlehnung an Vorbilder wie Cato den Älteren soll die Absetzung von der dekadenten Gegenwart und die Hinwendung zu den Verdiensten und Werten, zu Ruhm und Ehre der alten römischen Republik auch auf formaler Ebene verdeut­lichen.

His­torischer Hintergrund

Optimaten und Popularen

Die Spätphase der römischen Republik war geprägt von zwei gegensätzlichen politischen Strömungen. In der Folge der Grac­chis­chen Reformen ab 133 v. Chr. zeichnete sich ein neuer Weg der Durch­set­zung von Interessen ab: der Weg über das Volk. Die Brüder Tiberius Gracchus und Gaius Gracchus brachten als Volk­stri­bunen Lan­drefor­men auf den Weg, die jedoch auf großen Widerstand im Senat stießen. Das Ziel der Reformen war es, der Landgier der römischen Aris­tokratie einen Riegel vorzuschieben. Die durch die Reformen frei werdenden Flächen sollten an besitzlose römische Bürger verteilt werden. Zunächst versuchte Tiberius Gracchus, die Reformen am Senat vorbei und über die Volksver­samm­lung durchzuset­zen. Die Senatoren, viele von ihnen als Großgrundbe­sitzer von den Reformen bedroht, stellten sich mehrheitlich gegen Gracchus. Als dieser schließlich versuchte, seine Pläne auf ver­fas­sungswidrige Weise zu ver­wirk­lichen, erschlugen sie ihn. Seinen Bruder ereilte später ein ähnliches Schicksal.

In der Folge gab es einen tiefen Riss durch die politische Klasse Roms. Volksnahe Politiker, Popularen genannt, sprachen im Namen des Volkes, während die sogenannten Optimaten, sprich Vertreter der römischen Aris­tokratie, versuchten, die Vorherrschaft des Senats zu erhalten. Die beiden Strömungen konnten sich durchaus überschnei­den: Je nach Eigen­in­ter­esse spielten einzelne Politiker Senat und Volk gegeneinan­der aus. Ein beliebtes Mittel der Popularen waren Geschenke an das Volk. Caesar galt als besonders großzügiger Vertreter der Popularen. Der zunehmende Machtver­lust des Senats und der Optimaten wurde zu einer der Ursachen für das Ende der Republik.

63 v. Chr. wurde ein Staatsstre­ich von Lucius Sergius Catilina durch das Zusam­men­wirken ver­schiedener Senatoren verhindert. Eine der zentralen Figuren war dabei der Konsul Marcus Tullius Cicero. Dessen im Senat gehaltene und zwei Jahre später schriftlich verbreitete Reden gegen Catilina waren rund 20 Jahre lang das zentrale Dokument über die Verschwörung. In den Reden gibt Cicero aber weniger den genauen Ablauf der Verschwörung und ihre Aufdeckung wieder, vielmehr zeigt er sich als brillanter Rhetoriker.

Entstehung

Sallust hatte rund 20 Jahre nach dem Ereignis eine größere Menge von Prozes­sun­ter­la­gen zur Verfügung und konnte bei der Nieder­schrift seines Buches nicht nur auf die Reden Ciceros, sondern auch auf Briefe zurückgreifen, die Cicero noch nicht zur Verfügung gestanden hatten. Sallust ging es auch nicht um die Überzeu­gungskraft der Rede, sondern um die umfassende Darstellung der Affäre Catilina sowie um ihre Einordnung in die Historie und das Wertesystem Roms.

Geschult an Vorbildern wie den griechis­chen Historikern Thukydides und Poseidonios, war ihm an der Darstellung der Wech­sel­wirkung von Individuum und Gesellschaft gelegen. Als Sallust um 41 v. Chr. mit Die Verschwörung des Catilina die erste historische Monografie in lateinis­cher Sprache verfasste, griff er auch formal und stilistisch auf seine griechis­chen Vorbilder sowie auf den verknappten Sprachges­tus Catos des Älteren zurück. Um der sprach­lichen Gestaltung willen hat Sallust nach­weis­lich einige historische Fakten manipuliert.

Wirkungs­geschichte

Sallusts Buch ist bereits in der Antike sehr aufmerksam wahrgenom­men worden. Die zeitun­typ­is­che Beschränkung der Sprache auf das Wesentliche – gerade im Kontrast zu Cicero – brachte zunächst vor allem Tacitus ins Schwärmen. Seit dem Mittelalter gehört der Text zum Kanon für den Latei­n­un­ter­richt. Das rührt auch daher, dass der Kirchen­vater Augustinus Sallusts Schilderun­gen des dekadenten Rom verwendete, um ihnen die Heilsver­sprechen des Chris­ten­tums ent­ge­gen­zustellen.

1611 wurde eine Tragödie des englischen Dichters Ben Jonson mit dem Titel Catiline His Conspiracy uraufgeführt, die sich relativ eng an Sallusts Entwurf des Verschwörers hält, auf der Bühne jedoch nur wenig Erfolg hatte. Später bewunderten unter anderem Hugo von Hof­mannsthal und Friedrich Nietzsche Sallusts Klarheit und Eigenheit des Stils. Den Verschwörungsstoff formte Henrik Ibsen 1850 zu einem Drama, in dem Catilina, anders als bei Sallust, als zweifelnder Idealist geschildert wird. 1888 schuf der Maler Cesare Maccari auf Grundlage der sal­lustschen Beschrei­bung Catilinas sein berühmtes Bild Ciceros Rede gegen Catilina.

In Bertolt Brechts Fragment Die Geschäfte des Herrn Julius Caesar, entstanden 1938/39, spielt Catilina eine Hauptrolle. Einige jüngere historische Krimis zum Thema Catilina, zum Beispiel von John Maddox Roberts, Steven Saylor oder Robert Harris, beweisen, dass das Sujet auch im 21. Jahrhundert noch zu faszinieren vermag.

Über den Autor

Sallust (mit vollem Namen Gaius Sallustius Crispus) wird 86 v. Chr. in Amiternum, rund 125 Kilometer nördlich von Rom, geboren. Als Sohn einer wohlhaben­den, rit­ter­lich-bürgerlichen Familie wird ihm eine aus­geze­ich­nete Bildung zuteil. Als Kind erlebt er die Gewaltherrschaft des Sulla und wird Zeuge des Spar­takus-Auf­s­tands. Schon früh in­ter­essiert er sich für Politik. Im Jahr 55 oder 54 v. Chr. wird er Quästor, 52 Volkstribun. Er ist ein „Homo novus“ – so bezeichnet man Männer, die als erste Vertreter ihrer Familie in den Senat einziehen. Dort gehört er zur volksnahen Partei der sogenannten Popularen, die den aris­tokratis­chen Optimaten gegenübersteht. Sallust ist ein enger Vertrauter von Caesar. 50 v. Chr. wird er wegen einer außerehelichen Affäre aus dem Senat aus­geschlossen, später jedoch von Caesar wieder mit Ämtern betraut. Nach dem römischen Bürgerkrieg, an dem Sallust aufseiten Caesars gegen Pompeius kämpft, wird er nach Caesars Sieg Statthalter der Provinz Africa Nova. Wie alle Statthalter Roms bereichert er sich in dieser Stellung. Einen Prozess deswegen kann Sallust mithilfe seines Gönners Caesar abwenden. Nach der Ermordung Caesars 44 v. Chr. zieht sich Sallust aus der Politik zurück und setzt sich auf seinem luxuriösen Anwesen in Rom, das später von Kaisern als Residenz genutzt wird, zur Ruhe. Hier widmet er sich in den zehn Jahren bis zu seinem Tod der Aufgabe, Schlaglichter der römischen Geschichte schriftlich festzuhal­ten. Von ihm erhalten sind Die Verschwörung des Catilina (De co­ni­u­ra­tione Catilinae), Der Krieg mit Jugurtha (De bello Iugurthino) und die Historiae. Sein knapper, ar­chaisieren­der Erzählstil wird zu seinem Marken­ze­ichen. Sallust stirbt 35 oder 34 v. Chr. in Rom.