Putsch, Untreue und Betrug in Euroland
Groß war die Euphorie im Zuge der Euro-Einführung. Doch das Blatt hat sich gewendet: Angesichts der Schuldenkrise des Eurostaates Griechenland zeigt die Europäische Union ihr wahres Gesicht. Sie ist gar keine Wettbewerbsgemeinschaft zur Förderung des Handels unter den Mitgliedern. Vielmehr ist sie zur Verteilungsgemeinschaft mutiert, in der notorische Schuldenmacher die Hand für die Euros der deutschen Steuerzahler aufhalten. Wie das passieren konnte?
- Durch Putsch – nämlich den Bruch geltender Verträge.
- Durch Untreue – nichts anderes ist das Ignorieren der Maastricht-Kriterien.
- Durch Betrug – so muss die Konspiration der beteiligten EU-Politiker gegen Deutschland bezeichnet werden.
Die Maulkorb-Republik
Eine ernsthafte Debatte für oder gegen den Euro wird in Deutschland gar nicht erst zugelassen. Die prinzipielle Legitimität der noch jungen Währung gilt weithin als Tabuthema, der Verbleib in der Eurozone als alternativlos. Jeder noch so vorsichtige Versuch, sie infrage zu stellen, wird mit der Moralkeule niedergeschlagen. Tabubruch ist in Deutschland unerwünscht – das gilt nicht nur im Rahmen der Eurodebatte. Diskutanten werden öffentlich lächerlich gemacht, oder ihnen wird die Kompetenz abgesprochen. Auch wenn sie in Wahrheit die Meinung der Mehrheit vertreten, werden sie bloßgestellt, wenn sich ihre Ansichten gegen die offiziell herrschende Moral richten. Sogar die Bundesbank wurde mundtot gemacht, als sie den Euro kritisierte.
Aufstieg und Fall der D-Mark
Die D-Mark, dieses Zeichen von Einheit und Stabilität, mussten die Deutschen gegen den Euro tauschen, der auf den ersten Blick das Einzige ist, was sie mit den anderen EU-Völkern gemeinsam haben. Die D-Mark war eine der härtesten Währungen der Welt. Einerseits ermöglichte sie billige Urlaubsreisen und günstige Importe für die Deutschen. Andererseits belastete der hohe D-Mark-Kurs jene Unternehmen, die ins Ausland exportierten, da ihre Waren wegen des Wechselkurses in anderen Staaten zu teuer waren. Dies zwang die Deutschen, Innovationen auf den Markt zu bringen – wenn die deutschen Produkte schon kostspielig waren, mussten sie zumindest mit hoher Qualität punkten und technisch ausgefeilt sein. Der D-Mark ist es also z. T. zu verdanken, dass die deutsche Wirtschaft heute dort steht, wo sie steht.
„Heute sehe ich meinen Einsatz für den Euro als größte Fehleinschätzung meiner beruflichen Laufbahn.“
Die D-Mark wurde schließlich buchstäblich „abgewrackt“. Alles begann mit dem Fall der Berliner Mauer. Zu jener Zeit machte sich der französische Staatspräsident François Mitterrand Sorgen, dass die Wiedervereinigung Deutschlands zu einer Dominanz der Deutschen in Europa führen würde. Heute weiß man, dass erst einmal das Gegenteil der Fall war: Die Angliederung der DDR zog den Westen Deutschlands wirtschaftlich nach unten. Mitterrand wollte dem deutschen Bundeskanzler Helmut Kohl seine Zustimmung zur Wiedervereinigung nur unter der Bedingung geben, dass der Euro eingeführt würde. Er hatte Angst vor der starken D-Mark und fühlte sich unterlegen. Bis dahin war für Bonn eine Währungsunion nur im Rahmen einer politischen Union infrage gekommen. Doch im April 1990 gab Deutschland diese Haltung auf und stimmte dem Euro zu.
„War die EU einst als eine Wettbewerbsgemeinschaft konzipiert, wird sie nun zur Verteilungsgemeinschaft, bei der es nur noch den einen Wettbewerb gibt – nämlich wer den anderen das meiste abknöpft.“
Der deutschen Industrie kam die Einheitswährung sehr gelegen. Durch die Währungsabwertungen der ausländischen Konkurrenz war sie immer weiter ins Hintertreffen geraten. So hielten besonders die Italiener gerne ihre Lira schwach, um Exporte zu steigern. Die Bürger Deutschlands wurden erst gar nicht gefragt, ob sie den Euro haben wollten. Die Politik beschäftigte sich nicht mit der prinzipiellen Entscheidung für oder wider die Währungsunion, sondern nur damit, welche Länder mitmachen durften. Damit wurde die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit von der eigentlich entscheidenden Frage abgelenkt.
Der deutsche Prägestempel
Deutschland und Frankreich waren die großen Kontrahenten bei den Verhandlungen zur Einführung des Euro, wobei Deutschland darauf bedacht war, die Bedingungen für eine starke neue Währung zu schaffen. Als 1992 der Vertrag von Maastricht unterzeichnet wurde, schien es, als würde dies dank Finanzminister Waigel tatsächlich gelingen: Es war nicht allen Ländern erlaubt, der Währungsunion beizutreten; nur jene Staaten wurden aufgenommen, die die so genannten Konvergenzkriterien erfüllten – Neuverschuldung kleiner als 3 % jährlich und ein Gesamtschuldenstand von weniger als 60 % des Bruttoinlandsprodukts.
„Die D-Mark war mehr als ein Zahlungsmittel – sie war Symbol für die Einheit unseres Volkes.“
Ein weiterer Erfolg Waigels: Die Europäische Zentralbank (EZB) würde unabhängig bleiben und nicht – wie es die Franzosen gewohnt waren – dem politischen Einfluss ausgesetzt sein. Ohne Waigels Verhandlungsgeschick hätte die Gemeinschaftswährung vielleicht den Namen ECU statt Euro bekommen, und die EZB hätte ihren Sitz in Paris anstatt in Frankfurt. Doch all diese Erfolge trösten nicht über den Verlust der D-Mark hinweg. Deutschland musste schließlich schmerzlich erfahren, dass Weichwährungsländer wie Griechenland alles daran setzen würden, im Klub der Großen mitspielen zu dürfen.
„Die D-Mark stand nicht nur für den Erfolg unserer Wirtschaft, sie löste ihn ursächlich mit aus.“
Deutschland hatte auf der so genannten No-Bailout-Klausel im EU-Vertrag bestanden. Diese Klausel sollte verhindern, dass die Schulden eines Mitgliedsstaates bei einem anderen EU-Mitglied eingetrieben werden können. Für Deutschland war dies eine entscheidende Auflage des Vertrages, ohne die das Land niemals zugestimmt hätte.
„Das Defizitverfahren von 2002/03 und seine unrühmliche Abbügelung stellten für mich den ersten Sprung in der Euro-Schüssel dar. Der zweite erfolgte durch Griechenland.“
Langsam begannen sich die einzelnen Staaten für die Euro-Einführung fit zu machen. Sogar Italien unterzog sich unter seinem Ministerpräsidenten Romano Prodi einer Rosskur, bestehend aus Steuererhöhung und Haushaltssanierung, um die Maastricht-Kriterien zu erfüllen. Doch leider währte die neue Genügsamkeit nur kurz. Nachdem die Teilnehmerländer ausgewählt und die Wechselkurse bestimmt worden waren, kritisierten einige südliche Länder bereits die strengen Kriterien. Streng waren sie in der Tat – das galt allerdings nicht für die Überwachung ihrer Einhaltung. Die Währungshüter setzten verheerenderweise den guten Willen der Mitgliedsländer voraus. Um ein Sanktionsverfahren gegen einen Staat in die Wege zu leiten, musste die Mehrheit des Euro-Ministerrates dafür sein – ein schwierig zu überwindendes Hindernis angesichts der Tatsache, dass der Ministerrat aus potenziellen Sündern bestand.
Als die Dämme brachen
Deutschland war leider keine Ausnahme. Im Juli 2002 war klar, dass der frühere Musterschüler dank der rot-grünen Regierung erneut eine Neuverschuldung von mehr als 3 % ausweisen würde. Eine Finanzkrise oder Naturkatastrophe konnte Finanzminister Hans Eichel nicht als Ausrede benutzen. Also endlich sparen? Weit gefehlt; es standen Wahlen an, da wollte man das Stimmvolk nicht verunsichern. Frankreich hielt sich derweil genauso wenig an die Konvergenzkriterien. Was passierte? Nichts! Das Sanktionsverfahren gegen die beiden Euroriesen wurde in den ersten zwei Jahren, in denen die Bürger tatsächlich mit Euromünzen bezahlten, gestoppt.
„Die Griechen hatte man schon deshalb nicht auf der Rechnung gehabt, weil sie auf der europäischen Wirtschaftsrangliste nur als Zwerg rangierten. Wie sich zeigte, können auch Zwerge Riesenschulden machen.“
Eine weitere unheilvolle Entscheidung war die Aufnahme Griechenlands in die Eurozone im Jahr 2000. Sie beruhte auf gefälschten volkswirtschaftlichen Daten, die Griechenland an Brüssel übermittelte, und wurde nicht zuletzt deshalb durchgesetzt, weil Jacques Chirac und Gerhard Schröder politischen Druck ausübten. Noch wusste niemand, dass das ökonomische Leichtgewicht Griechenland sich in einigen Jahren als Schmetterling entpuppen und mit einem Flügelschlag einen Orkan auslösen würde. Vor dem Euro waren die Zinsen, die ein Land für Staatsanleihen zu bezahlen hatte, eng an die Stabilität seiner Volkswirtschaft gekoppelt gewesen. Nun konnte sich Griechenland aber mit billigem Geld eindecken – ein Privileg, das dem Staat mit der Drachme niemals zugestanden hätte. Die Griechen gaben das Geld mit vollen Händen aus, vergaßen dabei aber notwendige strukturelle Reformen. Zudem war es ihnen nun nicht mehr möglich, die eigene Währung zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit einfach abzuwerten.
„An jenem Maitag 2010 in Brüssel ist es zu einem
Putsch gegen herrschendes Recht, einer
Untreue gegen den deutschen Staat und einem finanziellen
Betrug am deutschen Steuerzahler gekommen.“
Während Europa noch versuchte, die Finanz- und Wirtschaftskrise ab 2007 hinter sich zu lassen, kam prompt der Notruf Griechenlands: Man brauche Liquidität, sonst stehe der Staatsbankrott vor der Tür. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel wurde für ihre erste Reaktion, die Griechen aus Euroland hinauswerfen zu wollen, als europafeindlich und egoistisch kritisiert. Der Chef der EZB, Jean-Claude Trichet, klärte Deutschland auf: Die No-Bailout-Klausel besage lediglich, dass kein EU-Staat einem anderen Unterstützung leisten müsse – freiwillig dürfe dies aber sehr wohl geschehen. Frankreich war übrigens sehr dafür, Griechenland zu helfen, schließlich war die Mehrzahl der Gläubigerbanken Griechenlands französisch.
Die deutsche Selbstentmachtung
Unterdessen rieben sich einige Finanzmarktspekulanten die Hände, als Griechenland im Oktober 2009 das Haushaltsdefizit auf sage und schreibe 13 % nach oben korrigierte. Sie hatten auf einen fallenden Euro gewettet und bereits fleißig Gerüchte gestreut. Die Medien setzten in den Chor mit ein, sodass der Bailout Griechenlands zur selbsterfüllenden Prophezeiung wurde. Nach schier endlosen Debatten beugte sich Merkel dem politischen Druck und stimmte dem Euro-Rettungspaket zu. Es gäbe keine Alternative zur finanziellen Hilfe für Griechenland, hieß es. Doch das war nicht richtig. Zum einen war der Staat seit 1830 bereits fünfmal bankrottgegangen. Bei einem weiteren Mal hätten nur wieder seine – zumeist französischen – Gläubiger das Nachsehen gehabt. Die Rettung Griechenlands durch die EU-Mitglieder belastete dagegen die gesamte Gemeinschaft, vor allem jedoch Deutschland als größte EU-Volkswirtschaft.
„Der Hauptgrund für den Zerfall der Vertragsmoral, auf den der Zerfall des Euro folgen wird, liegt in der Inkompatibilität der verschiedenen Wirtschaftssysteme und -temperamente.“
Die deutschen Politiker haben sich im Zuge der Verhandlungen ganz und gar nicht mit Ruhm bekleckert. Angela Merkel zog sich zurück, anstatt für Deutschland zu kämpfen, und überließ den Franzosen das Feld. Sie ließ sich erpressen: Angeblich drohte Präsident Nicolas Sarkozy damit, Frankreich werde aus dem Euroraum austreten, wenn Deutschland den Rettungsplan Griechenlands nicht unterstütze. Warum hat Merkel nicht angemessen reagiert und laut über die Wiedereinführung der D-Mark nachgedacht? Der deutsche Steuerzahler wurde betrogen: An dem Rettungspaket in der Höhe von 750 Milliarden Euro wird vor allem er leiden.
Warum wir zwei Euros brauchen
Das Absurdeste an der ganzen Geschichte ist, dass die Griechenlandhilfe den Euro gar nicht stabilisiert hat. Die Finanzmärkte werteten das Paket vielmehr als Anzeichen der Schwäche. Dennoch kann der Euro gerettet werden – aber dafür muss er sich spalten. Die Deutschen würden dann dem Nord-Euro vorstehen, die Franzosen dem Süd-Euro. Man darf die Unterschiede zwischen den wirtschaftlichen Gegebenheiten in den einzelnen Ländern und den Mentalitäten der Menschen nicht leugnen, sondern muss sich ihnen stellen. Bleiben wir Freunde und Handelspartner, aber verhindern wir, dass Deutschland als Sparweltmeister immer der Dumme ist. Bei einer Spaltung könnten die Südländer sogar wieder auf Inflation setzen, um die Wirtschaft anzukurbeln. Auch logistisch wäre die Aufteilung der Eurozone zu bewerkstelligen. Man hat ja bereits die gute Arbeit der EZB und der Bundesbank bei der Einführung des Euro gesehen.