Rettet unser Geld!

Buch Rettet unser Geld!

Deutschland wird ausverkauft – Wie der Euro-Betrug unseren Wohlstand gefährdet

Heyne,


Rezension

Hans-Olaf Henkel musste einiges einstecken: In Talkshows angefeindet und lächerlich gemacht, wurde ihm auch schon die geistige Gesundheit abge­sprochen. Warum? Der einstige Euro-Befürworter und Angehörige der deutschen Wirtschaft­spromi­nenz kritisiert neuerdings scharf den Euro-Ret­tungss­chirm und befürwortet nicht nur eine Aufteilung der Währungsunion in zwei Lager, sondern denkt auch laut über die mögliche Wiedereinführung der D-Mark nach. In seinem Buch Rettet unser Geld! bündelt er seine Argumente. Doch die Art und Weise, wie er das tut, macht ihn erneut angreifbar: Anekdoten aus dem Fir­men­flugzeug, Treffen mit diesem und jenem hochrangi­gen Politiker, Name­drop­ping ohne Ende – Henkel hätte eine etwas seriösere Darstellung wählen müssen, um wirklich überzeugend zu sein. Für den Leser ist die Polemik aber immerhin eine amüsante Anregung, über die Währungspoli­tik der EU nachzu­denken. BooksInShort empfiehlt die Lektüre allen Euro-Befürwortern und -Gegnern, damit ihnen der Diskus­sion­sstoff nicht ausgeht.

Take-aways

  • Der Euro-Ret­tungss­chirm, der im Mai 2010 abgesegnet wurde, bricht geltendes Recht.
  • Die Maas­tricht-Kri­te­rien sind zwar streng, aber es passiert nichts, wenn ein Staat sie nicht erfüllt.
  • Bei den Ver­hand­lun­gen zur Rettung Griechen­lands haben sich EU-Poli­tiker gegen Deutschland verschworen; der deutsche Steuerzahler wurde betrogen.
  • In Deutschland wird Kritikern mit un­kon­ven­tionellen Meinungen ein Maulkorb verpasst.
  • Die Gemein­schaftswährung hat Deutschland einer Erpressung Frankreichs zu verdanken: Nur so stimmte Mitterrand der Wiedervere­ini­gung zu.
  • Ohne Theo Waigels Ver­hand­lungs­geschick hieße der Euro vielleicht ECU, und die EZB hätte ihren Sitz in Paris statt in Frankfurt.
  • Die No-Bailout-Klausel im EU-Vertrag soll eigentlich verhindern, dass die Schulden eines EU-Mit­glieds bei einem anderen eingetrieben werden können.
  • Brüssel setzte sich – unter kräftigem Lobbying Frankreichs – über diese Klausel hinweg, um den Euro-Ret­tungss­chirm aufzus­pan­nen.
  • Deutschland verliert: Es spart, während andere Länder das Geld ausgeben.
  • Die Eurozone muss gespalten werden: in den Nord-Euro unter der Führung Deutsch­lands und den Süd-Euro unter der Führung Frankreichs.
 

Zusammenfassung

Putsch, Untreue und Betrug in Euroland

Groß war die Euphorie im Zuge der Euro-Einführung. Doch das Blatt hat sich gewendet: Angesichts der Schuldenkrise des Eurostaates Griechen­land zeigt die Europäische Union ihr wahres Gesicht. Sie ist gar keine Wet­tbe­werb­s­ge­mein­schaft zur Förderung des Handels unter den Mitgliedern. Vielmehr ist sie zur Verteilungs­ge­mein­schaft mutiert, in der notorische Schulden­macher die Hand für die Euros der deutschen Steuerzahler aufhalten. Wie das passieren konnte?

  • Durch Putsch – nämlich den Bruch geltender Verträge.
  • Durch Untreue – nichts anderes ist das Ignorieren der Maas­tricht-Kri­te­rien.
  • Durch Betrug – so muss die Kon­spir­a­tion der beteiligten EU-Poli­tiker gegen Deutschland bezeichnet werden.

Die Maulkorb-Re­pub­lik

Eine ernsthafte Debatte für oder gegen den Euro wird in Deutschland gar nicht erst zugelassen. Die prinzip­ielle Legitimität der noch jungen Währung gilt weithin als Tabuthema, der Verbleib in der Eurozone als al­ter­na­tiv­los. Jeder noch so vorsichtige Versuch, sie infrage zu stellen, wird mit der Moralkeule niedergeschla­gen. Tabubruch ist in Deutschland unerwünscht – das gilt nicht nur im Rahmen der Eurodebatte. Diskutanten werden öffentlich lächerlich gemacht, oder ihnen wird die Kompetenz abge­sprochen. Auch wenn sie in Wahrheit die Meinung der Mehrheit vertreten, werden sie bloßgestellt, wenn sich ihre Ansichten gegen die offiziell herrschende Moral richten. Sogar die Bundesbank wurde mundtot gemacht, als sie den Euro kritisierte.

Aufstieg und Fall der D-Mark

Die D-Mark, dieses Zeichen von Einheit und Stabilität, mussten die Deutschen gegen den Euro tauschen, der auf den ersten Blick das Einzige ist, was sie mit den anderen EU-Völkern gemeinsam haben. Die D-Mark war eine der härtesten Währungen der Welt. Einerseits ermöglichte sie billige Urlaub­sreisen und günstige Importe für die Deutschen. An­der­er­seits belastete der hohe D-Mark-Kurs jene Unternehmen, die ins Ausland ex­portierten, da ihre Waren wegen des Wech­selkurses in anderen Staaten zu teuer waren. Dies zwang die Deutschen, In­no­va­tio­nen auf den Markt zu bringen – wenn die deutschen Produkte schon kostspielig waren, mussten sie zumindest mit hoher Qualität punkten und technisch ausgefeilt sein. Der D-Mark ist es also z. T. zu verdanken, dass die deutsche Wirtschaft heute dort steht, wo sie steht.

„Heute sehe ich meinen Einsatz für den Euro als größte Fehleinschätzung meiner beruflichen Laufbahn.“

Die D-Mark wurde schließlich buchstäblich „abgewrackt“. Alles begann mit dem Fall der Berliner Mauer. Zu jener Zeit machte sich der französische Staatspräsident François Mitterrand Sorgen, dass die Wiedervere­ini­gung Deutsch­lands zu einer Dominanz der Deutschen in Europa führen würde. Heute weiß man, dass erst einmal das Gegenteil der Fall war: Die An­gliederung der DDR zog den Westen Deutsch­lands wirtschaftlich nach unten. Mitterrand wollte dem deutschen Bun­deskan­zler Helmut Kohl seine Zustimmung zur Wiedervere­ini­gung nur unter der Bedingung geben, dass der Euro eingeführt würde. Er hatte Angst vor der starken D-Mark und fühlte sich unterlegen. Bis dahin war für Bonn eine Währungsunion nur im Rahmen einer politischen Union infrage gekommen. Doch im April 1990 gab Deutschland diese Haltung auf und stimmte dem Euro zu.

„War die EU einst als eine Wet­tbe­werb­s­ge­mein­schaft konzipiert, wird sie nun zur Verteilungs­ge­mein­schaft, bei der es nur noch den einen Wettbewerb gibt – nämlich wer den anderen das meiste abknöpft.“

Der deutschen Industrie kam die Einheitswährung sehr gelegen. Durch die Währungsab­w­er­tun­gen der ausländischen Konkurrenz war sie immer weiter ins Hin­tertr­e­f­fen geraten. So hielten besonders die Italiener gerne ihre Lira schwach, um Exporte zu steigern. Die Bürger Deutsch­lands wurden erst gar nicht gefragt, ob sie den Euro haben wollten. Die Politik beschäftigte sich nicht mit der prinzip­iellen Entschei­dung für oder wider die Währungsunion, sondern nur damit, welche Länder mitmachen durften. Damit wurde die Aufmerk­samkeit der Öffentlichkeit von der eigentlich entschei­den­den Frage abgelenkt.

Der deutsche Prägestempel

Deutschland und Frankreich waren die großen Kon­tra­hen­ten bei den Ver­hand­lun­gen zur Einführung des Euro, wobei Deutschland darauf bedacht war, die Bedingungen für eine starke neue Währung zu schaffen. Als 1992 der Vertrag von Maastricht un­terze­ich­net wurde, schien es, als würde dies dank Fi­nanzmin­is­ter Waigel tatsächlich gelingen: Es war nicht allen Ländern erlaubt, der Währungsunion beizutreten; nur jene Staaten wurden aufgenommen, die die so genannten Kon­ver­gen­zkri­te­rien erfüllten – Neu­ver­schul­dung kleiner als 3 % jährlich und ein Gesamtschulden­stand von weniger als 60 % des Brut­toin­land­spro­dukts.

„Die D-Mark war mehr als ein Zahlungsmit­tel – sie war Symbol für die Einheit unseres Volkes.“

Ein weiterer Erfolg Waigels: Die Europäische Zentralbank (EZB) würde unabhängig bleiben und nicht – wie es die Franzosen gewohnt waren – dem politischen Einfluss ausgesetzt sein. Ohne Waigels Ver­hand­lungs­geschick hätte die Gemein­schaftswährung vielleicht den Namen ECU statt Euro bekommen, und die EZB hätte ihren Sitz in Paris anstatt in Frankfurt. Doch all diese Erfolge trösten nicht über den Verlust der D-Mark hinweg. Deutschland musste schließlich schmerzlich erfahren, dass Weichwährungsländer wie Griechen­land alles daran setzen würden, im Klub der Großen mitspielen zu dürfen.

„Die D-Mark stand nicht nur für den Erfolg unserer Wirtschaft, sie löste ihn ursächlich mit aus.“

Deutschland hatte auf der so genannten No-Bailout-Klausel im EU-Vertrag bestanden. Diese Klausel sollte verhindern, dass die Schulden eines Mit­gliedsstaates bei einem anderen EU-Mitglied eingetrieben werden können. Für Deutschland war dies eine entschei­dende Auflage des Vertrages, ohne die das Land niemals zugestimmt hätte.

„Das De­fiz­itver­fahren von 2002/03 und seine unrühmliche Abbügelung stellten für mich den ersten Sprung in der Euro-Schüssel dar. Der zweite erfolgte durch Griechen­land.“

Langsam begannen sich die einzelnen Staaten für die Euro-Einführung fit zu machen. Sogar Italien unterzog sich unter seinem Ministerpräsidenten Romano Prodi einer Rosskur, bestehend aus Steuererhöhung und Haushaltssanierung, um die Maas­tricht-Kri­te­rien zu erfüllen. Doch leider währte die neue Genügsamkeit nur kurz. Nachdem die Teilnehmerländer ausgewählt und die Wech­selkurse bestimmt worden waren, kri­tisierten einige südliche Länder bereits die strengen Kriterien. Streng waren sie in der Tat – das galt allerdings nicht für die Überwachung ihrer Einhaltung. Die Währungshüter setzten ver­heeren­der­weise den guten Willen der Mitgliedsländer voraus. Um ein Sank­tionsver­fahren gegen einen Staat in die Wege zu leiten, musste die Mehrheit des Euro-Min­is­ter­rates dafür sein – ein schwierig zu überwinden­des Hindernis angesichts der Tatsache, dass der Ministerrat aus poten­ziellen Sündern bestand.

Als die Dämme brachen

Deutschland war leider keine Ausnahme. Im Juli 2002 war klar, dass der frühere Musterschüler dank der rot-grünen Regierung erneut eine Neu­ver­schul­dung von mehr als 3 % ausweisen würde. Eine Finanzkrise oder Naturkatas­tro­phe konnte Fi­nanzmin­is­ter Hans Eichel nicht als Ausrede benutzen. Also endlich sparen? Weit gefehlt; es standen Wahlen an, da wollte man das Stimmvolk nicht verun­sich­ern. Frankreich hielt sich derweil genauso wenig an die Kon­ver­gen­zkri­te­rien. Was passierte? Nichts! Das Sank­tionsver­fahren gegen die beiden Euroriesen wurde in den ersten zwei Jahren, in denen die Bürger tatsächlich mit Euromünzen bezahlten, gestoppt.

„Die Griechen hatte man schon deshalb nicht auf der Rechnung gehabt, weil sie auf der europäischen Wirtschaft­sran­gliste nur als Zwerg rangierten. Wie sich zeigte, können auch Zwerge Riesen­schulden machen.“

Eine weitere unheilvolle Entschei­dung war die Aufnahme Griechen­lands in die Eurozone im Jahr 2000. Sie beruhte auf gefälschten volk­swirtschaftlichen Daten, die Griechen­land an Brüssel übermittelte, und wurde nicht zuletzt deshalb durchge­setzt, weil Jacques Chirac und Gerhard Schröder politischen Druck ausübten. Noch wusste niemand, dass das ökonomische Le­icht­gewicht Griechen­land sich in einigen Jahren als Schmetter­ling entpuppen und mit einem Flügelschlag einen Orkan auslösen würde. Vor dem Euro waren die Zinsen, die ein Land für Staat­san­lei­hen zu bezahlen hatte, eng an die Stabilität seiner Volk­swirtschaft gekoppelt gewesen. Nun konnte sich Griechen­land aber mit billigem Geld eindecken – ein Privileg, das dem Staat mit der Drachme niemals zugestanden hätte. Die Griechen gaben das Geld mit vollen Händen aus, vergaßen dabei aber notwendige struk­turelle Reformen. Zudem war es ihnen nun nicht mehr möglich, die eigene Währung zur Stärkung der Wet­tbe­werbsfähigkeit einfach abzuwerten.

„An jenem Maitag 2010 in Brüssel ist es zu einem Putsch gegen herrschen­des Recht, einer Untreue gegen den deutschen Staat und einem fi­nanziellen Betrug am deutschen Steuerzahler gekommen.“

Während Europa noch versuchte, die Finanz- und Wirtschaft­skrise ab 2007 hinter sich zu lassen, kam prompt der Notruf Griechen­lands: Man brauche Liquidität, sonst stehe der Staats­bankrott vor der Tür. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel wurde für ihre erste Reaktion, die Griechen aus Euroland hin­auswer­fen zu wollen, als eu­ropafeindlich und egoistisch kritisiert. Der Chef der EZB, Jean-Claude Trichet, klärte Deutschland auf: Die No-Bailout-Klausel besage lediglich, dass kein EU-Staat einem anderen Unterstützung leisten müsse – freiwillig dürfe dies aber sehr wohl geschehen. Frankreich war übrigens sehr dafür, Griechen­land zu helfen, schließlich war die Mehrzahl der Gläubiger­banken Griechen­lands französisch.

Die deutsche Selb­stent­mach­tung

Unterdessen rieben sich einige Fi­nanz­mark­t­speku­lanten die Hände, als Griechen­land im Oktober 2009 das Haushalts­de­fizit auf sage und schreibe 13 % nach oben korrigierte. Sie hatten auf einen fallenden Euro gewettet und bereits fleißig Gerüchte gestreut. Die Medien setzten in den Chor mit ein, sodass der Bailout Griechen­lands zur selbsterfüllenden Prophezeiung wurde. Nach schier endlosen Debatten beugte sich Merkel dem politischen Druck und stimmte dem Euro-Ret­tungspaket zu. Es gäbe keine Alternative zur fi­nanziellen Hilfe für Griechen­land, hieß es. Doch das war nicht richtig. Zum einen war der Staat seit 1830 bereits fünfmal bankrottge­gan­gen. Bei einem weiteren Mal hätten nur wieder seine – zumeist französischen – Gläubiger das Nachsehen gehabt. Die Rettung Griechen­lands durch die EU-Mit­glieder belastete dagegen die gesamte Gemein­schaft, vor allem jedoch Deutschland als größte EU-Volk­swirtschaft.

„Der Hauptgrund für den Zerfall der Ver­tragsmoral, auf den der Zerfall des Euro folgen wird, liegt in der Inkom­pat­i­bilität der ver­schiede­nen Wirtschaftssys­teme und -tem­pera­mente.“

Die deutschen Politiker haben sich im Zuge der Ver­hand­lun­gen ganz und gar nicht mit Ruhm bekleckert. Angela Merkel zog sich zurück, anstatt für Deutschland zu kämpfen, und überließ den Franzosen das Feld. Sie ließ sich erpressen: Angeblich drohte Präsident Nicolas Sarkozy damit, Frankreich werde aus dem Euroraum austreten, wenn Deutschland den Ret­tungs­plan Griechen­lands nicht unterstütze. Warum hat Merkel nicht angemessen reagiert und laut über die Wiedereinführung der D-Mark nachgedacht? Der deutsche Steuerzahler wurde betrogen: An dem Ret­tungspaket in der Höhe von 750 Milliarden Euro wird vor allem er leiden.

Warum wir zwei Euros brauchen

Das Absurdeste an der ganzen Geschichte ist, dass die Griechen­land­hilfe den Euro gar nicht sta­bil­isiert hat. Die Finanzmärkte werteten das Paket vielmehr als Anzeichen der Schwäche. Dennoch kann der Euro gerettet werden – aber dafür muss er sich spalten. Die Deutschen würden dann dem Nord-Euro vorstehen, die Franzosen dem Süd-Euro. Man darf die Un­ter­schiede zwischen den wirtschaftlichen Gegeben­heiten in den einzelnen Ländern und den Mentalitäten der Menschen nicht leugnen, sondern muss sich ihnen stellen. Bleiben wir Freunde und Han­delspart­ner, aber verhindern wir, dass Deutschland als Spar­welt­meis­ter immer der Dumme ist. Bei einer Spaltung könnten die Südländer sogar wieder auf Inflation setzen, um die Wirtschaft anzukurbeln. Auch logistisch wäre die Aufteilung der Eurozone zu be­w­erk­stel­li­gen. Man hat ja bereits die gute Arbeit der EZB und der Bundesbank bei der Einführung des Euro gesehen.

Über den Autor

Hans-Olaf Henkel ist ehemaliger Chef von IBM Deutschland und früherer Präsident des Bun­desver­bands der Deutschen Industrie (BDI). Er sitzt in mehreren Aufsichtsräten und lehrt als Hon­o­rarpro­fes­sor an der Universität Mannheim.